Andreas Spechtel und Sebastian Janata, man erzählt sich, dass in Österreich vor allem Teenager zu Ja, Panik-Konzerten kommen, in Deutschland eher Über-Dreißigjähre. Stimmt das?
Janata: Mir kommt’s nicht ganz an der Nase herbeigezogen vor. Vielleicht könnte man schlussfolgern, dass das etwas mit dem österreichischen Jugendradiosender FM4 zu tun hat. Einen ähnlichen Radiosender, wo wir regelmäßig laufen, gibt es nicht in Deutschland.
Spechtl: Aber das war früher ärger. In den letzten Jahren hat sich das schon eher durchmischt. Mittlerweile habe ich das Gefühl, dass unser Publikum überraschend alt ist. Schon auf unserer letzten Tour hat unser Techniker gesagt: Ich sehe immer mehr lichte Stellen auf den Hinterköpfen.
Allgemein wird im Konzertbusiness geklagt, dass die Konkurrenz wächst, die Preise steigen und es immer schwieriger wird, Auftrittsorte zu bekommen. Bekommen Sie das auch zu spüren?
Spechtl: Ich tue mich immer ein bisschen schwer damit, wenn alle diese Talfahrten beschwören. Wir haben nicht in den frühen Neunzigern angefangen, wo man noch mehr oder weniger richtig Geld in diesem Geschäft verdienen konnte. Als wir angefangen haben, war eh schon alles im Argen. Auf diesem Level sind wir gestartet und seitdem läuft es für uns so, dass es von Platte zu Platte immer ein wenig besser wird. Auch zu unseren Konzerten kamen noch nie viele hundert Leute, aber es werden immer ein bisschen mehr.
Ihr aktuelles Album „Libertatia“ besitzt zum Teil großes Pop-Potential. Was wäre, wenn ein verrückter Veranstalter sagen würde, ich buche Ja, Panik mal in eine große Halle, mit 10 bis 20.000 Zuschauern? Wäre es für Sie denkbar, sich mal auf so einem Level auszuprobieren?
Janata: Mich persönlich interessiert das schon.
Spechtl: Wenn die Leute wegen uns kommen, finde ich das super. Ich spiele auch gern auf einem Festival vor ein paar tausend Leuten. Aber nicht um den Preis, dass wir zum Beispiel als Support von Casper auftreten, oder so. Ich finde Casper jetzt nicht schlimm, aber so etwas haben wir nie gemacht. Ich spiele unterm Strich lieber auf einer Ja, Panik-Tour Konzerte im kleineren Rahmen, als bei einem Festival, wo die meisten eigentlich auf Jennifer Rostock warten.
Aber so ein Auftritt als Vorband eines erfolgreicheren Acts könnte doch einen werbenden Effekt haben?
Spechtl: Es gibt ja Bands, die live so gut funktionieren, dass sie in dem Moment, wo sie auf der Bühne stehen, quasi Überzeugungsarbeit leisten und so auch die Leute mitnehmen, die das noch überhaupt nicht kennen. Aber in der Richtung werden von uns keine Anstalten gemacht. Da geben wir uns keine Mühe und es funktioniert auch meistens nicht.
Wenn mein Song für die CDU funktioniert, dann habe ich einen riesigen Scheiß gebaut.
Entdecken Sie selbst als Konzertgänger manchmal neue Musik?
Spechtl: Ich gehe auch lieber auf ein Konzert und kenne die Lieder. Die schönsten Konzerte sind für mich die, wo eine Band oder Musiker Lieder spielen, die mir schon zuhause viel bedeutet haben und die ich dann höre.
Sind Sie als Konsumenten näher am Mainstream, als es Ihre Band vermuten lässt?
Spechtl: Das ist ganz unterschiedlich. Grundsätzlich freue ich mich schon, wenn ich etwas Neues entdecke bei einem Konzert. Wenn ich das Gefühl habe, das wird heruntergebetet, da bin ich überhaupt nicht dafür. Mir ist immer das Publikum so wichtig, wie es zwischen denen oben auf der Bühne und denen unten funktioniert. Es gibt Konzerte, wo ich mir denke, eigentlich passt alles, aber mich nervt das Publikum oder mich nervt, wie mit dem Publikum umgegangen wird. Ich bin da sehr kritisch und meistens unzufrieden.
Wie verändert sich während einer Tour das Verhältnis zum eigenen Material?
Spechtl: Wir sind eigentlich anfangs, wenn eine Platte neu ist, schon urstreng.
Janata: Sie wird dann im Rahmen unserer Möglichkeiten rekonstruiert, aber mit der Zeit wird man dann ein bisschen lockerer. Beim neuen Album haben sich die Songs allerdings im Studio sehr verändert, im Vergleich zu den ursprünglichen Demoaufnahmen. Als wir dann später die Versionen so geprobt haben, wie sie auf der Platte sind, war das ganz interessant. Es war als würde man seinen eigenen Song covern.
Mittlerweile ist Ihr Umzug von Wien nach Berlin sechs Jahre her. Nicht zuletzt aufgrund Ihres Dialekts werden Sie aber immer noch als Wiener wahrgenommen.
Spechtl: Aber nur in Berlin. Ein Wiener würde lachen, wenn er das hört. Wir haben ja nur ein paar Jahre in Wien gelebt. Wir kommen aus dem Burgenland.
Der Autor Heinz Schöffler bemerkte einst: „Der Witz des Wieners liegt oft im Grenzgebiete des Humors mit ganz ungewöhnlicher Neigung zur Selbstpersiflage, die turmhoch über der berlinerischen Haltung des Sich-ernst-Nehmens steht.“ Befinden Sie sich in Berlin manchmal im Humor-Exil?
Janata: Das würde ich unterschreiben. Ich ernte uroft komische Blicke und wollte doch nur ein Späßchen machen.
Machen diese unterschiedlichen Humor-Ebenen Smalltalk-Gespräche besonders schwer?
Spechtl: Smalltalk beherrsche ich nicht, genau aus solchen Gründen.
Janata: Ich arbeite von Zeit zu Zeit in einer Küche und verstehe mich da ganz gut mit einem der Köche, der, glaube ich, Berliner ist. Der macht die ganze Zeit Gags und sorgt für eine total ausgelassene Stimmung. Sobald ich dann einen Witz bringe, ernte ich einen ernsten Blick, als hätte ich ihn wüst beschimpft.
Wenn Sie noch nebenbei jobben müssen, heißt das, Sie können nicht von der Musik leben?
Janata: Eigentlich geht es die meiste Zeit. Aber manchmal, wenn man halt drei Jahre keine neue Platte hat, wird es schwierig.
Sie könnten ja auch zwischendurch wieder auf Tour gehen, um Geld in die Kasse zu spielen.
Janata: Es ist natürlich sehr schön, wenn man mit der Sache, die man gern macht, auch Geld verdient. Aber wenn man dann auf Tour gehen würde nur um Geld zu verdienen, dann geht irgendwann auch die Freude daran verloren.
Spechtl: Man mag die Säue auch nicht zu oft durch das Dorf jagen. Nur so freuen sich die Leute ja dann auch, wenn wir auf Tour gehen.
Eine letzte Frage: Sie fordern in dem Song „Dance the ECB“ dazu auf, die Europäische Zentralbank „zum tanzen“ zu bringen. Was wäre, wenn die EZB den Song zur Eigenwerbung umfunktionieren würde?
Spechtl: Das fände ich sehr schlimm. Ich würde meinen letzten Groschen zusammenkratzen und da wo es geht jemandem Anwälte auf den Hals hetzen. Oder wir könnten unsere Freunde vom Kottbusser Tor da hinschicken. (lacht) Nein, also ich würde das Stück verstoßen.
Als die CDU ihren Bundestags-Wahl-Erfolg mit „Tage wie diese“ von den Toten Hosen feierte, haben sich die Punkrocker von der Verwendung ihrer Musik im Wahlkampf distanziert. Rechtlich wären sie aber machtlos gewesen.
Spechtl: Die konkrete Antwort darauf müsste eigentlich sein, du musst es schon schaffen, ein Stück zu schreiben, das gewisse Leute nicht für sich verwenden können. Ich glaube unser Stück kann das und das Hosen-Stück kann das nicht. Das ist so unverfänglich.
Janata: Das ist eben eine sehr zeitgeistige Hymne.
Spechtl: Wenn mein Song für die CDU funktioniert, darf ich der CDU nicht böse sein, dann habe ich einen riesigen Scheiß gebaut. Das muss sich eigentlich ausschließen.