RKI zu Evidenz bei Kita/Schulschließungen und Immunität
Hier eine Abschrift zweier Fragen beim Pressebriefing des Robert Koch-Instituts am 30.04.:
Frage von PI: Herr Wieler, Ihr Kollege Herr Schaade sagte am 24.04., dass die Datenlage zur Ansteckungsgefahr durch Kinder widersprüchlich ist, weshalb die Empfehlung, Kitas und Schulen zu schließen, ein Analogieschluss gewesen sei. Warum hat man nicht vor der Schließung exemplarisch Schulen oder Kitas durchgetestet?
Und zweitens: Werden heute exemplarisch in geöffneten Schulen Daten erhoben, also schuldeckende Tests durchgeführt, um valide Schlüsse ziehen zu können was die Ansteckungsgefahr durch Kinder betrifft?
Wieler: Ja, gute Frage, hinterher ist man immer schlauer. Das hätte man tatsächlich.., im Nachhinein wäre das eine gute Idee gewesen. Aber tatsächlich werden momentan solche Studien geplant und die werden auch durchgeführt. Denn wir brauchen ja bessere Daten. Es gibt eine Studie, die in England durchgeführt wurde, diese Daten werden in Kürze publiziert, die uns ein bisschen mehr Hinweise geben. Aber was wirklich wichtig ist: Diese Studien müssen immer genau analysiert werden: Vor welchem Hintergrund wurden sie erhoben? Was war das epidemiologische Setting? Wie groß ist die Aussagekraft? Es ist wichtig, dass die Menschen sich nicht immer auf die Prozentzahlen konzentrieren, sondern auch die jeweiligen Vor- und Nachteile der Studie wirklich herausarbeiten. Und wenn man das zusammenfasst, ist der Wissensstand eben noch nicht groß genug.
Frage von Radio München: Sie sagten am Dienstag 28.04., Nachdenken über natürliche Immunität sei naiv. Wir sprechen immer noch vor dem Hintergrund, dass es sich um ein natürliches, nicht-manipuliertes Virus handelt. Da sagen verschiedene Immunologen umgekehrt, es sei naiv, auf eine Impfung warten zu wollen. Es geht bei dieser Diskrepanz um die Frage der Dauer der Immunität. Wie kann die Immunität durch einen Impfstoff für längere Zeit gewährleistet werden als bei einer natürlichen Immunität? Ist das nicht abhängig davon, ob dieses Virus saisonal mutiert, wie andere Viren dieser Art?
Wieler: Ich habe nicht gesagt, dass Immunität naiv ist, sondern ich sagte, dass der Gedanke, dass wir quasi das Virus durch die Population laufen lassen, damit wir eine Herdenimmunität erreichen, naiv ist. Weil wir das Virus nicht kontrollieren können, weil wir dann – nach Berechnungen verschiedener Wissenschaftler – viele Hunderttausend Tote haben würden in unserem Land. Das ist der Grund, warum das Erreichen einer Herdenimmunität mit diesem Virus nicht das Ziel sein kann. Das haben wir in anderen Ländern gesehen, dass das nicht funktioniert. Denn dieses Virus hat eine hohe Krankheitslast, es ist ein Virus, das zu schweren Krankheitserscheinungen führt und wahrscheinlich bei vielen Patienten auch zu Folgeschäden.
Wenn man diese Infektionskrankheit überstanden hat und eine Immunität ausbildet, dann wissen wir zur Zeit noch nicht, wie gut diese Immunität sein wird. Von daher kann ich Ihre Frage, ob der Impfstoff eine bessere Immunität bringen wird wie eine natürliche Infektion, nicht beantworten. Aber eines ist klar: Wenn ein Impfstoff effektiv und sicher ist, dann werden nicht annähernd so viele Menschen sterben, wenn sie geimpft sind im Gegensatz zu, sie werden natürlich infiziert und haben keine Imfpung. Dieses Virus hat eine Reihe von Eigenschaften, die ich niemandem aussetzen möchte, weder mir selber und noch meinen Kindern. Wer das tut und denkt, dass er damit eine Herdenimmunität hervorruft, ist naiv oder er hat vielleicht irgendwelche anderen Dinge im Kopf. Aber die Gesundheit der Menschen, die dieser Person anvertraut sind, kann nicht in seinem Sinne sein. Dieses Virus hat inzwischen weltweit viele Menschen getötet. Wir haben 3 Millionen Infizierten-Fälle weltweit, und das sind nur die Fälle, die offiziell gemeldet werden. Ich kann Sie nur alle warnen, mit diesem Virus nicht zu lässig umzugehen, es zu unterschätzen. Und so lange wir keinen Impfstoff haben, wird dieses Virus leider in der Population sein und wir müssen mit den wie immer gearteten Gefahren umgehen.
Zur Frage, wie das Virus mutiert: Wir haben schon relativ viele Informationen über Mutationen. Das sind Mutationen, die bislang nach Einschätzung der Mehrheit der Wissenschaftler nicht dazu geführt haben, dass das Virus sich biologisch verändert hat. Das wissen wir aber noch nicht genau. Wir wissen aber sicher, dass die Corona-Viren sich nicht in dem Maße genetisch verändern, wie das zum Beispiel bei Influenza-Viren der Fall ist. Und bei den Influenza-Viren haben wir sehr große Veränderungen im Genom. Das ist eine der großen Herausforderungen für die Impfstoff-Entwicklung, da sich diese Viren immer so stark verändern. Influenza-Viren tauschen teilweise große Stücke ihres gesamten Erbgutes aus und erlangen dadurch wirklich ganz neue biologische Eigenschaften. Das ist bei Corona -Viren so nicht bekannt.