Friedrich, anders als viele Rapper bist du nicht dafür bekannt, einen ‚auf dicke Hose‘ zu machen. Bist du nicht der Typ für so eine Pose?
Ich bin so erzogen worden, dass man nicht angeben soll. Ich mache das sicherlich ab und an mal. Als ich mit Rap angefangen habe, habe ich auch bei Battles mitgemacht. Dort geht es darum, dass man kunstvoll erklären muss, warum man toll ist – und die anderen eben nicht. Ich finde man kann auf eine lustige Art und Weise angeben, durchaus auch selbstironisch. Man kann aber auch einfach ein Arschloch sein und immer wieder betonen wie viel Geld man hat und welche Statussymbole man sich leisten kann. Das finde ich irgendwie doof.
Der Rapper Fler erklärte uns einmal, er verbinde mit Rap die Devise „höher-schneller-weiter“, aber auch „das Armuts-Ding, Zusammenhalten, gegen den Strom schwimmen, das Rebellische, sein eigenes Ding machen.“ Kannst du damit etwas anfangen?
Ja, das kann ich so unterschreiben. Für mich ist Hip-Hop aber noch mehr. Wenn man heute als junger Mensch etwas zu sagen hat und dann anfängt, Gedichte zu schreiben, dann wäre das irgendwie nicht der Zeitgeist, das würde wahrscheinlich nicht von so vielen Menschen aufgenommen werden. Rap ist da eine sehr neue Form. Ich glaube aber, dass es ganz viele Leute gibt, die das noch nicht so richtig ernst nehmen.
Warum nicht?
Wenn du ein Gedicht oder einen Roman in die Hand bekommst, nimmst du das automatisch ernst. Man denkt, das muss ja scheinbar ein intellektueller, cleverer Typ geschrieben haben, noch bevor man sich damit auseinandergesetzt hat. Bei Rap-Musik ist das andersrum, ein Rapper wird erst mal für einen Vollidioten gehalten, der dir irgendeinen Quatsch erzählen will. Doch das ist genauso falsch. Für mich ist es einfach eine Ausdrucksform, in der ich mich frei bewegen kann. Ich bin damit groß geworden.
Aber warum ist es vielen Rappern so wichtig, ihren Reichtum und ihren Lifestyle zu betonen?
Viele Rapper kommen aus einem sehr armen Background. Es ist ja auch so ein Klischee, dass viele immer wieder betonen, dass sie als Drogendealer oder Zuhälter angefangen hätten. Da haben sie vielleicht in relativ kurzer Zeit viel Geld angesammelt und sich diese Statussymbole erarbeitet und definieren sich dann darüber. Das sind dann aber auch Menschen, denen solche materiellen Dinge total wichtig sind, weil sie sich eben in einem Umfeld bewegen, in dem du nach diesen Werten gemessen wirst. Mir war das nie so wirklich wichtig.
Aufgrund deiner Sozialisation?
Ich bin in Berlin-Zehlendorf in einer Nachbarschaft groß geworden, wo die meisten Menschen wahrscheinlich noch viel mehr Geld haben als ein krasser Zuhälter oder Drogendealer. Da ist das nichts besonderes zu zeigen, dass man drei oder vier krasse Autos hat. Ich habe das eher immer als unangenehm empfunden, wenn Leute herausgekehrt haben, was sie besitzen. Meine Mitschüler kamen aus total reichen Familien und ich fand es schon damals nicht so geil, wenn die mit ihrer Kohle angegeben haben. Ich empfand das als eher unfein.
Mich langweilt die Politik in Deutschland schon lange.
Welche Rolle spielen Statussymbole heute für dich?
Ich bin ja studierter Designer. Ich mag gerne Dinge, gut gemachte Dinge, egal ob das jetzt ein Löffel ist oder eine Suppenschüssel. Oder ein Auto. Ich mag es, wenn Dinge gut designed sind. Aber ich würde mich nicht darüber definieren.
Was für Gegenstände sind dir wichtig?
Ich finde, ein guter Stuhl ist wichtig, auf dem man gut sitzen kann. Ein guter Füllfederhalter. Gebrauchsgegenstände eigentlich. Gutes Werkzeug ist wichtig. Technik hingegen ist mir nicht so wichtig, da bin ich nicht so affin für. Eher einfache Sachen.
Wofür gibst du gerne viel Geld aus?
Das Unsinnigste was ich besitze ist eine richtig gute Kaffeemaschine. Aber das ist ja auch gar nicht so unsinnig. Das macht mir jeden Morgen Spaß damit Kaffee zu machen. Das ist ein geiles Gefühl.
Du bist in Berlin-Chalottenburg geboren, in Zehlendorf aufgewachsen und in Steglitz zur Schule gegangen – alles sehr gut situierte Bezirke. Hattest du aufgrund dieser Herkunft Probleme, Anerkennung im Rap-Biz zu bekommen?
Auf jeden Fall. Man muss aber dazu sagen, dass meine Eltern nicht reich waren. Wir sind eher durch einen Zufall dort gelandet. Mein Vater war Beamter und es gab Wohnungen, wo Leute, die verbeamtet waren, sehr günstig aber trotzdem schön wohnen konnten. Dafür waren die anderen Leute in dem Bezirk total reich. Man hat in Zehlendorf schon zu spüren bekommen, dass man nicht dazu gehört. Wenn man dann woanders hinkam, haben die Leute aber immer angenommen, man wäre total das Rich-Kid, nur weil man aus Zehlendorf kommt. Das war nicht so cool. Leider.
Wie äußerte sich das?
Ich musste mir von Anfang an Sprüche anhören. Viele Leute sind so beschränkt und blöde, das hört leider nicht auf. Am Anfang hieß es: „Du ziehst dich ja nicht so an wie wir“. Und das ist im Endeffekt immer noch so. Heutzutage beschimpfen sie dich, weil sie denken, deine Frisur würde irgendetwas über dich aussagen, früher haben sie Sprüche über meine Brille gemacht und mir vorgeworfen, dass ich nicht in klassischer Hip-Hop-Kluft unterwegs wäre.
Inwiefern ist daraus ein Ansporn erwachsen den Leuten zu zeigen, dass ihre oberflächlichen Bewertungen haltlos sind? Nach dem Motto: Erfolg ist die beste Rache…
Diese Phasen hatte ich natürlich, klar. Aber mittlerweile denke ich mir: Wenn die Leute so dumm sind, dich wegen deiner Klamotten in irgendeine Schublade zu packen, dann sollen sie sich halt verpissen! Das ist mir dann völlig egal. In den letzten paar Jahren kam ja dieser Hipster-Begriff auf. Damit musste ich mich auch schon auseinandersetzen. Das was ich mit dem Begriff Hipster verbinde, ist meilenweit von dem entfernt, wie ich mich sehe.
Und wie definierst du Hipster?
Hipster sind für mich Leute, die irgendwelche Marken glorifizieren, die sich an Äußerlichkeiten festmachen. Mir ist relativ egal, was jemand von meiner Erscheinung hält. Es ist ja auch paradox, dass viele Menschen total individuell und alternativ sein wollen, aber trotzdem voll die krassen Richtlinien haben, wie man zu sein hat, dass man nur schwarze Chucks tragen darf und so weiter.
Gab es während deiner Jugendzeit den Wunsch, zu einer Gruppe dazuzugehören?
Ja klar. Man will natürlich irgendwo dazugehören, sich unter Gleichgesinnten fühlen, irgendwo in einem Kosmos stattfinden. Für mich war das die Graffiti-Szene, das fand ich geil. Das war so ein Rebellentum, aber von Menschen, die eigentlich gar keine Rebellen sein müssten. Wir waren Rebellen ohne Grund. So habe ich auch mein Album von 2011 genannt. Wir hatten ja keinen wirklichen Grund zu rebellieren, wir haben ja jetzt nicht in Nazi-Deutschland gelebt. Uns ging es sehr gut. Uns geht es immer noch gut.
Worauf hast du damals getaggt?
Auf alles, wo du drauf malen kannst – an Häuserwände, auf Züge, auf alles halt. Auf Autos nicht, aber sonst auf alles.
Und was für Symbole, Zeichen?
Es war egal, was man gemacht hat. Es geht dir nur darum, dass du diesen urbanen Raum ein Stück weit zurückerobern willst. Wenn du Jugendlicher bist, fühlst du dich ja machtlos. Du hast das ständige Gefühl von Ohnmacht. Alle können dir sagen, was du machen sollst. Die Eltern können dir das sagen, die Staatsgewalt, du musst zur Schule gehen. Du hast ganz viele Pflichten und nur wenige Bereiche, wo du dich frei ausleben kannst. Da ist es natürlich ein geiles Gefühl von Macht, wenn du dir einen Teil dieses öffentlichen Raumes zurückholst.
Sind die Graffitis von damals heute noch in Berlin zu sehen?
Nee, auf gar keinen Fall. Das meiste wurde wahrscheinlich mittlerweile sauber gemacht oder übermalt. Aber das ist auch egal, das macht nichts.
Es geht also nicht darum, dass die Graffitis lange überleben, sondern um die Handlung an sich?
In dem Moment geht es schon darum, dass du an dem Haus vorbeiläufst und dir denkst: Da habe ich mein Zeichen hinterlassen, das war ich. Aber das ist jetzt schon so viele Jahre her, das verblasst.
Viele begeben sich für ein Graffiti an prominenter Stelle auch in Lebensgefahr. Inwiefern siehst du dich heute in der Pflicht, Jugendliche davor zu warnen?
Ich habe mich auch sehr oft in Lebensgefahr begeben. Ich glaube, als Jugendlicher ist die Gefahr immer da. Und wenn die Kids nicht das machen, dann machen sie etwas anderes, mit dem sie sich in Lebensgefahr begeben. Das finde ich aber nicht so schlimm. Es gehört für mich irgendwie dazu, seine Grenzen auszutesten. Ich fand es aber immer besser, nachts über einen Stacheldrahtzaun zu klettern, als sich irgendwelche krassen Drogen zu geben. Ich will jetzt keinen dazu anstacheln das nachzumachen, aber ich würde jetzt auch nicht spießig sein und sagen: Macht das nicht! Ich hätte auch jetzt als Erwachsener kein Problem, wenn jemand an mein Haus taggt. Das wäre mir egal.
Es gibt in vielen Städten Projekte, wo Jugendliche dazu eingeladen werden, bestimmte Flächen legal zu besprühen. Findest du das sinnvoll?
Das Illegale ist ja gerade der Reiz! Es geht nicht darum, dass dir irgendeiner sagt: Hier kannst du ein schönes buntes Bild sprühen. Es soll nicht schön und bunt sein. Sondern es geht darum zu sagen: Ich als kleiner Mensch nehme etwas ganz Großem, zum Beispiel der Deutschen Bahn, ein Stück weg. Die Initiativen sind ja nicht schlecht, aber sie haben nicht so einen großen Reiz. Es ist halt nett gemeint, aber mehr auch nicht.
Dein Video zum Song „Im Westen nix Neues“ entstand in Detroit (USA) und zeigt viele sozial benachteiligte Bewohner der Stadt. Wie hast du die Stimmung dort erlebt?
Sehr hoffnungsvoll. Viel hoffnungsvoller, als es in Deutschland der Fall wäre. Die Leute sitzen da richtig in der Scheiße. Das sieht da teilweise aus wie in einem Kriegsgebiet. Aber die Leute gucken trotzdem mit Hoffnung in die Zukunft. Das ist geil, weil in Deutschland gibt es das nicht. In Deutschland jammern die Leute immer ganz krass.
Warum ist das in Deutschland so?
Wir haben ein Mentalitätsproblem. Wir jammern auch gerade sehr über die Flüchtlinge. Dabei macht das überhaupt keinen Sinn. Da ist eine große Zukunftsangst – aber die hatten wir irgendwie immer schon. Warum, das weiß ich auch nicht.
Viele Menschen sprechen im Moment davon, dass ein Rechtsruck durch Deutschland geht…
Dasempfinde ich leider auch so, ja. Da werden rechte Stimmen laut, die man lange nicht gehört hat. Ich glaube aber, dass die allermeisten dieser Leute nicht wirklich rechts sind, sondern eine Fehleinschätzung betreiben.
Warum?
Die haben Angst. Ihnen wird Angst gemacht. Die wissen nicht genug über die Problematik. Da kommt irgendjemand daher, erzählt ihnen etwas, dann glauben die das und bekommen Angst. Die sind einfach empfänglich dafür. Die Politik hat die Menschen in Deutschland lange verdrossen, weil die Politik hier so gesichtslos und farblos war. Und jetzt sind auf einmal Farben im Spiel, nur leider die falschen.
Bist du selbst ein politischer Mensch?
Nö. Mich langweilt die Politik in Deutschland schon lange, das ist ein großes Trauerspiel. Ich kann mit wenigen Parteien etwas anfangen. Also eigentlich mit gar keiner Partei als Ganzes. Nur mit manchen Kandidaten hier und da und dann auch nur fragmentarisch.
Welche Chancen und Alternativen siehst du, um etwas zu verändern?
Es gibt in unserer Gesellschaft eigentlich nur drei Möglichkeiten, wie du Einfluss nehmen kannst. Zum einen durch die Abgabe deiner Stimme, das ist das Recht eines jeden Bürgers und das muss man ausüben. Das Zweite ist: Du kannst zivil aktiv werden, auf die Straße gehen, deine Meinung kundtun, dich engagieren. Das ist auch das, was ich jedem rate. Wenn man Probleme sieht, kann man sich ehrenamtlich engagieren. Und drittens: Wir leben in einem Land, das ganz klar kapitalistisch angelegt ist, da kannst du mit deiner Konsumkraft etwas bewegen. Jeder hat eine gewisse Kaufkraft. Und du kannst entscheiden, was du mit deinem Geld machst. Kaufst du dir Markenprodukte von irgendwoher oder gibt du es lokal aus? Was machst du damit?
Findest du, dass man mit steigender Bekanntheit auch mehr Verantwortung hat und auf bestimmte Missstände hinweisen sollte?
Nö, ich finde Künstler haben überhaupt keine Verantwortung. Die können machen was sie wollen. Ich bin nicht verpflichtet irgendwas Politisches oder „Vernünftiges“ zu machen. Ich mache es, aber das muss ein Künstler nicht machen. Ein Künstler kann auch einfach nur rein hedonistisches Gelaber von sich geben.
Politische Äußerungen können ja auch nach hinten losgehen, wie man am Fall Xavier Naidoo gesehen hat…
Das ist doch grotesk! Xavier ist einer der größten Sänger, die wir in Deutschland haben. Der singt einfach großartig. Was er privat für Spinnereien verzapft, ist eine ganz andere Sache. Ich glaube, er ist einfach ein harmloser Typ. Er ist kein Politiker. Und du kannst von einem Musiker nicht erwarten, dass er sich politisch ausdrücken und politisch diskutieren kann. Das muss er auch nicht können. Man darf ihn nicht mit dem Maßstab messen, den man an einen Politiker anlegt. Man sollte ihn nach seiner Musik beurteilen. Und wenn er ein großartiger Musiker ist, soll er auch zum ESC fahren können. Meiner Meinung nach.
Wenn er mit einem Alu-Hut durch die Gegend rennt, soll er das halt machen. Vielleicht ist er ein harmloser Spinner, vielleicht auch nicht, ich weiß es nicht. Vielleicht haben wir auch nur ein verzerrtes Bild von ihm. Die Medien sind in Deutschland ja nicht dafür bekannt besonders genau und akkurat Sachen zu beschreiben.
Du hast kein besonders gutes Bild von den deutschen Medien?
Ein ganz klassisches Beispiel ist Lana Del Rey. Da hat ein Reporter in einem Artikel mal Unwahrheiten über sie geschrieben, die von allen großen Zeitungen aufgegriffen wurden, ohne sie zu hinterfragen. Seitdem will sie in Deutschland keine Interviews mehr geben. Das kann ich vollkommen nachvollziehen. Was ist denn das hier für eine Presse? Die Journalisten schreiben oft nur ihre eigene Meinung. Das sieht teilweise aus wie eine Schülerzeitung, was man hier in seriösen Zeitungen liest. Wir hatten in Deutschland mal eine richtig saubere Presse. Früher hat „Der Spiegel“ Enthüllungsgeschichten gemacht, selbst der „Stern“ war eine Zeit lang großartig. In der FAZ konntest du dich auf jedes Wort verlassen, das war wie die fucking TIMES! Heutzutage ist das nicht mehr so. Leider.