RKI zu Schutzmaßnahmen gegen Influenza

Ich habe bei zwei Pressebriefings des Robert Koch-Instituts gefragt, welche Schutzmaßnahmen zukünftig bei der Influenza ergriffen werden, wie gut die Grippe-Impfung schützt und wie hoch das Durchschnittsalter der Grippe-Toten ist.

Pressebriefing am 05.05.2020

Frage (PI): Es wurde hier im Presse-Briefing immer wieder – bzgl. Vergleich von Covid-19 und Influenza – auf die existierende Gippe-Impfung verwiesen. Welchen Schutz bietet eigentlich diese Impfung? Es gibt ja die Einschätzung, dass der Schutz in schlechten Jahren bei nur 10% liegt.

Lothar Wieler: Influenza-Viren sind sehr stark veränderbar. Das Ergbut von Influenza-Viren ändert sich relativ schnell, mit zwei Methoden: Das eine sind die klassischen Mutationen, wo einzelne Gen-, einzelne Basenpaare mutieren. Das andere ist, dass ganze Gen-Segmente ausgetauscht werden. Das macht das Influenza-Virus so schwer vorhersehbar, weil es so viele Reservoire hat, insbesondere in Wildvögeln, Wasservögeln.

Der Influenza-Impfstoff besteht aus mehreren Komponenten, insgesamt haben wir vier Komponenten zur Zeit: Es gibt eine B-Linie, da gibt es zwei B-Linien, die sind beide inzwischen in dem Impfstoff drin, in dem normalen, der jedes Jahr wieder neu hergestellt wird. Und wir haben zwei aus der sogenannten A-Linie, da haben wir auch zwei Impfstoff-Komponenten drin. Die A-Komponenten werden jedes Jahr neu ausgewählt und es wird immer vorher im März entschieden, mit welchem Impfstoff wir im Herbst geimpft werden. In der Zwischenzeit können sich die Viren manchmal ändern.

Die Effektivität der Impfung ist sehr davon abhängig, welches Virus denn nun dominiert in der jeweiligen Grippe-Saison und es ist sehr stark davon abhängig, welche Altersgruppe betroffen ist. Wenn wir gerade diese h3-Viren haben: die verursachen oft bei älteren Personen schwere Krankheitsverläufe. Die h1-Viren machen in der Regel bei jüngeren Personen schwere Krankheitsverläufe. Das heißt, es hängt immer davon ab.

In welchem Bereich ungefähr liegt das Durchschnittsalter der Influenza-Verstorbenen?

Wieler: Wenn Sie sich anschauen, die Todeszahlen bei Grippe, die wir ja auch immer erst nachher errechnen, mit der Exzess-Mortalität und wer betroffen ist, dann haben sie natürlich 85 Prozent derjenigen, die im Rahmen von den Grippe-Wellen versterben sind auch Menschen über 65, also auch alte und hochaltrige Menschen.

Wir erleben aktuell ein großes Repertoire an Maßnahmen gegen Covid-19. Welche der Maßnahmen – wie zum Beispiel Absage von Großveranstaltungen, Kita/Schul-Schließungen oder eine zukünftige Handy-App – würden Sie gerne zukünftig für die Bekämpfung der Grippe anwenden?

Wieler: Diese Maßnahmen sind natürlich auch effektiv gegen die Grippe. Aber da die Grippe nun mal eine deutlich geringere Mortalität hat, also die Anzahl der Menschen, die schwer erkranken ist deutlich größer bei Covid-19 und zum anderen: Gegen Grippe gibt es in jedem Land der Welt eine Grund-Immunität, weil das Grippe-Virus seit Jahrzehnten immer wieder durch die Bevölkerung geht. Die ist bei Covid-19 zur Zeit nicht gegeben, da sind in Deutschland bislang vielleicht drei Prozent infiziert worden. Solange wir diese Grundimmunität (bei der Grippe) haben, kann man das eben nicht miteinander vergleichen.

Was ich mir wünschen würde, wäre, dass endlich all die Menschen, wo die Ständige Impfkommission sie auffordert, sich gegen die Grippe zu impfen, die Risikogruppen, dass sie das einfach tun. Dann würden wir nämlich, auch wenn die Grippe-Impfung in der Effektivität schwankt, eine Menge leben retten.

Und mein zweiter Wunsch ist, dass wir in Zukunft noch bessere Influenza-Impfstoffe haben. Denn diese Impfstoffe schwanken in der Effektivität. Ein Pan-Influenza-Impfstoff, der alle abdeckt, wäre großartig.

Und es ist genauso wichtig – das wird uns sicher auch helfen bei der nächsten Grippe-Welle – wenn die Menschen auch die Abstandsgebote und die Hygiene-Regeln einhalten. Dann werden wir natürlich auch Effekte auf die Grippe-Impfung (wahrscheinlich gemeint ist Grippe-Welle) haben. Das sind Maßnahmen, die sind wirklich angebracht. Werden wir schauen. Die Grippe-Welle soll unter den Maßnahmen leiden und die Menschen von den Maßnahmen profitieren.

Pressebriefing am 07.05.2020

Frage (PI): Herr Schaade, es wurden in den vergangenen Monaten Tausende Menschen in Alten- und Pflegeheimen isoliert. Gibt es für das RKI eine Evidenz, dass der Nutzen durch diese Isolation größer ist, als der Schaden, der für diese Menschen angerichtet wurde?

Lars Schaade: Dafür müsste man erfassen, und das ist mit Daten noch nicht geschehen, welche Nebenwirkungen von diesen Isolierungsmaßnahmen tatsächlich auftreten. Das wird man erst mit einer gewissen Verzögerung sehen können. Wie viel Depressionen sind dadurch zum Beispiel tatsächlich ausgelöst worden. Solche Zahlen kann ich Ihnen zur Zeit nicht nennen.

Den zweiten Faktor den man bräuchte: Man müsste um die Effektivität der Maßnahme an sich zu beurteilen, verschiedene Einrichtungen miteinander vergleichen, wo vielleicht stringentere Hygiene- und Isolierungs-Maßnahmen ergriffen wurden als andere und die Effektivität dieser Maßnahme dann für sich erstmal zu beurteilen. Das sind alles Untersuchungen die noch kommen werden, wo es zur Zeit noch keine Daten zu gibt, die man ins Verhältnis zueinander setzen könnte.

Was man sagen kann: Dort, wo das Virus einen Ausbruch verursacht hat, in den Alten- oder Pflegeheimen mit vielen Risikopatienten, dass dort der Impact des Virus ganz reheblich ist, was Krankheitsverläufe und Sterbefälle betrifft.

Herr Wieler sagte vor zwei Tagen (s.o.), es wird uns sicher auch helfen bei der nächsten Grippe-Welle, wenn die Menschen auch die Abstandsgebote einhalten. Heißt das, dass wir beim Einsetzen der nächsten Grippe-Welle im Spätherbst oder Winter dann auch wieder Großveranstaltungen flächendeckend absagen in Deutschland? Würden Sie das empfehlen? Denn auf solchen Veranstaltungen indoor und outdoor können solche Abstandsregeln ja gar nicht eingehalten werden.

Schaade: Das ist… ich möchte die Frage andersherum beantworten. Wir werden ja irgendwann wieder, ob Influenza oder Nicht-Influenza, Großveranstaltungen durchführen. Und auch da gilt es letztendlich einen Weg zu finden, wie man Großveranstaltungen durchführen kann, unter Beachtung gewisser Abstandsregeln. Auch das ist ja denkbar. Man muss ein Stadion vielleicht nicht mit 50.000 Menschen füllen sondern vielleicht nur mit der Hälfte der Zuschauer, so dass Abstandsregeln eben leichter einzuhalten sind.

In den nächsten Monaten wird es keine Großveranstaltungen geben. Ich sehe jetzt auch nicht, dass die nächste Influenza-Welle ein Trigger sein könnte, um die Großveranstaltungen sofort wieder abzusagen.
Was ich sehe, eher in der mittelfristigen bis langfristigen Perspektive, sind Großveranstaltungen, die unter veränderten Bedingungen stattfinden, wo man Hygiene- und Abstandsregeln dann eben doch einhalten kann. Das halte ich für eine Voraussetzung, um wieder Großveranstaltungen durchführen zu können. (Pause) Solange das Virus in Deutschland vorhanden ist. Das Corona-Virus.

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