1073 Interviews = 6 MB

Am Geburtstag gibt’s Geschenke – deswegen wollen wir euch anlässlich 10 Jahre Planet Interview beschenken, mit all unseren bisher veröffentlichten Interviews in einer Archiv-Datei:

Download: Planet Interview 2001 – 2011

Die Idee zu Planet Interview entstand im Sommer 2000, kurz nachdem ich mein erstes Interview überhaupt geführt hatte, mit dem Geiger Gidon Kremer. Sehr aufregend war das, einem Musiker persönlich gegenüber zu sitzen, den ich sonst nur von CDs und Konzerten kannte – und auch sehr anregend, weshalb kurz darauf die Idee zu einer Interview-Website entstand. Auf deutsch gab es so etwas noch nicht, nur die englische innerviews.org konnte ich damals finden. „Interviews Online“ ging dann glaube ich im Herbst 2000 online, hier ist unser erstes Logo zu sehen.

Ich erinnere mich auch noch an eine erste Präsentation auf einer sogenannten „Media Lounge“ die fürchterlich in die Hose ging, weil eine anwesende Journalistin unser Konzept nicht verstand, und glaubte, wir würden uns – statt selber das Diktiergerät in die Hand zu nehmen – Interviews aus dem Netz zusammenklauen und somit ganz viele Journalisten in den Ruin treiben.

Nein, geführt haben wir schon immer selber, aber wir haben parallel auch eine Link-Datenbank angelegt, in der wir bis heute auf interessante Interviews im Web verweisen.

Im Mai 2001 benannten wir unser Baby schließlich in „Planet Interview“ um, und hatten die nächsten Jahre dieses Design hier. Wir haben die Seite nie groß mit Werbung zugekleistert – Floating Ads, Sky-Scraper, Hover-Ads, Interstitials und was es da noch alles so Tolles gibt. Stattdessen finanziert sich PI heute in erster Linie durch Veröffentlichungen im Printbereich.

Warum eigentlich Interviews?

Weil man wissbegierig ist. Neugierig. Die Herausforderung sucht. Weil man Dinge erfahren will, die noch nicht gesagt sind. Lebenserfahrung schmarotzen und dem Leser zugänglich machen. Gedanken festhalten, die dokumentieren, wie sich die Welt, die Menschen, die Gesellschaft verändert. Man will selbst dazulernen, Lebensgeschichten kennen lernen. Wir haben hier zur Interview-Vorbereitung  immer wieder komplette Autobiographien gewälzt, von Heide Simonis über Lothar Bisky bis Bushido. Wir haben sehr viele Interviews sehr ausführlich wiedergegeben, Samy Deluxe, Henryk M. Broder, Michel Friedman, Alfred Biolek, Anne-Sophie Mutter, Moby usw. usf. weil sich bestimmte Erkenntnisse in der Kurzform nicht abbilden lassen.

Interviews sind auch Unterhaltung, zumindest hoffen wir, dass unsere Gespräche unterhaltsam sind. Wir lehnen zum Beispiel schriftliche Interviews ab, weil sie dem Genre seine Lebendigkeit nehmen. Das Interview lebt ja vor allem von Spontaneität. Ein bisschen Adrenalin ist auch immer im Spiel, man weiß nicht, wie das Aufeinandertreffen am Ende ausgeht, was im Gespräch entsteht, welche vielleicht nur so dahingesagte Zwischenfrage eine unerwartet interessante Antwort hervorlockt.

Vieles geschieht bei Interviews völlig unerwartet.

Lustig ist zum Beispiel, wenn man als blutjunger Interviewer von Heino und Hannelore zum Abendessen in einen Gasthof in Brandenburg eingeladen wird und beim Reinkommen der ganze Saal brüllt „Guck mal, das ist ja der Heino“ – und der echte Heino einem dann auch noch einen echten Bohneneintopf mitbestellt.

Oder wenn Schriftsteller Clemens Meyer beim Interview mit Maren Schuster und Martin Paul beinahe handgreiflich wird, wegen einer angeblich „geistlosen“ Frage. (Meyer hatte zu dem Zeitpunkt allerdings schon eine Flasche Sekt geleert, er bekam wenige Stunden später den Leipziger Buchpreis verliehen.)

Wenn von Richard Faibrass von Right Said Fred („I’m too sexy“) von dem Moment spricht, als er mit 17 das erste Mal ein Foto von einem Blowjob sah – und im Gespräch mit den Händen darstellt, wie er die Zeitschrift damals drehte und wendete, weil er nicht wusste, was das Bild darstellte und wie rum man es betrachtet.

Sehr still wurde es, als Peter Maffay die Frage gestellt bekam, ob seine Karriere es wert war, den Preis mehrerer gescheiterten Ehen dafür zu bezahlen. Bedrückend war es, als Filmkomponist Danny Elfman über sein Gehörleiden und seine Sonnenallergie sprach, komisch, als Selma Blair im Interview erzählte, wie sie sich als 12-jähriges Mädchen nackt in die Badewanne legte, mit Kunstblut beschmierte und sich dann fotografierte. Sie wollte das Foto eines Mädchens simulieren, das geschlagen und vergewaltigt wurde.

Paul Kalkbrenner überraschte mich, als er meinte, noch nie ein Rock- oder Popkonzert besucht zu haben. Ebenso überraschend – wenn auch einleuchtend – war, als Rainald Grebe erzählte, dass seine Art von Kabarett vor allem von Insassen einer psychiatrischen Anstalt inspiriert ist, wo er seinen Zivildienst machte. …. Die Reihe ließe sich noch lange fortsetzen.

Hier und da stößt man natürlich auch an Grenzen. Bei Mega-Promis, die ihre Interviews oft zehn Journalisten gleichzeitig geben, woraus selten ein gutes Gespräch entsteht, bei Presseabteilungen, Agenturen und Managements, die von Internetpublikationen nicht viel halten, bei Gesprächspartnern, die erst ein Interview geben, sich aber erst im Nachhinein überlegen, was sie gegenüber der Presse gesagt haben wollen. Womit wir bei der Autorisierung wären, die uns schon so manchmal das Leben schwer gemacht hat. 

Viele Schauspieler und Medienmacher rückten sich mit dem Rotstift nochmal in ein anderes Licht – oder knipsten das Licht sogar ganz aus. Nicola Jansen führte einmal ein Interview mit einem Hamburger Event-Manager X.Y., der in Deutschland zahlreiche Promi-Veranstaltungen organisiert. Ein nettes Gespräch mit einem auskunftsfreudigen Interview-Partner, man erfuhr etwas über das Geschäft mit Prominenten und Publicity. Doch dann bekamen wir statt der Autorisierung von seinem Büro nur die Antwort „dass wir mit Ihrem Interview mit X.Y. in keinem Fall einverstanden sind und für dieses keine Freigabe zur Veröffentlichung geben werden. Bitte sehen Sie ebenfalls von jeglicher Veröffentlichung von Auszügen aus diesen Interview ab.“ Auf unsere Rückfrage, was denn geschehen sei, schließlich hatten wir bei der Verschriftlichung ja nur wiedergegeben, was X.Y. im Gespräch tatsächlich gesagt hatte, wurde uns dann schon mit dem Anwalt gedroht. Seltsam so etwas.

Im Nachhinein fällt mir auf, dass es bei dem nicht freigegeben Interview damals auch um Events des Springer-Verlages ging. Was mich zu einer anderen Gruppe von Rotstift-Fans führt, Autoren der „Bild“-Zeitung.

Denn über die Arbeit bei „Bild“ zu reden, damit tun sich viele schwer. Als erstes scheiterten wir bei „Bravo“-Chef Tom Junkersdorf, der alle Aussagen über seine Zeit bei „Bild“ eliminierte (und nebenbei noch die kritischen Fragen zur „Bravo“). Später war es dann „Bild“-Kolumnistin Katja Kessler, die zwar zu Protokoll gab „Bild“ sei ihr „großes Glück“ gewesen, sich aber zur Form der „Bild“-Berichterstattung“ nicht zitieren lassen wollte. (Merkwürdig war, dass sich zwei Tage nach dem Interview mit Katja Kessler bei uns eine freie Autorin bewarb, die vorgab, schon viele Interviews geführt zu haben, ihr Name fand sich nur komischerweise in keiner einzigen Publikation. Einmal verwickelte sie mich dann am Telefon in ein Gespräch und fragte mich plötzlich, ob ich denn nicht zufällig etwas von dem neuen Buch von Katja Kessler gehört hätte, ja, was ich denn überhaupt so von der Springer-Presse halten würde…  „ah ja“, dachte ich und habe das Gespräch dann schnell beendet, mit einem mulmigen Gefühl im Magen.)

Ein paar Komplikationen gab es bei Maybrit Illner, deren Miene sich auffällig verfinsterte, als wir sie beim Interview auf einen Artikel von ihr in „Bild“ ansprachen. Die anschließende Autorisierung wurde zur Geduldsprobe. Illner benötigte das Transkript zwar direkt am nächsten Tag, ließ sich dann aber zwei Wochen Zeit, änderte das Gespräch mehrfach. In einer Fassung stand zum Beispiel der interessante Satz „Das ganze Leben ist ein Kompromiss“, später war er wieder ausradiert. Auch mit Michael Spreng war es 2009 nicht einfach über „Bild“ zu sprechen, er wolle nicht in eine Frontstellung zu seinem alten Arbeitgeber geraten, sagte er. Und von Andreas Englisch (langjähriger Vatikan-Korrespondent der „Bild“), mit dem wir kürzlich sprachen, gab es keine einzige Aussage zum Medium, für das er seit nun fast 25 Jahren schreibt. Offen waren gegenüber uns allerdings die „Bild“-Autoren Peter Hahne , Hellmuth Karasek und Kerstin Dombrowski, die eine Zeit lang für „Bild“ tätig war.

Letztlich machen die negativen Erfahrungen auch nur einen winzigen Anteil von dem aus, was man mit und in Interviews so alles erlebt. Es gibt für uns genügend Gründe, das Ganze weiterzuführen. Ein Grund ist nicht zuletzt, dass es in Deutschland den öffentlich-rechtlichen Medienanstalten ja leider untersagt wurde, im Netz ordentliche Archive anzubieten. Insofern versuchen wir, auch weiterhin einen winzigen Beitrag zum Interview-Angebot im WWW zu leisten.

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