Jacob Matschenz

Gefühle haben keinen Lichtschalter.

Jacob Matschenz über seine Rolle als Zivi Christian im Film „Renn, wenn du kannst“, Freundschaft, seine schwierige Schulzeit und seinen Beruf

Jacob Matschenz

© Zorro Film

Jacob, in Dietrich Brüggemanns „Renn, wenn du kannst“ freunden sich Benjamin, der im Rollstuhl sitzt und sein Zivi Christian an. Du spielst den Christian in Film. Was zeichnet für dich Freundschaften aus?
Matschenz: Die typischen Eigenschaften, die mit Freundschaft zusammenkommen sollten: Vertrauen und Loyalität.

Was ist das schwierige an Freundschaften zwischen Jungs und Mädchen?
Matschenz: Sobald die Liebe dazukommt, wird es kompliziert. Aber eigentlich mache ich da keine Unterschiede.

In „Renn, wenn du kannst“ verliebt sich Christian in Annika, für die auch Benjamin schwärmt. Das stellt deren Freundschaft auf eine harte Probe…
Matschenz: Rational kann man so was gut abhaken, was Benjamin auch versucht, aber Gefühle haben keinen Lichtschalter. Von daher kann man den anderen hassen, weil man das Gefühl mit sich trägt, hintergangen worden zu sein. Das macht es aber nicht einfacher. Jeder, der mal unglücklich verliebt war, weiß um was es da geht. Natürlich leidet jeder darunter.

Während Benjamin Annika aus der Ferne bewundert, geht Christian recht offensiv auf sie zu. Dein Christian, was ist er für ein Typ?
Matschenz: Er hat ein gesundes Selbstbewusstsein. Er ist nicht der wahnsinnige Aufreißer, macht aber auch keinen Hehl aus seinem Interesse.

Wie nahe ist dir Christian?
Matschenz: Da ich ihn gespielt habe, ist er mir nahe. Aber ich bin sicher nicht so stringent in meiner Lebensplanung, dass ich wüsste auf meinen Zivi folgt mein Doktor. Ich bin ganz sicher nicht so gradlinig.

Die Beziehung von Christian und Benjamin ist auch geprägt von Benjamins Erfahrung, dass ihn seine Zivis nur temporär begleiten und dann wieder verlassen. Wie hast du dich auf deine Rolle vorbereitet?
Matschenz: Ich habe einige Zeit in einem betreuten Wohnen verbracht und dabei bemerkt, dass es für mich unheimlich schwierig ist, damit umzugehen. Es ging mir wirklich extrem an die Nieren. Ich glaube ich könnte das nicht. Ben sagt auch im Film, dass für ihn dieses Mitleidsding am schwierigsten ist. Ich erinnere mich an eine Toleranz-Initiative, in der die Kamera die Perspektive eines kleinen Menschen übernimmt, in der also die von ihm Betrachteten auf ihn runterblicken. Du denkst es ist ein Kind, das alle mitleidig anschauen, aber am Ende wird die Szenerie aufgelöst und ein Rollstuhlfahrer sichtbar. Sobald du beeinträchtigt bist, wirst du so angestarrt. Ich hatte eine ähnliche Erfahrung bei den Vorbereitungen zu meinem Film „Neandertal“ (Anm. d. Red.: Matschenz spielt einen an Neurodermitis erkrankten Jungen.), als ich mit einer Maske durch Köln fuhr: Die Leute schauen dich anders an, du hast eine andere Wirkung. Sobald du dich mit einem Handicap von der Masse unterscheidest bist du dem mitleidigen Blick ausgesetzt. Deshalb kann ich Bens schwieriges Wesen auch nachvollziehen.

Regisseur Dietrich Brüggemann und seine Schwester Anna, die die Annika spielt, haben das Drehbuch zum Film gemeinsam geschrieben. Dennoch, wie war es für dich, mit der Schwester des Regisseurs im Bett zu liegen? Hast du dir darüber Gedanken gemacht?
Matschenz: Habe ich auch kurz überlegt… Aber ich habe selber eine Schwester und die hat auch einen Freund. Für mich war es kein Problem. Da müssten wir Dietrich fragen. Hätte es den beiden nicht gepasst, hätten sie es nicht ins Drehbuch schreiben dürfen.

Du konntest in deiner jungen Karriere schon einige Auszeichnungen wie den Max-Ophüls-Preis als „Bester Nachwuchsdarsteller“ oder den Adolf-Grimme-Preis einheimsen. In der Berlinale-Sektion „Perspektive Deutsches Kino“ bist du mit deinen Filmen Stammgast. Ist deshalb davon auszugehen ist, dass irgendwann der nächste Karriereschritt folgen wird?
Jacob (lacht): Also ein Film im Berlinale-Wettbewerb?

Zitiert

Ich war sehr vorlaut und ein Pausenclown. Der Typ, der immer das letzte Wort haben musste. Leider.

Jacob Matschenz

Eher eine Rolle, die dir zum absoluten Durchbruch verhilft, eine Rolle mit der man dich assoziiert…
Matschenz: Da bin ich nicht so heiß drauf. Aber wenn es passiert, kommt es eben. Ich hetze keiner ganz großen Produktion hinterher, um besser wahrgenommen zu werden. Schauspieler müssen in einer abwartenden Haltung schauen, welche Bücher sie geschickt bekommen. Natürlich gehe ich auch regelmäßig zu solchen Castings, aber dort gibt es auch andere Schauspieler, die dann eine solche große Rolle bekommen.

Stichwort Type-Casting. Hast du das Gefühl auf eine bestimmte Rolle festgelegt zu sein?
Matschenz: Weiß ich nicht, ob mich Leute in einer bestimmten Rolle sehen… Ich bin auch nicht so, dass ich mich selbst als großartigen Künstler sehe, der die ganz großen, schweren Geschichten spielen will. Mir geht es darum, dass die gut sind. Ob die dann Mainstream oder Arthouse sind, entscheiden andere. Schön, wenn das dann Kunst ist. Allerdings bedeutet das auch, dass die keine Millionen ins Kino locken und im ZDF erst nach 22 Uhr ausgestrahlt werden.

Du hast den Schauspielberuf nicht in einer Ausbildung gelernt. Vermisst du das?
Matschenz: Ich habe das tatsächlich eine zeitlang vermisst und auch eigene Defizite bemerkt, wobei da nichts dabei ist, an dem ich nicht arbeiten könnte. Heute, mit 26, werde ich keine Schauspielschule mehr besuchen. Zum einen müsste ich mit meinem Alter tricksen und zum zweiten habe ich keine Lust mehr mich mit Lehrern auseinander zu setzen. Das hatte ich in der Schulzeit oft genug. Ich wüsste nicht, was der mir groß erzählen sollte.

Wie warst du als Schüler?
Matschenz: Bestimmt nicht angenehm. Ich war sehr vorlaut und ein Pausenclown. Der Typ, der immer das letzte Wort haben musste. Leider.

Du bedauerst das heute?
Matschenz: Ja. Das war nicht clever. Die Lehrer sitzen am längeren Hebel. Stellst du dich mit denen blöd an, läufst du auf. Ich hätte es sicher einfacher haben können, wenn ich mich da weniger blöd angestellt hätte.

Kommen auf Filmfestivals wie der Berlinale Produzenten oder Caster auf dich zu?
Matschenz: Es ist nicht so, dass die Leute direkt auf einen zukommen, sondern eher so, dass sie, wenn man später zusammenarbeitet, erzählen, mich in diesem oder jenem Film gesehen zu haben. Für mich sind Festivaltage aber durchaus aufregend, gerade wenn man das mit Kollegen gemeinsam „ausgepresste Kind“ dann auch zusammen sieht. Für mich ist es zu gleichen Teilen Arbeit und Spaß.

Gibt es eine Traumrolle für dich?
Matschenz: Robert Gwisdeks Benjamin-Rolle ist schon eine Traumrolle. Wobei, so wie er in gespielt hat, hätte ich ihn nie spielen können. Es wäre etwas ganz anderes. Das was er daraus gemacht hat ist wirklich großartig. Ich hätte den Benjamin auf Jacob Matschenz-Art gespielt. Aber das ist normal beim Film. Hätten vier verschiedene Regisseure das Drehbuch verfilmt, hätten wir als Ergebnis vier unterschiedliche Filme. Jeder interpretiert anders.

Du hast auch bei „Zwöf Meter ohne Kopf“ von Sven Taddicken mitgespielt, der – obwohl von den Kritikern hoch gelobt – irgendwie von der Bildfläche verschwand. Was ist da schiefgelaufen?
Matschenz: Ich bin kein Experte für den Markt, aber ich verstehe das auch nicht. Ein toller Film, mit tollen Darstellern und einem tollen Buch. Aber Erfolg lässt sich einfach nicht berechnen. Schuldzuweisungen helfen da auch nicht. Einige sehr gute Filme kommen erst später zur Geltung. Vielleicht passiert das „Zwöf Meter ohne Kopf“ auch noch, dass er auf DVD erscheint und noch zum totalen Kult wird.

Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic – welche Figur bist du?
Matschenz: Wolverine. Klare Sache. Ich bin ein Comic-Nerd. Der ist ne coole Sau. Dieser Healing-Factor… Rauchen, Saufen und deinem Körper passiert nichts. Er ist unverwüstlich.

1984 in Berlin geboren kommt Schauspieler Jacob Matschenz bereits mit 17 Jahren zum Film, als ihn Regisseur Jakob Hilpert 2001 für dessen Diplomfilm, die Tragikomödie „Kleine Kreise“ engagierte. Es folgten Rollen in Kino- und Fernsehfilmen und die mehr

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