Herr Borg, welche Eigenschaften unterscheiden einen Moderator des Musikantenstadls von Moderatoren von Shows wie „Wetten, dass…?“ oder Quiz- Sendungen?
Er sollte nicht zu groß, nicht zu schlank und nicht zu jung sein (lacht). Nein, es gibt natürlich keine Regeln. Als Musikantenstadl-Moderator darf man sich selbst nicht zu wichtig nehmen. Die Atmosphäre ist gemütlich, man sitzt zusammen wie beim Dorffest. Und man muss kontaktfreudig sein, denn das Publikum geht auf Tuchfühlung. Das ist manchmal gar nicht so einfach, wenn einer mit seinem Bierkrug im Gang steht und ich mit der Kamera durch muss. Aber das ist gerade das Schöne: Es gibt keine Grenze zwischen der Bühne und dem Publikum.
Welchen Moderatoren-Kollegen schätzen Sie besonders?
Ich mag die Art von Markus Lanz mit seinen Gästen umzugehen. Er stellt provozierende Fragen auf höfliche Art und Weise. Ich könnte das nicht.
Nachdem Thomas Gottschalk "Wetten, dass..?" verließ, gingen seine Quoten in den Keller. Wundert Sie das?
Es ist erschreckend, dass die Menschen ihn plötzlich so nicht wollen. Thomas Gottschalk ist ein „Hero“, der uns jahrelang die erfolgreichste Fernsehsendung Europas geliefert hat, eine Sendung, die sich alle Generationen angesehen haben. Es scheint heute keine Entertainer mehr zu geben, die alles können: moderieren, singen, interviewen…
…so wie Peter Alexander, Peter Frankenfeld oder Rudi Carrell. Heute vielleicht Hape Kerkeling?
Hape Kerkeling ja, aber man braucht diese Allround-Entertainer nicht mehr. Heute werden alle sofort in Schubladen eingeteilt. Für eine Talkshow geht man zu Lanz oder Beckmann, will man eine Show moderiert haben zu Gottschalk und für alles andere zu Günther Jauch. Es ist einfacher geworden, sich genau den zu holen, den man haben will.
Welche Sendung würden Sie nicht moderieren?
SternTV. Da muss man wirklich auf vielen Gebieten interessiert sein, das bin ich einfach nicht.
Gibt es denn Eigenschaften, die man für jedes Sendeformat braucht? Humor beispielsweise?
Humor ist gesund, aber Geschmackssache, wie auch Musik. Ich war vor kurzem in Regensburg bei Bastian Sick. Ich könnte mir vorstellen, dass das Musikantenstadl-Publikum darüber nicht lacht und umgekehrt. Bastian Sick ist mir übrigens zu Dank verpflichtet. Wenn es uns Wiener und unseren Dialekt nicht geben würde, hätte er mein Lieblingsbuch „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“ nie schreiben können.
Bringen Sie mal einen Satz in dem Stil…
Der Stadl ist dem Moik sein Kind. (lacht)
Als Sie den Musikantenstadl übernahmen, hat Karl Moik Sie gewarnt, es gäbe überall Neider, und Sie würden keine echten Freunde haben. Hat sich das bewahrheitet?
Es ist schwer, selbst ein guter Freund zu sein, weil man 250 Nächte im Jahr im Hotel ist. Es ist nicht so, dass mich niemand mag oder ich misstrauisch bin, der Alltag lässt es nicht zu Freundschaften zu pflegen. Die wenigen echten Freunde, die meine Frau und ich schon vor dem Musikantenstadl hatten, sind uns auch geblieben.
Zum 30-jährigen Jubiläum des Stadls im Jahr 2011 hat Karl Moik schwere Vorwürfe gegen den ORF erhoben, er sagte man hätte ihn „liegengelassen, wie ein dreckiges Tuch.“
Ich war bei dieser Pressekonferenz dabei. Man darf nicht vergessen, dass Karl Moik diese Sendung erfunden hat. Er wollte eine Fernsehshow, die zeigt, was am Wochenende in jedem Dorf stattfindet und hat das einmalig gemacht. Wenn man dann im Streit auseinander geht oder das Gefühl hat, es würde einem etwas weggenommen, ist das sehr schade, da kann ich ihn gut verstehen. Karl Moik hat alle Gäste persönlich angerufen und eingeladen. Ich kann das nicht. Ein paar Künstler würden dann nie im Stadl auftreten, weil ich sie nicht besonders mag. (lacht)
Wen mögen Sie denn nicht so besonders?
Das werde ich Ihnen nicht sagen!
Dann andersrum: Welcher Schlager-Text ist so gut, dass Sie ihn nie vergessen?
Peter Maffay hat 1984 in seinem Lied „Wenn die Stummen reden würden“ gesungen, „Zwischen Kinderfunk und Sport kommen dann im Fernsehn die Mörder zu Wort“. Vier Jahre später, beim Geiseldrama von Gladbeck, kam mir sofort diese Zeile in den Sinn. Ich mag Maffays Musik überhaupt sehr.
Humor ist gesund, aber Geschmackssache.
Udo Jürgens kritisiert in seinem Lied „Humtata und Tätärä“ die Volksmusikbranche mit den Worten: „Denn ist der Bach ein Bacherl, und jedes Dach ein Dacherl, wird alles, was passiert, zum Problemerl reduziert.“ als oberflächlich. Ist sie das?
Es gibt Pessimisten, Realisten und Optimisten. Ich mache gerne ein Problem zum „Problemerl“, das Glas ist bei mir auch immer halb voll und nicht halb leer. Natürlich kann man alles Negative sehen, die Umweltverschmutzung, die Bildungsmisere. Diese Probleme existieren, aber das „Bacherl“ existiert auch. Wenn das „Bacherl“ mein Haus wegreißen würde, schimpfe ich aber auch drauf. Kritische Lieder machen Künstler wie Xavier Naidoo oder Herbert Grönemeyer, die bringen das auch glaubwürdig rüber.
Einige sprechen, wie der Sänger und Produzent Stefan Remmler, von der „penetranten Fröhlichkeit“ und dem „verlogenen Mitmachzwang“…
Wir haben viele Zuschauer, die sich abends hinsetzen, durchatmen und sagen: „War das wieder ein „Scheißtag“, jetzt will ich schauen, was mir gefällt.“ Wir haben keine Zufallszuschauer, keine Zapper. Unsere Zuschauer schauen uns ganz bewusst, die wollen Unterhaltung. Jeder Mensch sucht sich im großem Musik-Mosaik, die Lieder, die er hören möchte und die ihm gefallen. Wenn’s mir nicht gut geht, oder ich Heimweh nach Wien habe, höre ich ganz andere Musik als die, die ich selbst mache. Und auf dem Volksfest bei meinen Schwiegereltern steh‘ ich auf der Bank wenn die Band „Highway to hell“ spielt.
Der typische Musikantenstadl-Besucher ist älter, wählt CSU, geht arbeiten und die Ehefrau bleibt zu Hause am Herd. Wahrheit oder Klischee?
Wir schreiben das Jahr 2012. Ich erlebe es so, dass sich die Lebenspartner ihr Leben heutzutage so einrichten, dass es für sie beide passt.
Warum haftet dem Musikantenstadl, trotz einer Einschaltquote von über fünf Millionen Zuschauern, immer noch ein negatives Image an?
Wir bieten manchmal eine Angriffsfläche, weil wir ab und zu Künstler haben, die „unecht“ wirken, die bei jedem Schwenk der Kamera mit schwenken. Wenn dagegen Musik aus dem Bauch, aus der Seele kommt, dann merkt man das, egal ob bei Joe Cocker, Tina Turner oder den Jungen Zillertalern. Die jungen Leute rümpfen aber nicht mehr so schnell die Nase wie wir damals. Meine Tochter ist 25 Jahre alt. Wenn mir einer gesagt hätte, sie zieht einmal ein Dirndl an und kommt in den Stadl hätte ich jede Wette verloren. Und in der letzten Sendung war ein Junggesellinnenabschied zu Gast. Der Musikantenstadl rockt. Hab ich auf meiner Facebook-Seite gelesen.
Warum treten Künstler, wie beispielsweise Hubert von Goisern, dann nicht im Musikantenstadl auf?
Manche tun sich schwer, in den Stadl zu kommen, weil das ihr Image beschädigen könnte. Die Spider Murphy Gang, Nena, Peter Schillig – die waren alle noch nicht da. Ich würde mich auch nicht zum Literarischen Quartett setzen, weil ich da fehl am Platz wäre. Wenn sich ein Künstler bei uns nicht wohlfühlt, dann sage ich „Komm lieber nicht.“ Künstler bewegen sich bei uns ja auch oft direkt im Publikum, das ist nicht jedermanns Sache.
Warum wird auf volkstümliche Musik fast vollständig verzichtet? Aus Angst um die Einschaltquote?
Mir würde es sehr gefallen, wenn ab und zu nur eine Zither, eine Harfe, eine Gitarre spielen täten und einer dazu singt. Es könnte allerdings sein, dass dadurch die Stimmung im Stadl absackt. Bei uns geht’s ja ziemlich wild zu. (lacht)
Karel Gott, der am 5. Mai 2012 im Musikantenstadl auftrat, hat mit Bushido gesungen. Heino dagegen nannte Bushido einen „gewalttätigen Kriminellen“. Würden Sie mit ihm singen?
Prinzipiell würde ich auch mit Künstlern, die nicht aus meiner Musikszene kommen, zusammenarbeiten. Aber ich kenne Bushido nicht persönlich und seine Texte nicht gut genug. Manche Menschen tun und sagen Dinge in der Öffentlichkeit um Erfolg zu haben und auf sich aufmerksam zu machen, so wie ich natürlich lächle, wenn einer eine Kamera auf mich richtet. Bushido provoziert, und die Medien springen darauf und bauschen alles auf. Mein Sohn hört ihn manchmal im Auto, und ich staune dann, dass er auf Deutsch singt.
Dieter-Thomas Heck zeigte sich im Interview verärgert darüber, dass nach seinem Ausscheiden englischsprachige Titel in der „ZDF Hitparade“ gespielt wurden. Wäre es Ihnen lieber, im Stadl würde nur auf Deutsch gesungen?
Nicht zwingend. Einen Albano Carrisi (Al Bano, Anm.) würde ich nicht bitten, seine Lieder auf Deutsch zu singen. Wenn ein Künstler aber ein deutsches Lied hat, dann wünsche ich es mir schon. Aber ich selbst habe auch schon auf Englisch oder Italienisch gesungen. Ich habe noch nie eine Email oder Briefe bekommen, in denen sich jemand darüber beschwert, dass wir manchmal auf Englisch singen.
2011 wurde Deutschland beim „Stadlstern“ von einer besonders jungen Künstlerin vertreten, der 7-jährigen Sissi…
(seufzt) Ich bin selbst Vater von zwei Kindern, ehrlich gesagt, ich würde das nicht wollen, weil ich weiß, was dahinter steckt. Bei Kindern bin ich sensibel. Die Menschen sehen für drei Minuten ein Mädchen in einem Kleid, perfekt ausgeleuchtet, in Großaufnahme. Das ist nicht der Mensch, der es ist, und schon gar nicht der Mensch, der es einmal wird.
Sie haben Ihren Durchbruch mit Anfang zwanzig gehabt, mit „Adios Amor“. Was haben Sie mit dem ersten selbst verdienten Geld gemacht?
Es klingt zwar klischeehaft, aber um Geld ist es mir nie gegangen. Ich hatte auch nie irgendwelche Lustkäufe. Eigentlich habe ich den Erfolg erst realisiert, als der erste „Andy-Borg-Boom“ schon vorbei war. Ich habe mit sieben Jahren angefangen Akkordeon zu spielen, erst für die Familie, die mir ein starkes Fundament gegeben hat, dann vor Publikum. Wenn ich in Oberhausen aufgetreten bin, habe ich mir vorgestellt, ich sei tausend Kilometer von zu Hause weg und habe drei Stunden statt einer gespielt, für dieselbe Gage. Mir ging es nur darum, irgendwo auftreten zu dürfen. Mit diesen vielen Auftritten habe ich meine Karriere gefestigt.
Ist ständige Präsenz Voraussetzung für den dauerhaften Erfolg?
Nehmen Sie Lena, die über Nacht mit Stefan Raab den Hit „Satellite“ hatte. Was macht sie jetzt? Kaum ein nationaler Rock- oder Popkünstler hat heute die Möglichkeit, sich zu festigen. Die können nur im Radio oder im Internet gespielt werden. VIVA und MTV spielen internationale Stars. Junge Volksmusik- und Schlagersänger dagegen, haben viele Möglichkeiten im Fernsehen aufzutreten, z.B. bei Florian Silbereisen, Carmen Nebel, im Musikantenstadl und in den Heimatmusiksendungen der ganzen dritten Programme. So bleibt man bekannt.
Hat sich die Branche selbst verändert?
Die Zeiten, wo Plattenfirmen Verträge gemacht haben, in denen stand, du darfst dich nicht verloben, nicht heiraten oder diese oder jene Sportart nicht betreiben, die sind vorbei.
Das das Publikum betrifft, wird es heute immer schwerer, eine Solo-CD zu verkaufen. Kaum einer hört noch die CD eines Künstlers von Anfang bis Ende durch. Die Menschen kaufen lieber die Musikantenstadl-CD, da haben sie gleich viele verschiedene Sänger drauf.
Sind Sie ein Romantiker?
Auf jeden Fall, mein Sohn sagt immer „du alter Romantiker“ zu mir. Meine Frau steht mit beiden Beinen fest auf der Erde. Wir ergänzen uns wunderbar.
Wo ist denn für Sie die Grenze zwischen Romantik und Kitsch?
Da gibt es keine Grenze, die ist fließend. Wenn man nicht in Stimmung ist, ist die kleinste romantische Geste schmalzig und alle sagen „du Warmduscher!“. Wenn ich zum 20. Jahrestag meine Frau Birgit nach Mallorca entführe, wo wir uns bei Züricher Geschnetzeltem unseren ersten Kuss gegeben haben, mag das für Außenstehende kitschig klingen, aber für meine Frau war’s total romantisch. Das Lokal gibt es nicht mehr, uns zum Glück schon!
Re: kleine Korrektur
ist geändert, danke für den Hinweis.
Eine kleine Korrektur…
Andy Borg heisst eigentlich „Andreas Adolf Meyer“