Max Mutzke

Durch eine bunte Gesellschaft werden wir reicher.

Auf seinem aktuellen Album „Colors“ verwandelt Max Mutzke Klassiker des HipHop in Soul-Musik. Hier spricht der Sänger über seine Beweggründe, politische Botschaften, eine bunte Gesellschaft und seinen langjährigen Mentor Stefan Raab.

Max Mutzke

© Dirk Messner

Max, auf deinem Album „Colors“ coverst du zum zweiten Mal Marvin Gaye. Was bedeutet dir der Soulsänger?
Max Mutzke: Sänger wie Marvin Gaye, oder auch der mit 33 Jahren viel zu früh verstorbenen Donny Hathaway, haben mich sehr beeinflusst. Sie stehen für eine bestimmte Art zu Singen, eine, die nicht aus Deutschland kommt sondern von Afroamerikanern. Sie hat sich aus
dem Gospel, Soul und Rhythm and Blues entwickelt, Songs wie „Let’s Stay Together“ von Al Green sind unglaublich sexy, auch wenn der Sinn dahinter tiefgründig ist. Es geht nicht nur um Mann, Frau und Liebe sondern um die Liebe im Großen und mit Gott. Diese Art von Musik berührt mich sehr.

Gaye musste sich am Anfang erst gegen Vorgaben von Motown durchsetzen und vom Label emanzipieren. Welche Erfahrungen hast du mit Plattenfirmen gemacht?
Mutzke: Ich hatte vor vierzehn Jahren das große Glück, mit einem Team zu arbeiten, das schnell erkannt hat, dass meine Kraft nur herauskommt, wenn man mich lässt. Sobald man mich einsperrt, funktioniere ich einfach nicht mehr. Ich will dann auch aus Trotz nicht mehr funktionieren. Mein Anspruch ist es, Musik zu machen, hinter der ich immer stehen kann. Was nicht heißt, dass ich nicht kompromissbereit bin. Im Gegenteil, bei der Arbeit im Studio ist es extrem wichtig, dass man auf das Know-How anderer Leute zurückgreift.

Du bist also nicht der Kontrollfreak.
Mutzke: Nein, ich gebe super gerne ab, weil ich weiß, wo meine Stärken liegen. Wenn ich weiß, dass die Leute, mit denen ich arbeite, mich meine Stärken ausleben lassen, dann will ich das unbedingt auch von ihnen. Es gibt ja Künstler, die das Gefühl haben, dass sie alles selbst am besten können. Sie können nicht nur am besten singen, Texte und Lieder schreiben, sondern sie können auch noch das Artwork, die Instrumente und die Reihenfolge der Songs selbst bestimmen. Dabei gibt es Profis, die für die Pressearbeit zuständig sind, das Cover-Artwork machen und einen Song instrumentalisieren können. Ich gehe gerne auf Andere ein. Allerdings nur, wenn ich im Gegenzug genauso diesen Respekt und Freiraum bekomme.

Auf dem neuen Album hast du dich nun daran gemacht, Hip-Hop-Hits in Motown-Songs umzuwandeln…
Mutzke: Wir haben überlegt: Wenn sich Hip-Hop damals von Soul hat inspirieren lassen, drehen wir es um, indem wir deutsche und englische Hip-Hop-Songs aus allen Epochen nehmen und daraus Soul machen.

Was verbindet diese beiden Genres?
Mutzke: Hip-Hop kommt aus einer Zeit, in der Soul, Gospel und R’n’B Mainstream-Musik waren. Nur hatte nicht jeder die Möglichkeit, sich eine Band ins Studio zu holen, woraus die Sample-Kultur entstanden ist. Man hat sich Teile von Song genommen, diese geloopt und darauf gerappt. Und viele dieser Back-Tracks kamen eben aus dem Soul, von James Brown-Platten, von Labels wie Motown, Atlantic und Stax. Das hatte viel Herz, Wärme und Energie.

Zitiert

Sobald man mich einsperrt, funktioniere ich nicht mehr.

Max Mutzke

Du nennst das Album „Colors“ – weil darauf viele verschiedene Kulturen zusammenfließen?
Mutzke: Das Album trägt diesen Titel nicht nur weil meine Stimmfarben ganz bunt, das Cover und die Herkunft der Songs bunt sind, sondern das ist ein klares politisches Statement. Seitdem ich auf der Bühne stehe, stehe ich für ein buntes Deutschland und Toleranz. Zum Beispiel 2015, als bei der Aktion „Wir machen’s bunt!“ viele verschiedene Prominente meinen Song „Unsere Nacht“ gesungen haben, um zu zeigen, wie bunt Deutschland ist.

Warum ist dir dieses Statement wichtig?
Mutzke: Wenn es keinen Einfluss von außen gäbe, würden wir nicht hier sitzen. Es gäbe es keine italienische Küche, keine türkischen Läden, keine thailändischen Restaurants, keine Burger usw. Es ist total logisch, dass wir nur durch eine bunte Gesellschaft reicher werden. Nicht nur finanziell. Wobei man das, zu unserer Scham, auch sagen muss: Deutschland wird durch die Zuwanderung wahnsinnig reich. Es gibt jetzt schon so viele Jobs, die Zuwanderer übernehmen, die kein Deutscher mehr machen will. Menschen aus Syrien, Afghanistan, Iran oder Irak, die hier Zuflucht suchen, weil sie von Folter und Tod verfolgt sind, sind dankbar, wenn sie einen Job kriegen, ihre Familie ernähren und Geld in ihre Heimat schicken können.

Zurück zum Album: Du bist mit einer amerikanischen Musikprofessorin die Songtexte durchgegangen – warum?
Mutzke: Wir haben die Texte wirklich seziert, weil ich wissen wollte, warum die Rapper diese Zeilen genommen haben. Nur weil es sich reimt? Oder weil die Textzeile auch für etwas steht? Dafür brauchte ich jemanden, der in dieser Subkultur aufgewachsen ist, das hätte kein Deutscher übersetzen können.

Auf welche Schwierigkeiten bist du gestoßen?
Mutzke: Das Wort „Nigger“, welches Afroamerikaner untereinander zu sich sagen können, haben wir gestrichen und mit „Fellas“ ersetzt. Ursprünglich wollte ich das Album auch „Colored“ nennen – bis mir ein Amerikaner sagte, dass wir das auf keinen Fall machen können. Denn „Colored“ heißt in Amerika „farbig“ im Sinne von dunkelhäutig. Wenn du als Weißer die Musik der Schwarzen nimmst und das Album dann auch noch „Colored“ nennst, wäre das anmaßend, überheblich, fast schon rassistisch. Auf solche Dinge mussten wir achten.

Welche Botschaften sind dir in den Songs aufgefallen?
Mutzke: Viele der Songs haben eine politische Aussage. „Everyday People“ zum Beispiel, in der Version von Arrested Development, erzählt die Geschichte eines jungen afroamerikanischen Pärchens, das im Park von anderen Afroamerikanern angegriffen wird. Es kommt zu einer blutigen Schlägerei, sodass die Polizei dazwischen gehen muss. Die Quintessenz des Songs ist zum einen die Kritik, wonach Afroamerikaner die Vorurteile der Weißen zu oft bestätigen, zum anderen aber auch, dass dies ein Resultat der fehlenden Chancengleichheit ist.

© Dirk Messner

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Du hast auch den Klassiker „I got 5 on it“ gecovert…
Mutzke: Bei dem dachte ich, dass sicher auch etwas Politisches dahintersteckt – aber im Text geht es nur ums Saufen und Kiffen.

Nach welchen musikalischen Kriterien hast du die Songs ausgewählt?
Mutzke: Du hast beim Hip-Hop ja tausende Songs, die du wählen kannst, aber es grenzt sich relativ schnell ein, wenn du nach einer klaren Hookline suchst. Diese Melodie muss jedem ermöglichen, die Nummer wiederzuerkennen, wie zum Beispiel bei „Men in Black“, „I got 5 on it“ oder „Regulate“. Denn die wenigsten Hörer erkennen allein am Text, um was für einen Song es sich handelt. Dann waren uns auch Klassiker wichtig, zum Beispiel musste „White Lines“ von Grandmaster Flash dabei sein, weil es einer der allerersten Hip-Hop-Songs überhaupt ist.

Auch heute mangelt es nicht an politischen Rap, siehe Kendrick Lamar in den USA oder Zugezogen Maskulin in Deutschland. Du hast aber auf die deutlich ältere Hiphop-Generation um Grandmaster Flash, Nate Dogg und Warren G. zurückgegriffen.
Mutzke: Ja, aber auch „Augenbling“ von Seeed haben wir gecovert.

Kein wirklich politischer Song.
Mutzke: Darum ging es auch nicht. Ich wollte auf keinen Fall…

…explizit politisch sein?
Mutzke: Oh, nein, überhaupt nicht. Wenn ich ein Album mit eigenen Songs schreibe, gibt es zum Beispiel vierzehn Songs, von denen zwei politisch sind. Ich gehe ja nicht mit erhobenem Zeigefinger auf die Bühne. Es ist nur wichtig, dass es einen Spot im Konzert gibt, bei dem die Leute wissen, wofür ich stehe.

cover_colorsWäre „Colors“ auch etwas für den englischsprachigen Raum, hast du mit dem Album den internationalen Markt im Blick?
Mutzke: Es wäre großartig, wenn wir irgendwann mal in England oder vor allem in den Vereinigten Staaten spielen können. Bei vorherigen Alben hatte ich das nie im Blick gehabt, weil ich dachte, wir machen überwiegend deutsche Musik und in Amerika haben sie genug gute Leute. Bei diesem Album haben wir auf jeden Fall gesagt, es muss so gut werden, dass es den internationalen Standard erreicht. Und ich finde, du kannst es in New York ins Plattenregal stellen. Die Leute können es nicht schlecht finden, weil es einfach zu gut gemacht ist.

Gab es schon Reaktionen aus den USA?
Mutzke: Wir hatten das große Glück, dass die Band von Justin Timberlake bei uns im Granny’s House Studio war. Die haben das Album durchgehört und waren ernsthaft geflasht. Später haben sie erzählt, dass es für sie eine Horizonterweiterung war, dass es abseits von Amerika Menschen gibt, die Musik machen, die eigentlich aus ihrer Heimat kommt.

Dein erster Mentor war Stefan Raab, der nun schon seit einiger Zeit keine Sendung mehr moderiert. Fehlt dir diese Vermarktungsplattform heute? Oder ist TV nicht mehr wichtig?
Mutzke: Man kann es jetzt einfacher verfolgen als früher. Neulich sitze ich in der „NDR Talk Show“ – und während die Show läuft, schießen die Abrufzahlen von Amazon, Spotify und Itunes nach oben. Dann gehe ich zu „Schlag den Henssler“, singe dort drei Minuten und – kein Witz – die Kurve zeigt überhaupt keinen Ausschlag. Bei „TV total“ und den ganzen anderen Raab-Sendungen war es genauso, es gab exakt keinen Ausschlag. Die Shows suggerierten vielleicht einer breiteren Masse, dass der Max erfolgreich ist, aber ansonsten ist das komplett irrelevant gewesen.

Worauf kommt es heute an?
Mutzke: Bei mir geht es darum, mit dem Album eine Bewerbungsmappe für die nächste Tour zu haben, auch eine Berechtigung wieder Festivals zu spielen. Tatsächlich brauche ich neue Songs, um meine Orchester- und Big-Band-Projekte anzutreiben. Das ist wie neuer Treibstoff. Nach einer Albumveröffentlichung läuft es erstmal mega, du spielst ein ganzes Jahr und das färbt noch auf das folgende Jahr ab, du spielst und spielst – bis du merkst, dass es weniger wird.

Was ist mit Radio-Airplay?
Mutzke: Wenn die Single im Radio läuft, ist das geil. Wenn sie nicht läuft, reicht die Promo im Print oder auch in Talk Shows – damit die Leute sehen, dass es dich noch gibt.
Die Zusammenarbeit mit Stefan Raab liegt nun auch schon zwölf Jahre zurück. Dass es am Anfang, die ersten zwei Jahre nach dem Grand Prix, gut läuft, ist selbstverständlich. Danach hätte aber auch Stefan nichts mehr ausrichten können.

Letztes Jahr bist du bei Raabs Live-Show in der Kölner Lanxess-Arena aufgetreten.
Mutzke: Es war wahnsinnig geil. Die Leute wurden über drei Stunden lang ohne Pause mit Vollgas unterhalten. Dass Spiegel Online schlecht darüber geschrieben hat, ist ein Witz. Die Gags, die Gäste, das Zusammenspiel mit den Heavytones, wie fett es geklungen hat – das war der Hammer!

Aktuelle Tourdaten:
06.02.2019 Bochum, Zeche
07.02.2019 Köln, Gloria
08.02.2019 Hamburg, Große Freiheit 36
16.02.2019 Bonn, Opernhaus
08.03.2019 Attendorn, Stadthalle
29.06.2019 Aschaffenburg, Colos – Saal

2 Kommentare zu “Durch eine bunte Gesellschaft werden wir reicher.”

  1. Das Leben ist ein Comic (RBB-Netz) |

    Welche Figur bist du?

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  2. Langjähriger Fan (RBB-Netz) |

    einfach mal WOW

    Antworten

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