Frau Lara, in Ihrem neuen Film spielen Sie eine Frau, die in eine sehr patriarchalisch organisierte Familie einheiratet und kurz darauf von ihrem Mann betrogen wird. Widerstrebt es Ihnen als moderne Frau nicht, solche Charaktere zu spielen?
Das würde mir als Lebensmodell widerstreben, als Rolle ist das für mich hingegen sehr interessant. Ich fand es spannend, wie meine Figur Simone durch die Heirat plötzlich mit einer Realität konfrontiert wird, die sie nicht erwartet hat. Man merkt ja bereits am Anfang des Films, dass sie ihren Platz in der Familie nicht findet und deshalb eine Freundschaft zu einem anderen Außenseiter aus dem Familienverbund aufbaut. Dadurch blüht sie plötzlich auf und entdeckt auch ihre Leichtigkeit wieder. Dieser leise ausgetragene Kampf zwischen schüchterner Unbekümmertheit und dem Gefangensein in familiären Strukturen, das war für mich spannend.
Die angesprochene Freundschaft bauen Sie mit Konrad auf, gespielt von Gérard Depardieu. Sie kannten sich bereits von den Dreharbeiten zum TV-Vierteiler „Napoléon“ aus dem Jahr 2002. Wie war es dieses Mal?
Es ist natürlich ein Traum, mit einem Schauspieler wie ihm zusammenarbeiten zu dürfen. Im Gegensatz zu „Napoléon“ haben wir in „Small World“ sehr viele gemeinsame Szenen, darauf habe ich mich wahnsinnig gefreut. Bei „Napoléon“ hatte ich damals nur eine kleine Rolle und bin ihm daher nur kurz begegnet. Insofern haben wir uns bei diesen Dreharbeiten noch einmal anders und besser kennengelernt.
Wie würden Sie Gérard Depardieu beschreiben?
Er ist ein sehr charmanter, großzügiger Mann mit einer unglaublich starken Aura. Ein absoluter Freigeist. Umso wichtiger ist es aber, sich neben ihm zu behaupten und seinen Platz zu finden. Er ist ganz sicher einer der beeindruckendsten Schauspieler, mit dem ich je zusammengearbeitet habe.
Ist es Ihnen dennoch gelungen, eine persönliche Beziehung zu ihm aufzubauen?
Ich habe während der Dreharbeiten eine eher ungewöhnliche Beziehung zu ihm aufgebaut, das trifft es wohl besser. Denn privat haben wir eigentlich nicht so sehr den Kontakt zum Anderen gesucht. Bei den Szenen selbst war jedoch eine besondere Nähe zwischen uns vorhanden. Es gibt zum Beispiel eine Szene, in der Konrad nur mit einem Mantel bekleidet stundenlang im Schnee gelegen hat, bis Simone ihn beim Joggen zufällig findet. Als ich für diese Szene seine Hand genommen und in seine traurigen Augen gesehen habe, gab es ein Gefühl von großer Vertrautheit zwischen uns. Das kann man mit Worten gar nicht beschreiben.
Wie war es denn als einzige Deutsche am Set? Ist die Nationalität bei einer solchen Produktion in irgendeiner Form relevant?
Die ganze Crew war sehr nett zu mir und hat mich wahnsinnig freundlich aufgenommen. Dennoch habe ich mich als einzige deutsche Schauspielerin unter lauter Franzosen auch manchmal fremd gefühlt. Das war zum Hineinfinden in meine Rolle aber eigentlich sehr gut.
„Small World“ ist ein französischer Film und wurde auf französisch gedreht. Sie waren auf einem französischen Gymnasium, sind mit dem englischen Schauspieler Sam Riley verheiratet und haben bereits Filme in den verschiedensten Sprachen gedreht. Ist dieses Drehen in anderen Sprachen bei Ihnen bereits in Fleisch und Blut übergegangen?
Es macht für mich immer noch einen großen Unterschied, ob ich einen Film auf deutsch oder in einer anderen Sprache drehe. Im Deutschen bin ich nun mal zuhause. Klar, mein Englisch hat sich durch Sam sehr verbessert, sodass ich bei englischsprachigen Filmen bestimmt mit mehr Sicherheit ans Set gehe. Zum Französischen hatte ich vor Drehbeginn von „Small World“ bereits eine kleine Distanz aufgebaut – aber genau darin lag für mich die große Herausforderung: Als junge deutsche Schauspielerin auch sprachlich neben einem so starken Schauspieler wie Gèrard Depardieu zu bestehen.
Sie sind in Bukarest geboren. Ihr Vater war in Rumänien ebenfalls Schauspieler und hat einmal gesagt, dass er in einer anderen Sprache nicht spielen möchte, weil er sein früheres Niveau in einer anderen Sprache nicht halten könnte. Abgesehen davon, dass Ihr Vater seitdem doch in anderen Sprachen gespielt hat – ist das eine Angst, die Sie auch haben, wenn Sie, wie jetzt, auf französisch spielen?
Aufgrund meiner guten Erfahrungen mit englischsprachigen Filmen hatte ich diese Angst zu Beginn eigentlich nicht. Doch als ich Bruno Chiche, den Regisseur von „Small World“, zum ersten Mal getroffen habe, hat der mich sofort gefragt, ob sich meine Konzentration auf die französische Sprache eventuell auf mein Spiel auswirken könnte. Und nachdem er mir diesen Floh ins Ohr gesetzt hatte, habe ich mich plötzlich auch damit beschäftigt. Merkt man das? Funktioniert das? Fühlt sich das komisch an? Aber bereits nach den ersten Drehtagen hat sich das ganz schnell in Wohlgefallen aufgelöst.
Ein Blick auf Ihre Filmografie, so sie denn vollständig ist, besagt, dass Sie mittlerweile in 41 Filmen mitgespielt haben – Fernsehfilme inklusive. Hat diese immense Zahl eine Bedeutung für Sie?
Das empfinde ich selbst als unglaublich, verschwindet aber natürlich aus dem täglichen Bewusstsein. Ich denke manchmal, ich müsste mir häufiger klar machen, was für fantastische Momente mir all diese Filme beschert haben. Ich durfte für „Jugend ohne Jugend“ zum Beispiel mit dem großen Francis Ford Coppola arbeiten. Und selbst, wenn der Film vom breiten Publikum seinerzeit nicht verstanden wurde, so war es für mich doch eine unglaubliche Erfahrung, von der ich auch heute noch überwältigt bin.
Welches sind denn für Sie die ausschlaggebenden Kriterien, um sich für oder gegen ein Filmprojekt zu entscheiden?
Erstmal ist es überhaupt schon ein großes Privileg, sich aussuchen zu können, welche Filme man machen will und welche nicht. Für mich ist dabei stets am wichtigsten, dass ich an das glaube, was ich mache. Dass ich das Gefühl habe, dass ich mir das auch ansehen wollen würde. Dass es etwas ist, was mich berührt, womit ich etwas anfangen kann. Eine Garantie für einen erfolgreichen Film ist das aber noch lange nicht.
Depardieu hat eine starke Aura.
Als Sie als 16-jährige in der Fernseh-Serie „Mensch, Pia!“ mitgespielt haben, wurden Sie von Ihren Mitschülern ausgegrenzt und haben sich nichts sehnlicher gewünscht, als nicht mehr angegriffen zu werden. Als Schauspielerin wird man jedoch ständig kritisiert und angegriffen. Haben Sie es heute geschafft, einen entsprechenden Schutzwall um sich zu errichten?
Leider gelingt mir das nur manchmal, aber das ist wahrscheinlich auch ganz normal. Natürlich ist mir klar, dass manche Leute gut finden, was man macht, und andere Leute eben nicht. Geschmäcker sind nun mal verschieden.
So etwas nimmt Sie also immer noch mit?
Ja, das kann schon vorkommen. Zum Beispiel, wenn man merkt, dass jemand mit einer Gehässigkeit zu Werke geht, die den normalen Rahmen einer Kritik sprengt. Das finde ich häufig unangebracht und frage mich dann, was das soll.
Können Sie sich denn noch an ein persönlich verletzendes Beispiel der letzten Zeit erinnern?
Nicht wirklich verletzend, aber Mitte des Jahres hat irgendein gewitzter Journalist mich im Zuge der Verfilmung des Comic-Klassikers „Vertraute Fremde“ nicht als rehäugig, sondern kuhäugig beschrieben – als kuhäugige Kittelschürzenschönheit. Als ich das gelesen habe, war ich einen kurzen Moment perplex und habe mich gefragt, wie jemand so etwas über mich schreiben kann. Ich habe das dann meinem Mann vorgelesen, der darüber laut gelacht hat und es bemerkenswert fand, dass sich jemand im Zusammenhang mit meinen Augen mal ein anderes Tier überlegt hat als das berühmt-berüchtigte Reh. Und als er das so gesagt hat, konnte ich dann auch darüber lachen.
Jetzt würde mich aber schon mal interessieren, wie man „kuhäugige Kittelschürze“ ins Englische übersetzt. Cow-eyed…
…apron. Das ist das Wort für Kittelschürze. Aber ich wusste das vorher auch nicht (lacht).
In Ihren Filmen haben Sie sehr unterschiedliche Rollen gespielt. Sie scheinen also nicht auf einen bestimmten Typ festgelegt zu sein. Gibt es denn eine Figur, die Sie gerne noch mal spielen würden?
Keine, die ich konkret benennen kann. Aber natürlich ist es für einen Schauspieler immer interessant, Rollen angeboten zu bekommen, die nicht so nah an einem dran sind. Starke Figuren, die in Erinnerung bleiben. Aber solche Rollen sind wirklich rar gesät. Sie sind ein Geschenk.
Michael Douglas hat in den 90er Jahren einmal gesagt, dass er nicht wisse, ob er überhaupt noch mal einen Film machen will, weil ihn damals keine Rolle mehr gereizt hat. Bemerken Sie an sich selbst auch manchmal so einen Sättigungseffekt?
Nein. Ich habe in den letzten Jahren jedoch erkannt, wie wichtig es ist, genügend Zeit für sein Privatleben zu haben. Diese Zeit versuche ich mir zu bewahren. Das ist wichtig, denn wenn man nicht darauf achtet, wird man ganz schnell von allem überrollt – und das möchte ich gerne vermeiden. Deshalb habe ich in den letzten Jahren auch etwas weniger gedreht, weil ich mich nach einer sehr arbeitsintensiven Zeit ein bisschen ausgepowert gefühlt habe. Irgendwann ist mir klar geworden, dass man auch mal wieder ankommen muss, um bestimmte Dinge wirklich wahrzunehmen.
Beinhaltet diese Erkenntnis auch ein vorstellbares Szenario einer befristeten Komplett-Auszeit für ganz kleine private Dinge?
(grinst) Ja, durchaus. Und es kann gut sein, dass man erst dann wirklich zu schätzen weiß, was man an seinem Job eigentlich hat.
Nach dieser dezenten Familienplanungsfrage würde ich gerne noch mal auf Ihren Vater zu sprechen kommen. Mit ihm zusammen haben Sie vor kurzem ein Buch über die Geschichte Ihrer Familie unter dem Ceausescus-Regime geschrieben. Haben Sie Ihre eigene Geschichte durch die Erinnerungen Ihres Vaters noch mal neu entdeckt?
Ja, klar. Das war für mich wie eine Reise. Natürlich gibt es auch Geschichten in diesem Buch, die ich schon häufig gehört habe, aber andere waren mir noch unbekannt und haben mich sehr berührt. Ich finde es sowieso verrückt, wie die Erinnerung an die eigene Kindheit mit dem Älterwerden noch mal einen vollkommen anderen Stellenwert bekommt. Insofern stelle ich mir heute deutlich mehr Fragen über meine Vergangenheit als noch vor fünf Jahren.
Konnten Sie mit dem Buch denn viele Fragen auflösen oder sind eher neue hinzugekommen?
Eine sehr gute Frage. Sowohl als auch, würde ich sagen. Es hat vor allem bewirkt, dass ich noch mal eine andere Sicht auf die damaligen Geschehnisse bekommen habe und die Entschlossenheit meiner Eltern heute noch mehr zu schätzen weiß.
Das klingt so, als ob Sie früher vor allem im Hier und Jetzt gelebt haben. Sind Sie ein Kind dieser Zeit?
Absolut. Obwohl ich auch ein paar altmodische Seiten an mir habe, die wahrscheinlich mit meinen Eltern zu tun haben. Ich bin zum Beispiel sehr pünktlich.
Inwiefern sind Ihre Eltern denn sonst noch altmodisch?
Ein Beispiel: Ich weiß noch, wie mein Vater mich eines Tages von der Vorschule abgeholt und meiner Vorschullehrerin die Hand geküsst hat. Damals bin ich im Erdboden versunken. Aber heute, mit selbstbewussten 32 Jahren, finde ich das toll und sehr galant. Jetzt schäme ich mich fast ein wenig dafür, dass mir die Geste meines Vater damals peinlich war.