Alexandra Maria Lara

Mit dem Alter wird man besser.

In der kammerspielartigen Serie „8 Zeugen“ setzt sich Alexandra Maria Lara als Hirnforscherin mit einem Entführungsfall und den trügerischen Erinnerungen von Zeugen auseinander (zu sehen auf TVNOW). Im Interview spricht die 42-jährige Schauspielerin über ihr eigenes Erinnerungsvermögen und den Wunsch, selbst Regie zu führen.

Alexandra Maria Lara

© TVNOW / Hardy Brackmann

Frau Lara, welches sind für Sie die ausschlaggebenden Kriterien, um sich für oder gegen ein Filmprojekt zu entscheiden?
Es geht mir immer darum, was die Geschichte und Rolle beim Lesen des Drehbuchs mit mir macht. Wenn mich beides begeistert, ist das Format für mich tatsächlich nicht so wichtig.

Wie war das bei „8 Zeugen“?
Das Grundthema Erinnerung ist sehr spannend und ich finde es großartig, dass eine so starke und facettenreiche Frauenfigur im Zentrum der Handlung steht. Auch auf diese langen, intensiven und kammerspielartigen Dialogszenen hatte ich große Lust.

Kann man beim Lesen eines Drehbuch eine Geschichte und eine Figur denn tatsächlich schon greifen?
Ich habe beim ersten Lesen immer schon Bilder vor Augen – vielleicht spielt da auch meine langjährige Erfahrung mit rein. Ich bekomme ein Gefühl dafür, auch wenn sich diese Bilder am Ende nie mit denen des fertigen Films decken.

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Sobald ich einen Text nicht mehr brauche, löscht mein Gedächtnis den Speicher.

Alexandra Maria Lara

Müssen Sie für bestimmte Rollen eigentlich noch zu Castings?
Ja, das kommt vor. Natürlich freut man sich als Schauspieler immer, wenn die Verantwortlichen sich im Vorfeld bereits sicher sind, dass sie einen besetzen wollen. Andererseits habe ich großes Verständnis dafür, wenn Regisseure sich erstmal ein Bild von einem in der Rolle machen wollen – oder sich verschiedene Schauspielerkonstellationen ansehen möchten.
Vorletztes Jahr war ich für den Kinofilm „Töchter“ zum Casting eingeladen. Und als es mit der Rolle geklappt hat, war ich durchaus ein wenig stolz, auch weil ich mich gegen mehrere starke, tolle Schauspielerinnen durchsetzen konnte.

Die Schauspielerin Johanna Wokalek hat in einem Interview mal gesagt, dass man sich mit jeder Rolle selbst verändert. Erleben Sie das auch so?
Verändern finde ich ein zu starkes Wort. Aber ich würde ihr insofern zustimmen, als dass man durch jede Rolle etwas Neues über sich lernt und mitnimmt.

Was war das konkret bei „8 Zeugen“?
Die größte Herausforderung für mich war, dieses wahnsinnige Textpensum zu bewältigen. Wenn wir nach zwölf Stunden mit Drehen fertig waren, musste ich im Anschluss noch die Texte für den nächsten Tag vorbereiten. Morgens bin ich immer schon um vier Uhr aufgestanden, um sicherzugehen, dass ich die Texte auch parat habe. Ich habe in der Zeit wahnsinnig wenig geschlafen. Aber: Ich hab’s geschafft. Ich habe also gelernt: Ich kann das! (lacht)

Ist die ständige Auswendiglernerei das Nervigste am Schauspielberuf?
Überhaupt nicht. Ich liebe es, Texte auswendig zu lernen und damit zu arbeiten. In der Regel sind das ja auch keine 14-minütigen Dialoge wie bei „8 Zeugen“. Aber einmal in dieser Intensität mit Text arbeiten zu können, hat mich sehr gereizt. Das war etwas Besonderes.

Szene aus „8 Zeugen“ Milena Tscharntke li. © TVNOW / Hardy Brackmann

Michael Douglas hat in den Neunzigerjahren mal gesagt, dass er nicht wisse, ob er überhaupt noch mal einen Film machen will, weil ihn damals keine Rolle mehr gereizt hat. Bemerken Sie an sich selbst manchmal auch so einen Sättigungseffekt?
Es gab bestimmt mal Phasen, in denen sich unbewusst ein gewisser Automatismus eingeschlichen hat. Aber seit einigen Jahren habe ich das Gefühl, noch mal neu mit meinem Beruf in Verbindung gekommen zu sein, auch weil sich mein Leben so geändert hat.
Das hat auch mit der Geburt meines Sohnes und meinem Mutterdasein zu tun. Da verschieben sich die Aufgaben und die Verantwortung. In dieser Zeit habe ich auch ein anderes Gefühl für mich und auch für mein Spiel vor der Kamera bekommen.

Wie meinen Sie das?
Als junge Schauspielerin holt man beim Spielen noch vieles aus seiner Vorstellungskraft. Aber je älter man wird, desto mehr profitiert man von seinem eigenen Erfahrungsschatz. Deswegen wird man mit dem Alter immer besser. Glaube ich zumindest. (lacht)

Im Zentrum von „8 Zeugen“ steht das Thema Erinnerung. Abgesehen davon, dass Sie von Berufswegen viel auswendig lernen müssen: Haben Sie auch sonst ein gutes Erinnerungsvermögen?
Es kommt drauf an. In meinem Beruf habe ich in den letzten 25 Jahren schon sehr viele Texte auswendig gelernt. Aber sobald ich einen Text nicht mehr brauche, löscht mein Gedächtnis den Speicher sofort, offenbar weil es den Platz für Neues benötigt. Ich habe aber ein sehr gutes Gedächtnis in Bezug auf emotionale Dinge. Gerade, wenn es mal Streit gab, erinnere ich mich minutiös an einzelne Wortlaute – wie ein Elefant. Sehr zum Unmut meines Mannes. (lacht)

Haben Sie Ihre eigenen Erinnerungen nach dem Dreh anders bewertet?
Ja, das ging uns am Set allen so. Wir alle haben ja Erinnerungen und eine Geschichte, und wir alle haben uns gefragt, wie präzise die eigenen Erinnerungen denn am Ende wirklich sind. Ich merke ja selbst, wie sich Erinnerungen im Laufe der Zeit manchmal verändern – das habe ich vor allem in Bezug auf die Fluchtgeschichte meiner Familie bemerkt. Wir sind 1983 vor dem Ceaușescu-Regime aus Bukarest nach Berlin geflohen. Und je älter ich werde, desto mehr frage ich mich, was meine realen Erinnerungen sind, und welche Erinnerungen doch eher aus Erzählungen stammen.

Sie haben kürzlich im Netz bekannt gemacht, dass Sie einen Film drehen, bei dem Ihr Mann, der Schauspieler Sam Riley, Regie führt. Worum geht es?
Es gibt sowohl bei mir als auch bei meinem Mann den Wunsch, irgendwann mal den Schritt hinter die Kamera zu wagen. Er hat in den letzten Jahren viel geschrieben und meinte eines Tages zu mir: „So – morgen Abend drehen wir zusammen!“ Es handelt sich um einen Kurzfilm, für den uns nur noch ein Drehtag fehlt. Die ersten Aufnahmen habe ich bereits gesehen, die sind wirklich gut geworden – wobei er lediglich mit dem iPhone gedreht hat. Ich kann aber jetzt schon sagen: Sam ist ein toller Regisseur. Er geht toll mit seinen Schauspielern um, ist geduldig, wird nicht laut, kriegt keine cholerischen Anfälle – ich war sehr begeistert. (grinst)

Wie steht es denn um Ihre Regieambitionen?
Ich weiß lediglich, dass ich gerne etwas erzählen würde, das auch mit mir zu tun hat; eine Geschichte mit persönlichem Hintergrund. Das scheint aber eine längere Auseinandersetzung mit mir selbst zu erfordern – länger, als ich gedacht hätte. Aber ich vertraue darauf, dass das richtige Thema irgendwann zu mir kommen wird.

© TVNOW

Was braucht ein guter Regisseur bzw. eine gute Regisseurin?
Eine Liebe zu den Akteuren. Letztens habe ich ein Youtube-Video gesehen, in dem ein Schauspielcoach gesagt hat: „Als Regisseur ist es wichtig, dass man nach jedem Take erst einmal danke sagt“ – und das sehe ich auch so. Denn selbst, wenn man sich vom Schauspieler noch was anderes wünscht, habe ich in den vergangenen 25 Jahren die Erfahrung gemacht, dass Motivation der bessere Schlüssel zum Erfolg ist, als Druck aufzubauen. Ein Schauspieler muss ja aufmachen und das Gefühl haben, einen sicheren Raum zu haben. Die größte Gabe eines Regisseurs ist es daher, wenn er in der Lage ist, für seine Schauspieler einen solchen Raum zu kreieren.

Sie haben bereits mit Regisseuren gearbeitet, die ursprünglich Schauspieler waren. Haben Sie den Unterschied direkt gemerkt?
Ja. Da gab es immer auch ein Grundverständnis für die Befindlichkeiten und Unsicherheiten eines Schauspielers. Was außerdem toll ist: Dass diese Regisseure einem nicht nur Regieanweisungen geben, sondern einem manchmal auch etwas vorspielen. Einige Kollegen mag es eher irritieren, aber ich liebe es, wenn ein Regisseur in der Lage ist, etwas vorspielen zu können.

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