Frau Thomalla, in der ZDF-Reihe „Frühling“ spielen Sie die Dorfhelferin Katja Baumann. Sind Sie eher Stadt- oder Landmensch?
Simone Thomalla: Ich finde es wunderbar, ab und zu mal Zeit auf dem Land zu verbringen und ein bisschen zur Ruhe zu kommen, aber ich bin definitiv ein Stadtmensch. Ich bin in einer Stadt groß geworden und kann auf all die Angebote, die einem so eine Stadt bietet – selbst wenn man sie nicht immer nutzt – nur schwer verzichten. Ich habe die Möglichkeit, mich ab und zu für ein Wochenende aus der Stadt raus zu beamen, aber ich komme gerne wieder zurück. Diese Mischung macht es glaube ich aus.
Im Film hat die Familie, der Sie helfen, mit einer rebellischen Tochter zu kämpfen. Sie selbst waren alleinerziehende Mutter. Konnten Sie davon etwas für Ihre Rolle mitnehmen?
Thomalla: In jeder Rolle steckt ein Stück „ich“, was in verschiedenen Facetten zum Ausdruck kommt. Mit meiner Tochter allerdings hatte ich nie solche Probleme, deshalb musste ich mich in dem Fall aus dem Erfahrungsschatz vom Sehen und Hören bedienen.
Der Beruf des Schauspielers hat viel mit Glück und der Gunst anderer Leute zu tun.
Ihr Filmpartner Marco Girnth macht Ihnen zu Beginn der Serie Avancen; später scheint Ihre Rolle Katja zu bereuen, nicht darauf eingegangen zu sein. Wie gehen Sie mit verpassten Chancen um?
Thomalla: Hatte ich nie. Ich würde nie zurückblicken, schließlich kann man die Situationen sowieso nicht mehr zurückholen. Ich lebe wirklich im Hier und Jetzt und das Leben hat mir gezeigt, dass es wenig Sinn macht über ein „Was wäre wenn…“ nachzudenken. Man sollte seine Energie eher dahingehend einsetzen, dass man versucht die Dinge, die gut laufen, zu halten und sich weiterzuentwickeln.
Sie haben also keinen Schritt in Ihrer Karriere bereut?
Thomalla: Was bringt mir das? Hätte, wäre, wenn,… ich hatte nicht die Freiheit, zu warten, ich war zu beginn meiner Karriere und auch noch junge Mutter. Ich habe aus allen Möglichkeiten das Beste gemacht und darauf bin ich auch stolz. Der Beruf des Schauspielers hat auch sehr viel mit Glück und der Gunst anderer Leute zu tun.
Sie haben mal gesagt, wenn Sie heute jung wären, würden Sie nicht noch einmal den Beruf des Schauspielers wählen.
Thomalla: Wenn man sich dem Fernsehen oder dem Theater verschrieben fühlt, kann es ein sehr schöner Beruf sein. Ein Schauspieler hat schließlich die Möglichkeit sich in verschiedene Charaktere hineinzuversetzen, man kann auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig tanzen, das ist eine Bereicherung fürs Leben. Aber die heutigen Umstände machen es einem nicht einfach. Es wird weniger produziert, alles muss schneller gehen und wenn etwas nicht die gewünschte Quote hat, wird es oft nicht fortgesetzt.
Man ist immer abhängig davon, dass einen jemand gut findet, in den entsprechenden Abteilungen, ob das nun der Senderchef, der Redakteur oder der Regisseur ist. Wenn zwei von denen sagen, sie hätten lieber eine Blonde, dann bekomme ich die Rolle nicht und das hat dann nichts mit meinen schauspielerischen Leistungen zu tun. Es gibt andere Berufe, in denen man wirklich nur nach seiner Qualität beurteilt wird, als Arzt beispielsweise.
Wäre das Ihr Plan B gewesen?
Thomalla: Ich bin nicht mit einem Plan B angetreten. Aber wenn Sie mich schon fragen, ich wäre gerne eine gute Ärztin geworden. Menschen zu helfen, oder zu pflegen, erschreckt mich nicht. Ich bin da sehr handfest, falle also nicht gleich in Ohnmacht, wenn es mal etwas schwieriger wird.
Warum haben Sie nicht Medizin studiert?
Thomalla: Ehrlich gesagt war mir dieses Studium zu lang. (lacht) Ich ziehe wirklich meinen Hut vor allen jungen Menschen, die mit ihrem Bafög jahrelang studieren, ihren Facharzt machen, um dann am Ende doch nur für einen Knochenjob mit wahnsinniger Verantwortung schlecht bezahlt zu werden.
Ein wichtiger Meilenstein in Ihrer Karriere war der „Tatort“. Was hat sich dadurch für Sie als Schauspielerin verändert?
Thomalla: Ich glaube, die Sichtweise auf mich hat sich verändert. Mein Name bekam jetzt immer den Zusatz „Tatort-Kommissarin“. Ich selbst bin mit dem „Tatort“ keine andere Schauspielerin geworden, aber die knapp neun Millionen Zuschauer sind natürlich schon eine Hausnummer.
2015 werden Sie zum letzten Mal im „Tatort“ ermitteln. Sie sagten einmal, dass die schwindende Akzeptanz des Leipziger „Tatort“ auch mit der Qualität der Drehbücher zu tun hatte. Warum ändert sich da nichts?
Thomalla: Das habe ich nie gesagt. Unser Aus ist nach wie vor für mich eine senderpolitische Entscheidung, die für mich kein Gesicht hat. Der „Tatort“ an sich ist ein funktionierendes Format. Solange die Quoten stimmen, wird der Sender einen Teufel tun und irgendetwas ändern. Warum das bei uns war, denn die Quoten waren gut, weiß ich nicht.
Über den „Tatort“ wurde auch viel im Internet diskutiert…
Thomalla: Ich habe mir geschworen, dass ich nicht mehr meinen Namen googlen werde. Was dort diese Anonymität verursacht, wie dort Menschen mit einem Shitstorm überzogen und bis in den Boden beleidigt werden, finde ich abartig. Man hat davor in keiner Weise einen Schutz. Ich glaube auch, dass das die Menschen verändert: Entweder werden sie immer passiver, ziehen sich zurück, oder sie werden halt aggressiver, weil es sie aufregt.
Mit Leipzig verbindet Sie heute Ihr Engagement für die soziale Einrichtung „Haus Tante E“, das sich um Straßenkinder in Leipzig kümmert.
Thomalla: Ja, das mach eich seit einigen Jahren und der nächste Besuch wird noch vor Weihnachten sein.
Wer hat bei dieser Thematik Ihrer Ansicht nach versagt?
Thomalla: Es müsste viel mehr soziale Einrichtungen geben und wir kennen alle die Geschichten, in denen ein Jugendamt nicht richtig gehandelt hat. Aber es gibt nun mal keinen Ort auf der Welt, wo die Menschen nicht auch mal Fehler machen. Und deswegen sollte man immer ein Auge drauf haben.
Hat dieses Engagement den Blick auf Ihre Heimatstadt Leipzig verändert?
Thomalla: Ich bin zwar in Leipzig geboren und die ersten Jahre aufgewachsen, es hängen also sehr viele Kindheitserinnerungen an der Stadt, aber für mich ist Berlin mein Zuhause, wo auch meine Eltern leben. Das Haus Tante E hat meine Sicht auf Leipzig nicht verändert. Aber was ich dort erlebt habe, hat mich schon geprägt. Damals, als die ganzen Kinder im Winter reinkamen und zitterten und nach einer Jacke fragten oder als sie dann alle gemeinsam gekocht haben und sich hungrig ihrer Mäuler stopften, habe ich danach im Auto erstmal eine Runde geweint. In dem Moment ist mir noch mal viel bewusster geworden, wie gut es uns in der breiten Masse eigentlich geht.
Gerade wurde beschlossen, dass 2016 die Frauenquote eingeführt werden soll. Sie haben sich 2013 im „Focus“ gegen diese Quote ausgesprochen. Warum?
Thomalla: Ich bin Schauspielerin, da habe ich generell schon mal ein großes Problem mit dem Wort Quote. (lacht) Qualität ist nicht gleich Quote. Meiner Ansicht nach hat es nichts damit zu tun, ob eine Frau hinter der Kamera steht oder ein Mann. Wichtig ist, dass ein guter Regisseur oder eine gute Regisseurin den Film dreht. Qualität sollte sich in allen Branchen durchsetzen, in der Politik wie auch in der Kunst.
In einer Szene in „Frühling in Weiß“ sind Sie eingeschneit und von der Außenwelt abgeschnitten. Welche drei Dinge bräuchten Sie in so einer Situation unbedingt bei sich?
Thomalla: Wenn ich wüsste, dass ich in drei Tagen wieder rauskomme, bräuchte ich zur Not auch gar nichts. Wasser wäre noch schön, auf Essen kann man ja ein paar Tage verzichten. Manchmal ist Einsamkeit auch ganz gut, um mal wieder über sich selbst nachzudenken!