LaBrassBanda

Zu Multikulti gehört auch Bayern dazu

Stefan Dettl, Manuel da Coll und Andreas Hofmeir von LaBrassBanda über Lederhosen auf der Bühne, aufgebrachte Fans und risikoscheue Radiosender

LaBrassBanda

© Gerald von Foris

Stefan, Manuel, Andreas, wie seid ihr eigentlich auf die Idee gekommen euch beim Vorausscheid zum Eurovision Song Contest 2013 anzumelden?
Stefan Dettl: Wir wurden vom NDR-Unterhaltungschef Thomas Schreiber gefragt, ob wir mitmachen wollen. Wir sagten: Nur, wenn wir live spielen können. Normalerweise singen dort alle Acts mit Playback, deshalb meinten sie zu uns „das geht nicht“. Aber zwei Wochen später haben sie es sich anders überlegt und wir konnten als erste Band seit 15 Jahren dort live spielen. Da waren wir dann in der Pflicht.

Habt ihr damit gerechnet, dass ihr soweit vorne landen würdet?
Manuel da Coll: Dass wir so gut abschneiden, damit konnten wir nicht rechnen. Aber wenn du im Fernsehen vor so vielen Menschen auftrittst, kann das deiner Popularität nützen. Wobei wir dadurch auch kurzzeitig weniger Facebook-Freunde hatten.

Apropos Facebook: Die Eurovisions-Jurorin Mary Roos erlebte als Folge ihres Jury-Urteils einen ‚Shitstorm‘ im Web, der wohl soweit aus dem Ruder lief, dass sie sich gezwungen sah, Anzeige zu erstatten. Die Vermutung liegt nahe, dass einige eurer Fans über die Strenge geschlagen sind.
Dettl: Wir können keine Verantwortung für Einzelne übernehmen, wir können nicht für 100.000 Leute stehen und uns nicht über jeden Typen Gedanken machen, der irgendeinen Scheiß schreibt. Wir haben uns bewusst auf Facebook zurückgehalten. Jeder ist für sich selbst verantwortlich und das, was er tut. Auch auf Facebook. Wir haben von Anfang an gesagt, dass die Entscheidung okay ist und haben Cascada beglückwünscht. Ich persönlich fand den Song auch wirklich gut.

Aber was glaubt ihr, war der Grund, dass Cascada im Finale nur Platz 21 erreichte?
da Coll: Die Frage ist schwer zu beantworten. Ich glaube zumindest nicht, dass es an etwas Politischem lag, wie manche gesagt haben. Musik und Wettbewerb zu vereinen ist immer schwer und wenn jemand schlechter abschneidet als ein anderer, heißt das nicht, dass er künstlerisch oder musikalisch schlechter ist. Auch die Frage, ob wir dort eine bessere Platzierung geschafft hätten, können wir nicht beantworten.

Glaubt ihr, dass für eure Art von Musik in diesem Wettbewerb Platz ist?
da Coll: Ich denke schon. Das hat man doch zum Beispiel am griechischen Beitrag gesehen. Das Finale war musikalisch auch viel bunter durchgemischt als der deutsche Vorentscheid. Da hat jeder auch seine Daseinsberechtigung.

Wäre es denkbar, dass man euch bei einem zukünftigen ESC wiedersieht?
da Coll: Sollte es möglich sein, auch bei der großen Veranstaltung live zu spielen, wäre das auf alle Fälle denkbar. Wenn man sich anschaut, was es in Malmö für aufwendige Bühnenshows gab, fragt man sich schon, wie skurril das ist, dass es trotzdem nicht möglich ist, einen Live-Umbau zu machen.
Wir müssen aber natürlich sehen, wo es hingeht mit LaBrassBanda und wo es mit dem Wettbewerb hingeht. Ausschließen tun wir nie etwas. Sonst hätten wir uns auch nicht getraut, dieses Jahr den ESC mitzumachen.

Im Zusammenhang mit LaBrassBanda wird immer wieder euer bairischer Gesang thematisiert. Was glaubt ihr, fasziniert die Menschen am Bairischen?
Dettl: Viele wissen nicht, wie normal das im Ausland ist. Einige verstehen nicht, wie eine bairisch singende Band in Hamburg trotzdem 3.000 Besucher haben kann. Dabei kommen zu amerikanischen Rockbands mit Slang in England auch 20.000 Leute. Es ist in der Musik vollkommen normal, dass der Sänger so singt, wie in seiner Umgebung gesprochen wird. Das war bei Kurt Cobain nicht anders, das war Teil seiner Geschichte. Sprache macht Musik aus und die darf auch außerhalb der jeweiligen Region Spaß machen.

Wie nehmt ihr Bayern wahr?
Dettl: Wir finden es schön. Bayern ist wo wir herkommen und wie wir sind. Wir genießen es aus Bayern zu sein, aber auch außerhalb von Bayern zu sein. Den Bayern wird oft eine Arroganz vorgeworfen, aber wenn wir uns unterhalten, bleibt nicht viel von dem Vorurteil übrig.

Zitiert

Einige verstehen nicht, wie eine bairisch singende Band in Hamburg trotzdem 3.000 Besucher haben kann. Dabei kommen zu amerikanischen Rockbands mit Slang in England auch 20.000 Leute.

LaBrassBanda

Gab es bei Konzerten Reaktionen auf eure zur Schau getragene Heimatverbundenheit?
Andreas Hofmeir: Bei unserem ersten Auftritt in Berlin sind wir in Lederhosen auf die Bühne gegangen – und die Leute haben uns ausgebuht.
Dettl: Das haben wir aber provoziert. Ich kam auf die Bühne und sagte: „Servus. Mia san Bayern.“ Ergebnis war ein ehrliches Buh.
Hofmeir: Momentan geht es wohl eher den Schwaben so, was komisch ist, da Berlin sonst eher multikulti ist – da gehört doch Bayern auch dazu! Innerhalb nur eines Songs reichte die Spannweite von Ausbuhen und Pfiffen zu Beginn bis hin zu Standing Ovations am Schluss. Unsere Musik hat die Vorurteile einfach weggeblasen.

Aber ihr spielt natürlich mit diesen Klischees, wenn ihr in Lederhosen auftretet.
Dettl: Der Bayer redet Bairisch, das ist kein Klischee.
Hofmeir: Und die Lederhose ist einfach praktisch, sie ist eine Naturhaut, die sich im Endeffekt selbst reinigt. Eine Jeans stinkt nach zwei Wochen, eine Lederhose nicht.
Dettl: Eine vollgeschwitzte Lederhose wird gelüftet und dann passt das.
Hofmeir: Ich erinnere mich an eine Tour auf dem Balkan, bei der wir zu fünft in einem Passat unterwegs waren – samt Instrumenten. Da war kein Platz für Gepäck. Wir hatten jeder eine Lederhose, Wechselunterhosen und Wechselshirts dabei. Selbst bei den Instrumenten mussten wir uns entscheiden. Du (zu Dettl) hast eine kleinere Trompete genommen, um Platz zu sparen. Alles musste reinpassen. Ein Minimalismus, der sich bei uns durchgesetzt hat und funktioniert.

Apropos Balkan: Balkan Beat ist eines der vielen Labels, mit dem LaBrassBanda versehen wird. In welche Schublade packt ihr euren Stil?
Dettl: Musik. Klassische Musik, Brass, Volksmusik und Popmusik sind eh das gleiche. Die Siegerin von „Deutschland sucht den Superstar“ macht volkstümliche Musik. Die großen Volksmusik-Shows sind so groß wie die von Lady Gaga. Das ist Popularmusik. Die Grenzen verschwimmen komplett, was auch gut ist.

Warum?
Dettl: Musik ist Musik. Früher wurde auch nicht in Tanzmusik und klassische Musik unterschieden. Ein bayerischer Sänger, der eine Opernarie singt war total normal. Ein guter Jazzmusiker hat auch Klassik drauf. Ein Tanzmusiker kann auch Bach.

Euer Album trägt den Titel „Europa“. Verarbeitet ihr darin eure Tour-Erlebnisse?
da Coll: Das Album steht für verarbeitete Erlebnisse und als Hommage an das, was wir erlebt haben. Wir waren in Sarajevo und in Russland und haben einen Bezug dazu. Bei Songs wie „Frankreich“ ist es eher so, wie wir uns das dort vorstellen. Es ist inspirierend sich ein Land vorzunehmen und darüber zu schreiben.

Eure Band-Instrumentierung entspricht nicht dem gängigen Sound, der im Radio gespielt wird…
Dettl: …zumindest nicht in Deutschland. Es ist zu verbohrt bei uns.
da Coll: Die Sender gehen kein Risiko ein…
Hofmeir: … und erfüllen auch keinerlei Kulturauftrag.
da Coll: Man mutet den Hörern Nichts zu, was sie erziehen könnte. Das ist schade.
Hofmeir: Es wird so getan, als würden die Leute das nicht wollen. Aber was passiert denn? Dann schaltet eben mal einer weg, weil ihm etwas nicht gefällt. Beim zweiten Mal vielleicht nicht mehr und beim dritten Mal freut er sich vielleicht sogar drauf. Doch das wird niemandem zugetraut.

Diesbezüglich könnte der Eurovision Song Contest und das Votum für euch einige überrascht haben.
Hofmeir: Dass die Band, die das am wenigsten radiotaugliche Lied spielt, am besten abschneidet, war sicher ein Überraschung. Aber deswegen wird sich trotzdem nix ändern. Wir wurden bisher einfach sehr sehr wenig im Radio gespielt. Und ob sich das mit dem Album ändert und die Radiosender reagieren, weiß ich nicht.
Dettl: Ich halte das für unwahrscheinlich. In Frankreich gibt es Sender, die sich nicht um diese Konventionen scheren und erst ein klassisches, dann ein Club-Stück spielen, dann eine unbekannte Band und danach Mainstream. Das zu hören, macht unheimlich viel Spaß. Doch so ein Radiosender hätte in Deutschland nicht lange Bestand.

So findet ihr euer Publikum vor allem auf Konzerten…
da Coll: Wir merken einfach, dass wir sehr treue Fans haben, weil wir sie uns erspielt haben. Wirst du mit einer Radiosingle über Nacht bekannt, kann das auch gut laufen – oder du wirst zu einem One-Hit-Wonder. Wir hatten das Glück, dass uns ein paar Leute am Anfang das Vertrauen geschenkt haben. Bei weitem nicht alle, gerade in München war es schwierig, während es in Berlin und Hamburg weniger problematisch war.

Wie kam es zu der im Sommer anstehenden Tour mit Die Ärzte?
Hofmeir: Durch gute Musik. Wahrscheinlich haben wir denen gefallen, da haben sie uns gefragt. Wir machen eigentlich keine Support-Geschichten mehr, aber das mit den Ärzten ist eher eine Art Festival, bei dem unsere Spielzeit mit einer Stunde relativ lang ist. Außerdem wollte ich schon immer mal auf ein Ärzte-Konzert gehen, habe es aber bisher nie geschafft.

LaBrassBanda stammen aus Übersee am Chiemsee in Bayern. Die Band benutzt unter anderem Trompete, Tuba, Posaune und vermischt Volksmusik-Einflüsse mit Balkan-Klängen und elektronischer Musik. Nach hunderten von Konzerten erreichte die bairisch mehr

Kommentar schreiben

* Erforderliche Angaben. Emailadresse wird nicht veröffentlicht.