Herr Hagemann, wie oft begegnet Ihnen Pavel Popolski im täglichen Leben?
Achim Hagemann: Eigentlich nie. Wenn Pavel Popolski verschwindet, kommt regelmäßig wieder die andere trübe Tasse zum Vorschein. Das ist ein fließender Übergang ohne große Schwierigkeiten, da stehe ich mir nicht besonders im Weg. Aber wenn ich ehrlich bin – es gibt schon Berührungspunkte. Vor allem, wenn ich andere Dialekte sprechen möchte. Früher konnte ich viele! Heute gehen alle Versuche sofort in den polnischen Slang über. Bayrisch, Hanseatisch, Kölsch – es kommt nichts mehr davon aus mir raus, alles wird überlagert.
Was ist denn das Grundrezept für Ihren Akzent?
Achim Hagemann: Alles mit „H“ oder „Sch“ muss Chwierigkeite habe, durch die Chals zu kommen. Dann wirkt es echt. Außerdem Umlaute vermeiden und alles glatt bügeln. Dazu alle paar Worte ein falsches „S“ einstreuen – „Ausgeflippst“ zum Beispiel. Dasselbe gilt für unnötige „ki“ als Endung. Und vergiss alle Artikel, es gibt nur „Der“. Total Bekloppski – aber damit kommt man schon durch! Allerdings stellt das eher einen Comedy-Akzent dar, keinen wirklich polnischen.
Haben Sie am Anfang auch Recherche in Polen oder bei Polen betrieben, als Ihnen die Idee zur Familie Popolski kam?
Achim Hagemann: Ja, sicher. Ich hatte das große Glück, dass meine damalige Partnerin aus Polen stammte. Bevor ich sie kennenlernte, ist sie mit ihrer gesamten Großfamilie aus Zabrze nach Köln und Dormagen übergesiedelt, mit allen Onkeln, Tanten und Geschwistern. Eine riesige Sippe und ich mittendrin. Meine ersten Recherchen unternahm ich also in Köln auf Familienfesten, zu denen ich eingeladen war. Bei diesen Gelegenheiten habe ich zum ersten Mal Wodka getrunken und den Akzent studiert, so kam das.
„Damalige Freundin“ aber nicht, weil sie sich durch die Popolskis diffamiert fühlte?
Achim Hagemann: (Lacht) Nein, das ging aus anderen Gründen zu Ende, wie das Leben eben so spielt.
Die Geschichte hinter den Popolskis trägt das Ensemble nun schon seit mehr als fünf Jahren. Haben Sie keine Angst, dass sie sich beim Publikum irgendwann einmal totlaufen könnte?
Achim Hagemann: Wir spielen zwar schon seit sieben Jahren live, allerdings kann man die ersten zwei Jahre tatsächlich abhaken. Aber ich glaube nicht, dass sich die Idee hinter der Familie Popolski totlaufen könnte. Ganz einfach deswegen, da einfach alles – also alle Kinofilme, Literaturerfolge, Baudenkmäler, Fernsehsendungen, Ausgrabungen, Sportarten, die gesamte Popmusik sowieso – sich verwursten lässt.
Gut, aber das Konzept hinter all dem, die Idee, dass Opa Popolski den Pop erfunden hat und all seine Stücke geklaut und an westliche Musiker verkauft wurden, die muss doch immer gleich bleiben?
Achim Hagemann: Sicher, aber wir haben so viel auf dem Zettel stehen, was wir musikalisch noch machen wollen …
Kein Wunder, wenn Opa Popolski laut offizieller Biographie ganze 125.000 Pop-Songs geschrieben hat …
Achim Hagemann: (Lacht) Richtig! Wir haben so vieles noch gar nicht angepackt – Filmmusik, Klassik, Rock, Reggae, um nur einige zu nennen. Im Grunde sind alle Bereiche, die wir noch nicht beackert haben, ein viel weiteres Feld als der Mann-Frau-Konflikt, den andere Comedians gerne als Grundlage nehmen. Ich glaube auch nicht, dass es so sehr auf die Geschichte mit den gestohlenen Songs ankommt sondern viel mehr darauf, was man daraus macht. Und wir haben wirklich noch viele Pläne für die Zukunft.
Sind die Popolskis schon mal in Polen aufgetreten?
Achim Hagemann: Nein, aber wir haben kürzlich erste Anfragen von polnischen Konzertveranstaltern und Fernsehsendern erhalten. Da gibt es nur ein ganz praktisches Problem bei der Sache: In welcher Sprache sollen wir auftreten? Das ganze Programm auf polnisch? Na dann gute Nacht, dass kannst du vergessen. Außerdem wäre dann ja auch der Akzent weg, der einen großen Anteil an unserem Wortwitz hat. Also machen wir es in Englisch mit Akzent? Oder wie bisher in Deutsch mit Akzent? Wir würden das wirklich gerne machen, nur dieses Paradoxon müssen wir vorher noch irgendwie lösen.
Warum sind Sie ausgerechnet der Schlagzeuger der Popolskis geworden? Sie spielen doch mehrere Instrumente…
Achim Hagemann: Das stimmt, aber ich habe Schlagzeug einmal studiert. Wenn ich als Produzent arbeite, spiele ich jedoch meistens Keyboard oder Klavier. In der Band hatte ich aber nochmal richtig Lust, hinter dem Schlagzeug zu sitzen.
Solange die Polen merken, dass ohne die alten Stereotypen auskommen, haben sie sehr viel Spaß an den Popolskis.
Hat eigentlich Lukas Podolski für Ihren Familiennamen Pate gestanden?
Achim Hagemann: Könnte man meinen, ist aber nicht so. Ich suchte damals einen Namen, in dem das Wort „Pop“ enthalten ist. Ich fand – sehr passend – „Po Polsku“, was übersetzt „Auf polnisch“ bedeutet. Das ganze noch leicht abgewandelt und unser Familienname war geboren. „Polski“ heißt ja auch „polnisch“. So haben wir also Herkunft, Sprache und Popmusik in einem Namen verbunden.
Auch wenn das umarrangieren all der Songs und die Umsetzung für die Bühne sicherlich nicht einfach ist – letzten Endes ist Der Familie Popolski eine Coverband. Befriedigt das den Musiker Hagemann, oder müssen Sie Ihr kreatives Potential auch noch neben der Band ausleben?
Achim Hagemann: Es bleibt durchaus Zeit, um neben den Popolskis andere Dinge zu schreiben und an anderen Projekten zu arbeiten, auch wenn ich mir diese Zeit hart erkämpfen muss. Momentan arbeite ich an der Vertonung eines Bühnenstücks. Wenn ich solche Ausgleiche nicht hätte, würde ich wirklich etwas vermissen.
Sie haben in den Neunziger Jahren viel mit Hape Kerkeling zusammen gearbeitet und gelten als der kreative Kopf hinter Klassikern wie „Hurz“ oder „Das ganze Leben ist ein Quiz“. Wie hoch war damals Ihr komödiantisch-kreativer Anteil an Kerkelings Sendungen und Programmen?
Achim Hagemann: Damals habe ich überhaupt erst angefangen zu schreiben, auch Gags. Alle acht Autoren, die damals für „Total Normal“ angeheuert werden sollten, hatten alle entweder keine Lust, Schreibblockaden oder waren aus anderen Gründen verhindert. Kurz bevor die Produktion losging waren noch lange nicht genug Texte vorhanden und da mussten wir halt selber ran. Dabei ist es dann geblieben. Auch für den späteren Kinofilm „Kein Pardon“ schrieb ich am Drehbuch mit.
Waren Sie damals einfach nicht Rampensau genug, um es auch mal Solo zu versuchen?
Achim Hagemann: Darüber habe ich mir zu diesem Zeitpunkt wirklich keine Gedanken gemacht, das kam alles erst viel später. Nach der „Total Normal“-Zeit hatte ich irgendwann mein Studio fertig und eigentlich gar keine große Lust mehr auf Comedy. Passenderweise kamen gute Angebote herein und ich habe viel Filmmusik gemacht, später auch fürs Fernsehen, und Songs für verschiedene Künstler. Zehn Jahre ging das so, bis ich wieder auf die Bühne wollte und mir die Idee mit den Popolskis kam.
Sie sind seit der Grundschule mit Kerkeling befreundet und Sie arbeiten auch heute noch immer mal wieder zusammen …
Achim Hagemann: Richtig, zum Beispiel stammt die Musik für Hapes Filme „Isch kandidiere“ oder „Ein Mann ein Fjord“ von mir, auch die Songs von Hapes Figuren Horst Schlämmer oder Uschi Blum habe ich geschrieben.
Warum haben sich denn damals auf der Bühne Ihre Wege getrennt, Sie haben doch gut harmoniert?
Achim Hagemann: Es waren insgesamt sieben oder acht Jahre in denen wir gemeinsam auf der Bühne gestanden, Fernsehsendungen und einen Kinofilm gemacht haben. Nach dieser Zeit hatte ich das ganz dringende Gefühl, auf eigenen Beinen stehen zu müssen (lacht). Das musste irgendwie einfach sein!
Fast alles was Hape Kerkeling anfasst wird zu Gold. Hand aufs Herz: Irgendwann einmal Neid auf den alten Freund und seinen Erfolg verspürt?
Achim Hagemann: Ich beneide ihn darum, dass er einfach mal eben so eine große Kinoproduktion wie „Isch kandidiere“ aus dem Boden stampfen kann. Sich spontan im Februar dazu zu entschließen und ihn im Herbst schon in die Kinos bringen zu können – super! Ich glaube das war die schnellste Kinoproduktion der deutschen Filmgeschichte. Ansonsten bin ich mit meiner Arbeit, der Band und mir selbst eigentlich recht zufrieden und neide ihm nichts.
Die deutsche Comedylandschaft hat sich seit Anfang der 1990er Jahre stark verändert. Was ist heute in Ihren Augen besser, was schlechter als früher?
Achim Hagemann: Besser ist die Vielfalt. Als Hape und ich damals anfingen, gab es ansonsten noch „Harald & Eddy“, „Sketchup“ … und sonst fällt mir auch schon nichts mehr ein. Den Begriff „Comedy“ benutzte man damals ja eigentlich noch gar nicht so richtig. Ich finde das viel größere Angebot heute toll. Nicht so gut finde ich den Mainstream darin. Viele Sachen gleichen sich zu sehr. Es gibt inzwischen jede Menge Comedians, die im Motto-T-Shirt auf die Bühne kommen, sich die Hände reiben und schon im dritten Satz von ihrer Lebensgefährtin erzählen. Grausam!
Ihr Publikum besteht nach eigenen Angaben zu etwa 20 Prozent aus Polen. Haben die mehr Humor als Deutsche? Man stelle sich eine Band in Polen vor, die überzogen mit deutschen Klischees spielt – hätte die wohl so viele deutsche Fans?
Achim Hagemann: Nun gibt es in Polen natürlich nicht so viele Deutsche wie andersherum, aber die Polen sind schon sehr humorvoll. Vor allem erkennen sie, dass unsere Comedy nicht gemacht wird, um die alten Polen-Witze wieder aufzuwärmen. Keiner der Standard-Gags vom Autoklauer über den Fliesenleger bis hin zum Spargelstecher kommt in unseren Programmen vor. Außerdem ist bei uns ja nicht alles nur gespielt. In unserer Fernsehshow waren viele polnische Schauspieler dabei, da wurde auch viel polnisch gesprochen, unser Bassist ist ein halber Pole – also da gibt es schon genügend Berührungspunkte. Solange die Polen merken, dass wir ihnen nicht am Zeug flicken wollen und auch ohne die alten Stereotypen auskommen, haben sie sehr viel Spaß an den Popolskis.
Und die 1980er-Jahre-Klamotten in denen Sie auftreten sind kein Stereotyp?
Achim Hagemann: (Lacht) Natürlich sind sie das! Aber das ist glaube ich nichts, was die Polen aufregt. Die wissen selber, dass sie so nicht mehr herumlaufen.
Eins noch: Ist der Wodka auf der Bühne jemals echt gewesen?
Achim Hagemann: Ja! Bei den jeweils letzten Vorstellungen auf unserer bisherigen Tourneen war der immer echt. Aber dabei muss ich aufpassen, sonst liege ich nach dem dritten Lied mit Kreislaufkollaps hinter dem Schlagzeug.