Herr Kollek, ich habe mich gewundert, als Sie „Sue“ mit Anna Thomson gemacht haben, da war die Idee einer Trilogie noch nicht vorhanden, dann kam „Fiona“ und jetzt „Bridget“, beide wieder mit Anna Thomson.
Amos Kollek: Ich denke auch im Moment gar nicht an eine Trilogie. Ich mache immer einen Film zur Zeit und sehe die drei Filme nicht als Trilogie. Wenn Leute das Trilogie nennen, macht mir das nichts aus. Aber woran ich gedacht habe, war, noch mehr Filme mit Anna Thomson zu machen, wegen der sehr guten Zusammenarbeit, sie war wunderbar. Wir hatten damals bei „Sue“ auch geplant, ein paar weitere Filme zusammen zu machen.
Ist es denn bei der Arbeit an einem Film zwischen Ihnen und Anna Thomson immer pure Harmonie, oder gibt es hin und wieder auch schwierige Momente?
Kollek: In Sachen des Schauspielerns und der Arbeit am Film, da ist es eine sehr gute Zusammenarbeit bei allen Filmen, die Harmonie stimmte immer. Manche Filme waren zwar nicht einfach zu realisieren, aber das lag an anderen Dingen, zwischen uns beiden war die Stimmung eigentlich immer ok. Anna ist eine sehr intelligente Schauspielerin, die ein Drehbuch sorgfältig liest und sofort weiß, ob es etwas für sie ist, oder nicht. Und sie ist immer vorbereitet, wenn sie zum Set kommt, weiß sie, was sie zu tun hat. Und ich wiederum bin nicht ein Regisseur, der seine Schauspieler einschränkt und ihnen zu viele Hinweise gibt, weil jeder Schauspieler seine eigenen Gefühle und Gedanken zu einer Rolle hat und diese entfalten soll. Ich weiß allerdings nicht immer wie sich Anna vorbereitet. Bei ihr spielt auch Instinkt eine große Rolle. Ich weiß nicht, ob sie viel zu Hause für sich probt, aber ich weiß, dass wir das am Set nicht tun. Wir machen normalerweise eine Probe vom ersten Shot und gucken, ob uns etwas spontan einfällt…
Wird das Drehbuch bei Ihnen aber sonst eher strikt befolgt?
Kollek: Oh ja, sehr. Gewöhnlich improvisieren wir überhaupt nicht, manchmal fügen wir etwas hinzu, wenn jemand spontan einen guten Einfall hat, ein Song oder ein Tanz zum Beispiel. Aber wir verändern dann weder einen Dialog, noch eine komplette Szene.
In „Bridget“ sehen wir eine große Anzahl von „Freaks“. Wie viele Freaks haben Sie denn persönlich bisher in Ihrem Leben gesehen, kennen gelernt?
Kollek: Ich treffe immer sehr viele in New York. Nicht unbedingt, weil es da sehr viele gibt, sondern weil ich einen großen Teil meiner Zeit in Cafes verbringe, zum Beispiel im East Village. Und ab einer gewissen Uhrzeit, so ab 3Uhr nachts kommen in diese Cafes nur komische Leute, Freaks: Kriminelle, Obdachlose, verzweifelte Menschen… Oft lausche ich den Unterhaltungen, oft reden sie auch mit mir, ich spendiere einen Kaffee… In gewisser Weise suche ich auch immer nach Freaks.
Gibt es also in Ihren Filmen kaum erfundene Personen?
Kollek: Natürlich erfinde ich Personen auch selbst, aber das basiert dann auf den Geschichten und Menschen die ich in den vielen Jahren kennen gelernt habe. Sehr komische Leute, und alle haben mir irgendetwas erzählt. Ich habe zum Beispiel mal mit einer Frau zusammengearbeitet, die Chefin einer kleinen Casting-Agentur war. Der habe ich irgendwie angesehen, dass sie viel erlebt hat und habe sie danach gefragt. Da hat sie mir erzählt, dass sie eine Killerin für die Mafia gewesen ist, dass sie lange im Gefängnis war und jetzt von den übrig gebliebenen Mafia-Geldern die Agentur finanziert. Ich weiß natürlich nicht immer, ob solche Geschichten hundert Prozent wahr sind, aber ich habe ein Gespür dafür. Ich habe schon viele Frauen getroffen, die im Gefängnis waren und ich kann mir dann so einiges über diese Personen vorstellen und ich entwickle ein bestimmtes Gefühl zu solchen Charakteren.
Woher rührt Ihr Interesse an verzweifelten, gescheiterten Figuren, was sich in den Filmen widerspiegelt?
Kollek: Ich weiß nicht, in gewissem Maße denke ich auch, dass ich ein bisschen von mir in diese Figuren hineinprojiziere. Ich habe mich oft ein wenig als Outsider gefühlt, in allen Gesellschaften, in denen ich gelebt habe. Ich weiß auch nicht genau, weshalb. Ich komme aus einer israelischen Mainstream-Familie und habe nie zu einer Randgruppe gehört. Aber ich habe dieses Gefühl in Israel genauso gehabt wie auch in den USA, eben wie ein Fisch auf dem Trockenen. Ich kann mich mit einer Outsider-Figur gut identifizieren, einer Personen die nicht sehr passt in die Gesellschaft. Die Person kann zwar schon ein bisschen smart sein, aber ein paar ihrer Eigenschaften sind dann eben nicht die eines Erfolgsmenschen in New York.
Allerdings hat Bridget sehr viel Energie…
Kollek: Ja, sehr viel, in den schlimmsten Momenten gibt sie nicht auf und sie kämpft für die Dinge, die sie haben will. Ich glaube auch generell, dass Entscheidung und der Wille etwas bestimmtes zu erreichen, einen Menschen sehr weit bringen können, ganz egal wo man anfängt.
Denken Sie, dass auch eine andere Stadt als New York uns solche Geschichten erzählen kann, wie Sie sie in „Bridget“ erzählen?
Kollek: Ja, Berlin könnte sicher ähnliche Geschichten erzählen, oder Paris. Bei mir ist das nur eine Sache der Sprache. Ich kann jetzt nicht in Berlin in eine Bar oder ein Cafe gehen und davon viel erzählen, weil ich die Sprache nicht kenne, keine Nuancen und auch nichts über hiesige Körpersprache weiß. Ich kann das in Israel oder in New York, weil ich diese Orte kenne.
War es wichtig für Sie, auch eine kleine Episode des Films in Israel spielen zu lassen?
Kollek: Ja, zum einen, weil ich sehr gerne in Israel drehe und das auch noch mehr tun will – das ist mein Heimatland. Und zum anderen, weil ich wollte, dass Bridget an ganz unterschiedliche Orte kommt, die sie irgendwie auch verändern, auch auf mythische Weise, die Atmosphäre in Jerusalem spielt da eine große Rolle. In Jerusalem hast du sehr viele heilige Orte auf einem sehr kleinen Gebiet und die Stadt lässt Bridget ein wenig anders denken.
War es schwierig, für den Film die richtige Balance zu finden zwischen dem Drama, dem schwarzen Humor, der Liebe…
Kollek: Ich habe mein bestes versucht, ob es geklappt hat, müssen Sie sagen. Ich habe mit dem Editor sehr lange zusammen gesessen, wir haben viele verschiedene Sachen ausprobiert. Ich bin bester Hoffnung.
Wie wichtig war Ihnen denn der Humor in „Bridget“?
Kollek: Ich glaube sehr an Humor und denke, Humor ist immer ein Teil der Menschen, die leiden oder verzweifelt sind. Ich denke, es ist kein Zufall, dass die meisten der großen Komiker Schwarze oder Juden sind. Humor ist ja auch ein Defensiv-Mechanismus, wenn man verfolgt wird oder unter Druck ist. Da hilft einem der Humor, weiterzukommen, es geht einem ein Licht auf. Und so passt Humor auch in diesen Film, in dem auch viele Leute leiden. Wenn Bridget in schlimmen Situationen gezeigt wird, dann ist da auch immer ein bisschen Humor dabei, in ihren Äußerungen, in ihrem Handeln.
Wollten Sie in Ihrer Kindheit gerne einmal Filmstar sein, und wenn, welcher?
Kollek: Ich wollte so eine Mischung aus Paul Newman, Clint Eastwood und Burt Lancaster sein. Ein sehr gut aussehender, cleverer, freundlicher Filmstar – ohne Humor, ehrlich gesagt. Ich hätte mir zum Beispiel nie vorstellen können wie Woody Allen zu sein. Ich mag zwar seinen Humor, aber mehr das Aussehen von Clint. Allerdings habe ich nun ein paar Tausend mal in den Spiegel geguckt und gemerkt, dass aus Clint nichts wird.