Heinz Fischer-Heidlberger

Für ein gleichbleibend gutes Programm brauchen die Anstalten mehr Geld.

Heinz Fischer-Heidlberger ist Vorsitzender der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten. Im Interview spricht er über Maßnahmen und Handlungsspielraum der KEF, unprüfbare Verträge, Gebührenüberschüsse und die Höhe des Rundfunkbeitrags.

Heinz Fischer-Heidlberger

© ORH / Catherina Hess

Herr Fischer-Heidlberger, die KEF wird häufig als „oberster Hüter der öffentlich-rechtlichen Ausgaben“ umschrieben. Würden Sie dem zustimmen oder hat die von Ihnen geleitete Kommission Kompetenzen, die über das „Hüten“ hinausgehen?
Heinz Fischer-Heidlberger: „Der oberste Hüter der öffentlich-rechtlichen Ausgaben“, das lese ich auch immer wieder. Eine solche Bezeichnung steht eher für eine Kontrollbehörde wie einen Rechnungshof. Ich bin auch Präsident des Rechnungshofs in Bayern, die KEF hat aber eine andere Aufgabe und ist eben keine Kontrollbehörde. Wir ermitteln den finanziellen Bedarf der öffentlich-rechtlichen Anstalten für jeweils vier Jahre im Voraus. Diesen Bedarf melden die Anstalten bei uns an, die ARD als Gesamtheit, das ZDF und das Deutschlandradio. Wir prüfen diese Bedarfsmeldungen erstens darauf, ob sie plausibel sind und zweitens, ob sie auch den Vorgaben und Maßstäben entsprechen, wie sie die Länder als Gesetzgeber dafür festgelegt haben.

Welche Konsequenzen könnten Ihre Prüfungen haben? Nehmen wir mal einen Fall an, bei dem sie eine Bedarfsanmeldung weder für plausibel noch für gerechtfertigt halten, was könnten Sie dann als KEF tun?
Fischer-Heidlberger: Die Bedarfsmeldungen erfolgen nach bestimmten Aufwandskategorien: Programm, Personal, Sachaufwände. Als Vergleichsgrößen dienen uns Zahlen aus der Vergangenheit, Tarifabschlüsse und die Entwicklung der öffentlichen Haushalte. Wir berücksichtigen zudem Steigerungsraten, die man zum einen aus höheren Lebenshaltungskosten für die Zukunft ableiten kann und die zum anderen rundfunkspezifisch sind. Wenn gemeldete Bedarfe dann von den ermittelten Bedarfen abweichen, kürzen wir die Anmeldungen entsprechend. Das ist auch kein ungewöhnlicher Vorgang, sondern über viele Jahre anerkannte Praxis.

Wenn Sie die Prognosen begründetfür viel zu hoch halten, kürzen Sie den Bedarf – und die Anstalt muss neu rechnen?
Fischer-Heidlberger: Nein, das machen wir selbst. Dann ist der Bedarf um x Millionen Euro niedriger und die Anstalten müssen das akzeptieren. Natürlich führen wir während des ganzen Prüfverfahrens Gespräche mit den Anstalten, sie werden dazu gehört, inwieweit eine Kürzung begründet ist. Das ist ein rechtsstaatlicher Vorgang, nichts Ungewöhnliches.
Wir prüfen aber nicht nur die Ausgaben sondern auch die Einnahmen, also zum Beispiel die Erträge aus dem Rundfunkbeitrag. Wenn wir feststellen, dass die Erträge aus den Beiträgen zu niedrig angesetzt wurden, dann schätzen wir zu. Unsere Prüfungen können also nicht nur Kürzungen des Aufwands zur Folge haben. Im 19. Bericht hat die KEF festgestellt, dass der neue Beitrag bis 2016 mehr in die Kasse bringen wird, als die Anstalten und auch wir früher angenommen hatten.

Verstehe ich das richtig, dass die KEF so eine Art Schatzmeister ist? Sie teilen das verfügbare Geld auf Anfrage zu und haben damit einen Hebel in der Hand, um disziplinarisch wirken zu können, oder?
Fischer-Heidlberger: Schatzmeister, das ist auch so eine wenig zutreffende Umschreibung… . Wir haben das Geld ja nicht in einer Kasse und verteilen, sondern wir errechnen den Bedarf der Anstalten für die nächsten Jahre und geben eine Empfehlung an den Gesetzgeber zur Höhe des Rundfunkbeitrags. Daraus leitet sich ab, wie viel der Beitragszahler in diesen vier Jahren monatlich zahlen muss. In der Vergangenheit waren es 17,98 Euro, jetzt sind es im Augenblick 17,50 Euro. Disziplinierend können unsere Vorgaben und Kürzungen schon sein.

Aber Sie kennen doch die öffentlichenDiskussionenum die hohen Kosten für bestimmte Sendeformate, wie Talkshows, Nachrichtensendungen oder Unterhaltungsshows, und um die sehr hohen Verdienstspannen einzelner Personen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Könnte die KEF hier nicht einschreiten und sagen, dass dies oder jenes ein zu hoher Bedarf wäre?
Fischer-Heidlberger:  Wir vergleichen Sendeformate und zeigen auf, dass vergleichbare Sendungen auch mit weniger Geld produziert werden können. Allerdings bewegen wir uns hier im Programmbereich und können nicht einfach kürzen. Die KEF muss die grundgesetzlich geschützte Programmhoheit der Anstalten respektieren.
Die Gehälter und Leistungen einzelner Moderatoren und Künstler werden in Verträgen festgelegt. Die Höhe der Gehälter müssen die Aufsichtsgremien der Sender im Auge behalten. Es gibt immer wieder Kürzungen aus Gründen der Wirtschaftlichkeit oder wenn wir beim Kinderkanal (Kika) sehen, dass Gelder der Beitragszahler unterschlagen und zur Spielbank gebracht werden, statt sie im Programm einzusetzen. Ein weiteres Beispiel ist die Produktionsfirma Degeto.

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Was Günther Jauch verdient, können wir nicht prüfen.

Heinz Fischer-Heidlberger

Sie sagen, in die Verträge mit Moderatoren oder Intendanten kann sich die KEF nicht einmischen. Aber Sie haben die Möglichkeit, angemeldete Mittel zu kürzen. Könnten Sie nicht den angemeldeten Bedarf als zu hoch betrachten, wenn die Produktionskosten offenbar zu viele, zu hoch dotierte Personal- oder Moderationsverträge enthalten, und ihn dann kürzen?
Fischer-Heidlberger: So tief können wir nicht einsteigen. Die KEF ist nicht Teil des operativen Betriebs. Wir können bestenfalls im Nachhinein Folgerungen für die Zukunft treffen. Außerdem ist die Grenze immer wieder die Programmautonomie der Anstalten.
Zunächst muss jede einzelne Anstalt ihre wirtschaftlichen Planungen durch die eigenen Gremien absegnen lassen. Sie muss  Verträge aushandeln und sich gegebenfalls genehmigen lassen.
Wir haben weder die Aufgabe noch die Kapazität, jeden Vertrag anzuschauen. Wir betrachten allerdings einzelne Formate und vergleichen Kosten, zum Beispiel Talkformate, Nachrichtensendungen oder Radiowellen.
Wir können dabei aber nicht feststellen, was eine einzelne ganz bestimmte Sendung kostet, oder einzelne Moderatoren dafür erhalten. Verträge umfassen häufig eine ganze Staffel von Sendungen und kosten eine Gesamtsumme. Was einzelne, beispielsweise Günter Jauch, verdienen, ist Teil des Vertragswerks. Das können wir nicht prüfen.

Doch gelegentlich werden Zahlen öffentlich bekannt, wie jüngst die Abfindung für Thomas Gottschalk. Können Sie die Entrüstung verstehen, angesichts solch hoher Beträge, welche die öffentlich-rechtlichen Anstalten zahlen? Können Sie dem nicht einen Riegel vorschieben?
Fischer-Heidlberger: Also, die Entrüstung über so hohe Gehälter oder hohe Kosten kann ich gut verstehen. Hier aufzupassen ist Aufgabe der Aufsichtsgremien in den Anstalten. Die KEF muss bei ihren Prüfungen auch immer berücksichtigen, dass sie nicht in die Programmhoheit der Anstalten eingreift. Das ist eine ausdrückliche Begrenzung unseres Auftrags. Ob zum Beispiel ein „Tatort“ teuer oder  günstig produziert wird, hängt letztlich von vielen Faktoren ab, wie Drehort, Ausstattung oder Schauspieler. Das sind reine Programmentscheidungen. Die KEF darf sich da nicht einmischen. Wenn wir allerdings bei unseren Prüfungen feststellen, dass eine Anstalt eine vergleichbare Produktion günstiger herstellt, machen wir das transparent. Aus dieser Transparenz entstehen Diskussionen, die Gremien befassen sich damit und sind dann etwas vorsichtiger, sensibler. Diese Transparenz soll den Anstalten helfen, stärker auf die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu achten.
Es gehört ja auch zu unserer Aufgabe, dass wir prüfen und aufzeigen, wie die Anstalten wirtschaftlicher und sparsamer haushalten könnten. Sie sollten diese Erkenntnisse ernst nehmen.

Das heißt, wenn ein Intendant über 300.000 Euro verdient, mehr als die Bundeskanzlerin, dann kann die KEF hier nicht so massiv kürzen, wie wenn sie eine Verfehlung wie beim Kinderkanal oder bei der Degeto entdeckt?
Fischer-Heidlberger: Die Gehälter der Intendanten sind inzwischen transparent und werden von den Anstalten offen gelegt. Die Auswahl eines Intendanten und die Verträge sind Sache der Gremien.  Gleiches gilt auch für die Stellenpläne und die Vertragsstruktur der Beschäftigten. Bei den Verträgen handelt es sich auch hier um individuelle Vereinbarungen der Mitarbeiter mit der jeweiligen Anstalt. Die Vergütung ergibt sich zudem meist aus Tarifverträgen. Dies gilt gleichermaßen für festangestellte wie zumeist auch für freie Mitarbeiter. Soweit Produktionen nach außen vergeben werden, stehen die Mitarbeiter in einer unmittelbaren Vertragsposition mit der Produktionsfirma. Bei der Prognose des Gesamtbedarfs für Personal orientieren wir uns an den Tarifabschlüssen des öffentlichen Dienstes.

Sprich, Sie können anmahnen, auf die Personalkosten zu achten, können aber nicht direkt darauf einwirken, wie freie Mitarbeiter bezahlt werden?
Fischer-Heidlberger: Die Anstalten entscheiden im Rahmen ihrer Programmhoheit, wie sie Sendungen produzieren, ob mit freien oder festen Mitarbeitern oder beiden – und wie viel sie diesen jeweils bezahlen. Falls sie zum Beispiel nicht über geeignete Mitarbeiter verfügen, können sie Produktionen und Ressourcen extern einkaufen. Sie müssen zunächst selbst entscheiden, welcher Weg günstiger und wirtschaftlicher ist.

Ist die KEF ist am Ende die richtige Institution, um vermeintliche Beitragsverschwendungen zu verhindern? Müsste der Druck auf die Sender von der jeweiligen Landespolitik kommen?
Fischer-Heidlberger: Also nochmals: Es ist nicht die Aufgabe der KEF sich in die operativen Dinge einzumischen. Die Gremien sind hier in der Verantwortung. Der Rundfunk muss nach unserer Verfassung staatsfern organisiert werden. Die Länder können über die Parlamente nur den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks definieren. Innerhalb dieses Auftrags  können die Anstalten diesen zum Beispiel durch Programmentscheidungen konkretisieren. Die ist Ausfluss der Rundfunkfreiheit.
Das heißt, die Landespolitik kann durch die Rundfunkgesetze den Auftrag für die Rundfunkanstalten begrenzen und ganz grundsätzlich festlegen, wie viele und welche Programme oder Sparten es beispielsweise geben soll. Beim Thema Online haben alle Länder gemeinsam in einem Staatsvertrag bestimmt, dass Online, jetzt Telemedien, zum Auftrag der Rundfunkanstalten gehört.
Sobald ein Auftrag durch Staatsvertrag oder ein Rundfunkgesetz  formuliert ist – Rundfunkrecht ist ja Landesrecht – wird dieser Auftrag von den Gremien und den Sendeanstalten selbst konkretisiert. Weder die Landespolitik noch die KEF können hier eingreifen.

Sie sprechen von den „Gremien“ der Sender, dazu gehören die Rundfunkräte, die zum Teil auch durch Außenstehende besetzt sind. Könnten oder müssten sie bei Kostenproblemen nicht eingreifen?
Fischer-Heidlberger: Natürlich können sie eingreifen. Sie können die programmliche Ausrichtung diskutieren, sie müssen vor allem auf Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit achten. Es gibt in diesen als Spiegel der Gesellschaft zusammengesetzten Gremien natürlich viele Interessen, die sich im Programm wiederspiegeln sollen und wollen. Sie haben aber auch erhebliche Kontroll- und Mitwirkungsfunktionen.

Sie haben die Absenkung des Rundfunkbeitrags von 17,98 Euro auf momentan 17,50 Euro angesprochen. Was halten Sie von weiteren Absenkungen des monatlichen Beitrags?
Fischer-Heidlberger: Das lässt sich derzeit nicht abschätzen. Die Anstalten werden im August ihren Bedarf für die Jahre 2017 bis 2020 anmelden. Erst am Ende des KEF-Verfahrens stehen Ergebnisse. Bei unseren Ermittlungen werden wir natürlich berücksichtigen, dass es in der laufenden Periode Mehrerträge geben wird. Ob es zu einer weiteren Absenkung kommen kann, hängt von vielen Entscheidungen ab, die noch nicht getroffen sind.

Sie haben diesbezüglich einmal von einer „Dividendefür die Beitragszahler gesprochen. Meinten Sie damit eine direkte Rückzahlung von mehreren Euro?
Fischer-Heidlberger: Der Beitragszahler muss nur so viel zahlen, dass die Anstalten ihren Auftrag erfüllen können. Wenn es – wie in der laufenden Periode – zu Mehrerträgen kommt, sollte es zu einer Absenkung des Beitrags kommen. Eine echte Rück- oder Auszahlung ist das natürlich nicht. Das wäre auch nicht praktikabel. Die Länder haben jedoch die Empfehlung der KEF zum Teil aufgegriffen und den Beitrag zum 01.03.2015 auf 17,50 gesenkt.

Angesichts der Überschüsse sagen manche, der Beitrag könnte auch auf glatt 17 Euro oder sogar 16 Euro runtergehen. Welchen Spielraum für Absenkungen sehen Sie?
Fischer-Heidlberger: An solchen spekulativen Rechnungen beteilige ich mich nicht. Ich gehe davon aus, dass in dieser Periode ein Überschuss verbleibt. Dieser wird eingerechnet bei der Ermittlung des zukünftigen Bedarfs. Nun sind erst die Anstalten am Zug. Sie werden im August den Finanzbedarf bei der KEF anmelden. Und dann wird ermittelt und gerechnet. Die Beitragszahler können sich darauf verlassen, dass wir kritisch sind.

Die Gesamterträge der Rundfunkgebühr lagen 2014 um 643 Millionen Euro höher als 2013. Warum bieten Mehreinnahmen im dreistelligen Millionenbereich nicht die Möglichkeit für eine Absenkung der Rundfunkgebühr um mehrere Euro?
Fischer-Heidlberger: Die Zahl von 643 Millionen Euro ist nicht repräsentativ für die anderen Jahre der Periode. 2014 gab es viele Sondereffekte und andere Nachzahlungen, die sich auf 2013 beziehen, aber erst 2014 geleistet wurden. Eine Absenkung von 1 Euro würde theoretisch rund 1,7 Milliarden Euro ausmachen. Da sehe ich derzeit keine Chance.

Sie sind seit fünfeinhalb Jahren Vorsitzender der KEF und haben in dieser Zeit im Rahmen der KEF-Berichte den öffentlich-rechtlichen Sendern zahlreiche Empfehlungen gegeben. Können Sie an konkreten Beispielen erkennen, dass Ihre Vorschläge angenommen und von den Sendern eingelenkt wurden?
Fischer-Heidlberger: Wenn Sie jeweils die Anmeldungen der Anstalten und den festgestellten Bedarf durch die KEF vergleichen, sehen Sie schon, dass es aufgrund vieler Erwägungen Kürzungen bei der Anmeldung gegeben hat. Wir haben bei der ARD und ZDF Einsparvorgaben beim Personal gemacht. Die Anstalten setzen diese um. Unser Maßstab ist Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Wir haben viel erreicht bei der Transparenz über Kostenvergleiche, bei Telemedien oder nehmen Sie das Beispiel der Produktionsfirma Degeto, …

… eine Filmhandels- und Produktionstochter der ARD, die mehr Aufträge vergab, als ihr Budget zuließ …
Fischer-Heidlberger: … dieser Fall ist 2011 öffentlich geworden. Neben den Reaktionen der ARD haben wir mächtig Druck ausgeübt, dass es zu Veränderungen kommt und ein transparenteres System geschaffen wird. Und wir haben Kürzungen vorgenommen, weil die Geschäftsabläufe nicht besonders wirtschaftlich gestaltet waren.
Wir untersuchen derzeit die Strukturen und Kosten der IT-Leistungen. Wir wollen herausfinden, ob es dort nicht erhebliche Potenziale für Einsparungen gibt, etwa, wenn die Anstalten zusammenarbeiten und vielleicht einen gemeinsamen Anbieter wählen würden. Nicht alles muss jede Anstalt für sich neu erfinden und neu entwickeln.
Auch im Bereich Personal haben wir durch Kürzungen erreicht, dass Einiges in Bewegung gesetzt worden ist. Manche Anstalten haben gerade aufgrund unserer Kürzungsvorgaben feststellen müssen, dass sie teilweise ihre Personalstrukturen nicht vollumfänglich erfasst hatten und kannten.

Gleichwohl scheint insbesondere die Öffentlichkeit in letzter Zeit immer mehr Erwartungen an die KEF zu stellen. Decken sich diese Erwartungen mit ihrem gesetzlichen Auftrag und dem, wozu sie von ihrenRessourcenher in der Lage ist?
Fischer-Heidlberger: Die Erwartungen der Öffentlichkeit und Interessensverbände an die KEF sind ungeheuer groß geworden. Unser gesetzlicher Auftrag deckt sich jedoch nicht immer mit diesen Erwartungen. Auch die Organisationsform einer Kommission mit 16 unabhängigen Sachverständigen und deren personelle Ausstattung haben ihre Grenzen. Wenn Sie so wollen, steuern wir ein klein bisschen mit dem finanziellen Zügel. Größere Einflussmöglichkeiten haben die Länder und die Gremien der Rundfunkanstalten. Sie bestimmen den Auftrag beziehungsweise wie er ausgefüllt wird.
Im Übrigen werden die Anstalten und ihre Tätigkeit im Nachhinein von den Landesrechnungshöfen geprüft. Auch über deren Arbeit erlangen wir Erkenntnisse, die wir nutzen, um zum Beispiel Bedarfsanmeldungen zu kürzen.

Hätten Sie auch dafür ein Beispiel, vielleicht aus Bayern, weil Sie ja den bayerischen Rechnungshof leiten?
Fischer-Heidlberger: (Überlegt) Für Bayern kann ich Ihnen keines nennen. Der Rechnungshof Baden-Württemberg hatte bei einer Prüfung von Arte Potentiale für mehr Wirtschaftlichkeit festgestellt. Die KEF hat daraus eine Kürzung abgeleitet.

Sie sagten, für Verträge der Sender gebe es Geheimhaltungspflicht. Sollte nicht aber gegenüber dem Gebührenzahler Transparenz herrschen, wenn sein Geld ausgegeben wird?
Fischer-Heidlberger: Eine ganz schwierige Frage. Ein Vertrag ist eine private Rechtsbeziehung, in dem sich die Vertragspartner auf bestimmte Leistungen einigen. Wenn ein Vertragspartner darauf besteht, dass die Vertragsbedingungen vertraulich bleiben, so kann sich der andere nicht darüber hinweg setzen. Auch bei öffentlich-rechtlichen Einrichtungen ist das nicht anders; sonst müssten sie auf die Leistung mit einer entsprechenden Qualität verzichten.
Sowohl das Geschäftsgeheimnis hat eine hohe Bedeutung, als auch der Schutz der Privatsphäre. Das ändert sich auch nicht dadurch, dass Leistungen aus öffentlichen Geldern bezahlt werden.

In Berlin sorgte eine Volksabstimmung  dafür, dass die Verträge der Stadt mit einem privaten Wasserversorger offengelegt werden mussten. Ein Argument war, dass es sich umöffentliche Gelder handelte und Wasser ein öffentliches Gut ist. Könnte man nicht Medien, die durch öffentlich-rechtliche Anstalten produziert werden, auch alsöffentliches Gut betrachten?
Fischer-Heidlberger: Ja, (lacht), das Argument ist schwierig zu widerlegen, da haben Sie recht. Ich denke die Wasserversorgung ist anders gelagert. Auch bei den Verträgen für die Maut bei der Bundesautobahn gab es Diskussionen um die Offenlegung der Verträge. Diese Überlegungen gibt es bei vielen Public Private Partnerships-Projekten.
Bei Rundfunk und Fernsehen  geht es vielfach um individuelle Leistungen, um künstlerische Kreativität, um Urheberrechte. Das heißt, wenn ein Sender gerne ein attraktives Programm gestalten und dafür bestimmte Schauspieler oder Moderatoren einsetzen will, wird er sich auf Klauseln zur Geheimhaltung von Vertragsinhalten einlassen müssen.
Ich sage das jetzt als Präsident eines Rechnungshofs: Transparenz ist gut, aber man sollte sich von der Transparenz nicht immer gute Lösungen erhoffen. Manchmal gibt es schon sehr große Irrwege und auch öffentliche Diskussionen, die eigentlich zu nichts führen.

Wir sprechen hier kurz bevor eine Ministerpräsidentenkonferenz zusammenkommt und dabei auch über die Rundfunkanstalten berät. Was erwarten Sie sich von diesen Beratungen?
Fischer-Heidlberger: Ich erwarte mir klare Aussagen und Entscheidungen dazu, ob es Veränderungen zur Beitragspflicht gibt und ob Werbung und Sponsoring in Zukunft reduziert werden soll.
Dies sind medienpolitische Entscheidungen. Sie haben erhebliche Auswirkungen auf das nächste KEF-Verfahren. Es ist ein sehr formales Verfahren. Das bedeutet, dass wir innerhalb laufender Ermittlungen keine medienpolitischen Entscheidungen mehr akzeptieren können. Zur Sicherung der Rundfunkfreiheit hat das Bundesverfassungsgericht dieses Verfahren mehrfach bestätigt.

Ist auch mit einer Diskussion um die Höhe des Rundfunkbeitrags zu rechnen?
Fischer-Heidlberger: Natürlich können die Ministerpräsidenten über den Beitrag diskutieren, aber sie können keineswegs eine Beitragsstabilität oder gar eine bestimmte Höhe des Beitrags beschließen. Das wäre verfassungswidrig. Zunächst kommt die Bedarfsanmeldung der Anstalten, dann die Ermittlungen und Berechnungen der KEF. Am Ende dieses Verfahrens steht ein Ergebnis. Erst nach der Empfehlung der KEF können die Ministerpräsidenten und die Landesparlamente entscheiden und gegebenenfalls den Beitrag anpassen.
Die Entscheidungen über Werbung und Sponsoring und etwaige Veränderungen der Beitragspflicht müssen also vor dem Verfahren getroffen werden, damit die KEF eine vernünftige Basis hat, auf der wir rechnen können.

Was halten Sie denn von den Überlegungen, Werbung und Sponsoring bei öffentlich-rechtlichen Sendern womöglich einzuschränken oder abzuschaffen?
Fischer-Heidlberger: Das ist eine typische medienpolitische Entscheidung, und die KEF kann dazu überhaupt nichts sagen. Wir haben vorletztes Jahr ein Gutachten erstellt und darin Zahlen für die Ministerpräsidenten geliefert, welche Auswirkungen die Reduzierung oder Abschaffung der Werbung haben würde.
Die völlige Abschaffung würde 1,25 Euro pro Haushalt und Monat kosten. Wenn die Anstalten weniger Werbeerträge haben, aber gleichbleibend hohen Aufwand abdecken müssen, dann müssen die Beiträge um diese Summe steigen.

Es sei denn, die Erträge durch die neuen Beiträge führten zu einem solch großen Überschuss, dass man die Höhe des Beitrages belassen und damit den Wegfall der Einnahmen durch Werbung und Sponsoring kompensieren könnte –wäre das nicht rechnerisch möglich?
Fischer-Heidlberger: Die voraussichtlichen Mehrerträge aus dieser Periode reichen nicht aus, um Werbung und Sponsoring ab 2017 dauerhaft abzuschaffen. Für die Zeit ab 2017 muss zudem berücksichtigt werden, dass zusätzlicher Aufwand der Anstalten finanziert werden muss. Daher halte ich beides, also die Werbung abschaffen und den Beitrag stabil halten, für völlig ausgeschlossen.

Sie meinen, die Anstalten werden nicht von alleine auf die Idee kommen, ihren Bedarf zu reduzieren und weniger anzumelden?
Fischer-Heidlberger: (Lacht) Nein, man muss das aber auch realistisch sehen bei allen Anstrengungen der Anstalten, Kosten einzusparen. In den Jahren 2017 bis 2020 wird es Kostensteigerungen geben, denn wir haben ein wirtschaftliches Wachstum, über das wir ja auch froh sein müssen. Deshalb werden die Gehälter steigen.
Für ein gleichbleibend gutes Programm brauchen die Anstalten mehr Geld; auch die Filmproduzenten fordern eine bessere Bezahlung.

Ihre Amtszeit läuft noch bis Ende 2016. Gibt es etwas, dass Sie bis dahin mit der KEF erreichen wollen?
Fischer-Heidlberger: Die wichtigste Aufgabe ist nun, den Finanzbedarf für 2017 bis 2020 zu ermitteln und den 20. Bericht zu erstellen.
Bis zum Ende dieser Periode soll das neue Beitragssystem so aufgestellt sein, dass es eine sichere Basis bietet. Das ist nicht so einfach, wie man es gemeinhin liest.

Hat das Gerichtsverfahren, in dem ein Unternehmen gegen die Zahlungen des Rundfunkbeitrags durch Filialbetriebe klagte, eine direkte Auswirkung auf die Arbeit der KEF?
Fischer-Heidlberger: In den Entscheidungen bestätigten die Gerichte, zuletzt die Verfassungsgerichtshöfe von Rheinland-Pfalz und Bayern eindeutig die Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitrags, so wie er derzeit geregelt ist. Sollten Obergerichte das anders sehen, müssten sich die Länder damit befassen und gegebenenfalls Änderungen des Finanzierungssystems beschließen. Das sehe ich aber derzeit nicht.

Halten Sie es denn für realistisch, dass man diesen Prozess aus Bedarfsanmeldung, Prüfung durch die KEF und gegebenenfalls Kürzung der Mittel, demnächst mal reformiert – man könnte diese Abläufe doch auch ändern, oder?
Fischer-Heidlberger: Ändern kann man natürlich vieles, man kann sich auch vieles ausdenken. Alternative Lösungen und Wege müssen immer im Rahmen der Verfassung, der Rundfunkgesetzgebung und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bleiben. Der Rundfunk muss staatsfern organisiert werden; die Politik darf nicht über die Finanzierung des Rundfunks das Programm steuern. Und der Rundfunk liegt in der Zuständigkeit von 16 Ländern, die gemeinsame Entscheidungen treffen müssen. Am Ende wird immer die Frage bleiben, wer ermittelt staatsfern den Finanzbedarf für den öffentlich-rechtlich Rundfunk und das Fernsehen. Auf welcher Grundlage sollen und können die Länder ihre gemeinsame Entscheidung zur Festlegung von Zahlungspflichten treffen?
Die KEF besteht in diesem Jahr seit 40 Jahren. Das derzeitige Verfahren ist etabliert; zum Teil geht es unmittelbar auf das Bundesverfassungsgericht zurück. Insgesamt ist das KEF -Verfahren als verfassungsgemäß beurteilt worden. Zugegeben, es ist kompliziert, weil es Vorgaben der Verfassung gibt, die Zuständigkeit bei 16 Ländern liegt und die Struktur der Rundfunkanstalten historisch gewachsen ist und viel Abstimmung erfordert.

[Das Interview entstand im Juni 2015.]

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