Herr Hinterseer, Sie sind bei Ihren Großeltern auf der Seidlalm in der Nähe von Kitzbühel fernab von allem Trubel aufgewachsen. Wie sehr schätzen Sie die Einsamkeit?
Hinterseer: Ich schätze die Einsamkeit sehr, aber natürlich genieße ich die Fans und die vielen Menschen um mich herum, ich mache meinen Job ja gerne. Aber wenn ich viele Auftritte absolviere und meine Tournee erfolgreich läuft, sehne ich mich am Ende natürlich auch wieder dahin zurück, wo ich entspannen kann.
Was war das Wertvollste, das Ihnen von Ihrer Familie und Umgebung vermittelt wurde?
Hinterseer: Dass man anständig mit den Menschen umgeht, ehrlich ist und zu 100% hinter dem steht, was man macht. So eine lockere Gaukelei geht vielleicht kurze Zeit gut, aber dann ist es vorbei. Der Sport war eine harte Schule und hat mich sehr geprägt. Als junger Mensch mit so großem Erfolg umzugehen und am nächsten Tag wieder eine Niederlage einstecken zu müssen oder einen auf den Deckel zu kriegen, das sind Erfahrungen und Lernschritte, die einem keine Universität vermitteln kann.
Sie vermitteln ein jugendliches, entspanntes Sonny-Boy Image, es scheint, als sei Ihnen alles im Leben zugeflogen. Wie ehrgeizig sind Sie wirklich?
Hinterseer: Ich bin sehr ehrgeizig, sonst hätte weder meine Karriere als Skifahrer nach als Sänger so funktioniert. Beim Skifahren verlässt man sich auf sich selbst, aber beim Singen ist man abhängig von den Fans. Natürlich denkt man darüber nach, wie man das Beste herausholen kann, aber im Endeffekt steht man alleine auf der Bühne und muss ganz locker das präsentieren, was bei den Menschen gut ankommt. Und diese Lockerheit kann man nicht lernen, die ist einem gegeben oder nicht.
Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Ihrer Karriere als Skifahrer und Sänger?
Hinterseer: Ja, der Sport und die Unterhaltungsbranche verlangen von einem Konzentration, Kondition, Disziplin und Lockerheit zu performen.
Welche Anerkennung bedeutet Ihnen mehr, die, die Sie als Sportler erhalten haben, oder die für Ihre Musikkarriere?
Hinterseer: Man sollte alle Menschen, die etwas erfolgreich machen, anerkennen. Klasseneinteilungen finde ich an dieser Stelle völlig falsch.
Ihr Vater war 1960 Olympiasieger im Slalom, Sie selbst haben bereits als junger Mensch Ihr Leben aufs Spiel gesetzt. Kennen Sie Angst?
Hinterseer: Wenn man so aufwächst wie ich am Berg, mit der Natur und dem Sport groß wird, denkt man nicht an die Gefahr. Man geht gewisse Risiken auch gar nicht erst ein und weiß, wo die Grenzen sind. Ab und zu verletzt man sich auch mal, aber ich finde das Wort „Lebensgefahr“ übertrieben. Natürlich hat es im Skisport auch schon Fälle gegeben, die tragisch ausgegangen sind. Aber das sind Schicksalsschläge, da steckt man manchmal einfach nicht drin.
Reinhold Messner sagte uns kürzlich in einem Interview, dass man im Alter vorsichtiger wird und diese Eigenschaft nötig sei um sich nicht zu überschätzen und somit zu überleben. Stimmen Sie dem zu?
Hinterseer: Mit dem Alter verliert man die Lockerheit und Spontaneität, die man in manchen Sportarten braucht. Man denkt fast zu viel. Man fragt sich „Was könnte ich machen?“ „Wie sollte ich es machen?“. Diese Fragen stellt sich ein junger Mensch nicht. Das ist natürlich irgendwo richtig, man schafft gewisse Dinge im Alter einfach körperlich nicht mehr. Trotzdem gibt es viele, die auch im hohen Alter noch einen ganz schönen Blödsinn machen.
Beim Skifahren verlässt man sich auf sich selbst, aber beim Singen ist man abhängig von den Fans.
Haben Sie in letzter Zeit Blödsinn gemacht?
Hinterseer: Ich hoffe nicht! (lacht)
Wen bewundern Sie?
Hinterseer: Bewundern ist der falsche Ausdruck. Ich orientiere mich an Menschen, die viel erreicht haben, ganz egal in welchem Bereich. Ich habe großen Respekt für alle Sportler und Künstler, weil ich weiß, wie schwer das ist. Jeder, der sich auf die Bühne stellt, verdient diesen Respekt und Anerkennung, ganz egal in welcher Musikrichtung. Kritiker und solche, die über andere herziehen, sollten da auch mal hochgehen. Jeder kann die Chance ergreifen, es besser zu machen.
Bei den Olympischen Winterspielen 1976 in Innsbruck mussten Sie eine herbe Enttäuschung hinnehmen. Im Riesenslalom wurden Sie nur 14ter, im Slalom fielen Sie bereits im ersten Durchgang aus. Wie haben die Fans reagiert?
Hinterseer: Ich war großartig in Form. Ich war Topfavorit für die Goldmedaille im Slalom und Riesenslalom, zweiter im Gesamtweltcup und hatte jede Menge Rennen vorher gewonnen. Und dann ist in einer Woche alles danebengegangen, was man sich vorstellen kann. Plötzlich wurde ich angespuckt und mit Schneebällen beworfen, weil ich meine Leistung nicht erbracht habe. Als junger Mensch versteht man das nicht. Es ist doch nur Sport!
Aber Sport lebt von Emotionen…
Hinterseer: …wie Fußball in Deutschland. Da haben die Medien und Fans auch immer was zu kritisieren, es geht ständig rauf und runter. Wenn man jung ist, ist das sehr schwer. Aber da muss man durch. Man lernt dadurch auch, sich besser vorzubereiten, sich seine Mitmenschen besser auszusuchen und die Dinge anders anzugehen.
Warum gehen wir so streng mit Persönlichkeiten um, die in der Öffentlichkeit stehen?
Hinterseer: Ja, das ist erschreckend. In den letzten zwanzig Jahren hat sich das rapide in die falsche Richtung entwickelt. Es gibt in den Medien fast nur noch negative Schlagzeilen, weil sich das besser verkauft. In der deutschen Sprache sind drei Wörter total verloren gegangen: Anstand, Respekt und Menschenwürde. Weil es uns eigentlich zu gut geht.
Haben wir eine Neid- und Leistungskultur?
Hinterseer: Unter den Besten der Besten gibt es im Sport keinen Neid. Höchstens bei denen, die nicht nach oben kommen. Und in der Musik gibt es eine tolle Kameradschaft. Freundschaften vielleicht weniger, weil man so viel unterwegs ist, aber da ist genauso der Respekt da, weil jeder weiß, wie schwierig das ist. Wir verstehen uns alle gut. In der Presse und Öffentlichkeit glaube ich schon, dass ein Neidfaktor gegeben ist. Wir machen es uns gegenseitig zu schwer.
Was sollte sich ändern?
Hinterseer: Ich verstehe nicht, warum man jeden Tag im Fernsehen Krimis oder Action-Filme sieht, wo Leute erstochen, erschossen oder überfallen werden. Solche Drehbücher sind nichts für mich, das ist mir zu brutal. Wo führt das hin? Die Menschen wollen unterhalten werden und haben dabei doch eigentlich Sehnsucht nach Frieden, Geborgenheit, Sicherheit, Glück und einem schönen Leben. So lange sind wir sowieso nicht auf der Welt, das muss man doch genießen.