Dies ist Teil 1 unseres ausführlichen Interviews mit Samy Deluxe, das im April 2010 in Hamburg entstand. Hier geht es zu Teil 2 und hier zu Teil 3.
Samy, ist es schwieriger geworden vom Rappen allein zu leben?
Deluxe: Also, als Fakt gemeingesellschaftlich gesehen kann man das so sagen, ja. Aber ich persönlich hab seit etwa 15, 16 Jahren mit nichts Anderem Geld verdient. Ich leb ok so.
Generell kann man feststellen, dass die Mittelschicht ein bisschen weggebrochen ist. Gruppen, die früher tauend Platten verkauft haben, verkaufen heute immer noch tausend und diejenigen, die früher so wie ich hundert- oder zweihunderttausend verkauft haben, verkaufen immer noch fünfzig- bis hunderttausend. Aber die Mittelschicht, Leute wie früher Illo… Anfang 2000 konnte man als Underground-Act immer noch dreißig- bis vierzigtausend Platten verkaufen, wenn du einen Song hattest, der ein bisschen Aufmerksamkeit gekriegt hat. Aber das ist zurückgegangen. Mit Newcomer-Acts ist es heute so – das war auch der Grund, warum ich mein Label erstmal runtergefahren habe -: egal wie viel Arbeit du reinsteckst, du verkaufst von einem Newcomer, der nicht unglaublich viel Hype um sich herum aufgebaut hat, mit den Mitteln, die man hat, vielleicht zwei- bis dreitausend. Also, es ist schon sehr zurückgegangen in der letzten Zeit, allerdings bin ich zum Glück in der Position, dass ich so viele Platten verkauft habe, dass selbst weniger immer noch viel ist.
Hinter dem Rückgang steht sicher zum Teil auch, dass Jugendliche sich viel Musik kostenlos besorgen. Ist es nicht eigentlich bedauerlich, dass es da gerade HipHopper trifft, die mit ihrer Musik und ihren Texten oft sehr nah an ihrem Publikum, nah an der Lebenswelt junger Menschen sind?
Deluxe: Ja, manchmal kann ein Vorteil auch zum Nachteil werden. Wenn du einerseits eine sehr junge Zielgruppe hast, die andererseits aber einfach mal die internetaffinste Zielgruppe von allen ist… Aber ich bin trotzdem froh, dass ich so ’ne junge Zielgruppe hab und auch aus der Szene komm. Ich hab es oft bei Pop-Acts gesehen, wenn dir da der Hit fehlt, dann ist dort niemand da für dich. Dagegen bei HipHop, wenn man aus so einem Subkulturding kommt, wo es eine Szene gibt – das gibt einem schon noch einen gewissen Halt. Man ist nicht nur von den Charts abhängig, sondern es sind auch ein paar Leute, die wirklich jeden Tag auf den bestimmten HipHop-affinen Websites Berichterstattung tätigen, das checken die Kids auch.
Also, du ärgerst dich nicht über dein Publikum…
Deluxe: Ich könnte natürlich auch sagen, es wäre richtig geil, ein 60-jähriges Publikum zu haben, weil die sich das zuhause nicht downloaden können. Andererseits weiß ich nicht, ob dann die Konzerte so spannend wären. Also, man muss es so nehmen, wie e kommt. Schade ist es allemal, dass Sachen sich weniger verkaufen, nicht nur für die persönlichen Bereicherungsmöglichkeiten, die für Rapper dann teilweise ausbleiben, sondern auch für den Nachwuchs. Ich hab gerade einen jungen Kollegen, der auch Rapper ist, der ein bisschen Praktikum bei mir im Studio macht und der mir erzählte, dass er als Teenager immer den Gedanken hatte: „Cool, vielleicht bin ich auch irgendwann mal Rapper bei Deluxe Records oder Optik Records von Kool Savas, oder Bozz Records von Azad.“ Das waren die drei Rapper-geführten Labels, die es so gab und ich glaube, das hat den Kids irgendwie Inspiration und Hoffnung gegeben. So ist es halt schade, dass es sich gerade bei den drei Labels, die wirklich von Rappern gemacht wurden, finanziell über die Zeit nicht trägt.
Hast du mal versucht, den jugendlichen Fans diese Problematik bewusst zu machen?
Deluxe: Ich glaube, man kann das Problem nicht wirklich in den Griff kriegen, indem man jetzt… Also, das ist wie, wenn du irgendwo hingehst, wo viele Leute arm sind und Drogen nehmen, und denen sagst: „Ey Drogen nehmen ist doch voll schlecht und klauen ist schlecht.“
Ich glaube, wenn man versucht diesen Downloadwahn einzugrenzen, sich stark dagegen macht, dann macht man sich auch auf gewisse Weise unbeliebt. Es ist ja jetzt nicht so, dass ich nicht verstehe, warum die jungen Leute das machen. Nur komme ich selbst noch aus einer Zeit, wo das anders war. Wenn ich Musik mag, einen Künstler mag, dann will ich den Tonträger von dem haben und will wissen: Wie sieht sein Artwork aus, wen grüßt er in seinem Booklet, wer hat die Songs produziert, wie viel Input packt er überhaupt in das Gesamtpaket? Früher bei Redman zum Beispiel, der hat immer so geile Gesamtkonzepte gemacht, jedes Cover von Redman ist es wert, an die Wand gehängt zu werden. Weil er den Film, den er mit seiner Musik fährt, auch optisch total umsetzen kann. So was ist mir wichtig, deshalb kauf ich mir auch den Tonträger. Ich hab viele meiner Lieblingsplatten zweimal auf Vinyl und dreimal auf CD weil ich diese dann auch gerne mal verlegt habe und im Auto nicht Platte hören kann…
Also, ich würde es selbst nicht so machen, aber verstehe schon, warum Jugendliche es so machen mit dem Download. Warum soll man 18 Euro für ein Album ausgeben wenn es dir wirklich nur um die Musik geht und nicht darum, den Künstler zu unterstützen? Wenn du es auch irgendwo kostenlos von einem Freund gebrannt kriegst, auf irgendeinem Stick oder per Bluetooth …
Haben Konzerte durch diese Entwicklung für dich eine höhere Relevanz bekommen? Auf deiner Live-CD „Dis wo ich herkomm“ bist du mit großer Band zu hören – konzentrierst du dich jetzt mehr auf live, weil beim Tonträgermarkt etwas weggebrochen ist?
Deluxe: Also, wenn ich mehr Geld verdienen wollen würde, dann wäre es auf jeden Fall der schlauere Schritt gewesen, sich weniger Leute auf die Bühne zu holen. Wenn du aber von einem DJ auf plötzlich sechs Musiker und Sängerin umsteigst, bedeutet das einen technischen Mehraufwand, du musst zehn Leute mehr bezahlen und ich hab weniger für mich übrig, das ist eigentlich genau das Gegenteil.
Es war eher so, dass das Album „Diss wo ich herkomm“ das erste Album war, wo es wirklich Sinn gemacht hat, das auch als Live-Album rauszubringen. Durch die Band unterscheidet sich das Live-Album auch extrem von der Studio-Version. Wir hatten im März 2009 den ersten Auftritt damit und das Album wurde am 06. Dezember beim Konzert in Hamburg aufgenommen. Das heißt, wir hatten knapp ein ganzes Jahr, um an dem Sound zu arbeiten und so klingt das Live-Album nun wirklich anders als das Studioalbum.
Bei Rap ging es in vielen Debatten der letzten Jahre immer wieder um die Auswirkung von Texten auf die jungen Hörer, um die Vorbildfunktion der Musiker. Wann wurde dir das erste Mal bewusst, dass dich Jugendliche tatsächlich als Vorbild sehen?
Deluxe: Also, ich hab es schon früh mitgekriegt. In dem Moment, wo du in die Öffentlichkeit trittst und nicht komplett der Saubermann bist, bekommt man das mit. Die ersten Jahre, muss ich ehrlich gestehen, war es mir ziemlich egal. Es gibt ja auch genügend Argumente, sich dagegen zu wehren so, dass einem diese Vorbildfunktion so auferlegt wird.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Bushido und Konsorten Mitte 30 oder mit 40 noch sagen: Das ist richtig cool, was ich früher gemacht habe.
Wie meinst du das?
Deluxe: Naja, nehmen wir das schöne Beispiel Arnold Schwarzenegger, der hat pro Film sagen wir 150 Leute umgebracht, als Terminator oder Predator oder irgendwas – das ist natürlich nur fiktiv. Aber alles was ich so sage, auch wenn‘s eine Übertreibung oder ein Wortwitz ist, nehmen die Leute als bare Münze. Dagegen habe ich mich lange gewehrt. Mit der Zeit habe ich aber auch gesehen – vor allem als dann mein eigener Sohn da war – welche Auswirkungen es gab. Wenn Jugendliche so was sagen wie „Ey, ich weiß noch genau, als „Grüne Brille“ rauskam, haben wir alle zusammen angefangen zu kiffen.“ Und du denkst dann: Scheiße, das ist auf keinen Fall das Statement was man jetzt hören will! Man hätte ja gedacht, man animiert die zum Rappen oder dazu, mehr über das Leben und das System nachzudenken. In Wirklichkeit war es aber das Leichteste, sich da rauszuziehen: „Cool, Samy kifft, ich will auch kiffen.“
Und, hat dich das zum Umdenken bewegt?
Deluxe: Es hat danach immer noch ein paar Jahre gedauert, bis die Musik sich dem so richtig angepasst hat. Ich will mich eben auch nicht komplett als Sklave der Öffentlichkeit fühlen und nur noch Sachen tun, wo ich denke, dass sie einen positiven Einfluss haben. Manchmal muss man eben auch man selbst sein oder sagen was man denkt.
Ich sehe aber auch, dass es in den letzten Jahren Entwicklungen im deutschen Rap gab, wo die Kids sicht jetzt noch viel schlimmere Sachen aus den neuen Texten rausziehen können, als früher bei mir. Von uns hat damals keiner über Koks geredet, das ist ja heute schon Standard. Koks, Gewalt, kriminelle Alternativwege, die einem aufgezeigt werden – das sind Dinge, wo ich für mich gedacht habe: Nee das kann man so nicht machen. Als Erwachsener musst du auch ein bisschen mehr zu dieser Verantwortung stehen. Man hat sie sich nicht ausgesucht, man hat nicht gesagt „ich möchte gerne Künstler werden und total viel Verantwortung haben“, aber wenn man sie dann nun mal hat, muss man auch versuchen, so gut wie möglich mit ihr umzugehen. Das bedeutet ja nicht, dass man dann komplett so tut wie ein Boygroup-Typ, als wäre man der perfekte Mensch, der nichts falsch macht. Sondern das heißt einfach, ehrlich mit solchen Sachen umgehen und über die Themen, mit denen sich die Jugendlichen und andere Menschen beschäftigen, intensiv zu reden. Das habe ich gemacht, ich habe auch ein Buch geschrieben…
…unter dem Titel „Dis wo ich herkomm – Deutschland deluxe“…
Deluxe: Ja, wo ich noch mal viel detaillierter über diese ganzen Dinge von Erfolg über Erwachsenwerden bis Cannabiskonsum geredet habe. Ich denke, das ist auch das Einzige, was man versuchen kann: dieses ehrliche Ding. Ich glaube, das ist vielen in unserer Gesellschaft verloren gegangen. Entweder man ist total anti oder man ist totaler Moralapostel. Dabei glaube ich, dass ganz viele Leute sowohl gut als auch böse in sich tragen. Das ist was ganz Normales, Menschliches.
Nochmal zum Thema Verantwortung – du würdest also sagen, als Rapper hat man ab einer gewissen Größe Verantwortung?
Deluxe: Also, nicht nur als Rapper. Das stört mich übrigens auch, dass immer alles bei den Rappern hängen bleibt. Sobald es bei einem Rapkonzert eine Prügelei gibt, ist der Rap dran Schuld. Aber wenn ich dir jetzt Statistiken besorge, die belegen, dass 99 Prozent aller Fußballspiele zu Gewalt führen, wenn ich dann auf die Straße gehe und sage „Fußball führt zu Gewalt“, dann bin ich in dem Moment bestimmt der unbeliebteste Mensch auf der Welt
Also, dieses „Rap führt zu Gewalt“ kann ich nicht so ganz akzeptieren. Ich kann ja auch nicht meinen Bereich komplett abändern wenn der Rest der Gesellschaft so weitermacht wie bisher. Ich bin immer noch der Meinung, dass 99% von dem was den ganzen Tag im Fernsehen läuft, viel schlimmer ist, als die paar Rapvideos. Zum Beispiel diese Talkshows, die Menschen zeigen, über die sich eigentlich nur lustig gemacht wird, Hartz4-Empfänger, dicke Menschen… Ich finde, in der Fernsehkultur, die wir haben, passiert so viel Negatives, ich würde jetzt echt nicht versuchen immer alles auf den Rap zu schieben.
Aber wenn wir trotzdem einmal beim Rap bleiben…
Deluxe: Es ist schon ein Faktor, der die Jugend extrem anspricht. Und ich würde mir von vielen Rappern heutzutage schon mehr… zumindest mehr Transparenz wünschen. Die sollen jetzt nicht all ihre Texte umschreiben, aber zumindest sollen sie sagen, was sie wirklich damit meinen. Ist es wirklich so geil, jeden Tag zu kiffen, zu koksen, irgendwelche Mädels zu gangbangen…? Dann erzähl doch wenigstens mal die andere Seite. So wie Jay Z zum Beispiel, der hat eine Karriere vom Crack-Dealer zum Musikmogul gemacht und trotzdem hat er es immer geschafft – anders als viele deutsche Rapper – auch die negative Seite von diesem Drogenhandel zu zeigen. Er erzählt, dass er weiß, dass er viele Leute in seinem Viertel kaputt gemacht hat, dass es sein Herz und seine Seele getrübt hat über die Jahre – die ganzen Sachen, die halt dazu kommen, wenn man sich auf diese illegale Welt so einlässt so.
Ich finde, gerade was den Straßenrap und Gangsterrap in Deutschland angeht, gibt es immer nur diese negative Seite, die einen dann total beeinflussen kann und die nie irgendwas wirklich Aufklärendes hat.
Und warum? Warum bieten diese Rapper nichts Aufklärendes, stellen sich nicht der Verantwortung, die du erwähntest?
Deluxe: Es ist eben einfacher, sich von der Realität zu entfernen. Die meisten Rapper machen ja nicht wie ich jede Woche Workshops in Schulen, vielleicht sehen die gar nicht so genau, was das für Auswirkungen hat, was sie machen. Oder sie sind selbst so aufgewachsen, dass bei denen Gewalt im Alltag einfach eh schon viel mehr präsent war, so dass es sie jetzt auch nicht mehr wundert, dass überall, wo sie dann auftreten, auch Prügeleien stattfinden.
Ich bekomme ja mit, was bei anderen Rappern geht, wie deren Konzerte ablaufen. Und es ist natürlich schon so: je aggressiver man da auftritt, dementsprechend ist dann auch das Publikum. Nicht das ganze Publikum, zu vielen Gangsterrappern kommen ja auch die ganzen Vorstadtkiddies, die das total toll und spannend finden. Aber trotzdem, wenn man was Negatives macht, zieht das natürlich auch das ganze negative Ding an.
Vielleicht wissen die Rapper das nicht, vielleicht ist es ihnen auch egal – aber ich glaube, in ein paar Jahren werden die das auch anders sehen. Ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass Bushido und Konsorten, dass die mit Mitte 30 oder mit 40 noch sagen, „das ist richtig cool, was ich früher gemacht habe.“ Ich denke, die werden sich freuen, dass sie ihr Geld gemacht haben, das gönn’ ich denen auch alles, aber ich glaube nicht, dass man so viele Sachen machen kann auf anderer Leute Kosten und dann am Ende richtig glücklich mit sich selbst ist. Oder man muss extrem unreflektiert sein – dann geht das vielleicht.
Aber es besteht ja eben auch eine Nachfrage nach dieser Art von Rap.
Deluxe: Ja, auf der einen Seite gibt es Leute, die einfach von dieser Welt fasziniert sind – ich guck’ ja auch gerne einen Gangsterfilm, wenn er geil gemacht und der Plot super ist, das interessiert einen ja, diese Welt. Der andere Teil sind dann halt Leute, die sich damit identifizieren, die halt wirklich denken, dass das jetzt der Soundtrack zu ihrem Leben ist. Davon gibt es auch immer mehr, weil eben immer mehr Kids in Deutschland in Bezirken aufwachsen, wo sie nicht viele Alternativen zu illegalen Lebensstilen sehen.
Wo der Meisterverdienende eben ein Drogenhändler oder ein Zuhälter ist und nicht Investmentbanker, nicht Steuerberater oder Arzt.
Das heißt, man hat irgendwann gesehen, dass Gangsterrap in bestimmten Gegenden, bei bestimmten Jugendlichen gut funktioniert – und deswegen produziert man das munter weiter?
Deluxe: Also ich finde, es ist schon eine deutliche Rückentwicklung zu sehen. Vor ein paar Jahren gab es neben Bushido und dem ganzen Aggro Berlin-Kram noch mindestens zehn neue Rapper, die wirklich auch gut verkauft haben, deren neues Album sich eben mal vierzig- bis fünfzigtausend mal verkauft hat.
Aber aktuell hab ich da von keinem mehr gehört, der so richtig was reißt. Es gibt zwar überall diese ganzen Crews, aber das meiste von dem findet mittlerweile im Internet statt. Ich glaube, wenn man jetzt in die deutschen Charts von heute gucken würde, dann ist da nicht besonders viel Gangsterrap vertreten. Natürlich ist es für die Leute online alles nachvollziehbar und greifbar, aber ich glaube, wenn das jetzt noch ein paar Jahre so bleibt, dass die Leute das einfach nicht kommerziell unterstützen, dann wird das bei den Leuten irgendwann auch wieder ein bisschen aus dem Kopf verschwinden, dass das eine Möglichkeit ist, Geld zu verdienen. Das ist ja das wirklich Schlimme daran, dass diese Rapper mit einer anderen Leidenschaft da rangegangen sind als wir alle, die davor kamen. Für mich gab es in den ersten Jahren nie diesen Anspruch, das als Job zu machen, weil ich ja auch niemanden kannte, dessen Job das war. Ich wusste nur, dass ich es einfach durchziehen muss, dass das mein Hobby und meine Leidenschaft ist. Ich glaube, wenn die Hauptmotivation das Geld und der Erfolg ist, dann ist es schon riskanter – und deshalb kann ich mir vorstellen, dass sich das in den nächsten Jahren wieder ein bisschen selbst regulieren wird.
Inhaltlich gesehen hat Gangsterrap ja meist nicht so viel zu bieten. Es geht häufig nur darum, der Größte zu sein, der Coolste oder der Reichste…
Deluxe: Naja, das sind aber schon Themen, die viele kleine Kids in irgendwelchen Nachbarschaften, die nicht so viele Chancen in ihrem Leben sehen… Für die ist es das Allergrößte, für einen Tag mal so ein harter Gangstertyp zu sein, die reden sich das dann alles so im Kopf zurecht: „Ja, ich wär’ auch total glücklich, wenn ich mal mit zwei Frauen auf einmal schlafen und ’nen Mercedes fahren könnte“. Das ist eben das Ding in unserer Gesellschaft, dass wir immer so viel vorgelebt kriegen und eigentlich kannst du erst entscheiden, ob du es wirklich brauchst, wenn du es einmal hast oder hattest.
Was natürlich auch noch dazukommt: Es ist ja nicht nur so, dass jemand Gangsterrap aufnimmt und Tausende von Leuten kaufen das einfach so. Sondern das wird ja beworben, da ist es einem großen Teil der Industrie anscheinend egal, was für Inhalte durch die Musik vermittelt werden, so lange man damit Geld verdient. Und, was mich vor allem angepisst hat, sind auch die Medien. Selbst irgendwelche Journalisten der Süddeutschen Zeitung, die alle sagen, sie fänden das total schlimm was Bushido macht – aber jedes mal wenn ich in den letzten Jahren mal eine SZ in der Hand hatte, war da eine große Doppelseite über ihn. Auch wenn der Ton, in dem die über ihn reden… auch wenn die sich so schlau fühlen und denken „Ha, jetzt haben wir ihm voll einen reingedrückt“ oder „jetzt hab ich den total cool rezensiert und total kritisiert“ – in Wirklichkeit haben sie ihm nur ’ne riesige Presse und somit eine Promoplattform gegeben, am Ende haben die ihm alle nur Geld gemacht. Also, sich mit ’ner Hundertschaft drauf zu stürzen, wenn man irgendwas extrem schlecht findet, um das dann hochzuhalten – dann interessiert es doch noch viel mehr Leute. Dann lieber gar nicht beachten und hoffen, dass es wieder verschwindet. Das wäre eigentlich die schlaue Variante.