Zuerst die schlechte Nachricht:
Bis zum Herbst 2019 luden der ZDF-Intendant und die Vorsitzende des ZDF-Fernsehrats vier Mal im Jahr zu einer Pressekonferenz ein – im September 2019 wurde dieses Angebot gestrichen. Es würde „von Journalisten kaum wahrgenommen“ begründete das ZDF, was vielleicht auch daran lag, dass der Weg nach Mainz weit (und für freie Journalisten möglicherweise teuer) war und „es dort zuletzt nicht mehr möglich war, per Mail oder Chat Fragen zu stellen.“
Die gute Nachricht: In Berlin hatten am 22. Januar 2020 zehn Journalisten Gelegenheit, bei einem Presse-Gespräch dem Intendanten Thomas Bellut und der Fernsehratsvorsitzenden Marlehn Thieme Fragen zu stellen. Insgesamt zwei Stunden standen zur Verfügung (davon 90 Minuten für Fragen), einen Live-Stream gab es nicht, also auch keine Fragen aus dem Chat. Ort war das ZDF-Hauptstadtstudio.
Die schlechte Nachricht: Dieses Format findet nur einmal im Jahr statt, so Pressesprecher Alexander Stock.
Das komplette Presse-Gespräch gibt es hier als mp3 (bei der Tonqualität bitte ich um Nachsicht), einen Auszug als Video weiter unten. Das Transkript in weiten Teilen siehe unten, inkl. Zeitmarken.
Themen waren u.a.: Programmbeschwerden, Rechtsschutz für (freie) Mitarbeiter, ZDFneo, Sportrechte, Rundfunkbeitrag, Positionierung des Fernsehrats, Öffentlichkeit im Fernsehrat, Vertrauen in die Berichterstattung, Jan Böhmermann, Björn Höcke, AfD im Fernsehrat, Witz über Putin (heute-journal), Publikumskonferenzen, Digitalisierung
+++ Ein paar Punkte, die ich erwähnenswert finde: +++
– Marlehn Thieme hat auf die ZDF-Bürgerdialoge hingewiesen, welche das ZDF seit 2018 in neun verschiedenen Städten veranstaltet hat, um mit Beitragszahlern direkt ins Gespräch zu kommen. Auf dem Podium saßen u.a. Thieme, Bettina Schausten und Peter Frey. Alle diese Veranstaltungen wurden komplett aufgezeichnet und auf zdf.de bereitgestellt. (Ergänzung 13.02.: Vom Bürgerdialog Jena fehlt in der Mediathek die Langfassung, die Pressestelle des ZDF schreibt mir: „das vollständige Video ist wegen schlechter Bild- und Tonqualität nicht in der ZDFmediathek. Es gab technische Probleme in Jena.“)
– Viele Fragen gab es zu Programmbeschwerden, u.a. weil aus den letzten Jahren keine einzige Programmbeschwerde bekannt ist, die ‚positiv beschieden‘ wurde, d.h. wo das ZDF einen Verstoß gegen die Programmrichtlinien offiziell eingeräumt hat (vgl. auch netzpolitik.org). Wie viele Beschwerden beim Sender jährlich eingehen, wurde nicht gesagt, Marlehn Thieme spricht grob von „1000 Beschwerden“ und vom „scharfen Schwert“ des Fernsehrats, über diese Beschwerden zu entscheiden. Das genaue Beschwerden-Prozedere ist hier erläutert. Eine Vielzahl von Programmbeschwerden werden vom Intendanten „im Vorhinein abgeräumt“, d.h. er setzt sich mit den Beschwerdeführern in Verbindung und wenn diese mit der Antwort des Intendanten zufrieden sind, befasst sich der Fernsehrat nicht mehr mit diesen Beschwerden (2019 war dies laut ZDF-Pressestelle 52 mal der Fall). Wie oft der Intendant in diesem Schritt einen Verstoß gegen die Programmrichtlinien eingeräumt hat, konnte nicht geklärt werden. Die ZDF-Pressestelle schreibt mir dazu: „Der Intendant räumt auch kleinere Fehler oder Ungenauigkeiten ein, ohne dass damit bereits ein Verstoß gegen Programmrichtlinien erfüllt wäre.“ Diese Fälle werden hier gelistet.
Weiterhin ZDF-Pressestelle: „Die Antworten des Intendanten (an Beschwerdeführer) sind kurz zusammengefasst in den quartalsweise vorgelegten Beschwerdeberichten der Fernsehratsvorsitzenden nachzulesen. Darin finden sich auch selbstkritische Feststellungen oder die Einräumung von Fehlern.“
– Der ZDF-Fernsehrat muss jedes Jahr den ZDF-Haushaltsplan genehmigen. Hierzu sagt Frau Thieme: „Meiner Kenntnis nach hat er ihn noch nie nicht genehmigt.“ Es gäbe aber intensive Diskussionen über den Haushalt.
– Für Thomas Bellut gehört es zur objektiven Berichterstattung dazu, dass man Witze über Staatsoberhäupter macht, wobei er formuliert: „Objektivität ist bestenfalls eine Annäherung. Es gibt die Objektivität im Journalismus nicht.“
– Das ZDF trägt nicht die Kosten, falls Jan Böhmermann vor das Bundesverfassungsgericht zieht. Zitat Thomas Bellut: „Wenn es jetzt über Herrn Böhmermann dann zu Verfassungsgerichtsverfahren kommt, an denen wir kein Interesse haben – ich bin persönlich der Meinung, dass die Bundeskanzlerin ruhig Dinge sagen kann, die einem nicht gefallen – dann tragen wir die Kosten nicht. Aber wenn es um persönliche Nachstellungen geht, auch juristischer Art, das gilt ja auch für Autorinnen und Autoren von Investigativ-Stücken, sind wir sehr weit bereit, das mitzutragen.“
– Thomas Bellut bestätigt die Äußerung von Peter Frey (hier und hier), dass das ZDF Björn Höcke nicht in Talkshows einlädt. Diesbezüglich formuliert die Fernsehratsvorsitzende Thieme: „Der Fernsehrat hat sich dazu keine Meinung gebildet, aber wir unterstützen den Intendanten in dieser Positionierung.“
– Bellut und Thieme betonen die Öffentlichkeit, die durch den Fernsehrat dadurch hergestellt wird, dass man die Fernsehratssitzungen (in Mainz u.a.) besuchen kann. Diesem Verständnis von Öffentlichkeit steht entgegen: kein Livestream von Sitzungen des Fernsehrats; das existente Wortprotokoll wird nicht veröffentlicht; Video- und Tonaufzeichnungen sind nicht gestattet.
– Marlehn Thieme sieht u.a. die „Ständige Publikumskonferenz“ verantwortlich für gelenkte Kampagnen gegen das ZDF, Zitat: „Wir haben immer mal auch gelenkte Kampagnen wahrgenommen, in Leipzig gab es ein Komitee, das sich an allem und jedem festgemacht hat.“
– ZDF und WDR kooperieren bei Mietsachen: Beim WDR in Düsseldorf wurden Studioflächen frei, in die nun das ZDF einzieht. Seinen bisherigen Düsseldorf-Standort (Josef-Gockeln-Straße) gibt das ZDF auf, siehe auch nrz.de .
– Thomas Bellut spricht von knapp 70% Vertrauen der Zuschauer in die Berichterstattung von ARD und ZDF, basierend auf einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen (siehe Grafik). Die Zahlen liegen deutlich höher als die von Civey, welche der „Focus“ im Januar veröffentlichte: Bei Civey finden nur 48% die ÖR-Berichterstattung „sehr glaubwürdig“ bzw. „eher glaubwürdig“, 40,2% finden sie „nicht glaubwürdig“ bzw. „wenig glaubwürdig“. Die Zahl der Befragten ist bei Civey mehr als doppelt so hoch, allerdings sind Methodik und Umfrage-Ergebnisse von Civey nicht unumstritten – wobei auch das ZDF in seiner Berichterstattung hin und wieder auf Civey-Umfragen verweist.
– Thomas Bellut wettet, dass ZDFneo weniger Wiederholungen sendet, als ProSieben.
Nun, ich habe nicht mitgewettet, mir aber die Sache nochmal genauer angesehen:
Meiner Beobachtung nach hat ZDFneo (Jahresbudget 41,2 Mio.) den Anteil an selbst-produzierten, also originären ZDFneo-Formaten zurückgefahren. Sowohl Pressesprecher Alexander Stock als auch Intendant Thomas Bellut bestreiten das, doch wie mir die ZDF-Pressestelle später auf Anfrage mitteilte, gab es in der vierten Kalenderwoche 2020, in der das Pressegespräch stattfand, genau 45 Erstsendeminuten von neuem, selbst-produziertem Neo-Programm (siehe Grafik rechts, PDF). Auf die 168-Stunden-Woche gerechnet sind das 0,45 Prozent; im Pressegespräch war ich fälschlicherweise noch von 4% ausgegangen. Die restlichen 99,55% bestehen aus Wiederholungen und Lizenzeinkäufen. Zum Vergleich: 2018 hatte ich für eine Kalenderwoche noch einen Anteil von 3,52% an neuen Neo-Produktionen errechnet.
Thomas Bellut zählt auch Serien, die ZDFneo einkauft und als ‚Free-TV‘-Premieren sendet, zum originären ZDFneo-Programm. Doch selbst wenn man dieser Argumentation folgt (in KW4 also die eingekauften Serien „The Rookie“ und „Silent Witness“ berücksichtigt), kommt man nur auf einen Wert von 650 neuen Sendeminuten (6,4% Programmanteil), die restlichen 9430 Minuten entfallen in KW4 auf Wiederholungen.
Thomas Bellut ist „sehr stolz“ auf ZDFneo und bezeichnet die Erstausstrahlung eingekaufter Serien als „ein Wert an sich. Man kann sich einen wunderbaren Überblick über europäische Produktionen bei ZDFneo verschaffen.“ Vorausgesetzt man schläft nicht nachts. Das hier sind die Sendezeiten der Erstausstrahlungen von „Silent Witness“ auf ZDFneo in KW4: 23:05, 00:50, 02:35, 01:15, 03:00 Uhr.
Bei einer Wiederholungsquote von über 90 Prozent stellt sich natürlich die Frage, ob so ein Angebot, auch angesichts der angeblich jungen Zielgruppe von ZDFneo (25 bis 49-Jährige), nicht auch über die Mediathek gewährleistet sein könnte. Doch wenn man danach fragt, erfährt man, dass Thomas Bellut und Marlehn Thieme im Fall von ZDFneo den TV-Sender selbst als eine Art Mediathek sehen, nämlich als Möglichkeit, ZDF-Inhalte zeitversetzt zu sehen. Das hier sagte Marlehn Thieme 2018 auf die Frage, ob Beitragsgelder bei einer Wiederholungsplattform wie ZDFneo gut aufgehoben sind:
Thieme: „Wie leben wir heute? Das ist doch die Entwicklung, die wir nehmen, dass Menschen zeitversetzt die Dinge sehen. Lineares Fernsehen hat seine ganz große Berechtigung. Wir sehen auch da noch immer größere Akzeptanzen, und längere Verweildauern. Aber wir sehen auch, dass die unterschiedlichen Lebensweisen und Interessen der Menschen auch unterschiedliche Ausspielwege und Zeiten nutzen, um tatsächlich das, was einmal erstellt ist, sich anzuschauen. Daran kann ich nichts Verwerfliches erkennen.“
Ähnlich klingt Thomas Bellut beim Presse-Gespräch in Berlin 2020:
Bellut: „Was gut und wertvoll ist, Fernsehfilme zum Beispiel, nochmal zu sehen, ist in der modernen Fernsehwelt keineswegs etwas Besonderes. In früheren Jahrzehnten hatte ein Großteil des Publikums einen Primetime-Beitrag gesehen, das ist heute nicht mehr der Fall. Das ZDF als Marktführer kam im letzten Jahr auf 13 Prozent, das heißt 87 Prozent haben dann die Sendung nicht gesehen und ich halte es für völlig richtig, dass man dort mit einem interessanten Mix auch von Wiederholungen und Erstausstrahlungen das Publikum erreichen will.“
Auf die Frage nach dem Durchschnittsalter des ZDFneo-Publikums wusste Thomas Bellut, der die Marktanteile von ZDFneo stets auswendig parat hat, leider keine Antwort. „Das kann ich Ihnen nicht sagen. Interessante Frage, werde ich mal nachfragen. Beim nächsten Mal sage ich es Ihnen.“ Vielleicht gibt es die Antwort dann ja im nächsten Jahr.
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Pressegespräch (Audio, mp3)
Transkript (Auszüge):
02:45 Marlehn Thieme u.a. zu Funktion/Aufgaben/Besetzung des Fernsehrats, Programmbeschwerden, Veränderung der Mediennutzung, Digitalisierung
18:13 Thomas Bellut u.a. zu Programmbeschwerde „Logo“-Beitrag, Akzeptanz linear/digital, ZDF-Studio beim WDR Düsseldorf, digitaler Umbau heute.de, Angriffe gegen Mitarbeiter und Rechtsschutz, Verfassungsbeschwerde Böhmermann, Champions-League-Rechte, Vertrauen in Berichterstattung von ARD/ZDF
Fragen der anwesenden Journalisten:
25:20 Gilt der Rechtsschutz für freie Produzenten?
Der Mann mit dem Hut, die Firma aus Leipzig… ja, kriegt Rechtsschutz.
Es gibt Fälle, wo es keinen klaren Auftrag gab, wo Firmen auch ohne Absprache mit uns tätig waren, um dann mit uns zu arbeiten. Aber im Prinzip bekommen auch die Rechtsschutz.
26:04 Sind jemals die Intendanten und der BdZV zusammengekommen, hat die Schlichtungsstelle schon einmal getagt?
Bellut: Nein. (…)
27:00 Zum Rechtsschutz: Ist das in den letzten Jahren angestiegen, dass Sie Mitarbeitern Rechtsschutz gewähren? Und bezieht es sich immer auf die Politik oder auch auf andere Bereiche?
Bellut: Das bezieht sich im Wesentlichen auf politische Berichterstattung, oder aber, das hängt dann auch zusammen, Schmähung und Beleidigung gegen Moderatorinnen und Moderatoren mit Migrationshintergrund, andere Hautfarbe – das gibt es immer wieder. Letzteres ist in letzter Zeit weniger gewesen. Aber Frau Hayali ist eines der Beispiele, da gab es das ja. Auch wenn sie in einen Konflikt geraten, wenn Sie auf Ihrem Account getwittert haben, auch das hat mit dem Beruf zu tun, auch das tragen wir dann mit. Weil diese Trennung kaum noch möglich ist, in der Praxis. Es ist eigentlich erstaunlich wenig was dort anfällt.
Zugenommen, im Moment nicht, aber vor drei Jahren, nach 2015, in der Zeit ist es deutlich angestiegen. Wir hatten das Interview mit Björn Höcke, und der Kollege, der das geführt hat, ist danach auch massiv bedroht worden.
Wir haben einen Sicherheitsbeauftragten im ZDF, einen ehemaligen Polizisten, das wechselt jetzt gerade, der sich dann auch um die persönliche Sicherheit kümmert, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
28:22 Frau Thieme, die Programmbeschwerden, 64 im letzten Jahr – ich habe immer den Eindruck, es gibt Programmbeschwerden und eigentlich nie Programmbeschwerden. Eine Beschwerde wird eingereicht, und todsicher wird sie niedergeschlagen. Ist irgendeine Programmbeschwerde ans Ziel gekommen?
Thieme: Was ist das Ziel einer Programmbeschwerde? Dass man tatsächlich feststellt, das war ein Verstoß gegen die Richtlinien des ZDF oder nicht? – Ich glaube, das Entscheidende ist der Diskurs-Prozess, der dann auch deutlich macht: wo landet, wo ist die Grenze, die ja nie schwarz weiß zu ziehen ist. Wir haben zum Beispiel beim Böhmermann-Erdogan-Gedicht gesagt, „das geht jetzt gar nicht mehr“. Wir haben in dieser Fernsehrats-Periode (seit 2016, Anm. d. Red) in der Tat noch keine positiv beschieden. Aber wir haben an vielfältigen, wie an dieser Red Bull Dose (vgl. faz.net), sehr deutlich gemacht, dass eine größere Sorgfaltspflicht, das schreiben wir auch in den Tenor rein, das geben wir dem Intendanten und dem Hause mit, und sagen: hier müsst ihr größere journalistische Sorgfalt walten lassen, damit dort keine Möglichkeit einer unzulässigen Markenpräsenz ermöglicht wird. Das ist der viel wichtigere Effekt als Erfolg (einer Programmbeschwerde).
Aber wir sind bereit und es gibt auch durchaus interne Diskurse, die sagen: Ja, das machen wir. In diesem Rahmen werden wir auch dann, wenn der Intendant abhilft, unsere Meinung nicht hinter dem Berg halten
Bellut: Die Red Bull Dose, das war ein Verstoß gegen das, was wir als Richtlinien haben, im Umgang mit so etwas. Aber die Diskussion war da auch kritisch, das Haus muss prophylaktisch stärker aufpassen, die Meinung der Fernsehratsmitglieder war durchaus eine intensive Diskussion. Mein Ziel ist es, möglichst wenig Programmbeschwerden zuzulassen. Es gefällt mir nicht, wenn etwas im Programm läuft, was tatsächlich berechtigt eine Beschwerde bekommt. Vieles wird schon im Vorhinein von mir abgeräumt. Ich gucke mir das sehr sorgfältig an, und vor allem, wenn Fehler drin waren, dann heißt das „abgeholfen“. Wenn ich nicht die Möglichkeit hätte, selbst das zu machen, wäre ich ja ständig am Pranger und auch das Haus. Deshalb hat man das ganz klug so organisiert. Aber am Ende setzen sich viele Zuschauerinnen und Zuschauer durch mit ihren Beschwerden.
Thieme: Wir haben (im Fall Red Bull Dose) auch deutlich gemacht, dass es bis dahin gehen müsste, dass man ein Interview mit bestimmten Sportlern in diesem Fall aussprechen müsste, also dass man das Schwert da ganz scharf macht.
Bellut: Der Fernsehrat hat gesagt: Nochmal, dann ist Schluss, dann keine Auftritte mehr. Der Ski-Läufer Dreßen, der einen Vertrag mit Red Bull hat. (…)
32:10 Thema Rechtsschutz: Sie sagen seit 2015 ist die Zahl angestiegen, können Sie das beziffern?
Bellut: Nein. Ich habe Einzelbeispiele wie den Kollegen, der Herrn Höcke interviewt hat, genannt, Frau Hayali, es waren noch einige mehr. Ich würde es im knapp zweistelligen Bereich vermuten, Personen, die attackiert worden sind, massive Drohungen und Schmähungen, das würde ich fürs letzte Jahr sehen
33:06 Welche Programmbeschwerden gibt es beim Thema Klimawandel? (…Frage zu Politikferne des Fernsehrats…)
36:50 Thieme: Herr Lesch wird natürlich in seinen wissenschaftlichen Dokumentationen und Berichten, Reportagen von Klimawandel-Gegnern und Leugnern hart angegangen. Das ist so, damit werden wir uns befassen. Oftmals ist es ja auch eine Gratwanderung in welchem Formaten es wie rüberkommt, hat man da auch eine Ausgewogenheit? Erwähnt man, was ist ganz gesichert, oder was ist nur mit einer Wahrscheinlichkeit wissenschaftlich belegt? Da muss man als Fernsehrat hingucken, ohne dass wir da eigene Kompetenz haben, sondern nur erkennen müssen: Ist das eine ausgewogene Darstellung?
(…)
39:00 64 Programmbeschwerden 2019, ist das ein Anstieg? Haben Sie möglicherweise Hinweise auf gelenkte Kampagnen (vgl. Oma-Song WDR)?
Thieme: Die Anzahl der Programmbeschwerden bewegt sich im Rahmen der vorvergangenen Jahre. Wir haben immer mal auch gelenkte Kampagnen wahrgenommen, in Leipzig gab es ein Komitee, das sich an allem und jedem festgemacht hat.
Bei dem „Logo“-Bericht (vgl. digitalfernsehen.de), merkt man schon, dass das auch von der AfD sehr stark, von vielen Gliederungen wahrgenommen wurde und dazu genutzt wurde. Aber sonst können wir das im Moment nicht feststellen, dass es da eine größere Kampagne gibt.
40:38 Herr Bellut und Sie kommen mir vor wie eine Programmbeschwerden-Verhinderungsinstanz, nach dem Motto ‚was nicht passieren darf, dass eine Programmbeschwerde mal akzeptiert wird‘. Das ist mir ein bisschen unheimlich. Bei so einer Menge von Programm und Berichterstattung gibt es nicht eine akzeptierte Programmbeschwerde. Ist Ihnen das nicht selber unheimlich Frau Thieme?
Thieme: Ja, darum haben wir auch deutlich gemacht: Wenn der Intendant selber einräumt, dass hat er [unverständlich] dann nehmen wir das ja trotzdem wahr. Und haben an der ein oder anderen Stelle, wo wir das ganz wichtig, aber wir sind dann förmlich nicht befasst.
41:18 Aber in der Öffentlichkeit entsteht der Eindruck: Die lassen nichts zu, die machen das unter sich aus und fertig.
Thieme: Diesen Eindruck möchten wir vermeiden, in dem wir sagen, wir nehmen diese Programmbeschwerden sehr wohl wahr. Wir diskutieren auch darüber, selbst wenn wir nachher keine Möglichkeit mehr haben, zu sagen: das ist ein Verstoß, weil der Intendant eingeräumt hat, dass es ein Verstoß gegen die Richtlinien war. Das hat er nun nicht so häufig getan, weil es davon noch nicht so viele gab, aber das ist… Sie müssen sich ja vorstellen, unter den 1000 Beschwerden sind auch welche, die sind unterirdisch.
42:00 Wir reden über die überirdischen.
Thieme: Genau. Aber die Anzahl der Beschwerden, die wenig sachlich fundiert sind, ist erheblich. Das muss man ehrlicherweise sagen.
42:17 Sie sagen: Entscheidend ist der Diskurs-Prozess, der findet aber nicht in der Öffentlichkeit statt. Man kann sich die Beschwerden, wenn man sie findet, runterladen, das ist dokumentiert. Aber wäre es nicht wünschenswert, dass dieser Diskurs-Prozess in der Öffentlichkeit stattfindet? Arbeiten Sie daran, dass das sichtbarer wird? Oder gibt es auch eine Überlegung, das Thema Ombudsmann/Ombudsfrau, eine andere Form von Beschwerde-Management zu installieren, die tatsächlich die Öffentlichkeit mit ins Boot nimmt?
Thieme: Wir diskutieren diese Programmbeschwerden nicht nur unter uns, sondern sie werden im Plenum des Fernsehrates öffentlich diskutiert. Dort gibt es einen ausführlichen Bericht, es werden auch Fragen dazu gestellt, von anderen Fernsehratsmitgliedern. Das ist das, was ich mit der etwas deutlich breiteren Diskussion meinte. Das hatte es bei den wirklich auch relevanten Programmbeschwerden wie der Red Bull Dose oder auch bei den Böhmermann-Sachen auch deutlich im Fernsehrat gegeben. Ich bin die Letzte, die etwas verhindern will, dass in der Öffentlichkeit eine Programmbeschwerde diskutiert wird. (…)
43:55 Das Wortprotokoll der Sitzungen gibt es, aber es wird nicht öffentlich zugänglich gemacht. Sie sagen ja, es wird in der Öffentlichkeit diskutiert.
Bellut: Die Berichterstatter müssten das machen, wenn sie denn da sind.
Thieme: Das Wortprotokoll wird nicht veröffentlicht.
44:26 Warum?
Bellut: Weil die Veranstaltung ja öffentlich ist. Sie können da jederzeit hinkommen und zuhören und darüber berichten. Das passiert ja auch mal, bei einer Diskussion über die letzten Wahlen hatten wir eine öffentliche Berichterstattung aus dem Fernsehrat. Weil zwei Kollegen da waren.
44:46 Aber Sie merken schon, dass es ein bisschen anachronistisch ist, wenn Sie sagen, die Leute können zu unseren Sitzungen kommen und zuhören – und das ist dann die Art von öffentlichem Diskurs. Sie arbeiten nicht daran, aktiv die Öffentlichkeit einzubeziehen, sondern man muss sich die Mühe machen und dahingehen oder lesen was Kollegen berichten, die dort waren.
Thieme: Mein Empfinden dafür, dass das ein großes Interesse war, außer, dass das Ergebnis irgendwie deutlich war, war bisher auch nicht so groß. (…) Die Tagesordnungen werden vorher veröffentlicht, sie können das alles sehen, sie können den Bericht über die Programmbeschwerden vorher einsehen, das ist durchaus öffentlich. Wenn Sie jetzt die Anregung geben, das Wortprotokoll zu veröffentlichen, dann werde ich darüber gerne mit dem Präsidium nachdenken. Ich kenne noch nicht mal die Rechtslage im Moment, die Beschlusslage über die Geschäftsordnung, das wird glaube ich nicht – das Entscheidende ist ja, dass die wesentliche Botschaft rüberkommt, dass es hier einen intensiven Diskurs-Prozess, der auch eine Kontroll-Dimension hat. Dass man sagt: Liebes ZDF, das geht nicht – dass der stattfindet. Und das müsste die wesentliche Botschaft sein – und nicht die Frage, in welchem Detaillierungsgrad wird dort öffentlich diskutiert.
46:13 Wird nicht sogar darüber diskutiert, einen Live-Stream einzurichten?
Thieme: Ja. Da ist der Stand der, dass es keine Beschlussfassung gibt, weil man auch im Moment nicht dem nächsten Fernsehrat gänzlich vor… aber für besondere Sitzungen wie zum Beispiel Konstituierung wäre das eine sehr gute Dimension, oder wenn tatsächlich etwas so brisant ist, dass man sagt, das möchte man tatsächlich im Live-Stream machen.
46:38 Sind Sie dagegen oder dafür?
Thieme: Ich persönlich habe das befürwortet. (…) Ich kann mir vorstellen, dass die Mehrheit dafür, dass man konstituierende Sitzungen oder besonders publizistisch interessante Sitzungen tatsächlich im Live-Stream verfügbar macht.
47:20 Fragen zu Champions-League Verhandlungen und neuen Programminhalten von Jan Böhmermann
(…)
48:06 ZDFneo hat manchmal höhere Quoten als das ZDF-Hauptprogramm. Können Sie nochmal etwas über die Ausrichtung von ZDFneo in diesem Jahr sagen?
Bellut: ZDFneo wird schon versuchen, den Anteil der Eigenenproduktionen zu erhöhen, die insbesondere an ein jüngeres Publikum gerichtet sind. Es wird neue Serien geben, es wird auch Angebote geben, Böhmermann muss dort ja auch ersetzt werden, daran wird gerade gearbeitet. Aber das Hauptprogramm ist schon noch deutlich erfolgreicher als Neo. Es sind seltene Abende, wo das anders ist.
Ansonsten ist dieser Mix aus Wiederholung, das sind halt die meisten, aus finanziellen Gründen, aber auch neuen Angeboten soll ZDFneo noch besser positionieren.
49:00 Fragen zu Rechtsschutz für freie Produzenten/Mitarbeiter, Selbstverpflichtungen
(…)
53:48 Der ZDF-„Kulturraum“ (zdfkultur.de), die Plattform, wie lebendig ist das, wie akzeptiert? Planen Sie nach diesem Vorbild weitere „Räume“ zu eröffnen?
Bellut: Die Nutzung ist zufriedenstellend, sie ist nicht gigantisch, was bei Kulturangeboten auch selten der Fall ist. Wir haben immer mehr Partnerinnen und Partner, Museen andere Institutionen gefunden, die, wenn ich mit denen spreche, sind alle sehr froh auf dieser Plattform vertreten zu sein. Wir werden wahrscheinlich noch mehr linear für dieses Angebot werben müssen um es auch digital zum Erfolg zu machen. Man merkt daran, alleine ein digitales Angebot hat es immer noch schwer in der Wahrnehmung. Die Nutzungszahlen haben insgesamt den Bereich Kultur nach oben getrieben, aber verglichen mit der gesamten Mediathek ist es mir noch zu wenig. Es sind so 50.000… es ist nicht so, als ob jetzt die Server zusammenbrechen, bei diesen Angeboten. Aber sie werden intensiv genutzt.
Im Kulturraum wird noch mehr passieren. Wir warten noch auf die erste digitale Ausstellung auf die man dann auch wunderbar hinweisen kann, es wird an einer (Gerhard) Richter-Ausstellung gearbeitet, von Bildern, die man in Museen noch nicht gesehen hat. Und ich glaube, dass dann noch ein Schub machbar ist. Es ist eben handwerklich doch sehr aufwändig, das hinzubekommen. Aber es funktioniert, wir haben keine technischen Probleme. Aber das Echo ist mir persönlich noch nicht ausreichend. Es ist noch kein Ersatz zum Beispiel für eine „aspekte“-Sendung. (…)
Die, die es nutzen, sind begeistert, das wissen wir durch Befragungen. (…)
56:29 Frau Thieme, Sie sprachen vorhin von „gelenkten Kampagnen“ in Leipzig. Meinten Sie damit Frau Maren Müller mit der ständigen Publikumskonferenz?
Thieme: Ja. Die ist irgendwie weggerutscht.
56:40 Die ständige Publikumskonferenz hat sich nur gebildet, weil der Skandal damals mit Markus Lanz und Sahra Wagenknecht so unkritisch in der Öffentlichkeit reflektiert wurde, so dass da eine Art Gegenbeweung entstanden ist. Ist das für Sie eine Ermunterung, vielleicht andere Formate zu testen? Der Fernsehgarten zeigt ja, dass Leute gerne nach Mainz kommen, dass Sie vielleicht mal echtes Publikum einladen, dass Sie mal ein Format wie eine Publikumskonferenz gründen, die man dann auch im ZDF überträgt, per Live-Stream oder im richtigen Programm? Ich glaube nicht, dass die Publikumskonferenz eine gelenkte Kampagne ist sondern die Unzufriedenheit in der heutigen Zeit sich als Pflichtbeitragszahlerinnen und Zahler artikulieren zu können. Es gibt keine erprobten Formate, wo man das kann. Außer im Internet, und dann wirkt das im Nachhinein so, als wären das irgendwelche Stänkerköpfe. Ich selbst bekomme Feedback von Hörern meiner Sendung, die unterstellen, dass wir alle staatsgelenkt sind. Ich glaube es gibt zu wenig demokratisch erprobte Austausch-Kommunikatonsformen …
An Herrn Herr Bellut: Sie sprachen von einer Unzufriedenheit beim Nicht-Linearen, können Sie das genauer erklären?
(Frage zur Höhe des Rundfunkbeitrag)
Thieme: Ich stelle mich ja nicht nur im Gespräch mit Ihnen sondern auch sonst immer wieder, dass ich auch in gesellschaftlichen Gruppen auch über diese Tätigkeit – was bedeutet es eigentlich, Fernsehrat, wie viel Zeit, wie viel Aufwand, was gucke ich eigentlich wie selber…
Wir haben dazu auch dem Haus die Anregung gegeben, das wird im Bereich des MoMa sehr intensiv gemacht, oder „heute“, der Redaktion, dass sie tatsächlich vor Ort gehen und dort die Diskussion, die Sie a) im Programm machen durch eine Publikumstreffen zu ergänzen, an den Vorabenden dieser Übertragung. Die Idee war, die Leute kommen dort gerne hin. Wir müssen feststellen, das wird akzeptiert, aber es sind auch ein bisschen zähe Veranstaltungen, weil die Menschen sich in die Programmmacher-Seite auch wenig hineindenken können. Ich war in Jena dabei, das waren vielleicht 50 Menschen, die dort abends versammelt waren, zwischen 18 und 19.30 Uhr, hochkarätig besetzt mit Bettina Schausten und Herrn (Andreas) Wunn, oder Herrn (Peter) Frey. Dann gibt es eine gute Diskussion, wo auch Fragen aufgeworfen werden, die Sie hier stellen, aber ich sage mal: Das Interesse könnte man sich größer vorstellen. Wenn man dann noch eine Publikumskonferenz daneben stellen wollte, die tatsächlich mehr Input und größere … dann ist man im Grunde bei der Frage: Stimmt das Gefüge, Verwaltungsrat, Fernsehrat eigentlich noch oder braucht man heute nicht völlig andere Formate? Und ehrlich gesagt: Ich bin nicht Staatsvertragsgeber. Wir tun unser bestes.
61:16 Da braucht man keinen Staatsvertragsgeber…
Thieme: Darum macht das ZDF das ja auch, und sagt: Das machen wir. Ich habe auch den Eindruck, dass das auch von der Chefredaktion weiter gepusht wird, dass sie das tatsächlich anbieten und damit auch über Land ziehen und nicht nur hier in Berlin das machen um das auch mal deutlich zu machen. Weil die Frage: Wie greift man eigentlich ländliche Räume in diesen Themenfeldern auf, natürlich auch ein ganz vitales Interesse ist. Das gibt es im Übrigen auch im Live-Stream zu verfolgen, also da gibt es schon noch mehr Möglichkeiten, die man ergreifen kann, aber den Weg ist das Haus gegangen.
(Frage zu zu Unzufriedenheit beim Nicht-Linearen…)
Bellut: Der digitale Umbau ist eine Wahnsinns-Aufgabe. Im Linearen sind wir außerordentlich erfolgreich, wir werden das auch nicht weiter steigern können, unsere Intensität wird darauf hin gegen müssen, digital mehr Echo zu finden.
Die Mediathek ist sehr gut aufgestellt, sie funktioniert prima, sie ist nach wie vor die führende, wenn sich die ARD jetzt zusammenschließt wird die sicherlich auch stärker werden, allein wegen der großen Programmvorräte.
Aber das ist nur ein kleiner Ausschnitt der digitalen Welt, wenn man die Nutzungszahlen sieht, was Youtube und andere Anbieter generieren, müssen wir uns noch viel mehr anstrengen, wir müssen auf unzählig vielen Plattformen unterwegs sein, Facebook mit Nachrichten u.a. Das ist Management-mäßig eine gewaltige Aufgabe. Man kann damit noch nicht zufrieden sein, weil diese Welt auch noch nicht ganz klar ist, wo wollen wir uns engagieren?
Fest steht nur: Man kann sich heute nicht mehr leisten, lediglich im Linearen erfolgreich zu sein, es muss beides sein. Es wird auch innerhalb der Redaktion, der klassischen Nachrichtenredaktion produziert, das zeigt eindeutig, dass diese Welt verschmelzen wird. Sie wird nie gleich sein, aber sie wird verschmelzen. Das ist so ein ganzheitlicher Ansatz. Das ist die Aufgabe der nächsten 10 Jahre: Wie bekommen wir das hin? Das Beispiel Fiction/Serien, natürlich macht die Mediathek das sehr geschickt. „Das Boot“ oder „Bad Banks“ sind teilweise fast so erfolgreich im Digitalen wie linear. Das heißt, es funktioniert schon, aber wir können das aus finanziellen Gründen nicht unendlich erhöhen. Wir müssen nur eine Strategie haben, was stellen wir dort ein. Was linear erfolgreich ist, keineswegs digital erfolgreich und umgekehrt, es ist selten der Fall, dass es auf beiden Wegen gut funktioniert. Hier haben wir noch sehr viel Arbeit, insbesondere wie man das Geld richtig einsetzt, um damit zum Erfolg zu kommen.
Es sind auch viele Rechtefragen zu klären, mit den Produzenten sind wir ständig im Gespräch. Kein Sender im Augenblick… Wir haben auch nicht die deutsche Plattform. Ich war nie so interessiert an der europäischen, sondern wie präsentieren sich die Sender in Deutschland, wir haben gute Kontakte zu den Privatsendern. Es gibt aber nicht das Modell, es gibt bei uns auch das Kartellamt. Das ist nur ein kleiner Anriss von Themen die noch abzuarbeiten sind.
65:09 Die Option, auf einer Plattform nicht zu sein, wie Facebook, die viel Geld verdienen mit Praktiken, die noch stärker hinterfragt werden müssen, kommt für Sie nicht infrage?
Bellut: Doch, das diskutieren wir durchaus. Bei TikTok haben wir uns dagegen entschieden. Facebook gucken wir uns genau an. Die Zusammenarbeit mit Google/Youtube ist konstruktiv, Facebook funktioniert auch gut, aber wir stellen uns diese Fragen, die Sie formuliert haben, auch. Die heute-show ist auf Facebook und andere… sehr schwierig zu beantworten, denn nach wie vor sind die Nutzungszahlen sehr hoch. Wobei im Rahmen der AGF (AGF Videoforschung), die die Quoten zusammenstellt, da ist auch Sky dabei – wir würden die dort gerne einbeziehen, die Verhandlungen sind außerordentlich zäh, im Augenblick wissen wir die Nutzungsdaten aus Befragungen der Nutzer aber nicht mit ähnlichen Instrumentarien wie wir unsere Angebote inklusive der Mediathek messen können. Da sind wir ja sehr exakt, das ist vergleichbar, das wird von der AGF erhoben. Bei Netflix gibt es keinerlei Fakten sondern nur durch Befragung generierte Vermutung.
66:43 Worauf stellen Sie sich ein beim neuen Rundfunkbeitrag?
Bellut: Wenn es so kommt wie wir bisher erwarten ist es in der Tat kein Ausgleich für die Teuerungsrate, die wir auch haben. Das ZDF gibt viele Aufträge an die Produzenten, das heißt tatsächlich: Man wird das auch im Programm spüren, wir werden versuchen, es nicht in der Primetime spüren zu lassen, aber wir haben noch keinen festen Plan.
Wir hatten das Thema Sportrechte angesprochen, wir hatten früher die Zahl von 10%, wir sind mittlerweile bei 9% auch knapp drunter, ich schließe nicht aus, dass ich auch dort weiter sparen muss. Im Informations- und Kulturbereich habe ich keine Absicht zu sparen, aber es werden Punkte definiert werden müssen, wo wir weniger aktiv sind.
67:34 Eine Klage wie Herr Ulrich Wilhelm (ARD, BR) erwägen Sie nicht.
Bellut: Nein. Wir bewegen uns in einem hochsensiblen Umfeld. Die KEF ist eine unabhängige Institution, die macht einen Vorschlag, der macht mich nicht durchgehend glücklich, ich kann mich aber nicht beklagen, da ist ein Wirtschaftlichkeitsabschlag drin. Sie kennen die Diskussion verstärkte Zusammenarbeit mit der ARD, das wird von uns erwartet, dass wir stärker kooperieren. Und da das ein langer Prozess ist, setzt die KEF einen Abschlag fest, der das voraus setzt, ich akzeptiere das.
68:14 Frage zu Programmerfolg linear/digital
(…)
69:52 Ist Böhmermann der neue Gottschalk für Sie?
Bellut: Nein. Ich glaube, die Zeit der großen Tycoons ist vorbei. Es wird kleinere Lösungen geben, durchaus noch im 5/6 Millionen-Bereich in bestimmten Genres, aber ich glaube, dass diese Zeit… Auch Günther Jauch wird jede Sendung genießen, die er noch hat, aber ich glaube, auch für ihn wird es keinen Ersatz geben. Wenn er mal aufhört.
70:39 Eine Frage zur Fußball EM 2024: Die Telekom hat mitgeteilt, dass sie daran denkt, über die Pflichtspiele hinaus auch Spiele zu vergeben und sie sei mit Ihnen im Gespräch. Können Sie das bestätigen?
Bellut: Ja, die Telekom hat für 2024 mit Abstand das höchste Angebot hingelegt, damit sind wir erstmal raus. Jetzt ist es Sache der Telekom, Angebote einzuholen, zu erklären, man ist bereit, Sublizenzen zu vergeben. Das gucken wir uns an und es wird sich zeigen ob wir zusammen kommen.
71:39 Woran sind Sie interessiert?
Bellut: An allen Spielen, aber ob wir alle bekommen, wage ich zu bezweifeln. Wir haben jetzt eine Plattform, die die Rechte hat. Technisch wird es ein interessanter Versuch. Es ist Sache der Strategie der Telekom. Und wenn sie sich auf sich alleine verlassen wollen, ist das ein enormer Druck, man muss überall vertreten sein (…) das Publikum erwartet eine umfassende Berichterstattung. Ich bin gespannt, wie das 2024 aussehen wird. Wir haben gelegentlich sublizenziert an die Telekom, ich bin gespannt, wie sich die Telekom verhält.
73:00 Frage zu EM-Spielen, die im Free-TV gezeigt werden müssen
(…)
73:50 2020 finden die Olympischen Spiele in Tokio statt. 2016 in Rio hatten die öffentlich-rechtlichen Sender mehr Mitarbeiter (480) vor Ort als es (deutsche) Olympioniken (452) gab. Finden Sie es vertretbar, diesmal unter dieser Zahl zu bleiben?
Bellut: Wir haben bei den olympischen Spielen eine komplette Zusammenarbeit, dieses Mal ist das Sendezentrum von ARD und ZDF auf dem Lerchenberg in Mainz, der NDR ist auf ARD-Seite federführend und wir haben ein gemeinsames Team in Tokio. Wir haben eine gemeinsame Senddeeinrichtung, ähnlich wie wir es in Korea gemacht haben. Sparsamer geht es nicht. Zu gegebener Zeit, wenn die Pressekonferenz… ich kenne die Zahlen noch nicht. Aber es ist sehr runtergefahren. Teile der Endfertigung, Schnitteinrichtungen, machen wir bei uns auf dem Lerchenberg, da sind schon die Zimmerleute dabei. Tokio ist sehr teuer, deshalb versuchen wir dort die Zahl in Grenzen zu halten. (…)
Ich verteidige eine adäquate Besetzung von Personal, wir haben Arbeitszeitregeln wie alle anderen, können nicht rund um die Uhr arbeiten lassen. Möglichst wenig vor Ort, weil es teurer ist, möglichst viele auf dem Lerchenberg. (…) Ich kann Ihnen noch keine exakte Zahl sagen.
76:30 Wenn ich korrekt verstanden habe: Es gab keine Beschwerden jemals, die im Fernsehrat positiv beschieden wurden. Also es gab offiziell keinen Fall, wo die Berichterstattung gegen die Vorschriften verstoßen hat. Und dann gab es Beschwerden, die von der Intendanz als richtige Beschwerden empfunden wurden und daraufhin wurde etwas an der Berichterstattung geändert? Habe ich das so richtig verstanden.
Bellut: Ja.
Thieme: Es gab auch immer mal tatsächlich Fernsehratsbeschwerden, denen statt gegeben wurde.
77:12 Ach so?
Thieme: Ja klar, aber in dieser Fernsehrats-Periode glaube ich nicht. Aber der Intendant sagt ja, das geht gar nicht mehr und wir sind auch dazu übergegangen, ihn da zu ermuntern, tatsächlich auch ein Signal ins Haus hineinzugeben.
Bellut: Ich bin auch strenger geworden mit diesen Eingaben. Ich gucke es mir selbst an. Alles, was an den Fernsehrat geht, muss von mir beantwortet werden, das kann ich nicht delegieren, das ist eine Verpflichtung. Und deswegen erkennt man sehr leicht leichtere Beschwerden. Aber wenn man so lange im Beruf ist, erkennt man schon, dass da irgendwas nicht stimmen kann. Ich habe einen Stab, ich selbst sehe mir die auch immer an und dann beschäftigen wir uns damit. Und die Maßstäbe bilde ich mir natürlich auch im Fernsehrat, wir haben Diskussionen dort. Das ist so festgesetzt, um das Haus auch nicht zu lähmen. Insofern räume ich Dinge ab, ja, ohne aber dem Publikum damit das Recht zu verwehren, dass sie auch Recht bekommen. Sie kriegen dann auch ein Schreiben, dass es meine Meinung ist, dass der Bericht nicht richtig war, oder ungerecht in der Gewichtung, der Argumentation. Und ich glaube, das ist auch der richtige Weg.
Der Fernsehrat kann das natürlich anders handhaben, wenn er das will. Aber das ist so, juristisch, ich habe es auch lange nicht verstanden, es ist so festgesetzt. Dieses Abhelfen erledigt einen beschleunigten Übergang.
Wir haben uns beim nächsten Fernsehrat eine Rekordzahl von Beschwerden, das war in Folge der politischen Diskussion bei den Landtagswahlen, da hat sich Einiges aufgestaut. Einiges ist sehr ähnlich, deshalb sieht es so gewaltig aus. Aber es ist schon ein erheblicher Teil meiner Arbeitszeit mich damit zu beschäftigen.
79:00 Sie sprachen von knapp 70% Prozent Vertrauen in die Berichterstattung von ARD/ZDF, nach Ihren Zahlen. Der Focus hat Anfang des Jahres andere Zahlen von Civey veröffentlicht, das ZDF verweist ja auch hin und wieder auf Civey, wonach nur 48% die ARD/ZDF als glaubwürdig einstufen, über 40% sehen die Berichterstattung als „wenig glaubwürdig“ oder „nicht glaubwürdig“. Woher kommen die verschiedenen Zahlen? Inwiefern vertrauen Sie generell den Zahlen von Civey?
Bellut: Ich bin gelernter Sozialwissenschaftler, ich gucke mir die Basis genau an, und ich bin auch immer sehr vorsichtig mit Umfragen. Wir haben eine Stichprobe der Forschungsgruppe Wahlen, (siehe auch hier), die fragt schlicht nach „großem Vertrauen“ und „Nachvertrauen“ und „kein Vertrauen“ bzw. „gar kein Vertrauen“ (gemeint ist: sehr großes Vertrauen/großes Vertrauen/nicht so groß/gar kein Vertrauen, Anm. d. Red). Das sind die Zahlen, die ich jetzt wiedergegeben habe. Civey hatte eine andere Herangehensweise auch eine andere Fragestruktur. Nehme ich aber auch die Dinge, die wir nicht in Auftrag geben, ist die Zahl erstaunlich konstant von ungefähr zwei Dritteln, die den großen Sendern und den Zeitungen trauen in der Berichterstattung. Dieses eine Drittel ist recht konstant, seit mehreren Jahrzehnten, Skeptiker uns sehr misstrauisch sind gegenüber dem was wir berichten. Es ist also keine revolutionäre Änderung, es gab nach den Vorfällen am Hauptbahnhof im Köln, Silvester 2015/16 auch durch die Berichterstattung in den anderen Medien eine niedrigere, knapp über 50 zu Messung von Vertrauen. Das ist ein sensibles Feld, die Zahl wechselt immer… aber es ist wichtig für mich, die Tendenz zu kennen, um zu erahnen, gibt es Themen, die besonders zur Diskussion führen beim Publikum. (…)
81:23 Der Rundfunkstaatsvertrag spricht von objektiver Berichterstattung. Nun ging durch die Presse, dass im „heute-journal“ ein Kalauer gerissen wurde über ein Staatsoberhaupt, es ging um Putin, einen Kellner und ein Kotelett. Gehört das für Sie zur objektiven Berichterstattung dazu, einen Witz über ein Staatsoberhaupt zu machen?
Bellut: Ich bin mit dem „heute-journal“ im Prinzip außerordentlich zufrieden. Aber man kann über so etwas, Ironie und Humor sind außerordentlich gefährlich, werden immer wieder falsch verstanden. Insofern rate ich auch Herrn Sievers, dann persönlich, etwas vorsichtiger zu sein.
Trotzdem ist eine pointierte Moderation einfach notwendig für ein Magazin. Das „heute-journal“ hat den Anspruch einerseits wie „heute“, dass es die Dinge auf den Punkt bringt, dass sie auch mal ein bisschen wertender ist als die „heute 19Uhr“. Das finde ich auch in Ordnung, wenn ich die Nutzungszahlen sehe, auch beim jüngeren Publikum übrigens, hat sich das sehr bewährt. Ich stehe 100 Prozent zu diesem Stil des „heute-journals“. Da ich selbst auch mal moderiert habe, weiß ich, dass nicht jede Formulierung 100prozentig stimmt. Wenn es ein guter Witz war, ist es in Ordnung. Aber nichts regt die Menschen mehr auf als Scherze und Ironie.
83:05 Meine Frage war: Gehört das für Sie zur objektiven Berichterstattung dazu?
Bellut: Ja. Objektivität ist bestenfalls eine Annäherung. Es gibt die Objektivität im Journalismus nicht. Ich glaube, bei Ihnen auch nicht. Bei mir gibt es sie jedenfalls nicht. Es soll der Versuch, ausgewogen und objektiv zu berichten, so ähnlich steht es ja drin.
83:30 ZDFneo, ich habe das schon mal vor zwei Jahren bei einer Pressekonferenz angesprochen, wo Sie sagten, ZDFneo versucht einen „Mix aus den Bestandteilen des etablierten ZDF-Programms mit neuen Elementen.“ Die offizielle Selbstbeschreibung des Senders ist: „ZDFneo ein vielseitiges Unterhaltungsprogramm, das sich im Kern an Zuschauer und User zwischen 25 und 49 Jahren richtet“. Ich habe es damals gemacht, auch uebermedien.de, und jetzt nochmal mir das Programm aktuell angeschaut: Ich bin auf vier Prozent neue Produktionen gestoßen (tatsächlicher Wert 0,45%, siehe Einleitung), wobei die jüngste ZDFneo-Produktion „Dinner Date“ die Kopie einer englischen Sendung ist, die vor zehn Jahren gestartet ist. Was genau ist da der Mix? Denn die restlichen 96% sind Wiederholungen, von eigenem Programm bzw. von Programm, das auf diversen TV-Kanälen der Welt schon gelaufen ist.
Dieser Sender hat ein Budget von 41,2 Mio. Euro. Funk hat 45 Millionen und sendet m.E. NUR neu Produziertes. Sie geben über 100.000 Euro pro Tag aus für einen Sender, der 96% Wiederholungen bringt. Inwiefern ist das gedeckt mit dem Programmauftrag den Sie haben, einen fast reinen Wiederholungssender zu betreiben?
Bellut: …aber mit großem Erfolg beim Publikum. Sie zählen Wiederholungen aber anders als wir. Kein Sender ist so europäisch wie ZDFneo, wir haben verschiedene Serien, ganz viele aus Großbritannien, Belgien, Frankreich Spanien – und das sind Erstausstrahlungen. Die sind auf dem deutschen Markt noch nicht gelaufen. Ich finde das ist ein Wert an sich. Denn sonst macht keiner… man kann sich einen wunderbaren Überblick über europäische Produktionen bei ZDFneo verschaffen.
Zweiter Punkt: Was gut und wertvoll ist, Fernsehfilme zum Beispiel, nochmal zu sehen, ist in der modernen Fernsehwelt keineswegs etwas Besonderes. In früheren Jahrzehnten hatte ein Großteil des Publikums einen Primetime-Beitrag gesehen, das ist heute nicht mehr der Fall. Das ZDF als Marktführer kam im letzten Jahr auf 13 Prozent, das heißt 87 Prozent haben dann die Sendung nicht gesehen und ich halte es für völlig richtig, dass man dort mit einem interessanten Mix von Wiederholungen und Erstausstrahlungen das Publikum erreichen will.
Die Zahl, die Sie nennen, kann so nicht stimmen, weil die Fiction-Beiträge Erstausstrahlungen sind.
87:10 Es ist aber kein originäres ZDFneo-Programm.
Bellut: Also, weniger Wiederholungen hat ZDFneo als ProSieben. „Big Bang Theory“ haben wir nicht bei uns, was dort quasi auf Schleife läuft.
87:37 Sie senden 4% (tatsächlicher Wert in KW4: 0,45%) neue eigenproduzierte Inhalte und auch das ist nur eine Kopie einer englischen Sendung. War der Sender nicht mit einem anderen Anspruch gestartet und hat deshalb diese komfortable finanzielle Ausstattung?
Bellut: Das (41Mio. Jahresbudget) ist im Fernsehbereich nicht so komfortabel. Das ist eine interessante Diskussion. Ich akzeptiere Ihre Meinung, Sie wollen mehr Erstausstrahlungen haben auf ZDFneo, das würde ich auch gerne haben, aber ich habe finanzielle Restriktionen und wir sind mit dem Erfolg von ZDFneo und diesem Mix als acht-erfolgreichster Sender in Deutschland außerordentlich zufrieden.
88:10 Für die Wiederholungen hätten Sie ja die Mediathek.
Bellut: Das ist ein interessanter Punkt. Das Digitale wird vieles nochmal verändern. Wenn die digitale Nutzung stärker ist, ist sie wahrscheinlich irgendwann die Erstnutzung. Das ist ein fließender Prozess. Die Mediathek ist aber nicht in erster Linie für Wiederholungen von Repertoire da, sondern hat genaue Restriktionen, das ist auch mit den Produzenten abgesprochen, dass wir nicht unbegrenzt einen üblichen 90-Minüter im Netz stehen lassen, wenn wir über eine bestimmte Zahl hinaus das machen, bezahlen wir auch dafür. Da sehen Sie, wie kompliziert das geworden ist. Aber noch ist die Mediathek keinerlei Ersatz für ZDFneo. Die Menschen genießen diesen Kanal außerordentlich heftig.
89:05 Eine Frage an Sie beide: Der ZDF-Chefredakteur Peter Frey hat sich bereit erklärt, Björn Höcke nicht mehr einzuladen in die Talkshows, was halten Sie davon?
(Und: Im ZDF-Fernsehrat gibt es derzeit keinen AFD-Vertreter, wie sieht das im nächsten Fernsehrat aus?)
Bellut: Zu Björn Höcke: Die Frage stellt sich nicht, weil er gar nicht kommen würde, weil er nicht kommen würde zu uns. Er war ein einziges Mal im ZDF zu Gast, das war kurz nach der Flüchtlingskrise, da hat er auch noch ein anders Image gehabt. Ob er irgendwann mal wieder Gast sein wird, kann ich heute nicht sagen. Zur Zeit kann ich es mir nicht vorstellen. Erstens weil er nicht will, zweitens, weil es auch vermutlich von den anderen Parteien keine Gesprächspartner gäbe für ihn. Aber ich gebe dem Chefredakteur Recht. Ich selbst, aus Erfahrung, formuliere nie so rigoros „würden wir nicht einladen“. Ich kann es mir, da hat Herr Frey Recht, mir zur Zeit nicht vorstellen. Dass er dort sitzt wie ein üblicher Gast, mit üblichen Gesprächspartnern, das glaube ich nicht. Wir bekommen ja keine Interviews, er war bei der Wahlsendung in Thüringen dann doch noch da, kurz, eher einsilbig. Aber er gibt uns nach wie vor keine Interviews mehr.
Sie können sich nicht vorstellen, dass er kommen will, oder Sie können sich nicht vorstellen, ihn einzuladen?
Bellut: Zur Zeit würde ich ihn in eine Talkshow nicht einladen. Weil ich glaube, das ist nicht adäquat. Ich kann mir aber vorstellen, dass man ihn zu einem Interview oder einem Streitgespräch einlädt, warum nicht? Das ist allerdings Sache der Redaktion, sich so etwas auszudenken.
Mein Grund-Tenor ist immer: Die AfD hat das Recht, in unseren Sendungen aufzutreten, weil sie eine demokratisch gewählte Partei ist, deshalb ist sie dabei. Bei der Berichterstattung von der Bundestagsdebatte ist die stärkste Oppositionspartei nach der Regierung dran in der Berichterstattung, das haben wir auch eingehalten.
Wir sind allerdings nicht verpflichtet, rassistische, Minderheiten-diskriminierende Botschaften unkommentiert in einem unkritischen Umfeld auf den Schirm zu lassen. Deswegen ist die Talkshow für Diskussion gerade über so heikle Themen im Augenblick sicherlich nicht das richtige Instrument, da hat der Chefredakteur ohne Weiteres Recht. Aber interviewen würden wir ihn ja, wenn er es machen würde.
Thieme: Der Fernsehrat hat sich dazu keine Meinung gebildet, aber wir unterstützen den Intendanten in dieser Positionierung. Wir wissen ja alle, wie schwierig es ist bei Herrn Höcke, dass er da tatsächlich nicht berechenbar bleibt und dass es nicht dann tatsächlich doch auch zu Bemerkungen, die man nicht vertreten könnte, kommen könnte.
Zur Frage der AfD-Vertreter im Fernsehrat: Wir sind im Verfahren der Benennung der entsendenden Gremien, die wir dann noch auf Compliance überprüfen müssen. Wir können nicht richtig erkennen, wie die Parteienzugehörigkeit ist, die AfD sitzt aber im Moment in keiner Landesregierung, deshalb glauben wir, dass von der Seite nichts kommt und bei den übrigen Vertretern wissen wir nicht, ob da AfD-Parteimitglieder da sind, offizielle Vertreter können wir im Moment nicht erkennen.
92:42 Da die AfD in keiner Landesregierung ist kann sie niemanden entsenden?
Bellut: Nicht von dem einen Drittel staatsnahe Vertreter, das wird ja von den gewählten Landesregierungen und vom Bund entsandt.
93:00 Sie sagten ja gerade, die stärkste Oppositionspartei. Und die ist nicht im ZDF-Fernsehrat vertreten? Das ist eine Unwucht, das kann so nicht stimmen.
Thieme: Wir sind aber eine Länderanstalt und die Länder und der Bund haben jeweils zu entsenden und das tun in diesem Fall die Regierungen.
Bellut: Der Staatsvertrag wurde ja auch von den Landesregierungen verhandelt.
Thieme: Solange die AfD nicht in einer Landesregierung sitzt und sich dann dort auch durchsetzt, dass sie einen Vertreter entsenden kann, ist es offiziell als Partei nicht zu erwarten.
93:50 In Ihrem Tätigkeitsbericht beschreiben Sie die Konkurrenz durch Netflix und andere, Sie beschreiben ein anderes Sehverhalten. Dass es eine Zersplitterung gibt, größere Minderheiten, „Prince Charming“ bei TVnow, „Drag Queen“ bei ProSieben. Ich las daraus, Sie wissen noch nicht was Ihre Strategie ist, damit umzugehen. Haben Sie da inzwischen schon Ideen? Und wäre nicht tatsächlich ZDFneo genau der Ort für solche Versuche und so eine Profilierung?
Bellut: Das hat immer mit Geld zu tun und Finanzen. Wir haben in der Tat noch keinen Plan für die nächsten zehn Jahre. Wir versuchen gegenzuhalten. „Bad Banks“ auf Neo ist sicherlich auch ein Angebot, in der Mediathek aber war der Erfolg beeindruckender. Es ist eine Mischstrategie die wir fahren. Wir sind eigentlich auch noch in der Analyse-Phase weil wir die Daten nicht genau kennen, was wird auf Netflix wirklich gesehen? Wir haben einen Teil der Programme ja auch dort sublizenziert, wie wir es auch bei Amazon haben. Auch da sind wir in der Freund/Feind-Diskussion drin, wir beobachten tatsächlich wie sich die Telekom jetzt verhält, wenn sie ein Player wird, wenn sie einen eigenen Sender macht. Auch Bild-TV ist natürlich eine Veränderung der Landschaft. Das gucken wir uns genau an, ohne dass wir jetzt schon einen Plan haben.
Man weiß noch nicht genau wie es sich entwickelt.
96:03 Inhaltlich… Das ZDF ist in der traditionellen Weise, Quoten zu messen, als Marktführer mit dem Hauptprogramm, Sie wissen wie man noch die größtmögliche Masse erreicht, stellen aber selbst fest, dass das in die Zukunft betrachtet, nicht mehr reichen wird. Also mindestens zusätzlich andere Strategien…
Bellut: Ein schönes Beispiel war „Druck“, das sich an Schülerinnen und Schüler wendet, und da außerordentlich erfolgreich war. Da hat es funktioniert bei Funk, bei ZDFneo einigermaßen einigermaßen sein Publikum gefunden. Aber es ist ein klares digitales Angebot für eine kleine Zeilgruppe und da tun wir uns in der Tat schwer. Weil wir eine Verpflichtung haben alle anzusprechen. Und nach wie vor bin ich der Meinung, dass ein erfolgreiches Vollprogramm enorm wichtig ist für das funktionieren der Demokratie. Dass man in Vorwahl-Zeiten vier, fünf Millionen Menschen mobilisieren kann für Sendungen. Ich gebe aber zu, das wird zunehmend schwieriger. Die Zahl der Piranhas, der kleinen Fische, die den großen immer mehr wegschnappen, die hat zugenommen und nimmt weiter zu. Natürlich ist im Digitalen diese Ausdehnung noch stärker. Ich glaube, dass die Zahl der linearen Kanäle gesättigt ist, digitale Angebote wird sehr spannend sein, wer überlebt, von denen, die jetzt unterwegs sind. (…)
Thieme: Der Fernsehrat ist auch ganz interessiert, das zu verfolgen. Wir hören ja auch, was unsere Freunde Familien, Bezugsgruppen diskutieren, wohin die gehen, ob die sagen: Ich muss jetzt Netflix oder Prime oder so etwas abonnieren.
Das auch tatsächlich konstruktiv und nach vorne zu denken, damit wir auch wissen, es kommt das was öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausmacht auch tatsächlich bei diesen Menschen an. Da machen wir, auch als Fernsehrat, diesen Versuchsprozess gerne mit, und sagen: Wir wollen aber daran partizipieren und auch gucken, was packt ihr dahin, wie kommt das da an, damit wir uns ein eigenes Bild auch davon machen können, ob das, was öffentlich-rechtlicher Auftrag ist, auch tatsächlich in dieser digitalen Welt umgesetzt werden kann.
98:31 Was haben Sie abonniert an Streamingdiensten, Frau Thieme?
Thieme: Gar nichts.
Ist das nicht dann schwer, sich ein Bild zu machen?
Thieme: Ja, aber ich kann manchmal mit meinen Töchtern etwas sehen. (…) Ich gucke mir die Angebote an, aber die Zahl er Fernsehabende wo man sich wirklich so.. die bleiben auch überschaubar.
(…)
99:53 (…) Teilen Sie den Eindruck, dass die Debatte um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk schon mal weiter war und dass ein Skandal (wie um das „Umweltsau“-Video) zu einem Rückschlag führt, sowohl was Politik angeht, als auch die Öffentlichkeit, wenn es um Vorwürfe gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geht, sowohl politischer als auch finanzieller Natur?
Bellut: (…) Ich glaube nicht, dass die Anfangsereignisse dieses Jahres ein Rückschlag war. Diskussion hat es immer gegeben. Die wird es auch immer geben. Wir hatten selbst auch schon Skandale. Ich glaube, dass die Lage im Augenblick besser ist als noch vor einigen Jahren. Durch die lebhaften Debatten der letzten Jahre, durch den Populismus weltweit, durch die Veränderung der Gesellschaft aber auch durch den Bereich Fake-News u.a. sind wir ein Bollwerk. Das war in der FAZ, ein amerikanischer Wissenschaftlicher, der viele Jahre in Deutschland gearbeitet hat, hat dort in etwa formuliert: So starke öffentlich-rechtliche Sender, verhindern, das Ahnliches passiert, wie im Wahlkampf in den USA. Dass dort, wahrscheinlich auch von Russland gesteuert, Nachrichten gestreut werden, ohne dass jemand gegenhält. Ich glaube, dass diese Funktion schon gesehen wird. Trotzdem gibt es jetzt eine Partei, die erhebliche Zustimmung hat, die ARD und ZDF so am liebsten ganz, teilweise vielleicht nicht so, nicht weiter haben möchte. Ich erinnere mich an die Einführung des Haushaltsbeitrags, da war die Diskussion deutlich heftiger. (…)
Beitragsdiskussionen gibt es europaweit, denen muss man sich stellen, aber es gibt europaweit auch nach wie vor einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Und wie er dann aussieht, bestimmt die Gesellschaft.
103:58 Frau Thieme, Sie genehmigen als Fernsehrat den ZDF-Haushalt. Hat der ZDF-Fernsehrat den Haushalt schon mal nicht genehmigt?
Thieme: Nein, meiner Kenntnis nach hat er ihn noch nie nicht genehmigt. Trotzdem gibt es intensive Diskussionen bei dem Haushalt und im Vorhinein. Da wird natürlich auch von einem auf das andere Jahr darüber gesprochen, was zukunftsfähig ist, was mehr sein müsste, was man mitmacht an Veränderungen, wo Investitionen an Programmen not tun. Da unterschätzen sie die Fernsehratsmitglieder nicht, dass sie da nicht tatsächlich auch genauer hingucken und sagen: Wir wünschen uns dieses oder das ist nicht das relevante. (…)
105:30 Nun sagt Herr Bellut, dass man Abstriche machen muss, anders wird es nicht gehen. Nun hat sich der Fernsehrat in der Vergangenheit hinter das gestellt, was der Intendant gesagt hat. Wenn Herr Bellut sagt, wir können nicht sparen, sagt der Fernsehrat: Das sehen wir auch so. Hätte man nicht als Kontroll-Instanz das ein bisschen vorausahnen können, dass es nicht ewig so weiter geht? Und sondieren können, was ist uns besonders wichtig und wo müssen wir Abstriche machen? Ist der Fernsehrat zu affirmativ, wenn es darum geht, die Strategie des Senders zu vollziehen? Wo haben Sie schon mal gesagt: ‚Nein, da sehen wir nicht die Verantwortung des ZDF oder den Auftrag, lasst das doch mal ein bisschen sein.‘
Thieme: Der Sport-Bereich ist so ein Bereich, oder die Frage: Welche Wiederholungsquoten müssen wir hinnehmen weil es das Geld nicht gibt? Den meisten ist es ein wesentliches Thema, die Berichterstattung aus dem politischen Raum: Wo können wir dort ermöglichen, dass es eine breitere und weiterhin objektive ausgewogene Berichterstattung gibt? Und dafür nehmen wir dann tatsächlich auch andere Dinge, die vielen auch wichtig sind, dann in Kauf. Fußballrechte ist immer eine längere Diskussion. (…) Wenn es an die Kernthemen geht, gibt es große Diskussionen. Wir unterstützen jede Neuerung in dem Bereich der Chefredaktion, um das tatsächlich stark zu machen, auch um den Kulturraum. Aber da sitzen auch Vertreter, die sind im bildungsbürgerlichen Bereich zuhause und die sagen, ‚das brauchen wir‘ und die da den Schwerpunkt des öffentlich-rechtlichen Auftrags sehen, wie das Haus auch selbst und sagen: Das andere gehört originär dazu. Es gehört auch gute Unterhaltung dazu, es gehören auch gute Krimis, die in Münster, Kiel oder sonstwo gedreht sind, damit tatsächlich auch unsere eigene Lebenswelt darin vorkommt und auch unsere Themen. Unser Polizeibild, unser Bild von Vollzug, Strafvollzug, all diese Dinge.
108:46 …und auf die Kreuzfahrer muss man auch Rücksicht nehmen. Dann können Sie ja im Fernsehrat eigentlich nie zu einer Position kommen, sich darauf zu einigen, das etwas mehr Priorität hat als andere Geschichten.
Thieme: Mit den Sendeschemen, die wir schon auch begucken, mit dem, was dort reinvestiert wird, da machen wir natürlich schon auch deutlich, wo unsere Interessen liegen.
Bellut: Mit dem Personalabbau hat sich der Fernsehrat auch beschäftigt, wir haben 562 Stellen abgebaut bis 2020, das haben wir erfüllt und das hat nicht vielen gefallen im Fernsehrat. Wir haben auch ZDF.kultur freiwillig eingestellt, weil wir der Meinung waren, wir können das nicht mehr bezahlen, neben 3sat und arte. Da gab es auch heftige Diskussionen im Fernsehrat.
109:58 Frage zum Rundfunkbeitrag/KEF, Hindernis Landtage, Ministerpräsidenten
(…)
111:32 Fragen zu Nichtaktivität des ZDF bei Tiktok
(…)
112:57 Ich möchte nochmal zu ZDFneo fragen: Wenn ich es richtig verstanden habe, steht Jan Böhmermann nicht mehr auf der Gehaltsliste von ZDFneo…
Alexander Stock (ZDF-Pressesprecher): Doch, er macht weiter.
Bellut: Er kriegt im Augenblick gar kein Geld von uns. Er muss erst wieder arbeiten. Er macht weiter, aber es gibt ja Nachfolge-Formate. Wir wollen ja den Platz weiter bespielen.
(…)
113:57 Wenn der originäre Anteil bei ZDFneo, den Sie selbst produzieren, nur 4 Prozent beträgt, in einem 24 Stunden-Programm, sehen Sie das vom Programmauftrag gedeckt?
Bellut: Ja. Vor allem von den budgetären Erwartungen der Länder, halte ich das für gedeckt.
Stock: Der (Anteil) ist ja auch viel höher.
Bellut: Der ist höher. Wir haben ja Erstsendungen teilweise, wir haben Unterstützung durch das Hauptprogramm. Es ist ein vielfach beneideter Kanal, den wir dort haben, auch international. (…) Ich bin sehr stolz auf dieses kleine Kind, das jetzt ziemlich groß geworden ist und sehr erfolgreich. Dass jetzt auch mehr Ältere dort zugucken kann ich ihnen ja nicht verbieten. Die finden auch jüngere Angebote ganz gut.
114:50 Wie hoch ist das Durchschnittsalter der Zuschauer bei ZDFneo?
Bellut: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Interessante Frage, werde ich mal nachfragen. Beim nächsten Mal sage ich es Ihnen. (…)
Der Bürgerdialog „Jena“ fehlt in voller Länge. Dort gibt es nur einen Bericht über den Dialog.
Danke für den Hinweis. Ich habe beim ZDF nachgefragt, und bekam zum Bürgerdialog Jena von der ZDF-Pressestelle die Antwort „das vollständige Video ist wegen schlechter Bild- und Tonqualität nicht in der ZDFmediathek. Es gab technische Probleme in Jena.“ Sie finden das Video aber auf Facebook. https://www.facebook.com/morgenmagazin/videos/378278753048347/
Haben Sie sonst keine Hobbys, Hr. Buhre?
Bzgl. Interview-Situationen mit Sponsoren-Getränkebehältern
Gibt es einen Grund, dass es immer nur um Red Bull geht?
Im gleichen Zusammenhang wurden auch Flaschen anderer Sponsoren präsentiert – z.B. Dreßens Kollege Josef Ferstl („Grapos“) – warum ist Red Bull ein Problem, Grapos aber nicht?
Bzw. warum wird Red Bull explizit erwähnt und nicht allgemein über Sponsoren-Flaschen (von mir aus auch Sponsoren-Getränkedosen) gesprochen?
RedBull war hier Thema, weil sich offenbar viele Zuschauer über die Präsenz beschwert haben. Für Kritik sorgten in der Vergangenheit aber auch schon andere Produktplatzierungen, vgl Andrea Kiewel/Weight Watchers, oder ZDF-Krimi/BMW siehe https://uebermedien.de/42741/was-passierte-als-ich-mich-beim-zdf-uebers-programm-beschwerte
Das beantwortet aber doch nicht die Frage, warum Beschwerden gegen RedBull gerichtet werden, nicht aber gegen andere Firmen, die mit ähnlichem Produkt auf gleiche Erst und Weise Werbung machen?!
Werbung ist also nur dann problematisch wenn „der Zuschauer“ Antipathien gegen Firma xy hegt?