Lindsey Stirling

Mozart hätte mich mit seinen Klickzahlen vernichtet.

Gemessen an den Klickzahlen ihrer aufwändigen Videos ist die US-Amerikanerin Lindsey Stirling die bekannteste Geigerin auf diesem Planeten. Mit „Artemis“ erscheint nun ihr fünftes Studioalbum. Im Interview spricht Stirling über Klassik, Filmmusik, Religion und ihre Lieblingsdroge.

Lindsey Stirling

© BMG

Frau Stirling, die populärsten Geigen-Clips im Internet enthalten nicht etwa Musik von Bach oder Mozart, sondern Ihren Mix aus Geige und Elektronik. Wie erklären Sie sich das?
Lindsey Stirling: Ich denke, wenn es Youtube schon zu Bachs oder Mozarts Lebzeiten gegeben hätte, dann hätten die mich mit ihren Klickzahlen geradezu vernichtet. Ich habe großen Respekt vor der klassischen Musik, ehrlich gesagt so großen Respekt, dass ich mich selbst gar nicht als klassische Musikerin bezeichne. Das ist heute auch nicht mehr meine Expertise. Früher war es das, daher weiß ich auch, wie viel Arbeit es bedeutet, klassischer Musiker zu sein.

Im Youtube-Zeitalter scheint Ihre Darbietung für viele interessanter zu sein…
Stirling: Klassische Musik zu spielen ist nicht mehr neu. Und wir leben nun mal in einer Welt, in der sich die Kunst permanent verändert. Das war auch der Punkt, den ich als klassische Musikerin schwierig fand: Von mir wurde verlangt, dass ich die Stücke exakt so spiele, wie sie schon für Hunderte von Jahren gespielt wurden. Da gab es für meine Kreativität zu wenig Raum.
Der Erfolg meiner Videos hat denke ich damit zu tun, dass ich die Geige kreativer behandle, eben nicht so wie in den vergangenen Jahrhunderten. Die Leute suchen ja immer nach etwas Neuem, nicht Dagewesenen. Und ich bin sehr dankbar, dass ich einen Weg gefunden habe, mit der Geige etwas Neues anzustellen.

Dazu gehören auch Ihre Tanzdarbietungen. Können Sie eigentlich auch Geige spielen, ohne zu tanzen?
Stirling: Klar, immer dann, wenn ich die Musik im Studio aufnehme. Tatsächlich ist es für mich auch viel Arbeit, das Spiel und die Bewegung zusammen zu bringen, insbesondere wenn es neue Stücke sind. Am Anfang muss ich mich auf die Noten konzentrieren, erst wenn ich mir ein Stück so gut eingeprägt habe, dass ich während des Spiels an etwas völlig Anderes denken kann, zum Beispiel ans nächste Mittagessen, erst dann fange ich an, mich dazu zu bewegen. Vor einer Tour verbringe ich sehr viel Zeit damit, mit meinen Tänzern die Choreographie einzustudieren.

Wie entsteht Ihre Musik, wer oder was inspiriert Sie?
Stirling: Als Kind hat mich zuerst klassische Musik inspiriert. Meine Eltern liebten Klassik, das hat mich auch dazu gebracht, sie um Geigenstunden anzubetteln. Heute gehört vor allem John Williams zu meinen größten Inspirationen. Er kann so unglaublich gut Geschichten mit instrumentaler Musik erzählen. Mit nur einer Flöte lässt er dich in die Welt von „Herr der Ringe“ eintauchen, oder er weckt mit einer Glockenspiel-Melodie aus „Harry Potter“ Erinnerungen an meine eigene Kindheit. Seine Filmmusiken inspirieren mich wirklich sehr, weil ich in meiner Musik Geschichten ohne Worte erzählen will.

Wenn Ihre Musik ein Soundtrack wäre, was würde in dem Film passieren?
Stirling: Das wäre sicher ein episches, großes Abenteuer. Vielleicht wäre es auch wie mein Comic-Buch, das ich gerade geschrieben habe. Ich hoffe, dass ich das eines Tages mal verfilmen kann.

Ihr Comic-Buch ist wie auch Ihr neues Album „Artemis“ von Manga-Comics inspiriert…
Stirling: Mich hat Anime schon immer inspiriert, besonders bei Stilfragen für meine Videos. Außerdem gibt es in Anime-Filmen oft sehr starke weibliche Hauptfiguren – genauso wie in meiner Comic-Geschichte.

Gibt es denn bereits Pläne, dass Sie mal eine Filmmusik komponieren?
Stirling: Bisher habe ich nichts in diese Richtung gemacht, aber es ist definitiv auf meiner ‚Bucket list‘. Ich würde sehr gerne etwas für einen Soundtrack komponieren, zum Beispiel das Hauptthema für einen Film schreiben.

Sie sprechen oft über Ihren christlichen Glauben. Wie beeinflusst der Ihre Musik?
Stirling: Ich bin sehr religiös und auch eine sehr spirituelle Person. Das führt dazu, dass ich mich selbst und Themen aus meinem Leben in die Musik einbringen will.

Was für Themen zum Beispiel?
Stirling: Es geht darum, Hindernisse zu überwinden, auszubrechen aus Situationen, die einen gefangenhalten, auch darum, sich selbst zu lieben. Mein Glaube hat mir oft geholfen, diese Dinge zu erreichen. Deshalb gibt es in meinen Videos auch oft diese Licht/Dunkelheit-Symbolik. Ich glaube, es gibt Engel, die versuchen, uns zu helfen – die sind für mich das Licht. Gleichzeitig gibt es auch viel Dunkelheit auf dieser Welt, die uns herunterzieht. Wenn ich Musik schreibe, bete ich zu meinen Engeln, dass sie mir helfen, mich inspirieren. Und bevor ich auf die Bühne gehe, bete ich, dass Gott mir Kraft gibt, dass er mir hilft, ein Licht zu sein.

Glauben Sie denn auch an ein vorbestimmtes Schicksal?
Stirling: Ich denke zumindest, dass ich sehr geführt wurde. Wenn ich zurückschaue, die Schritte, die ich vor allem zu Beginn meiner Laufbahn gemacht habe, die Schlüsselerlebnisse, dass ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort war… – da wurde ich von Gott geleitet und geführt. Und dann hat es sich auch noch auf die ganze Welt ausgebreitet, was ich nie für möglich gehalten habe.
Deswegen habe ich Gott das Versprechen gegeben, dass ich alles dafür tun werde, ein Licht zu sein, egal wo er mich hinschickt. Mit meiner Musik und den Videos versuche ich, Menschen Freude zu bereiten, sie zu motivieren. Wenn sie meine Konzerte sehen oder meinen Youtube-Kanal, will ich dass sie fühlen, dass da ein bisschen Licht ist. Ich denke, das ist meine Mission.

Als Mormonin trinken Sie keinen Alkohol, Sie rauchen nicht… – was ist Ihre Droge, neben dem Geigenspiel?
Stirling: Die Droge meiner Wahl ist Zucker. Ich liebe Kekse, Cookies mit Schokoladenchips. Und dann bin ich ein Workaholic, ich mag es wirklich, hart zu arbeiten.

3 Kommentare zu “Mozart hätte mich mit seinen Klickzahlen vernichtet.”

  1. lindseyfangirl |

    lindsey ist soooooo toll

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  2. Reinhard Christian |

    Gefühlvolle gute Musik. Lindsey ist eine Bereicherung

    Antworten
    1. lindseyfangirl |

      das stimmt

      Antworten

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