Herr Mädel, in „24 Wochen“ steht ein junges Paar vor der Entscheidung, ob sie ein schwer krankes Kind zur Welt bringen möchten. Angesichts des kontroversen Themas: Wollten Sie die Rolle von Anfang an?
Bjarne Mädel: Ich habe mir gedacht, wenn ich mal wieder ein Angebot kriege für eine ernste Rolle und die dann annehme, dann muss das was mit Substanz sein. Und das war bei „24 Wochen“ zum Glück der Fall. Das Buch hat mich sofort gepackt. Die Dialoge sind so geschrieben wie ein modernes Pärchen miteinander reden würde. Als dann Julia Jentsch zugesagt hat, wäre ich blöd gewesen, das nicht zu machen.
Julia Jentsch ist selbst Mutter. War für Sie die Rolle des werdenden Vaters schwieriger , da Sie selbst noch nie Vater wurden?
Mädel: Teils, teils. Einerseits schwerer, aber andererseits auch leichter. Ich muss ja genauso unvorbelastet in die Situation reingehen wie die Eltern, die diese Diagnose im wirklichen Leben kriegen und habe deshalb gar nicht so viel Recherche gemacht. Natürlich habe ich die Aufzeichnungen von der Regisseurin bekommen, die sich mit betroffenen Paaren unterhalten hat, aber ich habe mich nicht wie Julia mit echten Paaren getroffen. Das wollte ich ganz bewusst nicht. Weil ich wusste: „diese Situation kommt auf mich zu“. Ich wollte, dass gerade der Anfang des Films eine Leichtigkeit hat, die mir schwer gefallen wäre herzustellen, wenn ich ständig reale Schicksale in meinem Kopf gehabt hätte.
Es wäre schade gewesen, als Bürotrottel hängen zu bleiben.
Sie in einem ernsten Film zu sehen ist ungewohnt, viele verbinden mit Ihnen die komischen Rollen in „Stromberg“ oder „Tatortreiniger“. Stört Sie das?
Mädel: Ich bin da irgendwie ganz unaufgeregt. Ich weiß, dass man schnell in Schubladen gesteckt wird, aber ich bin bis jetzt ganz gut damit gefahren, weil eine gewisse Bekanntheit auch Vorteile hat. Es wäre schade gewesen, als Bürotrottel („Stromberg“) hängen zu bleiben. Dann habe ich einen dicken Polizisten gespielt („Mord mit Aussicht“) und die Leute haben alle gesagt: „Die Rolle ist dir auf den Leib geschrieben.“ Und das gleiche sagten sie über den „Tatortreiniger“.
Und? Ist also etwas dran…
Mädel: Die Rollen werden nur durch meine Arbeit so wie sie sind, insofern finde ich das immer merkwürdig, dass die Leute denken, ich sei privat so wie meine Rollen. Oder dass die Autoren mir das auf den Leib schreiben würden.
Wie war es bei „24 Wochen“?
Mädel: Ich dachte mir: Du brauchst dir keinen Schnurrbart wachsen zu lassen, keinen Bauch anfressen, sondern du musst so pur wie möglich reingehen in diesen Film. Das war mir auch deshalb möglich, weil Julia so eine tolle Kollegin ist, die die Sachen direkt rüberschießt. Der guckt man in die Augen, da kommt eine Menge an und man muss das nur zurückgeben. Man muss nicht so tun als ob.
Was ist für Sie schwieriger, komisch zu sein oder todernst?
Mädel: Komik ist einfach eine etwas andere Art der Arbeit. Da kommt es sehr auf die Präzision an. Wenn ich den Blick falsch setze oder den Satz im falschen Tempo spreche, ist er eben nicht komisch. Wenn ich aber die Pausen richtig mache und präzise bin, kann ich Leute zum Lachen bringen. Beim Drama ist das Timing meiner Meinung nach nicht ganz so wichtig. Ich muss so echt es geht in die Emotionen reingehen und daher vielleicht etwas weniger über mein Handwerk oder über meine Technik nachdenken. Aber ich würde jetzt nicht sagen, dass eines von beidem einfacher ist. Ich nehme Komik genauso ernst wie einen ernsten Stoff.
Bei „24 Wochen“ haben Sie mit echten Ärzten gespielt. Wie war das?
Mädel: Es hat natürlich geholfen, dass die Ärzte real waren. Weil sie diese Diagnosen leider auch im echten Leben überbringen müssen. Wir hatten zwar ein geschriebenes Drehbuch, aber wir wussten nicht, was die Ärzte sagen werden, die dieses Drehbuch nicht bekommen haben. Wir mussten uns von ihnen überraschen lassen und so echt es geht reagieren. Dadurch, dass die Ärzte echt waren, war das in gewisser Weise auch einfacher als mit einem Kollegen zu drehen. Den Kollegen beurteilt man vielleicht noch unterbewusst. Einem echten Arzt hört man einfach zu, weil er genau weiß, was er sagt.
Als Vater kämpfen Sie im Film dafür, über das Schicksal des Fötus mitentscheiden zu dürfen. Zeichnet Sie das Kämpferische auch privat aus?
Mädel: Das ist eine schwierige Frage. Beruflich würde ich sagen ja, privat weiß ich es gar nicht. Ich finde es auch nicht spannend, immer nach der Deckungsgleichheit von Privatmensch und der zu spielenden Figur zu suchen. Ich muss keine Leute umbringen, um einen Mörder glaubhaft zu spielen.
Stimmt es, dass Ihnen mal die Lunge gerissen ist?
Mädel: Ja, das hatte aber mit falschem Ehrgeiz zu tun. Da war ich noch auf der Schauspielschule und dachte, ich könnte länger sprechen als ich Luft habe. Es kann schon sein, dass ich manchmal verbissen an was dran bin, wenn ich etwas erreichen möchte, aber das ist nicht der Hauptzug meiner Persönlichkeit.
Der „Tatortreiniger“ startete 2011 mit vier Folgen im Nachtprogramm, doch dann gab es u.a. zwei Grimme-Preise und den Deutschen Comedypreis…
Mädel: Mich freut das wahnsinnig und ich bin stolz drauf, dass wir da mit dem Sender eine Lösung gefunden haben, mit der wir alle glücklich sind. Wir hatten dieses Format als Experiment mit zwei Drehtagen angefangen und haben jetzt fünf. Das ist immer noch kein Luxus – wir drehen sechs Minuten am Tag– das ist irgendwie machbar. Wir haben einen Riesenspaß mit unserem Team und freuen uns auf die Bücher von unserer Autorin Mizzi Meyer. Dieses Jahr hätten wir weitere sechs Folgen drehen sollen, aber aus organisatorischen Gründen werden es in diesem Jahr nur drei. Es bedeutet aber positiv gesehen, dass der „Tatortreiniger“ ein Kleinod bleibt.
Wie geht’s weiter?
Mädel: Ich war Anfang des Jahres in Amerika und habe dort einen Produzenten und Regisseur getroffen, der Interesse hat, den „Tatortreiniger“ als Remake nach Amerika zu holen. Ich habe dann gesagt: „Mein Englisch ist ja auch nicht sooo schlecht – das kann ich auch selbst spielen, ich kenn’ die Rolle ja schon“. Ich war also tatsächlich in Hollywood an einem Set, wo gedreht wurde und habe über den „Crime Scene Cleaner“ aus Germany gesprochen.
Deutsche Serien und Fernsehfilme wirken oft genormt. Was machen die Amerikaner anders?
Mädel: Die Amerikaner können horizontal ganz anders erzählen und wollen eben auch große und lange Geschichten entwickeln. Die Sender bestellen einfach mal 30 Folgen anstatt wie in Deutschland üblich acht Folgen oder weniger. Etwas zu finden, was deutsch ist und trotzdem originell finde ich deutlich schwieriger, aber auch viel erstrebenswerter als etwas abzukupfern.
Haben Sie manchmal die Sorge, dass ernste Filme in der Masse an deutschen „Komödien“ a la Schweiger und Schweighöfer untergehen?
Mädel: Es ist natürlich schwerer, Leute für einen Film ins Kino zu bringen, in dem ein Paar ein behindertes Kind erwartet und sich damit rumschlagen muss, ob sie das bekommen oder eine Spätabtreibung vornehmen. Das ist nichts, womit man Leute „ziehen“ kann. Das braucht dann die Aufmerksamkeit von einem Festival wie der Berlinale. Natürlich ist „24 Wochen“ nicht der große Blockbuster, zu dem man laut Nachos knabbert und danach die lustigsten Sprüche zitiert. Es ist ein emotionaler, starker und unbequemer Film. Ich bin froh, dass es nicht nur Schweighöfer- und Schweiger-Filme gibt. Kino ist dazu da, so unterschiedliche Filme wie möglich zu zeigen und ich bin mir sicher, dass auch dieser Film sein Publikum findet. Ich hoffe es zumindest ganz stark.