Berlinale 7/10

Kaum ist die Berlinale eine Woche alt, setzt langsam die Müdigkeit ein. Kollegen fragen sich, ob sie sich auch am nächsten morgen wieder um 9 Uhr in der Früh einfinden sollen oder doch das Bar-Gespräch am Vorabend als Arbeitsgespräch werten sollen.

Vielleicht spaltet auch diese Grundmüdigkeit die Kritiker, wenn sie aus einem Film wie „Shahada“ kommen. Dank seines hohen Tempos, das sicher nicht alle Wettbewerbsbeiträge gemein haben, dürfte kaum jemand eingeschlafen sein – doch: ist ein solcher Film im Wettbewerb überhaupt richtig aufgehoben? Das Boulevard-Blatt B.Z. sieht in Qurbanis Debüt gar den Festival-Favoriten – während sich Jung-Regisseur Qurbani in den Interviews rund um die Berlinale zurückhält und sich darüber freut, dass überall am Potsdamer Platz Plakate seines Uni-Abschlussfilms zu sehen sind (siehe Foto). Er rückt seine Themen in den Vordergrund: “Das ist ja unser Leben. Muslime 2.0 – Menschen, die zwischen zwei Welten leben und sich an ihnen orientieren müssen, mit allen Widersprüchen und Möglichkeiten, die sie offerieren“, so Qurbani gegenüber der B.Z.
Sicher ist „Shahada“ zu stark um „nur“ in der Perspektive zu laufen, aber im Wettbewerb? Gerade wo doch zum Beispiel dem begeisternden „Die Fremde“ (von Feo Aladag) diese Auszeichnung verwährt blieb.

Ein Problem das bei den diesjährigen Festspielen zum Vorschein kommt, wie Andreas Kilb in der FAZ findet: „Ebendarin aber liegt eine entscheidende Schwäche dieses Festivals: dass für niemanden mehr klar erkennbar ist, warum ein Film gerade in dieser oder jener Reihe präsentiert wird, dass es viele Töpfe mit vielen Deckeln, aber keine Übersicht gibt. Man kann das für übertriebenes Ordnungsdenken halten. Aber andere Festivals haben diese Ordnung geschaffen, und sie fahren gut damit.“ Damit fasst er eine der großen Diskussionen am Roten Teppich zusammen.

Die Frage, was den Zuschauer ins Kino bringt und noch vielmehr, welche Rolle dabei die Film-Kritik spielt war ein großes Thema in unseren Blog-Beiträgen der vergangenen Tage. Einen ganz anderen Erklärungsansatz liefert Julianne Moore im Tagesspiegel-Artikel „Homo, Hetero, Libido“: „Die Leute kommen, um sich selbst zu sehen.“ Sie meint damit, eine Geschichte, mit der sich der Zuschauer identifizieren kann. Moore präsentierte auf der Berlinale gemeinsam mit Regisseurin Lisa Cholodenko ihre Komödie „The Kids Are All Right“.
Vielleicht beendet diese amerikanische Sichtweise die die Eifersüchteleien, mit denen sich deutsches Unterhaltungs- und Arthouse-Kino derzeit gegenseitig befeuern. Eine Ursache – neben dem Duell um die Eintrittskarte des zahlenden Zuschauers könnte eine sehr menschliche sein: die Eifersucht. In einem Business, bei dem viele übergroße Egos geschmeichelt werden wollen.

Diese Eifersucht ist eines der Themen des Planet Interview Gesprächs mit Newcomerin Nora von Waldstätten zu „Parkour“, deren „Schwerkraft“ in der oben schon erwähnten „Perspektive“ zu sehen war. Sie sieht es positiv und die „Eifersucht als eine indirekte Form des Kompliments.“

Dieser Beitrag entstand als Teil einer Kooperation von Planet Interview und Berliner-Filmfestivals.de.

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