Herr Marmor, warum haben Sie die Entscheidung mitgetragen, Xavier Naidoos Nominierung für den Eurovision Song Contest zurückzuziehen?
Lutz Marmor: Weil ich es auch unterschätzt habe.
Sie haben doch ein klasse Intendanz-Team um sich, wie ist da die Beratung gelaufen?
Marmor: Ich habe die Wucht der Reaktion genauso unterschätzt wie andere. In der Zeit waren auch viele andere Dinge im Fokus, das ist doch ganz klar, davon kann ich mich nicht freisprechen.
Wer trägt die Verantwortung dafür, dass der Programmdirektor der ARD nicht informiert wurde?
Marmor: Wie das passiert ist weiß ich nicht genau.
Frank Beckmann: Auch aus meiner Sicht war das ein Fehler, den wir gemacht haben, den wir umgehend korrigieren mussten. Der Hintergrund der mangelnden Information, auch an Volker Herres, sehe ich ebenfalls kritisch, das hätten wir machen müssen, eigentlich. Weil wir damit auch eine Chance vertan haben, noch einmal breit über Xavier Naidoo und diese Entscheidung zu diskutieren, dann wäre man uns möglicherweise auch in den Arm gefallen und wir hätten diese Entscheidung nocheinmal revidiert. Das ist unterblieben, das ist so wie immer, wenn man einen großen Fehler macht, dem gehen oft viele kleine voraus. Das war sicher auch ein Fehler, den man hätte vermeiden können.
Wer ist „man“?
Beckmann: Verantwortlich für den ESC ist Thomas Schreiber, er bedauert auch, dass er diese Information nicht weitergegeben hat. Ich weiß in welchem Umfeld das war. Auch er war in der Zeit, wo wir die Pressemeldung veröffentlicht haben sehr unter Druck mit vielen anderen Themen, Sie erinnern sich beispielsweise an den „Tatort“ mit Til Schweiger, das soll aber keine Entschuldigung sein. Da muss man eben ein Stückchen warten und entsprechend informieren.
Wie soll es mit dem ESC weitergehen? Werden Sie das Publikum an der Entscheidung beteiligen, wer für Deutschland auftritt?
Marmor: Jetzt wollen wir nicht den gleichen Fehler nocheinmal machen, die ARD nicht einzubeziehen, auch andere Kollegen, vielleicht Radiowellen beispielsweise, die jungen Wellen, die da sehr wichtig sind, in dem Verfahren, was wir haben – insofern kann ich Ihnen hier und heute keine endgültige Lösung präsentieren aber es gibt eine Tendenz wieder zum Wettbewerb zurückzukehren und dann auch das Publikum entscheiden zu lassen, wer dann nach Stockholm fährt.
Gibt es vertragliche Verpflichtungen finanzieller Art aus dem einseitig gekündigten Vertrag mit Xavier Naidoos Management?
Beckmann: Es gibt aus unserer Sicht keinen Vertrag, den wir geschlossen haben, was es gibt sind mündliche Vorabsprachen über Eckwerte, die dann die Grundlage für einen Vertrag sind. Das wurde in Zusammenarbeit mit der Produktionsredaktion gemacht. Wir sind im Rahmen von mündlichen Vorabsprachen, dass die Kollegen des Managements von Xavier Naidoo das als Vertrag werten ist ihr Recht, allerdings ist das eine juristische Frage, die wir jetzt prüfen müssen und auch eine Frage, die wir mit dem Management besprechen müssen, was daraus folgt. Eins ist klar, wir haben die Leistung nicht abgefordert, wir werden darauf verzichten, insofern muss man sich am Ende einigen, was daraus folgt. Das ist eine juristische Frage die wir noch prüfen müssen.
Gab es ein entscheidendes Argument, dass Sie zum Umdenken gebracht hat, dass man die Nominierung von Xavier Naidoo zurückzieht?
Marmor: Das glaube ich, kann man nicht auf ein Argument zuspitzen. Wir haben dann auch noch mit vielen Menschen gesprochen, das dient dann doch noch einmal zur vertieften Meinungsbildung. Aber das Gesamtbild, das haben wir auch gesagt: Wir wollten nicht, dass der ESC überlagert worden wäre von dieser Diskussion, das soll ein musikalisches Event sein, fröhlich sein, der Völkerverständigung dienen. Das wäre gefährdet gewesen, wenn wir das mit dem Kopf durch die Wand durchgezogen hätten.
Bei verantwortungsvollem Umgang mit Verträgen und dem Geld der Zuschauer müsste es mindestens ein Escape-Szenario geben, auch bei mündlichen Vorabsprachen. Wie hoch ist der maximale Schaden, der aus dieser Geschichte mit Xavier Naidoo entstehen kann?
Beckmann: Zur Frage des Schadensersatzes kann ich nur wiederholen: Wir werden es erst juristisch prüfen und mit dem Management reden erst dann können wir darüber nachdenken, was sich daraus ergibt.
Eine Summe in Euro gibt es aber?
Beckmann: Richtig, Eckwerte gibt es, aber die sind vertraulich, die können wir nicht öffentlich machen.
Die ARD-Sender haben in letzter Zeit u.a. kritisch übr die FIFA und Sepp Blatter berichtet. Wie verträgt sich das mit der Tatsache, dass ARD und ZDF jene Konditionen nicht öffentlich machen, zu denen sie die Übertragungsrechte für die letzte und für die kommenden Weltmeisterschaften von der FIFA erworben haben?
Marmor: Unsere Gremien – der Vorsitzende der Gremien-Konferenz Herr Grund kann das sicher bestätigen – kennen die Konditionen. Die sind Vertreter der Beitragszahler. Und wenn es Vertraulichkeit gibt müssen wir die einhalten. Das ist so. Wir haben aber, Stichwort Transparenz, den Sportrechte-Etat der ARD, ja veröffentlicht, das kann man sehen. Aber dass wir aus Konkurrenzgründen nicht veröffentlichen, was wir exakt für die Bundesliga bezahlt haben, damit der nächste im Bieterwettbewerb eine gute Orientierung hat, das muss man doch nachvollziehen können. Das sind immer Güter die wir abwägen müssen: Berechtigte Forderungen nach Transparenz – unseren Gremien gegenüber ist die Transparenz gegeben, so ist das auch geregelt. Auf der anderen Seite müssen Sie schon auch den Aspekt Wirtschaftlichkeit gewichten und in dem Fall ist das so.Wir haben Rechte für Wettbewerbe erworben, die Rechte kriegen Sie halt nicht anders und da muss man diesen Spagat machen.
Wir sind an der Spitze derjenigen die sehr kritisch über die Fifa berichtet haben. Wir haben selbst ein Interesse daran, dass es im Sport richtig und gut zugeht, denn sonst wird der Sport auch die Akzeptanz bei den Menschen verlieren.
Habe ich als Gebührenzahler mit der Rundfunkgebühr eine korrupte Mafia-artige Organisation mitfinanziert?
Marmor: Die Formulierung weiß ich nicht, weil ich bin jetzt nicht an der Spitze der Aufklärer. Dass es sehr sehr kritische Nachfragen in Richtung Fifa gibt ist unstreitbar. Die Frage ist jetzt, ob so eine Organisation eine Selbstreinigungskraft hat oder nicht, das wird die spannende Frage sein und das werden wir kritisch begleiten.
Welchen Vorteil hat der Zuschauer wenn er Bundesliga-Spiele bei den Öffentlich-Rechtlichen sieht, gegenüber einer Ausstrahlung im Free-TV, zum bei Beispiel RTL oder Sat.1?
Marmor: Erstmal dass er ein gutes Programm bei uns kriegt. Jetzt können Sie sagen, viele sagen uns das auch, nach den Länderspielen, bei uns gibt es schon ein Stück weniger Werbung, bei uns gibt es glaube ich auch sehr qualifizierte Berichterstattung, die mag es anderswo auch geben. Ich weiß aber von vielen internen Umfragen, dass für viele Menschen sehr wichtig ist, dass sie sagen können, für meinen Beitrag kriege ich Sport, und zwar Spitzensport, und kriege ich Bundesliga und kriege ich auch, wenn Sie an die ARD denken, das ist nicht nur die Sportschau am Samstag, das sind auch die dritten Programme, die das nochmal aus einer eigenen regionalen Sicht zusätzlich beleuchten.
Ich würde sagen, nach dem wir die Rechte hatten – wir hatten sie ja eine Zeit lang nicht – sind a) die Zuschauerzahlen gestiegen, die sind besser gewesen bei der Sportschau als beim Vorläufer-Format, und zum Zweiten haben viele Menschen gesagt: jetzt weiß ich wieder warum ich Rundfunkbeitrag zahle. Das trifft nicht für jeden zu. Für viele ist dieses Angebot wichtig, und wir können uns ja auch nicht aus massenattraktiven Dingen zurückziehen, Sport ist in dieser Gesellschaft, Fußball, so verankert, das hat man selten erlebt, ein Thema, dass über alle sozialen Schichten hinweg zieht, über alle Altersstufen. Wenn da der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht dabei sein würde, das fände ich schwierig. Aber dass wir die Preise nicht ins Unermessliche erhöhen können, das ist klar, weil auch dort begrenzte Mittel sind, wir müssen Gremien-Zustimmung haben und am Beispiel RTL/Qualifikationsspiele haben Sie ja sehen können, dass es auch Fälle gibt, wo andere Bieter mehr bieten, damit müssen wir uns dann auch abfinden.
ARD und ZDF geben im Jahr für Sport ca. eine Milliarde Euro aus…
Marmor: Das wird leider manchmal verwechselt, weil die KEF-Betrachtung sind immer vier Jahre, wenn wir die Zahlen veröffentlichen werden oft die vier Jahreszahlen genommen. Nach meiner klaren Erinnerung sind die Rechtekosten für die ARD bei 250 Millionen, pro Jahr, da sind dann aber auch Sportarten drin, Wintersport, Biathlon, und Olympische Spiele. Die prägende Sportart ist natürlich Fußball. Das haben wir ja nicht erfunden, Fußball ist in Deutschland die Sportart Nr.1.
Halten Sie es angesichts einer Viertelmilliarde nicht für angebracht, die Zahlungen für Senderechte transparent zu machen? Auch damit der Preiskampf um die Rechte sich nicht immer weiter steigert, den die Gebührenzahler ja stets ungefragt mitfinanzieren müssen?
Marmor: Der (Bieterwettkampf) eskaliert ja nicht weil wir Zahlen geheim halten. Im Gegenteil wenn wir die nennen würden, würde es eher umgekehrt gehen, da wird ja dann eher noch mehr geboten. Den Zusammenhang sehe ich nicht.
Aber wir haben ja die Zahl, die Sie genannt haben, die kommt ja von uns, weil wir sie veröffentlicht haben.
Herr Grund, Sie brachten im Oktober 2014 in einem Artikel für die „Funkkorrespondenz“ einen Wandel der öffentlich-rechtlichen Sender zu mehr Transparenz ins Spiel und schrieben: „Der Mangel an Informationen über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks führt zu Unsicherheit und womöglich gar zu Verlust von Vertrauen bei vielen Bürgerinnen und Bürgern.“ Vor diesem Hintergrund zwei Fragen:
1. Wie lange wird es noch dauern, bis der Hessische Rundfunk das Honorar seines Intendanten offenlegt? Warum ist das bisher noch nicht geschehen?
2. Wann werden die ARD-Anstalten die Honorare ihrer Moderatoren offenlegen? So wie es zum Beispiel in der Politik bei den Einkommen der Bundestagsabgeordneten längst Usus ist…
Uwe Grund: Zunächst war das Thema Transparenz und mehr öffentliche Darstellung über Finanzierungssysteme bei der ARD und den Rundfunkanstalten, ein wichtiges Thema – ich denke, da sind wir gewaltige Schritte vorangekommen. Wenn man das gegenüber früher vergleicht, für das Nachvollziehen können. Daran haben wir mitgewirkt, das auch gefordert. Was wir verstehen, was wir auch akzeptieren und auch für wichtig halten, im Interesse des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, ist: überall dort, wo die Rundfunkanstalten und die ARD im Wettbewerb zu anderen Marktteilnehmern steht, geht es einfach nicht, dass wir als Einzelne unsere Finanzgrundlagen offenlegen, und andere sich an dieser Veröffentlichung orientieren. Das hat Folgen, unter anderem glaube ich, dass es nicht zu Preissenkungen führen wird, sondern zu Preistreiberei führen wird, weil natürlich die anderen Beteiligten sich dann bei einer Feststellung wie die Lage im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist, in der Regel versuchen würden, diesen zu überbieten. Der Wettbewerb wird… also, es geht einfach nicht. Das gilt für manche vertragliche Vereinbarungen auch im Sinne des Datenschutzes. Es ist einfach so, dass Verträge, die datenschutzrechtlichen Bestimmungen unterliegen, nicht einfach öffentlich gemacht werden können. Wenn schützenswerte Interessen von Beteiligten in Verträgen vorhanden sind ist es, wie ich finde, in Ordnung. Vieles erfahren wir. Ich weiß, was wir im Sportbereich, was wir im Sportbereich für einzelne konkrete Verträge bezahlen, das ist uns bekannt, das wird auch bei uns diskutiert. Wir haben auch im Zusammenhang mit Olympia gesagt, wir unterstützen, dass sich die ARD in der Frage bewirbt bei Discovery, wir sagen aber, es muss ein werthaltiges Angebot sein und es muss in angemessenen Preisen sein. Wenn es nicht so ist, dann auch nicht mit unserer Zustimmung.
Wir haben uns auch zum Thema FIFA geäußert, wir haben gesagt: Es kann durchaus sein, wenn die FIFA nicht in der Lage ist, sich selbst zu reformieren, dass wir dann keinen seriösen Vertragspartner mehr haben, aus Sicht der Gremien. Wenn die das nicht in Ordnung bringen können, dann finde ich, kann es Grenzen geben, wo wir sagen, das geht nicht mehr aus öffentlich-rechtlicher Sicht.
Könnten Sie noch meine erste Frage zum Hessischen Rundfunk beantworten?
Grund: Die Frage kann ich nicht stellvertretend für den Hessischen Rundfunk beantworten, das unterliegt der Gremienkontrolle der Kollegen dort.
Glauben Sie, da wird noch eine Offenlegung geschehen?
Grund: Sorry, das kann ich nicht beantworten.
Halten Sie es noch für zeitgemäß, dass acht der ARD-Intendanten mehr verdienen als die Bundeskanzlerin? Sie selbst sagten ja vorhin im Verlauf der Pressekonferenz „wir schwimmen nicht im Geld“? Wäre es nicht angemessen, die hohen Gehälter der Intendanten etwas runterzuschrauben?
Grund: Ich bin der Meinung, die Kanzlerin und der Bürgermeister der Freien Hansestadt Hamburg verdienen zu wenig, für das was sie leisten. Das hat nichts damit zu tun, dass wir in der Verantwortung stehen, zu prüfen, ob die Verträge, die für die leitenden Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bezahlt werden, angemessen sind oder nicht, aus unserer Sicht. Ich kann Ihnen sagen, wir sehen es als angemessen an. Vergleichen Sie die Einkommen dieser Leute, sehen Sie Verantwortung die dahinter steht, sehen Sie die Größe der Unternehmen und welche Relevanz das für die Öffentlichkeit hat, dann sind wir der Meinung, dass die Einkommen, die dort erzielt werden, keineswegs überzogen sind. Vergleichen Sie das mit Einkommen von Menschen in der privaten Wirtschaft, in ähnlichen Führungspositionen sind sie eher an der unteren Skala.
Muss man das vergleichen mit der privaten Wirtschaft?
Grund: Nein, ich habe gesagt, wenn Sie es tun, dann werden Sie feststellen, dass bei vergleichbarer Verantwortung – wenn es das überhaupt gibt – also bei einigermaßen vergleichbaren Größenordnungen die Einkommen dort (beim ÖR) niedriger sind.
Sie sagen, es würde zu einer Preistreiberei führen, wenn man Moderatorengehälter offenlegt. Doch wenn die Honorare moderat oder niedrig wären, würden die Preise bei einer Offenlegung ja sinken. Erst wenn die Preise hoch sind entsteht die Preistreiberei. Oder verstehe ich das falsch?
Grund: Wenn ich das richtig sehe, ist es so, dass die Tarifverträge für die Beschäftigen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bekannt sind und was die Menschen, die dort arbeiten verdienen ist überall bekannt.
Mir ging es vor allem um bekannte Moderatoren, die von den öffentlich-rechtlichen teuer eingekauft werden, Helene Fischer & Co.
Grund: Bei denen bleibt uns nichts Anderes als der Realität ins Auge zu sehen, dass man da im Wettbewerb steht, und dass man Verträge hat, an die man sich halten muss.
Marmor: Wenn Sie – egal wie hoch oder wie niedrig das ist – Tatort-Schauspieler, wenn Sie rein theoretisch alle Verabredungen mit denen veröffentlichen, was wird dann passieren? Dann wird keiner derjenigen, die mehr verdienen als andere, sagen, ich verzichte freiwillig, weil ich mehr gekriegt habe. Aber die, die weniger verdienen, werden sagen: So gut wie der bin ich ja schon lange. Also passt mein Gehalt an.
Das können Sie bei Unternehmen sehen, als die Aktiengesellschaften ihre Vorstandsgehälter veröffentlicht haben sind die nach oben gegangen, nicht nach unten. Das ist der menschliche Reflex, keiner wird sagen, ‚ich habe einen Vertrag, ich verzichte jetzt freiwillig, weil ich bin da auch nicht besser als der Schauspieler XY‘ – das ist der Grundsatz. Es kommt hinzu, dass wir da einen Wettbewerb haben. Das, was wir veröffentlichen können, wir haben auf der NDR-Seite die Gehälter unserer leitenden Mitarbeiter veröffentlicht, ich finde, das ist dann auch in Ordnung.