Anajo

Wir dürfen poppig klingen und manchmal sogar kitschig.

Sänger Olli Gottwald und Bassist Michi Schmidt von Anajo über deutsche Popmusik, Erfolg, Russland und „Disco-Schorle“

Anajo

© Julian Reich

Olli und Michi, als 2004 euer erstes Album „Nah bei mir“ rauskam, war deutsche Popmusik gerade wieder sehr angesagt. Hat euch das geholfen?
Olli Gottwald: Anajo gibt es schon viel länger, seit 1999. Und in den fünf Jahren bis zu „Nah bei mir“ gab es immer wieder deutsche Bands, die aus dem Nichts aufgetaucht sind und auf einmal ganz groß waren. Ich erinnere mich zum Beispiel an ein Konzert von Wir sind Helden kurz nach ihrem ersten Konzert. Das war die Zeit, wo bei uns wirklich gar nichts ging. Sämtliche Labels hatten uns abgesagt und dann kam dieses Beispiel von Null auf Hundert. Aber so ging’s bei uns nie. Wir gehen den harten, steinigen Weg.
Michi Schmidt: Die Babyschritte. Das Eichhörnchen ernährt sich mühsam, aber es geht vorwärts. Immer vorwärts!

War der Erfolg von Wir sind Helden ein Kick für euch oder hat euch das eher frustriert?
Olli: Es war schon frustrierend und wir haben uns auch gefragt, ob wir nicht irgendwas falsch machen. Aber man muss natürlich sehen, dass sowas in der Art nur einmal im Jahrhundert passiert. Mit Tapete haben wir auf jeden Fall eine kleine, aber feine Plattenfirma gefunden, mit der wir sehr glücklich sind. Und das erste Album lief dann ja auch super und viel besser, als alle erwartet haben.
Michi: Wir wären mit 2000 vollauf zufrieden gewesen, aber dann haben wir 10000 Alben verkauft! Das ist für ein Indie-Label nicht nur respektabel, sondern wirklich gut.

Und wie läuft es mit dem aktuellen Album „Hallo, wer kennt hier eigentlich wen?“
Olli: Das Album war in den deutschen Charts auf 51, aber aufgesplittet nach Bundesländern waren wir in Bayern sogar auf 17!

Wie ist Anajo eigentlich entstanden?
Olli: Ich habe am Computer ein paar Lieder gemacht, aber das wurde mir schnell zu langweilig. Deshalb habe ich Michi gefragt, ob er Bass spielen will. Er hat aber erst ein bisschen gezögert, weil er von seiner Ex-Band noch so genervt war.
Michi: Diese Band hat mich total niedergemacht und mir ständig erzählt, dass ich überhaupt nicht spielen kann und Unterricht nehmen soll. Und dann kam Olli, der einen Bassisten brauchte und dem außer mir keiner eingefallen ist.
Olli: Ich unterbreche jetzt und kürze das mal ab. Michis Ex-Freundin hat ihn schließlich überredet, dass er mitspielt. Und Ingolf haben wir über eine Anzeige im Augsburger Stadtmagazin gefunden.

Hat Michi dann nochmal Unterricht genommen?
Michi: Ja, einfach um meinen Horizont zu erweitern. Aber ehrlich gesagt, hat es mich immer total angekotzt, was nachzuspielen oder diese Fingerübungen zu machen, wo es dann hieß: „Ja, du musst dich jetzt hinhocken und bis zum nächsten Wochenende spielst du dieses Pattern.“
Olli: Es hätte ihm vielleicht mal ganz gut getan.
Michi: Ja, es hat mir auch gut getan.
Olli: Ich sagte, es hätte dir gut getan!
Michi: Naja, beim ersten Lehrer fand ich es total langweilig. Aber der zweite war gut. Der hat mir Sachen gezeigt, die ich wirklich anwenden konnte. Trotzdem habe ich es auch bei dem nicht lange durchgezogen, insgesamt dauerte der Unterricht höchstens ein halbes Jahr.

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Wir sind eine Band, die polarisiert und das wissen wir auch.

Anajo

Olli, du schreibst die meisten Texte. Wie läuft das ab? Nimmst du dir vor, jetzt schreib ich einen Song oder wartest du ab, bis dir spontan was einfällt?
Olli: Beides. Ideal ist es, wenn die zündende Idee einfach so kommt, in der Straßenbahn, bei einem Spaziergang oder zu Hause. Aber darauf kann man nicht immer nur warten. Deshalb ist es am Ende eine Kombination aus spontanen Einfällen, Sachen, die ich im Fernsehen oder Radio aufschnappe und der Arbeit, mich dann hinzusetzen und zu überlegen.

Was war der schnellste Song, den du je geschrieben hast?
Olli: „Monika Tanzband“. Ich bin durch die Augsburger Fußgängerzone gelaufen, als mir zwei Leute entgegen kamen, von deren Unterhaltung ich nur zwei Worte verstanden habe: „Monika“ und „Tanzband“. Die waren natürlich total aus dem Zusammenhang gerissen, aber ich fand das so absurd, dass ich aus meinem Geldbeutel die letzten Zettelchen rausgesucht habe und drauflos geschrieben habe. Der Text war in einer halben Stunde fertig.

Anajo wird oft vorgeworfen, dass ihr zu poppig klingt. Stört euch das oder lässt euch das kalt?
Olli: Kalt lässt es uns nicht, weil wir uns jede negative Kritik zu Herzen nehmen – manchmal auch ein bisschen zu sehr – aber man kann es einfach nicht allen Leuten recht machen. Wir sind eine Band, die polarisiert und das wissen wir auch. Albert Koch vom Musikexpress hat das mal ganz treffend formuliert: „Entweder man schließt Anajo ins Herz oder man kotzt.“ Das ist hart, hat uns aber trotzdem nicht beeinflusst. Unsere Musik kommt vom Herzen. Deshalb dürfen wir auch poppig klingen und manchmal sogar kitschig wie bei „Wenn du nur wüsstest“. Aber dazu stehen wir und nehmen Kritik dafür in Kauf.

Ihr wart letztes Jahr mit dem Goethe-Institut in Russland und der Ukraine. Wie war das?
Olli: Absolut super! Und vor allem top organisiert. Das Goethe Institut hat in jeder Stadt perfekte Werbung gemacht, so dass auf den Konzerten immer zwischen 100 und 400 Leute waren. Und die haben uns mit offenen Armen empfangen und waren unglaublich aufgeschlossen. Die meisten haben zwar unsere Sprache nicht verstanden, aber sie haben unsere Musik verstanden. Ich glaube, wenn eine russische Band nach Deutschland kommt, hat die es um einiges schwerer.

In einem eurer Songs ist die Rede von Disko-Schorle. Ist das ein Getränk, das nur die Bayern kennen?
Michi: Nein, dabei handelt es sich einfach um Wodka-Red Bull. Es steht nur als Disko-Schorle in unserer Lieblingskneipe in Augsburg in der Karte.

Anajo sind: Oliver Gottwald, Michael Schmidt und und Ingolf Nössner. 1999 gegründet, veröffentlichte das Trio 2004 ihr Debutalbum "Nah bei mir" und stürmten mit poppigem Indiesound die deutschen Charts. 2007 traten sie gemeinsam mit Suzie Kerstgens mehr

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