Inga und Tommi, die Beschreibungen eurer Musik gehen oft weit auseinander, manche sprechen von Elektro, andere von Clubmusik, wieder andere sogar von Schlager – wie würdet ihr euren Sound selbst beschreiben?
Humpe: Das fällt uns auch immer schwer. Es ist halt kein Deutsch-Rock, aber Elektropop auch wieder nicht. Es ist sehr groove-orientiert, sehr beatorientiert. Viele sagen, dass es auch absolut nicht nach deutscher Produktion klingt. Und wir haben gehört, dass unsere Musik in Schwulen-Diskos in Barcelona läuft, und im Schulunterricht in Brasilien behandelt wird – also sehr weit gestreut. Die Musik wirkt jedenfalls auch ohne den Text und es ist eine Art eigener Sound, hoffe ich.
Mich erinnern manche Lieder ein wenig an Madonna…
Humpe: Das freut mich zu hören, Madonna ist nämlich mein heimliches Vorbild. Sie schreibt einfach tolle Songs und ihre Produktionen sind absolut perfekt. Ich mochte ihr Album "Amrican Life" sehr gerne, und ich bin gespannt, was sie als nächstes macht – nur hoffentlich nicht Bossa Nova, weil das haben wir ja nun gemacht.
Wie kamt ihr denn auf die Idee, ein Album mit Bossa Nova-Versionen eurer Hits zu veröffentlichen?
Eckart: Das kam durch unseren Koproduzenten Jens Wagemann. Der spielt Schlagzeug und südamerikanische Gitarre und wir haben festgestellt, wie sehr sich unsere Lieder verändern, wenn man sie so anders interpretiert. Das fanden wir sehr reizvoll. Wir wollten nicht einfach nur ein Album "ohne Strom" machen, sondern den Liedern eine ganz neue Farbe geben. Das haben wir hoffentlich geschafft.
Spielt da auch der Versuch mit, andere, neue Zuhörer zu gewinnen?
Eckart: Nur am Rande. Wir versuchen einfach, interessant zu bleiben, uns immer wieder neu zu erfinden und das zu verfolgen, was wir selbst gut finden.
Humpe: Sicher findet man so auch neue Wege der Verbreitung. Radio und Musikfernsehen bringen ja nur einen ganz schmalen Ausschnitt aus allem, was an Musik gemacht wird. Für uns selbst ist es ja auch spannend, andere Musik zu entdecken, die nicht im Radio gespielt wird. Wir sind eben nicht die großen Christina Aguilera oder Shakira-Fans.
Ihr hattet euren Durchbruch mit einem Song in einer Zigarettenwerbung, die auch sehr auf Jugendliche abzielte. Fandet ihr das moralisch bedenklich?
Humpe: Wir würden es auf keinen Fall noch einmal machen. Es war eine Herausforderung, aber wir haben natürlich sehr viel darüber diskutiert.
Eckart: Die Leute, die den Spot gemacht haben, sind alles Freunde von uns, deshalb sind wir da reingerutscht.
Humpe: Natürlich haben wir dadurch etwas unterstützt, was gesundheitsschädigend ist und vielleicht haben wir auch junge Leute zum Rauchen animiert. Wobei mir der Spot an sich und das Lebensgefühl, das dabei rübergekommen ist, sehr gefallen hat – schade nur, dass das mit einer Zigarette verbunden sein muss.
Eckart: Letztendlich hat uns aber nicht der Spot nach vorne gebracht, sondern die Sender RadioEins und Fritz!, die zwei Jahre nachdem der Spot rausgekommen war, auf einmal begonnen haben, diesen Song zu spielen.
Humpe: Und es sind heute auch immer noch dieselben Sender, die uns spielen. Die meisten tun das ja nicht.
Meint ihr, daran würde sich etwas ändern, wenn man für das Radio eine Deutsch-Quote einführen würde, wie es ja schon lange diskutiert wird?
Humpe: Wir sind eher für eine europäische Quote. Ich würde zum Beispiel gerne mal polnische Musik im Radio hören. Aber ob unser Band so eine Quote zugute kommt, weiß ich nicht.
Eckart: Letztendlich haben die öffentlich-rechtlichen Sender eine Verpflichtung, ein wenig mehr zu spielen als den täglichen Einheitsbrei. Als die Diskussion so richtig in Gang kam, waren ja sieben deutsche Alben in den deutschen Top Ten, und die Quote für deutsche Neuvorstellungen lag gerade mal bei 0,6% bei den Privaten und 1,2% bei den Öffentlich-Rechtlichen. Wir wollen ja keine Bevorzugung, aber eine Gleichberechtigung wäre fair. Wir verkaufen ja nicht gerade wenig Platten – aber manchmal müssen wir uns Sachen anhören wie "Das ist so scheiße, das spielen wir nicht."
Das hat jemand zu euch gesagt?
Humpe: Ja, das passiert auch immer wieder. Eine Reaktion auf das neue Album war auch "Ach, 2Raumwohnung, das ist ja Clubmusik, das kommt für uns nicht in Frage". Der hatte das Album also offensichtlich nicht mal angehört.
Ihr sprecht von einem "schmalen Ausschnitt", der im Radio gespielt wird – ist das ein Problem der deutschen Musikindustrie oder vielleicht sogar ein Problem der deutschen Musikkultur insgesamt, die nach dem Grand Prix als nicht wettbewerbsfähig kritisiert wurde?
Humpe: Es ist erst mal schwierig, wenn man die deutsche Musik so verallgemeinert. Wir sind ja auch nur ein ganz kleiner Ausschnitt daraus. Und dass Gracia beim Grand Prix nicht gewonnen hat, finde ich nicht verwunderlich, sondern eher witzig – weil es eben überhaupt nicht funktioniert hat.
Könntet ihr euch vorstellen, beim Grand Prix aufzutreten?
Humpe: Nein, ich überhaupt nicht. Man muss ja nicht überall mitmischen. Ich finde diesen Wettbewerb sowieso etwas gestört: da gibt es nur Frauen, die aussehen wie Models, konstruierte Geschichten von sich geben – das ist eine ganz andere Welt als wir sie verkörpern. Ich habe mir den Grand Prix angesehen, bin aber dabei eingeschlafen, weil ich den so langweilig fand.
Eure Welt ist ja Berlin, "2Raumwohnung" dazu ein ostdeutsches Wort – ihr kommt aber aus dem Westen.
Humpe: Richtig. Wir wollten genau damit spielen und eine Berlinverbindung aufbauen. Wenn man als Westberliner nach Ostberlin geht und es dort mag, treibt man das eben gern auf die Spitze. Wir sind absolute Ostfans. Ich würde zum Beispiel gern in einem Plattenbau wohnen, Platte finde ich geil. Und "2Raumwohnung" klingt natürlich viel besser als "Zweizimmerwohnung".
[Und wo wir schon mal beim Thema sind bekommen Tommi und Inga nun ein weißes Blatt Papier gereicht, auf dem sie ihre Vorstellung der perfekten 2Raumwohnung zeichnen sollen.]
Tommi, du warst vor 2Raumwohnung vor allem Studiomusiker – genießt du jetzt das Rampenlicht?
Eckart: Das war auf jeden Fall eine Umstellung, da ich eher Instrumentalist bin und neben der Gitarre fast noch lieber Bass spiele, der ja noch mehr im Hintergrund ist. Das ist auch eine Charakterfrage: ich bin eben etwas schüchterner. Es freut mich aber, wenn die Musik gut ankommt und man das auf der Bühne mit anderen teilen kann.
Inga, deine Schwester Annette ist ebenfalls Musikerin und hat bereits in den 80ern mit der Gruppe "Ideal" Erfolge gefeiert – trefft ihr euch manchmal, um zusammen Musik zu machen?
Humpe: Nein, wir sehen uns zwar recht häufig, treffen uns dann zum Mittagessen und reden über unsere Familie, erzählen uns den neuesten Tratsch aus der Branche, spielen uns die neuesten Sachen vor, aber wir arbeiten nicht zusammen. Mit 65 vielleicht. Dann gründen wir zusammen eine Band.
Ihr habt ja bereits in der Gruppe "Deutsch-österreichisches Feingefühl" zusammen Musik gemacht. Profitierst du heute von den früheren Zeiten?
Humpe: Die meisten Leute wissen ja gar nicht, wie lange wir schon dabei sind. Aber ich hätte mit 20 niemals diese Texte schreiben können. Und unser Publikum ist heute sehr unterschiedlich, das besteht aus sehr jungen Leuten, aber auch aus welchen in unserem Alter. Anfangs wollte ich ja gar keine Konzerte geben, weil ich dachte, dass das mit unserer Musik gar nicht geht. Aber dann haben wir bemerkt, dass es sehr wohl geht und wir eine tolle Verbindung zu unserem Publikum aufbauen können.
[Inzwischen sind die beiden mit ihrer Zeichnung fertig (siehe Bildergalerie).]
Da sehe ich schon mal eine Katze in eurer 2Raumwohnung.
Humpe: Tommi ist verrückt nach Katzen, er hätte am liebsten auch wieder eine, die dann auf unserem Balkon rumturnen kann. Leider sind wir zurzeit aber eher selten zuhause.
Eckart: Ja, eine Katze wäre toll, zwei wären natürlich noch besser.
Unsere Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic – welche Figuren seid ihr?
Humpe: Ich wäre ein Hund…
Eckart: …und ich eine Katze.
Garfield und Odie.
Humpe: Nein, ich wäre so ein ganz fröhlicher, der die Herde zusammen hält.
Eckart: Und Garfield wäre ich auch nicht, meine großen Lasagne- und Pizza-Zeiten sind vorbei.
Humpe: Also, wir wären Catdog. Das ist diese Mischung aus Katze und Hund. Sehr schön. Und auch ein bisschen romantisch, oder?
Wir sind für eine europäische Quote.