Adrien Brody

Dieser Film hat mein Leben enorm bereichert

Schauspieler Adrien Brody über seine Darstellung des polnischen Komponisten Wladyslaw Szpilman in Roman Polanskis "Der Pianist", über Kriegs- und Action-Filme und seine selbstkomponierte HipHop Musik

Adrien Brody

© Tobis StudioCanal

Mr. Brody, Ihr aktueller Film "Der Pianist" wurde in diesem Jahr in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet. Wie haben Sie Cannes erlebt?
Brody: Das war schon eine sehr aufregende Zeit. Ich wusste ja nicht, was mich dort erwartet. Es war in Cannes auch das erste Mal, dass ich den Film vor Publikum gesehen habe. Ich hatte meine Eltern eingeladen, die Vorführung war genau am Geburtstag meiner Mutter. 2000 Leute, Standing Ovations 15 Minuten lang – es war unglaublich. Und es war wunderbar, dass meine Eltern dabei waren.

Was für ein Verhältnis haben Sie zu Ihren Eltern?
Brody: Ein sehr enges Verhältnis, sie haben mich immer unterstützt. Meine Mutter ist Fotojournalistin, sie fotografiert auch normalerweise in der "American Academy of Dramatic Arts". Sie hatte die Intuition, dass es sich für mich lohnen würde, mit dem Schauspiel anzufangen. Das ist besser als mit den Jungs in der Nachbarschaft irgendwelche Dinger zu drehen, wird sie sich wohl gedacht haben.

Die wahre Geschichte des Pianisten und Komponisten Wladyslaw Szpilman, den Sie im Film darstellen, bewegt sich sehr nah auch an der Biografie des Regisseurs Roman Polanski. Wie hat das die Arbeit am Film beeinflusst?
Brody: Ja, ich hatte natürlich eine große Verantwortung gegenüber Roman bei der Darstellung eines Menschen, der damals ähnliche Dinge erlebt hat wie Roman. Es war sehr wichtig – bei der enormen Zeit, die ich auf der Leinwand zu sehen bin – dass man nicht die Fokussierung auf diese Person und seine Erlebnisse verlässt. Die Produktion hat ein halbes Jahr gedauert, ich war sozusagen ein halbes Jahr in einer "Zone", und um aus dieser nicht herauszukommen, habe ich sehr viel auf mich genommen.

Was war für sie das schwerste bei den Dreharbeiten?
Brody: Es war insgesamt sehr schwer, sechs Tage die Woche am Film zu arbeiten, ohne ein Entrinnen. Sehr schwer war eine Phase zu Beginn, als ich über 15 Kilo abgenommen habe. Wir haben am Anfang der Dreharbeiten ja bereits das Ende des Films gedreht, wo ich im Film langsam einen Bart bekomme und abgemagert bin. Zu der Zeit war ich einfach ausgelaugt, ohne Energie und es war sehr anstrengend, immer bei der Sache und klar im Kopf zu bleiben.

Und nach Drehschluss konnten Sie nicht nach Hause gehen, ohne an den Film und ihre Rolle zu denken?
Brody: Ich denke, es geht vor allem darum, diese Verfassung der Figur nicht aus den Augen zu verlieren, seine Sensibilität und seinen Gemütszustand. Für mich persönlich bedeutete die Arbeit, nach Europa zu kommen, mein Appartement zu Hause und die damit verbunden heimischen Gefühle hinter mir zu lassen. Ich habe persönliche Dinge zurückgelassen, die vielleicht in Konflikt mit der Figur Szpilman gekommen wären, um mich ganz auf die Figur einstellen zu können. Ich habe angefangen moderne Musik zu hören und habe andere persönliche Prioritäten zu Gunsten des Film geändert. Als ich herkam, habe ich auch vier Stunden am Tag Klavierunterricht gehabt, viel mit dem Dialog-Coach gearbeitet. Ich war sicher so diszipliniert, wie nie zuvor.
Wenn man einen Mann spielt, der völlig isoliert ist, dann hat man auch im realen Leben wenig das Bedürfnis, unter Menschen zu sein. Ich bin wenig ausgegangen – hätte ich das gemacht, dann hätte ich den anderen ja beim essen und trinken zugucken müssen. Einmal bin ich dann mit Thomas Kretschmann essen gewesen, er hat gegessen und getrunken und ich habe da gesessen mit einer Flasche Mineralwasser. Ich habe schrecklich ausgesehen, hat er mir später erzählt. Aber um überzeugend so eine Rolle zu spielen, gehören für mich solche Umstände dazu.

Haben Sie mit dem Sohn des Komponisten, Andrzej Szpilman, darüber geredet, wie Sie seinen Vater darstellen würden?
Brody: Nein, ich hatte schon sehr viel Details aus Wladiyslaw Szpilmans Memoiren und sein Sohn kann über die damalige Zeit, die sein Vater durchgemacht hat, nicht viel erzählen, weil sein Vater kaum mit ihm darüber geredet hat.

Was haben Sie in Ihrer Schulzeit über das Dritte Reich und das Warschauer Ghetto erfahren?
Brody: Ich habe sicher ein Grundwissen vermittelt bekommen, dass es dir aber nicht ermöglicht, zu begreifen, was in dieser Zeit wirklich geschehen ist. Dieser Film war für mich in diesem Sinne natürlich besser als jede Geschichtsstunde. Allerdings ist es noch immer schwierig, zu begreifen, welche Verluste die Menschen in dieser Zeit erlitten haben.

Würden Sie als nächstes in einer Komödie spielen können?
Brody: Oh, ich habe in der Tat gerade einen kleinen Part in einer Komödie gehabt, auch ein wenig zur Befreiung. Aber letztendlich tendiere ich zu ernsten, dramatischen Filmen, da bist du als Schauspieler auch meistens mehr gefordert. Nur braucht man hin und wieder eine gewisse Erholung, wie vielleicht eine Komödie.

Sie haben bereits Erfahrungen sammeln können bei Regisseuren wie Spike Lee oder Ken Loach. Ist es deren Art von Filmemachen, die Sie hauptsächlich interessiert?
Brody: Ja, mich interessieren hauptsächlich sozial relevante Filme. Rollen, die mich herausfordern, mit denen mein Verständnis von Film und meine Fähigkeiten gefördert werden, Rollen bei denen ich auch etwas über mich selbst erfahren kann und die mich klar sehen lassen, auch was die Beurteilung anderer Menschen anbelangt. Es ist wunderbar, wenn man solche Rollen findet und sie spielen kann. Das ist ein großartiger Lernprozess, der mir mehr beibringt als alles andere auf der Welt.

Nun gibt es verschiedene Varianten den Krieg und seine Folgen im Film darzustellen. Wie sind Ihre Erfahrungen mit Kriegsfilmen?
Brody: Es gibt ja offensichtlich im Moment eine Tendenz, wieder viele Kriegsfilme zu drehen. Mein erster Kriegsfilm war "Der Schmale Grat" von Terrence Malick. Als wir den gedreht haben, da gab es schon lange keinen Kriegsfilm mehr, bestimmt mehr als zehn Jahre nicht. Zur gleichen Zeit wurde auch "Saving Private Ryan" von Steven Spielberg gedreht, da bestand eine gewisse Konkurrenzsituation, wer zu erst ins Kino kommen würde. Letztlich hat dann der Erfolg von "Saving Private Ryan" das neue Interesse an Kriegsfilmen entfacht.
Ich habe dann in einem weiteren Film mitgespielt, in dem es um Krieg ging, das war "Harrison’s Flowers", wo ich einen Kriegsfotografen in Bosnien gespielt habe. Dieser Film hat den Krieg in der Region sehr genau dargestellt hat, wie ich finde.
Zu "Der Pianist" will ich sagen, dass der Film keine Geschichtsstunde ist, das will er auch gar nicht sein. Es ist auch kein Kriegsfilm im konventionellen Sinn, wie ich finde.

Aber er zeigt mit großer Ausdauer die Konsequenzen von Krieg, wie viel Leid der Krieg für viele Menschen bedeutet hat. Allerdings muss er dafür nicht mit vielen Spezialeffekten trumpfen …
Brody: … oder mit großen Schlachten und ehrenvollen Soldaten. Klar, das kommt immer auf den Film an. Ich habe eigentlich auch nichts gegen Action-Filme, aber es ist eben sehr schwierig, einen Film wie "Der Pianist" zu machen, wo die Menschen dich berühren und der die Folgen des Kriegs zeigt, indem er nur einen einzelnen Menschen durch diese schmerzhafte Zeit verfolgt. Diese Schmerzen will der Film dem Zuschauer vermitteln, der Regisseur trägt auch dafür Verantwortung, für diese Botschaft. Aber manche Regisseure wiederum sehen diese Verantwortung nicht unbedingt, sondern haben lieber ihren Spaß mit viel Action. Ich meine, ehrlich gesagt, es macht Spaß einen Typen zu spielen, der wild und verrückt ist und alle Gegner niederschießt, wie Rambo eben.

Was ist denn daran so toll?
Brody: Du bist unbesiegbar, du bist übermenschlich, das ist doch aufregend. Aber klar, in solchen Filmen wird nichts realistisch reflektiert, der Schmerz und das Leid durch Tod oder Verletzung. Das macht die Leute irgendwie immun, weil man so viel Gewalt sieht, dass das Zusehen beim Töten von Menschen nichts mehr bei einem auslöst.

Aber wären Sie jetzt der Typ, der auch mal in eine solche Rolle schlüpfen wird?
Brody: Das kommt darauf an, ich bin aber eigentlich nicht so ein Typ von Schauspieler. Ich denke nicht, dass man mir irgendwann mal so eine Rambo-Rolle anbieten wird. Ich bin aber generell sehr offen für die verschiedensten Projekte. Man kann ja auch mal einen Film machen, der einfach nur ein bisschen mehr Entertainment ist.

Wie ist Roman Polanski mit Ihnen umgegangen, hat er Ihnen viel über seine eigene Kindheit erzählt?
Brody: Roman hat mir viele Details aus der damaligen Zeit geschildert, die wichtig waren für die Darstellung von Szpilman, Details die genau so in Szpilmans Geschichte passten. Er hat dem Film wahnsinnig viel von der Realität gegeben, die er selbst erlebt hat. Es gibt ja sehr viele Parallelen zwischen den beiden und Polanski war mir gegenüber immer sehr zuvorkommend mit seinen Informationen.

Haben Sie vor "Der Pianist" schon ein Instrument gespielt?
Brody: Ja, Klavier. Ich habe allerdings keine klassische Klavierausbildung gemacht und im Notenlesen bin ich noch ziemlich schlecht. Jetzt für den Film habe ich ein wenig Chopin nach meinem Gehör und Gedächtnis gelernt, das war natürlich sehr schwierig.
Ich komponiere auch selbst Musik, im Moment am Keyboard, mit Schnittstelle zu einem Computer. Sprich, ich kann mit ganz verschiedenen Sounds arbeiten, ich muss also keine Musiker beschäftigen. Im Moment suche ich allerdings noch den richtigen Sänger, der auf meine Musik rappt.

In welche musikalische Richtung geht das?
Brody: Es ähnelt dem HipHop, von der Struktur her. Ich bin selbst mit viel HipHop aufgewachsen. Ich benutze diese dumpfen Beats, die sich immer wiederholen, dazu ist dann bei mir die Melodielinie ausgeprägter als sonst beim HipHop. Da gibt es dann vielleicht wieder eine Ähnlichkeit zu Massive Attack, allerdings ein bisschen härter und schneller.

Vor allem die Musik steht im Mittelpunkt von "Der Pianist". Was bedeutet Musik Ihnen persönlich?
Brody: Musik ist eine sehr kraftvolle, universelle Sprache. Du kannst über Musik so viel kommunizieren, so viele Emotionen, ohne reden zu müssen.

Sie sind mit diesem Film schon sehr viel unterwegs gewesen. Wie hat man den Film und wie hat man Sie in Polen aufgenommen?
Brody: Der Film hat bei den Menschen in Polen einen sehr tiefen Eindruck hinterlassen, die haben ihn sehr ernst genommen, vor allem natürlich die Menschen, die damals ähnliche Schicksale erlebt haben. Und die Leute haben einen enormen Respekt vor Roman Polanski. Sie lieben ihn und sind stolz, dass er zu ihnen nach Polen gekommen ist. Er hat Polen ja auch viele Dinge im Filmgeschäft ermöglicht.
Die Premiere seines Films in Polen hat Roman sicherlich sehr viel bedeutet. Für mich war es auch sehr schön, Monate nach den Dreharbeiten wieder in Warschau zu sein. Denn vorher bin ich nach Drehende ja sozusagen geflüchtet, weil die Arbeit verdammt hart und irgendwie traurig war. Deshalb freute ich mich auch erst gar nicht, wieder nach Warschau zu kommen, denn alles war vorher so trostlos, kalt. Aber als wir schließlich wieder zur Premiere in Polen waren, hatten wir dort eine wunderbare Zeit. Ich konnte wieder ausgehen, Wodka trinken, Spaß haben. Ich habe mit dem Film einen langen Weg zurück gelegt. Jetzt ist der Weg hinter mir und der Druck hat nachgelassen. Ich reise jetzt gerne mit dem Film um die Welt. Denn es ist ein sehr wichtiger Film, der mein Leben enorm bereichert und mich am Ende sehr glücklich gemacht hat.

Wenn das Leben ein Comic ist, welche Comic-Figur würden Sie sein?
Brody: Oh, das kann ich nicht beantworten. Ich kann mich nicht über eine Comic-Figur definieren, ich wüsste auch nicht, wie ich mich selbst beschreiben sollte. Ich weiß nur, dass ich mich immer wieder verändere, sprich wenn es eine Comic-Figur gibt, die die Fähigkeiten eines Chamäleon besitzt, die wäre ich.

13 Kommentare zu “Dieser Film hat mein Leben enorm bereichert”

  1. Anita Viktoria Mrohs |

    Von mir gab es Standing Ovations!“ Wenn einer den „Oscar „verdient, dann ist es Adrien Brody . Großartigiges Skript, und von dem ,,brillanten Mr.Brody“ genial umgesetzt. Das ganze war ein MASTERPIECE. Seine Schauspielerische Leistung war 1A!“Sehr Autentisch und Echt gespielt.Mehr geht nicht. Thank you so much for the Movie, wonderful Adrien Brody ❤❤❤ Good Luck for the Future fantastic Man.

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  2. Adrien Brody |

    1. Klasse

    Ich finde den film sehr gelungen… alles!!!
    Sehr detailliert…

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  3. D |

    Der Film ist so geil wie Brody selbst

    Um ehrlich zu sein, sass ich während den ganzen Film steif da…
    Harte Szenen, perfekte Dreharbeit,…und viel brodylicious
    Nicht vergessen: man kann viel davon lernen: Rassismus, Herz, Charakter…

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  4. Fof |

    Einfach großartig

    Großartiger Film! Großartige Regiearbeit! Großartige Schauspiel von Brody und Kretschmann!
    Frage mich ob die persönlichen Erlebnisse Polanskis die Drehortwahl beeinflußt haben. Hat jemand Info?

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  5. öhm der osterhase |

    ölöl

    der pianist hat keine finger mehr

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  6. Sanni |

    Kann meinen Vorgängern nur zustimmen.
    Sehr beeindruckender aber auch trauriger Film. Muss man auf alle Fälle gesehen haben!

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  7. Elena |

    Der beste Schauspieler

    Ich finde „Der Pianist“ einen total guten Film. Er ist zwar wirklich krass, aber trotzdem. Ich könnte mir keinen besseren Schauspieler in dieser Rolle vorstellen!! Auch in „Love the hard way“ spielt er total super! Mein absoluter lieblings Schauspieler!!

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  8. Anonymous |

    Der Pianist ist ein toller Film, nicht so wie die anderen Hollywoodfilme, die leicht zu verdauuen sind. Adrien Brody war die perfekte Besetzung.

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  9. eli |

    Ich fand das Interview sehr interssant & lehrreich!!! Ich persönlich bin der Meinung das der Film & das Buch zu dem Film sehr toll und faszinierend es hat sehr viel in mir Bewegt!!
    Grüße an alle eli POLSKA

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  10. Vicky |

    Gute Sache!

    Meiner Meinung nach ist dieses Interview echt gut gelungen.Vielleicht könnt ihr es mir zuschicken?! V.Brueggemann.gmx.net Ich danke euch schon mal im Voraus.

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  11. Anonymous |

    Wie recht ihr habt.

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  12. rosane |

    Respekt!!

    Adrien Brody, is Great!! atraktive, elegant, sexy…

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  13. lirumlarum |

    Adrien Brody ist ein großartiger Schauspieler, ein interessanter sympathischer Mensch und ein wunderschöner Mann.

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