Alfred Biolek

Ich blicke auf ein wunderbares Leben zurück.

Fernsehlegende Alfred Biolek über seine unbeschwerte Kindheit während des Krieges, die zunehmende Verflachung der Medien, sein Verhältnis zu Rudi Carell, den Tod und woran man bei „alfredissimo!“ erkennen konnte, wenn ein Gericht nicht ganz so gelungen war

Alfred Biolek

© WDR/Fußwinkel

Herr Biolek, gleich zu Beginn würde mich einmal interessieren, wie Sie sich in dieser Interview-Situation fühlen. Jahrelang waren Sie schließlich derjenige, der anderen Menschen in diversen Talkshows – allen voran in „Boulevard Bio“ – Fragen gestellt hat.
Biolek: Ja, ich lege allerdings Wert darauf, dass ich in all meinen Sendungen nie Interviews, sondern immer Gespräche geführt habe. Das ist ein großer Unterschied. Ich werde in der Regel interviewt – man stellt mir eine Frage, ich antworte, es kommt die nächste Frage. In meinen Sendungen habe ich hingegen immer Gespräche geführt und das bedeutet, dass man viel stärker auf das eingeht, was der Gast sagt, dass man sich auch selbst viel stärker einbringt, was ein Interviewer in der Regel nicht tut. Insofern fühle ich mich jetzt nicht in derselben Situation auf der anderen Seite, sondern in einer anderen Situation. Ich muss jedoch leider sagen, dass die meisten Interviews nicht sehr gut sind. Ich bin vom Stand der Journalisten schwer enttäuscht und freue mich, wenn ich einmal ein gutes Interview geben kann, wenn ich gute Fragen gestellt bekomme und merke, dass der Interviewer gut vorbereitet ist und Bescheid weiß. Das passiert leider sehr selten.

Ich werde mir Mühe geben. Sie sagen von sich selbst, dass Sie „offen, aber nicht öffentlich“ leben und damit eine Gegenpositionen zu den Prinzipien unserer Mediengesellschaft einnehmen. Ist unsere Gesellschaft zu voyeuristisch?
Biolek: Ja, und das finde ich ganz furchtbar. Schon seit einiger Zeit ist das Private nur noch ein sehr rares Element in unserer Gesellschaft, die Medien – das Fernsehen, die Presse und ganz schlimm das Internet – stürzen sich auf alles und respektieren Privat- und Intimsphäre so gut wie überhaupt nicht mehr. Das ist eine Entwicklung, die ich schrecklich finde.

In dem Gedicht „Stufen“ von Hermann Hesse, das Sie Ihrer Biographie vorangestellt haben, heißt es: „Wie jede Blüte welkt und jede Jugend / dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe, / blüht jede Weisheit auch und jede Tugend / zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.“ Am 10. Juli feiern Sie nun Ihren 75. Geburtstag. Können Sie sagen, was das Schönste an Ihrer momentanen Lebensstufe ist?
Biolek: Das Schönste ist, dass ich gesund bin und auf ein wunderbares Leben zurückblicken kann. Ich bin eigentlich ein Mensch, der überwiegend nach vorne schaut, aber ein bisschen gucke ich schon auf das zurück, was ich gemacht habe und was in meinem Leben passiert ist. Und es ist einfach ein wunderbares Gefühl, wenn das, was ich im Rückblick sehe, sehr positiv ist. Ich war stets gesund und bin es immer noch, was in meinem Alter natürlich ganz phantastisch ist. Das ist eine Sache, worüber ich mich freue und wofür ich auch sehr dankbar bin – wenngleich ich immer nicht so genau weiß, wem ich dafür eigentlich dankbar sein muss.

Kennen Sie – zwei Jahre nach Ihrem Fernsehabschied – Langeweile?
Biolek: Nein, ich habe immer noch einen vollen Terminkalender und es ist auch ein ganz wichtiger Punkt in meinem Leben, dass keine Langeweile aufkommt – dass ich nicht rumsitze und nur noch Bücher lese, Musik höre und alleine bin, sondern dass ich viel mit anderen Menschen zu tun habe und dass viel passiert. Das ist mir wichtig. Ich habe viele Einladungen, stand bis vor kurzem in Köln im Monty Phython-Musical „Spamalot“ auf der Bühne, werde demnächst eine andere Show in Berlin präsentieren, kümmere mich um meine Stiftung. Ich bin es ja auch gewohnt, immer unter anderen Leuten zu sein. Ich habe mein ganzes Leben im Team und in der Kommunikation gelebt – würde ich das von einem Tag auf den anderen verlieren, würde ich wahrscheinlich wahnsinnig werden (lacht).

Viele Menschen sagen über sich, dass sie mit zunehmendem Alter gelassener werden und Dinge entspannter angehen. Geht es Ihnen genauso?
Biolek: Durchaus, obgleich ich sagen muss, dass ich schon immer eine gewisse Gelassenheit hatte. Deswegen ist der Unterschied zwischen früher und heute bei mir nicht so groß. Es ist ja so: wenn Menschen älter werden, werden die einen frustrierter und unzugänglicher, sie werden krank und meckern; die anderen hingegen werden gelassener. Und da muss ich sagen, werde ich in jedem Fall gelassener. Nur der Unterschied zu meiner Gelassenheit früher ist nicht ganz so groß, da ich mich schon immer sehr entspannt und gelassen gefühlt habe.

Gibt es dennoch etwas, wovor Sie Angst haben?
Biolek: Angst habe ich überhaupt keine. Ich bedauere nur eben, dass sich die Gesellschaft so entwickelt hat, wie ich es eingangs schon sagte. Dass der Kommerz eine so starke Rolle spielt und die Verflachung immer stärker zunimmt – gerade in den Medien. Das Fernsehen ist inzwischen eine einzige Katastrophe.

Sehen Sie sich denn hin und wieder noch etwas an?
Biolek: Nein, ich sehe nicht mehr fern und würde heute auch, wenn ich jung wäre, nicht mehr zum Fernsehen gehen. Mit diesem Medium wollte ich nichts mehr zu tun haben wollen. Das ist natürlich eine Entwicklung, die ich sehr bedauere, zumal die Verflachung ja nicht nur in den Medien stattfindet, sondern beispielsweise auch beim Essen. Ein gewisser Teil der Gesellschaft isst immer noch sehr bewusst, kocht gut und geht in den Bio-Supermarkt, aber der Großteil isst nun mal Fast-Food oder taut sich zum Mittagessen irgendeine Tiefkühlpizza auf. Ich würde schon sagen, dass sich die Verflachung und Kommerzialisierung bei den Medien und beim Essen sehr parallel entwickelt haben. Ich finde zum Beispiel diese ganzen Reality-Formate ganz furchtbar. Es gibt natürlich im Fernsehen immer noch auch gute Sachen – auf Arte, 3sat, ARD und ZDF, allerdings oftmals erst spät in der Nacht. Aber über den Großteil des Programms kann ich wirklich nur den Kopf schütteln.

In der zweiten Strophe des bereits erwähnten Hesse-Gedichts gibt es die Zeilen „Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten, / an keinem wie an einer Heimat hängen“ und beim Lesen hatte ich den Eindruck, dass sich diese Aussage problemlos auf Ihr Leben übertragen lässt. Sie haben immer wieder Neues ausprobiert, nie Routine aufkommen lassen. War vielleicht gerade das Ihr Erfolgsgeheimnis?
Biolek: Ja, ich glaube schon, wobei ich das gar nicht so bewusst gemacht habe, sondern stark intuitiv. Die Sendung „Bios Bahnhof“ beispielsweise war ein voller Erfolg, aber nach fünf Jahren habe ich gemerkt, dass ich mich nicht mehr steigern konnte. Ich hatte – sowohl national, als auch international – alle großen und wichtigen Künstler in der Sendung gehabt und sah die Gefahr, mich zu wiederholen. An diesem Punkt habe ich dann intuitiv für mich gesagt: Aufhören! Schluss machen! Dann kam „Bei Bio“, wobei das eine Sendung war, mit der wir nicht ganz so glücklich waren, weil wir nur eine Stunde Sendezeit hatten; wir hätten das Format eigentlich öfter machen müssen. Aber im damaligen Fernsehprogramm gab es – abgesehen von Sportberichterstattung und natürlich den Nachrichten – ja noch keine wöchentlichen oder gar täglichen Sendungen. Man hat eine Sendung höchstens sechs oder acht Mal im Jahr gemacht.

Nach „Bei Bio“ ging es mit „Mensch Meier“ weiter…
Biolek: Genau. Diese Spielesendung habe ich gemacht, weil ich gemerkt hatte, dass solche Formate zur damaligen Zeit im Kommen waren. In jeder Ausgabe waren vier, später dann drei Kandidaten zu Gast, die etwas Außergewöhnliches konnten oder zu erzählen hatten. In verschiedenen Spielrunden traten sie gegeneinander an und hatten dabei Geschicklichkeits- und Sprachspiele zu bewältigen, in denen sie ihr Allgemeinwissen, ihr Improvisationstalent und ihre Schlagfertigkeit unter Beweis stellen mussten. Ich mochte dieses Format sehr, habe aber auch hier nach sechs Jahren gemerkt, dass wir alle Spiele, die man sich ausdenken konnte, gespielt hatten. Also habe ich auch damit aufgehört. Kurz darauf habe ich dann in der Zeitung gelesen, dass die ARD eine wöchentliche Talkshow plant und habe mich dafür beworben.

Gewissermaßen die Geburtsstunde von „Boulevard Bio“?
Biolek: Ja, und das war übrigens das erste und einzige Mal, das ich mich für eine Sendung beworben habe, ansonsten hat es sich immer ergeben. Auch als ich ganz mit dem Fernsehen aufgehört habe, war das eine Intuition, die mir gesagt hat: jetzt ist der Zeitpunkt da, auf dem Höhepunkt muss man aufhören. Und dann kamen eben neue Sachen: das Monty Phython-Musical oder die Bühnen-Tournee „Mein Theater mit dem Fernsehen“, mit der ich innerhalb von zwei Jahren insgesamt 72 Auftritte hatte.

Sie wuchsen in Freistadt, im heutigen Tschechien, auf und sagen rückblickend über Ihre Kindheit, sie sei ein wahres Paradies gewesen. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit? Gibt es vielleicht ein bestimmtes Bild, das Sie vor Augen haben, wenn Sie sich an Ihre Kindheit erinnern?
Biolek: Es ist das Bild einer wirklich völlig glücklichen Kindheit. Man kann als Kind ja aus vielen unterschiedlichen Gründen eine ganz unangenehme Kindheit haben – das kann an den Eltern liegen, die einem Liebe und Zuwendung verwehren, die einen schlagen, im schlimmsten Fall gar missbrauchen. Es kann aber natürlich auch an der Zeit liegen, in der man aufwächst. Gerade in der Zeit, in der ich diese wunderbare Kindheit erlebt habe, haben ja viele Kinder an anderen Orten eine ganz schreckliche Zeit erlebt – irgendwo an der Front, wo der Krieg tobte, es Bombennächte und Evakuationen gab.

Als der Zweite Weltkrieg begann, waren Sie fünf Jahre alt, am Ende des Krieges zehn Jahre. Was haben Sie als Kind vom Krieg mitbekommen?
Biolek: Es mag verwunderlich klingen, aber ich habe vom Krieg nichts mitbekommen – erst ganz zum Schluss zogen dann die Russen ein und meine Mutter und ich kamen in ein Aussiedlungslager. Das war natürlich auch eine schwierige Zeit, aber zu diesem Zeitpunkt war ich ja schon elf, zwölf Jahre alt. Bis dahin habe ich aber wirklich eine komplett glückliche Kindheit erlebt – mit wunderbarer Liebe und Zuneigung der Eltern, mit einem schönem Haus und großem Garten, mit großartigen Ausflügen. Meine Kindheit war durchweg ungetrübt, was natürlich ganz selten ist. Und ich glaube auch, dass diese unbeschwerte Kindheit sehr stark auf mein ganzes Leben Einfluss gehabt hat. Sie hat mich so entspannt gemacht, ich hatte nie Stress, ich war seit jeher mit mir selbst im Reinen.

Wissen Sie noch, wann Sie vom Holocaust erfahren haben?
Biolek: Als Kind habe ich davon überhaupt nichts erfahren und ich glaube, selbst meine Eltern haben in dieser Zeit nicht viel darüber gewusst. Das war ja alles nicht so öffentlich. Als Teenager, als ich auf dem Gymnasium war, habe ich dann zum ersten Mal ein Buch über Konzentrationslager gelesen, das ein Überlebender geschrieben hatte. Damals war ich vielleicht 15 oder 16 Jahre alt. Das Buch hatte mein Vater in der Wohnung liegen, ich habe es zufällig gefunden und habe darin zum ersten Mal erschüttert etwas über die KZs erfahren.

1946 wurde Ihre Familie aus der damaligen Tschechoslowakei ausgewiesen und siedelte nach Waiblingen bei Stuttgart über. Seitdem waren Sie nie wieder in Ihrer Heimatstadt.
Biolek: Das ist richtig, ich war nie wieder in Freistadt, weil es dort heute niemals mehr so schön sein könnte, wie ich die Stadt aus meiner Kindheit in Erinnerung habe. Diese Erinnerung möchte ich mir bewahren und nicht zerstören. Ich war auch nie mit den  Heimatvertriebenenverbänden einverstanden, weil es den meisten Vertriebenen auch hier in Deutschland sehr gut, wenn nicht sogar besser ging. Sie haben sich sehr schnell integriert und ich selbst habe mich nie als Heimatvertriebener empfunden, sondern als Deutscher – schließlich lebe ich in Deutschland und mit Deutschen. Ich bin Deutscher, aus welchem Grund muss ich irgendwelche Vertriebenenphrasen dreschen? Dieses Kapitel ist für mich abgeschlossen. Ich habe wie gesagt diese sehr schöne Erinnerung, aber lebe seither sehr bewusst im Hier und Jetzt – und das nicht nur in Deutschland, sondern ich bin jemand, der generell sehr international denkt und lebt.

Fühlen Sie sich mehr als Europäer denn als Deutscher?
Biolek: Ja, meine Heimat ist Europa. Das hat auch damit zu tun, dass schon mein Leben in Freistadt nicht nur auf den Ort und die Region bezogen war, sondern man hat auch damals immer über den Tellerrand hinausgeschaut, weil das alte Österreich ja ein Reich war, zu dem viele Länder mit vielen Sprachen gehörten. In Freistadt hat ein Drittel der Bevölkerung polnisch gesprochen, ein Drittel deutsch und ein drittel tschechisch. Das heißt, man war von Anfang an großräumig vernetzt und schaute nicht nur kleinkariert auf sein eigenes Leben und seine eigene Kultur. So kann man sagen, dass ich eigentlich von Anfang an und schon als Kind Europäer war. Ich bereite auch gerade ein Buch vor, in dem ich erkläre, warum ich Europa als meine Heimat ansehe, nicht nur Deutschland.

Wie gehen Sie mit dem Tod um? Gibt es ein Erlebnis mit dem Tod, das Sie beeinflusst hat?
Biolek: Ich hatte schon sehr früh eine Begegnung mit dem Tod, als mein älterer Bruder Herbert an einem Hirntumor starb. Es war Ostern 1951, das große Familienfest stand bevor, Herbert wachte morgens auf und hatte fürchterliche Kopfschmerzen. Als er es nicht mehr aushielt, brachten wir ihn ins Krankenhaus. Abends ist er dann gestorben.

Zitiert

Das Fernsehen ist inzwischen eine einzige Katastrophe.

Alfred Biolek

Sie haben einmal erzählt, dass Sie den Tag seiner Beerdigung damit verbracht haben, Witze zu erzählen. Als ich das las, war ich offen gestanden im ersten Moment ein wenig irritiert.
Biolek: Das kann ich verstehen. Es war aber so, dass mich am Tag der Beerdigung Verwandte baten, ich solle ihnen Witze erzählen, damit sie aus ihrer tiefen Trauer irgendwie herauskommen. Ich habe das schon sehr oft gehört, dass Menschen nach einer Beerdigung versuchen, sich ein bisschen von dem Druck der Trauer und der Verzweiflung zu befreien. Das mit dem Witzeerzählen ist wirklich ein bisschen eigenartig, kann man eigentlich kaum verstehen und war mir damals fast peinlich, aber da man mich so inständig darum gebeten hatte, habe ich es gemacht.

Haben Sie Angst vor dem Tod? Denken Sie manchmal ans Sterben?
Biolek: Nein. Irgendwann wird der Zeitpunkt kommen und ich habe das Gefühl, ich werde den Tod genauso entspannt erleben wie alle anderen Dinge in meinem Leben.

Sie wurden streng katholisch erzogen, waren in Ihrer Jugendzeit Messdiener. Glauben Sie an Gott?
Biolek: Ja, absolut. Ich bin immer noch Mitglied der katholischen Kirche, wenngleich ich kein praktizierender Katholik bin. Ich gehe sonntags nicht in die Kirche und auch nicht zur Beichte. Innerlich bin ich also ein bisschen befreiter von den Riten der katholischen Kirche, glaube aber trotzdem an Gott. Und um an ihn zu glauben, muss ich ja nicht zwangsläufig in die Kirche gehen.  

Sie waren ein eher mittelmäßiger Schüler, haben Ihr Jurastudium dann jedoch mit dem drittbesten Examen des damals noch jungen Landes Baden-Württemberg abgeschlossen. Können Sie sagen, woher der plötzliche Ehrgeiz kam?
Biolek: Ich weiß es nicht mehr – wahrscheinlich, weil mich die Materie interessiert und fasziniert hat. Vielleicht lag es auch daran, weil ich Studentenkabarett gemacht habe und die Sorge hatte, dass ich dadurch mein Studium vernachlässigen würde. Aus diesem Grund habe ich mich dann mit doppelter Energie auf das Studium gestürzt.

Die wenigsten Zuschauer wissen ja, dass Sie Produzent von Rudi Carells Erfolgsshow „Am laufenden Band“ waren. Was waren damals eigentlich Ihre Aufgaben?
Biolek: Kurz und bündig – jede einzelne Sendung zusammenzustellen (lacht). Gemeinsam mit meinem Kollegen Thomas Woitkewitsch habe ich die Kandidaten ausgesucht, die Spiele erfunden und das Rahmenprogramm zusammengestellt. Es waren ja immer auch Prominente in die einzelnen Spiele integriert. Wir haben mit Rudi besprochen, wen wir einladen und haben dann Kontakt mit diesen Künstlern beziehungsweise ihren Managern aufgenommen. Ich bin aber zum Beispiel auch ins Ausland gefahren und habe mir neue Künstler angesehen, die wir dann eingeladen haben. Natürlich haben wir aber alles mit Rudi besprochen – wenn ihm ein Spiel nicht gefiel, mussten wir uns eben ein neues eindenken. Aber: aus dem, was Rudi an Ideen in den Papierkorb geworfen hat, hätten andere wohl ganze Sendereihen produziert.

Hatten Sie ein gutes Verhältnis zu Rudi Carell? Sie waren ja sogar derselbe Jahrgang.
Biolek: Ich hatte ein gutes Verhältnis zu ihm, wenngleich er kein einfacher Mensch war. Er war niemand, der viele Freunde hatte, er legte darauf keinen Wert. Obwohl wir durch die Arbeit ein sehr enges Verhältnis zueinander hatten, wurde es zwischen ihm und mir nie sehr privat. Das lag ihm nicht und ich habe ihm das auch nie übel genommen. Es war auch nicht so, dass er nur mir gegenüber so war, sondern das war generell seine Art. Aber trotzdem habe ich ein gutes Verhältnis zu ihm gehabt und als er kurz vor seinem Tod die Goldene Kamera für sein Lebenswerk bekommen hat, hat er sich ja auch gewünscht, dass ich die Laudatio halte. Das hat mich damals sehr stolz gemacht, da es mir zeigte, dass sich Rudi mir immer noch auf eine gewisse Weise verbunden fühlte.

13 Jahre lang begeisterten Sie die Zuschauer mit Ihrer Kochsendung „alfredissimo!“, nun erscheinen einige Folgen der Reihe auf DVD. Wie erklären Sie sich den langanhaltenden Erfolg des Formates? Noch immer laufen wöchentlich mehrere Wiederholungen in den dritten Programmen der ARD.
Biolek: Wenn man sich die anderen Kochshows ansieht und diese mit „alfredissimo!“ vergleicht, fällt auf, dass die anderen Kochshows überwiegend reine Kochshows sind. Es wird gekocht – Punkt. „alfredissimo!“ war dagegen nie nur eine reine Kochshow; bei mir wurde gekocht, bei mir wurde aber auch geredet, man lernte einen Gast kennen. Man sah, wie ich mit diesem Gast umging – und zwar nicht wie in einer Talkshow, sondern privat in der Küche. Neben dem Kochen gab es also ein Gespräch und es war natürlich ein spezielles Gespräch, weil man in der Küche andere Gespräche führt als in einer offiziellen Talkshow.

Auch der Genuss spielte eine große Rolle. Stichwort „Küchenwein“…
Biolek: Das stimmt, von wenigen Ausnahmen abgesehen wurde immer Wein getrunken (lacht). Und so würde ich eigentlich auch sagen, dass ich keine Kochshow gemacht habe, sondern eine Genussshow. Das ist natürlich etwas anderes, als wenn jemand nur kocht. Ich glaube, deshalb war der Erfolg so groß. Es kommt noch ein Punkt hinzu: die meisten Köche in Kochshows sind Profiköche, während ich und mein Gast Amateure waren und der Zuschauer somit das Gefühl hatte: wenn die das können, kann ich das auch. Die Hemmschwelle, die Gerichte selbst auszuprobieren und nachzukochen, war sehr gering.

Berühmt und oft parodiert wurde ihr charakteristisches „Mmmh“, wenn Sie die Menüs Ihrer Studiogäste probierten. Aber Hand aufs Herz: es gab doch sicherlich immer mal wieder auch misslungene Gerichte, bei denen Ihnen dieses „Mmmh“ nicht so leicht über die Lippen kam, oder?
Biolek (lacht): Ja, das gab es natürlich, aber dann habe ich auch kein langes „Mmmmh“ gemacht, sondern einfach nur ein kurzes „Mh“ oder ein etwas stockendes „Ui – das ist aber ganz gut geworden.“ Man konnte, wenn man mich kannte und aufmerksam hinhörte, schon sehr genau erkennen, ob ein Gericht gelungen war oder nicht.  

Auch nach Ende der Sendung sind Sie bekanntlich noch begeisterter Hobbykoch. Wann begann eigentlich diese Leidenschaft?
Biolek: Sie begann zu dem Zeitpunkt, als ich zum ersten Mal eine eigene Wohnung mit Küche hatte. Dann konnte ich anfangen, zu kochen und Gäste einzuladen. Damals wie heute habe ich so gut wie nie für mich alleine gekocht – für mich alleine mache ich mir höchstens mal ein paar Weißwürste oder ein paar Spagetti mit ein bisschen Butter und Salbei. Ich koche immer für Gäste und wenn es nur ein einziger ist. Das Kochen ist für mich ein Mittel der Kommunikation.

Was haben Sie zuletzt gekocht?
Biolek: Lamm, ein ganz interessantes Rezept. Lammkoteletts, bestrichen mit Quittengelee, dazu Kartoffeln.

Haben Sie neben dem Kochen und Freunde einladen eigentlich noch andere Hobbys?
Biolek: Mein einziges Hobby ist es, zu leben. Sonst habe ich keine.

Sie haben ja auch einmal gesagt, dass Sie Ihr ganzes Leben lang nie Sport betrieben haben – abgesehen von ein bisschen Tennis…
Biolek: Tennis habe ich ein einziges Mal gespielt, dann nie wieder (lacht). Davon gibt es ein Foto, das in meiner Biographie abgedruckt ist. Ich habe eigentlich nie irgendetwas mit Sport zu tun gehabt. Bei Fußball weiß ich nicht einmal, ob es mit F oder V geschrieben wird (lacht). Mich hat die Arbeit fit gehalten, denn durch sie habe ich mich natürlich immer sehr viel bewegt.

Sie sind promovierter Jurist. Wenn ich juristischen Beistand benötigen würde, könnte ich mich dann an Sie wenden? Wären Sie noch auf dem Laufenden?
Biolek: Nein, auf keinen Fall (lacht). Mein Studium liegt ja auch schon über 40 Jahre zurück.

Wenn man auf Ihr Berufsleben zurückblickt, kann man zweifellos von einer beispiellosen Karriere mit unzähligen Erfolgen sprechen. Sind Sie dennoch einmal richtig gescheitert? Gibt es eine unvergessliche tiefe Niederlage?
Biolek: Keine große, aber es gab natürlich immer wieder kleine Niederlagen. Ich habe auch viele Fehler gemacht, aber das ist ja normal. Der Anfang von „Boulevard Bio“ war zum Beispiel nicht so toll, aber dann habe ich mit einem Kollegen von der Kunsthochschule für Medien in Köln, wo ich auch selbst Professor war, gesprochen und er hat mir Ratschläge gegeben, was man ändern könnte. Er hatte als Außenstehender natürlich einen neutraleren Blick als wir Beteiligten. Wir haben anschließend ein paar Dinge geändert und dann wurde die Sendung von Mal zu Mal besser und ein großer Erfolg. Aber so eine richtig große, schmerzhafte Niederlage habe ich nie erlebt, auch dafür bin ich sehr dankbar.

Sie führten für 485 „Boulevard Bio“-Ausgaben Gespräche mit ungefähr 1500 Gesprächspartnern. Hatten Sie nie die Befürchtung, dass Ihnen irgendwann die Fragen ausgehen oder Sie sich wiederholen?
Biolek: Nein, die Fragen gingen mir schon dadurch nicht aus, da ich ja in jeder Sendung andere Gäste hatte. Ich hatte nach den zwölf Jahren „Boulevard Bio“ dann aber schon das Gefühl, dass es jetzt genug ist, weil ich einzelne Personen schon mehrmals zu Gast gehabt hatte. Marcel Reich-Ranicki vier Mal, Karl Lagerfeld zwei oder drei Mal. Dann fing man an, sich zu wiederholen. Bis dahin habe ich aber nie das Gefühl gehabt, dass mir die Fragen ausgehen. Ich war ja auch auf jeden Gast sehr gut vorbereitet. Jeder Gast wurde von einem meiner Mitarbeiter besucht und es wurde ein ausführliches Vorgespräch geführt, das auf Band aufgenommen und abgetippt wurde. So konnte ich es lesen und erfuhr, auf welchen Gebieten der Gast auch wirklich etwas Interessantes zu erzählen hat. Wenn er keine spannende Kindheit oder Jugend hatte, habe ich nicht danach gefragt. Durch diese Vorbereitung gingen sehr wenige Fragen ins Leere.

Wenn Sie die Gelegenheit hätten, für eine einzige Ausgabe „Boulevard Bio“ noch einmal auf den Bildschirm zurückzukehren, welche Persönlichkeiten des aktuellen Zeitgeschehens würden Sie gerne einladen?
Biolek: Da kann ich so spontan auf keinen Fall Namen nennen, da müsste ich sehr genau nachdenken. Ich würde die Gäste auch nie alleine aussuchen, sondern immer in Zusammenarbeit mit einem Team.

Wenn man Sie in Talkshows oder als Moderator erlebt, hat man den Eindruck, dass Sie eher zurückhaltend, verständnisvoll, vielleicht gar ein bisschen scheu sind. Gibt es Momente, in denen Sie auch einmal richtig aus der Haut fahren?
Biolek: Die gibt es oft, sehr oft. Ich kann mich sofort aufregen und nach ein paar Minuten ist wieder alles vorbei. Ich bin nicht nachtragend. Mein Vater konnte das nicht: er hat alles in sich hineingefressen, was ihm später auch gesundheitliche Probleme bereitete; er bekam Magengeschwüre und Herzinfarkte. Ich hingegen kann meinen Ärger richtig rauslassen, dann ist aber auch gleich wieder alles vorbei. Das geht ganz schnell.

Sie leben abwechselnd in Köln und Berlin. Welche Stadt gefällt Ihnen besser?
Biolek: Das kann ich nicht sagen. Ich trinke ja auch Weißwein und Rotwein und kann nicht sagen, welcher Wein mir besser schmeckt. Jede Stadt hat einen anderen Reiz und man kann eine Stadt wie Köln mit einer knappen Million Einwohner logischerweise nicht mit einer Weltstadt wie Berlin mit dreieinhalb Millionen Bewohnern vergleichen. Es sind zwei völlig verschiedene Städte, insofern führe ich in beiden auch völlig verschiedene Leben.

Haben Sie einen Lieblingsplatz in beiden Städten?
Biolek: Nein, ich habe in meinem ganzen Leben auf keinem Gebiet „Lieblinge“ gehabt: kein Lieblingsgericht, kein Lieblingsgast, keine Lieblingsfarbe. In der FAZ erschien früher regelmäßig ein Fragebogen von Marcel Proust, in dem beispielsweise nach dem Lieblingsautor, dem Lieblingskomponisten und solchen Dingen gefragt wurde – diesen Fragebogen konnte ich nicht ausfüllen.

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