Wie die VG Wort zwischen Kabarett und Comedy unterscheidet

Vor einigen Monaten machte uns Dieter Nuhr in einem Interview auf den folgenden Sachverhalt aufmerksam:

„In einer Kabarettsendung laufe ich als Kabarettist und in einer Comedy-Sendung als Comedian, wobei ich aber dasselbe Programm spiele. Ich habe zum Beispiel einmal im „Scheibenwischer“ die gleiche Nummer gemacht wie im Quatsch Comedy Club. Das Witzige ist: bei der VG Wort – das ist sozusagen die GEMA für Wortkünstler – werden diese Sachen unterschiedlich vergütet, „Kabarett“ doppelt so hoch wie „Comedy“. Ich habe dann für denselben Text im Scheibenwischer das Doppelte bekommen von dem, was ich im Quatsch Club gekriegt habe. Das ist lächerlich.“

Was Dieter Nuhr hier anspricht steht so auch im „Verteilungsplan VG Wort“ (PDF-Link), wo für die Berechnung der Ausschüttungen für Kabarettbeiträge 100 Punkte und für Comedy 50 Punkte angegeben sind.

Dass im Musikbereich die GEMA sogenannte „ernste“ Musik höher vergütet als „Unterhaltungsmusik“ ist hinlänglich bekannt und umstritten, zuletzt hatten wir darüber mit dem Musiker Schiller gesprochen. Dass auch die VG Wort so eine Unterscheidung vornimmt, war uns hingegen neu. Wir haben daraufhin weitere Wortkünstler auf diese Unterscheidung angesprochen und auch bei der VG Wort nachgefragt.

Christine Prayon meint:

„Das sieht für mich nach absurder Willkür aus. Ich weiß auch nicht, was die Gründe sein könnten. Warum sollte die künstlerische Leistung im Kabarett doppelt so viel wert sein wie in der Comedy? Ich persönlich würde die Gelder für Comedy und Kabarett absolut gleich verteilen.“

Auch Rüdiger Hoffmann haben wir kürzlich darauf angesprochen:

„Das ist eine Frechheit. Ich weiß gar nicht genau, in welche Kategorie ich falle, in meiner Steuererklärung steht glaube ich auch Kabarettist drin, da müsste ich mal nachforschen (lacht). Ich muss sagen: Diese Unterscheidung finde ich völlig daneben. Das eine ist die vermeintliche Hochkultur, das andere eben nur Comedy, also E und U, Ernst und Unterhaltung. Ich glaube, diese Trennung gibt es auch nur in Deutschland, für mich ist das sehr hochnäsig und nicht richtig. Das wäre genauso, als wenn man sagt: Klassische Musik ist wertvoller als die Musik der Beatles. Wer will denn sowas bewerten?“ (Interview erscheint im November auf PI)

Wir haben die VG Wort um Erklärung gebeten und erhielten folgende Antwort:

„Die VG Wort verteilt die von ihr erzielten Einnahmen nach einem festen Regelungswerk, dem sogenannten Verteilungsplan. Dieser wird von den Mitgliedern der VG Wort beschlossen und sieht für die Bereiche Fernsehen und Hörfunk vor, dass die Kategorie „Kabarett“ mit 100 Punkten bewertet wird, die Kategorie „Comedy“ demgegenüber mit 50 Punkten. Der Grund für diese Höherbewertung von Kabarett ergibt sich in erster Linie aus dem Urheberrechtswahrnehmungsgesetz (UrhWG): Nach § 7 Satz 2 UrhWG sind die Verwertungsgesellschaften gesetzlich gehalten, im Rahmen der Verteilung kulturell bedeutende Werke und Leistungen zu fördern. (Hervorhebung von Planet Interview)

Nun sind die Geschmäcker verschieden und man mag darüber streiten, ob im Einzelfall ein bestimmtes Kabarettprogramm tatsächlich „kulturell bedeutender“ ist als ein Comedyprogramm. Die VG Wort vergütet jedoch jedes Jahr tausende von Fernseh- und Hörfunksendungen und kommt dabei um gewisse Standardisierungen nicht herum. Hierzu gehört auch, dass die VG Wort bestimmte Sendeformate als solche grundsätzlich entweder als „Comedy“ oder als „Kabarett“ einstuft, da nicht jede Sendung individuell angesehen und bewertet werden kann. Tritt daher ein Künstler in einer typischerweise als Comedy eingestuften Sendung auf, liegt darin der Ansatzpunkt für die VG Wort, das betreffende Werk mit der Punktzahl für die Kategorie „Comedy“ zu bewerten. Der Künstler hat jedoch die Möglichkeit, der VG Wort im Einzelfall nachzuweisen, dass es sich tatsächlich um ein Kabarettprogramm handelt und erhält dann auch die volle Punktzahl für die Kategorie Kabarett.“

Kurz gefasst: Kabarett ist in den Augen der VG Wort „kulturell bedeutender“ als Comedy. Und als Comedian hat man bei der VG Wort keine Chance auf die höhere Vergütung – es sei denn, man erbringt einen „Nachweis“, dass man ja eigentlich Kabarett macht. Ob das fair und zeitgemäß ist?

 

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