Robert Duvall

Wehmütig? Auf keinen Fall!

Robert Duvall über sein Alter, seine Regie-Arbeiten und den Film "Jack Reacher"

Robert Duvall

© Karen Ballard

Mr. Duvall, in Ihrem neuen Film "Jack Reacher" treffen der Titelheld, ein geheimnisvoller heimatloser "Drifter" und ein etwas verschrobener, hemdsärmeliger Kriegsveteran aufeinander. Mit welchem der beiden können Sie sich eher identifizieren?
Duvall: Mit keinem von beiden. Ich bin einfach ich selbst. Vielleicht kann man mein Leben bis zu einem gewissen Grad als Driften bezeichnen, denn schließlich war ich mehrere Male verheiratet. Aber es war trotzdem immer mein Ziel, ein solides, geregeltes Leben zu führen. Jetzt fühle ich mich mit meiner Frau sehr wohl. Wir führen ein wunderbares Leben. Ich hoffe, ich habe meine Platz gefunden.

Sie spielen einen Kriegsveteranen namens Cash. Haben Sie zur Vorbereitung mit Veteranen gesprochen?
Duvall: Ach wissen sie, ich bin ein professioneller Schauspieler. Ich bekomme eine Rolle und leg dann einfach los, ganz instinktiv. Ich höre mir an, was der Regisseur dazu sagt, was das Drehbuch mir zu bieten hat und dann mache ich das einfach. Es ist ein Job und ich versuche ihn, so gut wie möglich zu machen.

Jack Reacher ist die Hauptfigur einer erfolgreichen Buchreihe des Thriller-Autors Lee Child. Haben Sie eines dieser Bücher gelesen?
Duvall: Nein, auch im Vorfeld dieser Verfilmung nicht. Das passierte alles so schnell. Erst vor einem Jahr bekam ich das Angebot. Ich war außer Form, hatte Übergewicht. Das war gar nicht so einfach und zog viele Nachtstunden Arbeit nach sich (lacht). Da hatte ich keine Zeit, auch noch das Buch zu lesen. Ein Freund von mir ist Marine-General im Ruhestand. Der war in Vietnam und im ersten Irakkrieg dabei, der kennt alle Bücher von Lee Child. Sie sollen interessant sein.

Wie fühlen Sie sich, wenn sie auf Werbetour für einen Film durch die Welt ziehen? Bewegen Sie sich dann durch eine uniforme Medienwelt?
Duvall: Nicht immer. In London ist es zum Beispiel sehr… englisch (lacht). Wir sind auch zu einem Fußballspiel geflogen, Manchester City gegen Manchester United, ein großartiges Spiel. Aber als ich zurück in mein Hotel kam, habe ich den Fernseher angemacht und vier Stunden American Football geguckt. Fußball finde ich toll, aber American Football liebe ich. So halten die Leute eben an ihrer Identität fest.

Wurden Sie von einigen Fußballfans erkannt?
Duvall: Ein paar haben mich erkannt, weil ich mal einen schottischen Fußballtrainer gespielt habe, in dem Film "A Shot at Glory". Dafür musste ich mir damals zehn Monate lang einen schottischen Akzent antrainieren. Da ist alles mögliche drin, auch ein bisschen Deutsch. Auf den Straßen von Glasgow ist Englisch kaum zu verstehen, man bräuchte da eigentlich fliegende Untertitel.

Mr. Duvall, entschuldigen Sie, wenn ich Sie auf Ihr Alter anspreche…
Duvall: Das ist kein Problem, das machen sie alle. (Lacht)

Sie haben Ihren 82. Geburtstag zwei Tage nachdem "Jack Reacher" in den deutschen Kinos startet…
Duvall: Ja, und meine Frau hat am selben Tag Geburtstag wie ich.

Wie schön!
Duvall: Das schon. Aber es war nicht so schön, als ich meinen Schwiegervater zum ersten Mal traf. Ich wusste nicht, ob ich ihn mit "Schwiegervater" oder doch lieber mit "Schwiegersohn" ansprechen sollte. (Lacht) Meine Frau ist auf den Tag genau 41 Jahre jünger als ich.

Wie feiern Sie Geburtstag?
Duvall: Nicht groß. Ich mache mir da nicht mehr so viel draus, meine Frau findet das wichtiger. Wir stehen morgens auf, sagen "Happy Birthday", umarmen uns und machen, was wir sonst auch so machen. Irgendwann gehen wir dann in ein schönes Restaurant. Das kleine Städtchen in Virginia, in dem wir leben, hat sehr sehr gute Restaurants. So gute, wie man sie auch manchmal in London oder München findet.

Ab einem gewissen Alter fällt einem ja auf, wie das Leben in den immer gleichen Bahnen verläuft. Alles, was in der Politik und in den Medien als Neuigkeit verkauft wird, erscheint einem altbekannt. Wann haben Sie zum letzten Mal eine Erfahrung gemacht, die Ihnen wirklich neu vorkam?
Duvall: Neue Projekte eröffnen mir immer wieder neue Erfahrungen. Ich habe gerade "A Night in Old Mexico" abgedreht, das war eine meiner besten Filmerfahrungen überhaupt. Mit einer spanischen Filmcrew und einem spanischen Regisseur. Wir haben in Südost-Texas gedreht, eine Low-Budget-Produktion, wir hatten nur 23 Tage Zeit – eine völlig andere Welt, als die von "Jack Reacher", wo man alles Geld der Welt und viel Zeit hat.

Der Film "Jack Reacher" wirkt fast ein bisschen altmodisch. Wie ein guter alter Actionthriller…
Duvall: Mehr wie aus den 70ern oder 80ern?

Zitiert

In den 70ern waren längst nicht alle Filme gut. Hollywood war damals unabhängig, trotzdem werden, meiner Meinung nach, heute unterm Strich mehr gute Filme gemacht, als damals.

Robert Duvall

Mehr wie aus den 80ern.
Duvall: Ja, das können Sie wahrscheinlich besser beurteilen als ich. Für mich ist der Film einfach eine gute Arbeit. Ein guter Actionfilm.

Interessieren Sie sich für modernes Kino? Schauen Sie 3D-Filme?
Duvall: Nicht wirklich. Der letzte richtig gute Film, den ich gesehen habe, war der aus dem Iran, "A Separation" (dt. Titel "Nader und Simin – Eine Trennung"), ein wunderbarer Film, den habe ich auf DVD gesehen.

Blicken Sie manchmal wehmütig auf das Kino der 70er Jahre zurück, auf die legendäre Ära des New Hollywood?
Duvall: Wehmütig? Auf keinen Fall! Es waren ja längst nicht alle Filme in den 70ern gut. Das System war einfach ein anderes. Hollywood war damals unabhängig. Trotzdem werden, meiner Meinung nach, heute unterm Strich mehr gute Filme gemacht, als damals. Manchmal kann man es ja nicht vermeiden, zurück zu schauen. Aber ich mache das nicht gern, ich sehe lieber nach vorn.

Sie haben auch selbst Regie geführt und Spielfilme über Roma in New York, die Tango-Szene in Bueno Aires und die christliche Pfingstbewegung in Louisiana gedreht.
Duvall: Ich habe nicht oft Regie geführt, aber jedes Mal war es mir wichtig, genaue Kenntnisse über ein gewisses Umfeld zu vermitteln. Ich habe mich 15 Jahre lang mit diesen christlichen Gemeinden beschäftigt, bevor ich das Drehbuch über sie begann, aus dem schließlich "The Apostle" wurde. So war das auch in New York und Buenos Aires. Nur, dass ich dort die Rollen vertauschte, ich habe mir die inhaltliche Erfahrung besorgt, in dem ich einfach echte Roma und Tango-Tänzer zu Schauspielern erklärt und sie in meinen Filmen besetzt habe.

Haben diese gesellschaftlichen Gruppen etwas gemeinsam?
Duvall: Nun, sie haben alle nicht nur eine eigene Identität, einen eigenen Mainstream, sondern auch ihre eigene Infrastruktur. Und das funktioniert. Ich hoffe, dass diese Gruppen auch weiter überleben werden, dass wir alle unsere Individualität bewahren können und uns nicht in total neutrale Einheitstypen verwandeln. Eine uniforme Welt wäre doch schrecklich.

Planen Sie, bei einem weiteren Film Regie zu führen?
Duvall: Es ist immer schwer, die richtige Geschichte zu finden. Und noch schwerer ist es, das Geld für einen Film aufzutreiben. Aber ich würde gerne einen Western machen. Ich war immer schon für ein gutes Pferd zu haben (lacht). Deutschland ist ja ein Land mit wunderbaren Pferden und einer großen Reitertradition. Wenn ich da an die Schockemöhles zum Beispiel denke…

Die Brüder Alwin und Paul Schockemöhle zählten zu den besten Springreitern der Welt. Verfolgen Sie auch diesen Sport?
Duvall: Ja, Springreiten ist mein liebster Pferdesport. Ihr Deutschen seid da wirklich großartig drin. Die USA sind im Springreiten ganz okay, aber sie gewinnen kaum Medaillen. Immerhin, in Virginia, wo meine Frau und ich leben, haben wir die besten Springreiter der USA.

Haben Sie selbst Pferde?
Duvall: Ich habe eines, das ich reite. Es steht bei einem Freund von mir im Stall. Es kann alle möglichen Tricks, aber vor allem wirft es mich nicht ab. Das ist mir mittlerweile sehr wichtig.

Wir kommen langsam zum Schluss. Sie haben in Filmen hin und wieder Musiker gespielt. Welche Bedeutung hat Musik für Ihr Leben?
Duvall: Es wäre in der Tat eine sehr sehr dunkle Welt für mich, wenn es die Musik nicht gäbe. Kam einer der größten Tenöre aller Zeiten nicht aus Deutschland? Ich kann mich an seinen Namen nicht erinnern, aber er soll gestorben sein, weil er über seinen offenen Schnürsenkel gestolpert und eine Treppe heheruntergefallen ist.

Sie meinen Fritz Wunderlich. Er starb 1966 mit nur 35 Jahren auf dem Höhepunkt seiner Karriere.
Duvall: Genau. Er hatte eine wunderbare Stimme. Ich mag auch den schwedischen Sänger Jussi Björling, und natürlich gibt es nur einen Pavarotti. Ich mag viele Arten von Musik. Mit Hiphop kann ich nichts anfangen, aber mit kubanischer Musik, mit Country & Western oder Tango. Die Oper mag ich, aber nur wegen des Gesangs. Wenn ich mir eine Inszenierung auf einer DVD anschaue, schalte ich die Untertitel ab. Die meisten Libretti sind schrecklicher Kitsch, noch schlimmer als die Texte von Country-Songs.

Singen Sie auch für sich selbst?
Duvall: Ja, natürlich. Ich versuche auch immer wieder, Lieder in meinen Filmen unterzubringen, das ist heutzutage aber kaum noch möglich. In "A Night in Old Mexico" habe ich "Mexicali Rose" gesungen, alleine im Auto. Ein schönes Lied! Sie nennen es Border Music. Ich schätze auch die "German Lieder" von Franz Schubert. Es gab da mal einen Sänger in New York, Maurice Stern, der war wirklich wunderbar.

Maurice Stern ist in Deutschland einem breiten Publikum vor allem als Vater der Pop-Sängerin Jennifer Rush bekannt. Haben Sie ihn New York an der Oper gesehen?
Duvall: Nein, er war ein Freund von mir und Dustin Hoffman. Er hat nie den ganz großen Durchbruch geschafft. Das geht vielen so, obwohl sie sehr gut sind.

Sie haben mit Dustin Hoffman gemeinsam Ihre Schauspielausbildung absolviert und in einer WG gewohnt. Kann man sich also vorstellen, dass Sie zusammen in der Küche saßen und Schuberts "Winterreise" hörten?
Duvall: Nicht ganz. Mein Bruder war auch Sänger und ist mit Maurice Stern zusammen öfter in einem Opern-Restaurant in Greenwich Village aufgetreten. Dort bekam man fürs Singen freie Mahlzeiten. Wir hatten kaum Geld uns sind dort oft zum Essen hingegangen.

Haben Sie und Dustin Hoffman eigentlich noch Kontakt?
Duvall: Nein. Wir sehen uns nie. Es ist ein großes Business, in dem wir arbeiten. Und wir leben in einem großen Land…

Robert Duvall zählt seit den 60er Jahren zu den großen Charakterdarstellern Hollywoods, auch wenn in seinen berühmtesten Filmen andere die Hauptrollen spielten. Er prägte Klassiker wie "Der Pate" und "Apokalypse Now" und gewann 1984 einen Oscar als mehr

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