RKI zu Corona-Welle vgl. Grippe-Welle 2017/2018
Hier eine Abschrift meiner Frage beim Pressebriefing des Robert Koch-Instituts vom 20.03.2020. Inhaltlich geht es darum, welche Maßnahmen bei der starken Grippe-Welle 2017/2018 in Deutschland ergriffen wurden.
Frage: Bei der Grippewelle 2017/18 sind nach RKI-Schätzungen 25.100 Menschen in Deutschland durch Influenza gestorben. Von dem Geschehen haben die Menschen damals kaum etwas mitbekommen, ausgenommen die Menschen in den Krankenhäusern. Welche Maßnahmen hat es damals zur Eindämmung gegeben? Und hätten solch weitgehende Maßnahmen wie heute möglicherweise damals Tote verhindern können?
Lothar Wieler (RKI): Die damalige Grippe war eine sehr schwere Grippe. Damals war das Gesundheitssystem schon sehr gestresst. Damals schon waren in den Krankenhäusern die Intensivbetten sehr stark besetzt. Das haben auch sehr viele wahrgenommen, auch während der Zeit. Da wurde sehr viel darüber berichtet.
Keine Frage, dass wir uns vor Grippe besser schützen sollten. Aber ich will es nochmal klar sagen: Wir haben einen Impfstoff. Warum lassen sich die Menschen in Deutschland, die Risikogruppen, denen wir das jedes Jahr empfehlen, warum lassen sich in Deutschland nur 30% der über 60-Jährigen impfen? Das ist ein entscheidender Unterschied. Wir haben ja Werkzeuge.
Was sind die vier großen Unterschiede zwischen Grippe und dem Sars-Corona-Virus-2?
1. Bei der Grippe gibt es einen Impfstoff, der allen Risikogruppen kostenfrei zur Verfügung steht. Bei Sars-Corona gibt es momentan keinen Impfstoff.
2. Bei Grippe gibt es Medikamente, die ebenfalls verschrieben werden können und im frühen Zeitpunkt der Krankheit helfen. Aktuell, Stand heute, gibt es gegen Sars-Corona-Virus-2 keine Medikamente
3. Kinder spielen bei der Übertragung von Influenza eine große Rolle, bei Sars-Corona ist es so, dass nach heutigem Stand des Wissens alle Altersgruppen, die infiziert werden, ein gleiches Risiko für andere darstellen, sie anzustecken.
4. Die Krankheitslast ist deutlich größer. Das heißt, die Anzahl der Menschen, die schwer krank werden in Risikogruppen ist deutlich größer, die Ausbreitungsgeschwindigkeit, die Übertragbarkeit ist höher und die Anzahl derjenigen, die an der Krankheit sterben ist höher. Wir haben also eine ganz andere Dimension. Das sind ganz entscheidende Unterschiede. Und auch ich wäre froh, wenn die Menschen sich einfach mehr gegen Grippe schützen würden und auch da natürlich darauf achten, dass sie andere Mitmenschen nicht anstecken. Das gilt für jeden, das sagen wir auch jedes Jahr und das werden wir auch im nächsten Jahr sagen. Wir werden jedes Jahr wieder alle Menschen auffordern, sich impfen zu lassen. Und ich hoffe, dass wir dann irgendwann im Jahr 2021, möglichst früh einen Impfstoff haben und dass ich dann auch die Menschen auffordern kann und wir alle, dass sie sich gegen Corona impfen lassen können.
Ein Shutdown wäre also damals (2017/2018) nicht geboten gewesen?
Wieler: Wir hatten bislang die Situation einer Epidemie diesen Ausmaßes in Deutschland noch nicht. Um es klar zu sagen: Eine derartige Epidemie, vor der haben wir immer in Vorhersagen gesagt, dass so etwas mal geschehen kann. Jeder Wissenschaftler, der sich mit Infektionsmedizin befasst, weiß, dass die schlimmste Vorstellung, die wir haben, eine Pandemie ist, mit einem Virus, dass über Atemweg, über Tröpfchen übertragen wird und viele Lungenentzündungen hervorruft. Das ist jetzt eingetreten. Das ist aber eine andere Situation als bei der Grippe. Unsere Vorstellung, die höchste Wahrscheinlichkeit war immer, dass es ein Grippe-Virus ist, ein mutiertes Grippe-Virus, ein verändertes, das dazu führt. Jetzt ist es ein Corona-Virus aber die Auswirkungen sind dieselben. Nur, wie gesagt, dieses Virus hat besonders krank machende Eigenschaften.