Herr Mentzel, seit den 60er Jahren stehen Sie auf Bühnen. Ist Singen ein Kindheitstraum von Ihnen?
Achim Mentzel: Ja, unbedingt. Ich wollte immer auf der Bühne stehen, frei sein und singen.
Haben Sie auch mit 18 Jahren schon Stimmungsmusik gemacht?
Mentzel: Nein, als junger Mensch macht man die Musik, die gerade läuft, mit der man groß wird, zu der man seine ersten Mädels kennen lernt. Ich hatte mit drei anderen eine Band gegründet, das spätere Diana Show Quartett und wir haben Beatles und Stones gespielt. Wahrscheinlich waren wir gut, denn viele Jugendliche sind mit uns mitgereist, haben unsere Gitarren und Verstärker geschleppt. Wir mussten nichts tragen, wir waren ja Künstler.
Warum sind Sie ins Unterhaltungsfach gewechselt?
Mentzel: In meiner Zeit beim Manfred Lindenberg-Sextett hab ich gemerkt, dass ich am besten ankomme, wenn ich Stimmungsmusik mache – Tony Marshall oder Schunkel- und Sauflieder.
Ein großer Teil Ihres Erfolges auch im Fernsehen liegt offensichtlich an dem Typ, den Sie verkörpern.
Mentzel: Das denke ich auch. Man hat mich immer erkannt: Das ist der dicke Mentzel. Ich habe nie versucht meine Richtung zu ändern. Ich weiß, ich bin freundlich und komme jedem freundlich entgegen. Wenn alle mitgeklatscht und auf den Bänken gestanden haben, dann kommen sie und holen sich Autogramme und klopfen mir auf die Schulter und sagen: Achim, alter Junge, bleib so wie du bist.
Und das mögen Sie?
Mentzel: Sehr. Künstler sind alle sehr eitel. Wir wollen doch erkannt werden. Mir geht das immer runter wie Öl. Egal ob ich in der Kneipe oder in der Kaufhalle bin, ich behandle jeden gleich freundlich. Das ist mir wichtig. Denn jeder kennt ja 50 andere Leute und kann sagen: Mentzel, der Arsch ist an mir vorbei gelaufen. (lacht) Das will ich nicht.
Stichwort: Kultfigur Achim Mentzel. Haben Sie auch junges Publikum bei Ihren Auftritten?
Mentzel: Da haben schon hinten junge Leute mit Transparent gestanden, auf dem stand: Achim wir lieben dich. Die Mädels haben gekreischt und wild Ballett gemacht, so dass ich dachte, die wollen meine Mucke sprengen, die Hunde verscheißern dich. Aber am Schluss haben sie sich mit mir fotografieren lassen.
Also wird das Genre Schlager nicht aussterben?
Mentzel: Ich bin am vergangenen Sonntag aufgetreten. Ein Riesenfestzelt, das nur mit Studenten und jungen Leuten gefüllt war. Die haben mitgemacht, getanzt und Stimmung gemacht. Die singen alle: „Du kannst nicht immer 17 sein.“, wenn sie in Stimmung sind. Das hat mir gezeigt, ich bin immer noch auf dem richtigen Weg.
Hat der lustige Achim Mentzel privat auch eine ernste Seite?
Mentzel: Es gibt natürlich Probleme. Ich versuche aber, allem immer etwas Gutes abzugewinnen. Heute wird alles auf Depression und Burn-Out geschoben. Ich glaube, in Wirklichkeit haben die alle einen Schuss und können mit ihrem Leben nichts mehr anfangen.
Hatten Sie selbst nie Zweifel oder finanzielle Sorgen, zum Beispiel in der Wendezeit?
Mentzel: Ich bin ein Sonntagskind. Meine Familie konnte ich immer unterhalten und bei der Wende hatte ich auch Glück. Am 9. November wurde die Mauer aufgemacht und am 23. war ich mit „Achims Hitparade“ auf dem Sender. Meinen Gesangskollegen ist alles weggebrochen, mir teilweise auch. Ich hatte keine einzige Veranstaltung mehr, nur noch die Fernsehsendung. Aber die war wegen der 17 Million Zuschauer auch für den Westen interessant.
„Achims Hitparade“ lief im MDR bis 2006. Was war das Erfolgskonzept der Show?
Mentzel: Das war ein gewaltiges Ding 17 Jahre lang ohne einen Monat auszusetzen. Ich habe mich selbst gefragt, warum ich nicht abgesetzt werde. Ich vermute, es lag daran, dass ich niemals versucht habe, mich als Moderator in den Vordergrund zu schieben. Ich habe nie über mich erzählt, nur über meine Gäste. Ich war neutral, habe alle Interpreten gleich behandelt und der Freund von allen. Und ich habe mich von Anfang an aus der Besetzung rausgehalten. Das habe ich die Redaktion machen lassen.
Künstler sind alle sehr eitel. Wir wollen doch erkannt werden. Mir geht das immer runter wie Öl.
Hat sich das Fernsehen verändert seit „Achims Hitparade“?
Mentzel: Das Fernsehen ist seichter geworden. Fernsehen ist nicht mehr Fernsehen. Die Menschen, die das Fernsehmachen von der Pike auf gelernt haben sind doch alle weg. Jetzt gibt es immer wieder so viel Wechsel, neue Redakteure die alles wieder neu erfinden, besser machen wollen und am Ende lieblos zusammen klatschen. Selbst für Kalkofe als Fernsehfreund gibt es kein richtiges Fernsehen mehr.
In Ihrer Zeit beim Fernsehen waren Sie Gegenstand etlicher Satiren und Schmähungen. Mittlerweile benutzen Sie viele dieser Äußerungen, um sich zu vermarkten…
Mentzel: Wie sie über mich geredet haben war mir völlig egal. Aber alle Welt wollte damals wissen, wer denn der kleine Dicke ist, der die ganze Zeit verscheißert wird. Jetzt gehe ich mit meinen größten Feind auf Tournee. Ich führe Kalkofe durch unsere ostdeutsche Serengeti, damit er die Wundertiere alle erst einmal kennen lernt.
Haben Sie diese Abwertungen niemals persönlich getroffen?
Mentzel: Mich nicht. Aber meine Frau hat versteinert auf der Couch gesessen und sich entsetzt gefragt, was Kalki da macht. Er hatte gesagt, dass es im MDR einen Moderator gibt, der eine Kreuzung ist aus Tony Marshall, einem überfahrenen Hamster und dem Yeti. Ich konnte darüber nur lachen. Etwas Besseres konnte mir gar nicht passieren, denn er hat das auch noch jeden Sonntag fortgesetzt.
Aber Sie haben es im Fall von Kalkofes Mattscheibe nicht einfach hingenommen.
Mentzel: Ich wollte auf jeden Fall reagieren. In der Hitparade war gerade eine Kindersendung dran, in der ein Junge über die Schule singen wollte. Das passte: neben alten Bankreihen gehörte eine Schiefertafel zur Deko. Da haben wir drauf geschrieben: „Kalki ist doof“.
Wie hat Oliver Kalkofe reagiert?
Mentzel: Er war völlig fertig. Für ihn war es das erste Mal, dass jemand in einer Sendung auf ihn Bezug genommen hat. Es hat ihn auch so gewurmt, dass er sich nicht getraut hat bei mir zuhause anzurufen. Zuerst hat die Redaktion von „Kalkofes Mattscheibe“ angerufen und gefragt, ob ich überhaupt mit ihm sprechen würde. Er selbst hätte Angst ich würde ihn beschimpfen, sofort wieder auflegen oder Ausdrücke sagen.
Was haben Sie geantwortet?
Mentzel: Ich habe gesagt, er soll sofort anrufen. Kalkofe war vorsichtig. Er wurde ja mehrfach verklagt, u.a. zum Beispiel von Klaus und Klaus, weil er den Dicken „Speckbulette“ genannt hatte. Humor muss man schon haben in unserem Beruf.
Sind Sie mit dieser Ansicht eher eine Ausnahme im Schlagergeschäft?
Mentzel: Das weiß ich nicht. Aber du musst damit rechnen, dass Satiriker über dich herziehen. Man kann nicht jedem gefallen. Wenn man diesen Beruf lange macht, muss man mit der Kritik der Öffentlichkeit leben können, sonst springt man irgendwann aus dem Toilettenfenster.
Wie kam es zur gemeinsamen „Gernseh“-Tour mit Oliver Kalkofe?
Mentzel: Kalkofe macht den Gernseh-Club schon seit ein paar Jahren in der Volksbühne in Berlin. Er lädt Gäste ein, dann wird zusammen Fernsehen geguckt und gequatscht.
Irgendwann haben sie auch mich eingeladen. Ich sollte auf jeden Fall was Englisches machen, weil Kalki sich immer beölt, wenn ich die englischen Dinger bringe. Ich hatte aber auch vorher bei dem Techniker eine CD abgegeben und ihn angewiesen auf Zeichen zwei Lieder zu spielen. Kalkofe wollte sich also wieder über mein Englisch lustig machen, da habe ich die beiden Stimmungslieder von mir einspielen lassen. Die Leute sind alle aufgesprungen, haben geklatscht und getanzt. Kalki stand daneben und meinte, dass er das nicht begreifen könne. Auf jeden Fall sagte das Management im Anschluss: Wir machen eine Tour!
Wie sieht Ihr „Gernseh“-Programm aus?
Mentzel: Es gibt eine Leinwand auf der Bühne, Einspieler von Kalkofes Mattscheibe, wie er mich in die Pfanne haut und wie ich geantwortet habe. Außerdem alte TV-Einspieler von mir und von ihm… Was der manchmal so gemacht hat, da sind Teile von seinem Kollegen Dietmar Wischmeyer dabei – ich war völlig fertig.
Weshalb?
Mentzel: Die gehen zum Beispiel auf die Bühne, rotzen, und alle jubeln. Reden nur von Ficken und Scheiße. Ich hab das Programm voriges Jahr in der Stadthalle gesehen. Nach dem Programm hab ich zu ihm gesagt: „Kalki, du alte Topsau. Ich habe noch nie so eine Sauerei gesehen, wie ihr sie auf der Bühne macht.“ Aber Kalki ist sich treu geblieben. Er zieht alle durch den Kakao.
Gibt es auch Stimmungsmusik à la Mentzel auf der „Gernseh“-Tour?
Mentzel: Na, selbstverständlich. Vier, fünf Lieder singe ich und die Beatles-Songs mit der Gitarre natürlich auch. Außerdem gibt Kalki sein Gesangsdebut. Er singt mit mir zusammen das „Spreewaldgurkenlied“.
Haben Sie sich etwas für die Zukunft vorgenommen?
Mentzel: Die „Gernseh“-Tour auch im Westteil Deutschlands zu machen, das ist was, das mir noch am Herzen liegt. Jetzt, als Rentner mit festem Einkommen den Westen nochmal so richtig aufzureißen, das wär was.