Andrej Kurkow

Poroschenko ist kein Oligarch.

Der ukrainische Schriftsteller Andrej Kurkow lebt in Kiew und schildert im Interview die Situation in seiner Heimat, spricht über die Separatisten, Patriotismus in Russland, Interessen der USA und die Dialog-Initiative von Michail Chodorkowski.

Andrej Kurkow

© Regine Mosimann / Diogenes Verlag

Herr Kurkow, Sie befinden sich derzeit in der Ukraine. Inwiefern gehen Sie dort Ihrer literarischen Arbeit nach?
Andrej Kurkow: Ich habe hier ein Maidan-Tagebuch geschrieben, über das Leben meiner Familie und Freunde, auch über die Besetzung der Krim. Es erscheint zuerst auf Französisch und Ende Mai auch auf Deutsch und umfasst die Zeit vom 21. November 2013 bis zum 24. April 2014.

Wie würden Sie Ihre Rolle in der Ukraine beschreiben?
Kurkow: Ich sehe mich als Kommentator. Tagebücher schreibe ich schon über 30 Jahre, aber ich habe sie nie herausgegeben. Auch jetzt war das nicht so geplant. Ich wollte in diesem Fall etwas Nicht-Fiktionales schreiben, ein Buch über die Ukraine für ausländische Leser, für den österreichischen Haymon Verlag. Doch als ich gerade mit dem Schreiben anfangen wollte, begannen die Proteste des Euro-Maidan. Seit dem habe ich meinem deutschen und meinem französischen Übersetzer täglich einen Tagebucheintrag geschickt.

Verstehen Sie die Krise in Ihrem Land? Oder haben Sie im Moment noch viele offene Fragen?
Kurkow: Ich denke, dass ich schon etwas mehr verstehe als viele anderen. Auch weil ich viele der Beteiligten persönlich kenne. Außerdem lebe ich unweit des Maidan.
Nichtsdestotrotz bleiben natürlich auch Fragen, die ich mir stelle, zum Beispiel was die Tragödie in Odessa betrifft. Wie gelangte ein Teil der Menschen, der im Besitz von Gasmasken war, auf das Dach des Gebäudes? Und warum ist ein Teil der Menschen bereits gestorben bevor das Feuer ausbrach?

Sind Sie denn im direkten Kontakt mit den ukrainischen Politikern?
Kurkow: Sie fragen mich nicht um Rat, aber ich weiß, dass sie lesen, was ich auf Facebook schreibe. Dort bekomme ich regelmäßig Feedback von ihnen.

Zitiert

Putin will die Sowjetunion restaurieren und so in die Geschichte eingehen, wie ein zweiter Stalin.

Andrej Kurkow

Wie beurteilen Sie im Moment die Lage im Osten des Landes? Wie kam es dazu, dass der Separatismus dort so erstarken konnte?
Kurkow: Ideologisch orientierte Gruppen gab es dort bislang nicht. Es gab nur Leute, die nostalgische Gefühle in Bezug auf die Sowjetunion hatten, wobei dies eigentlich mehr auf der Krim der Fall war. In Donbas sind es Menschen, die auch früher bereit waren, auf jede beliebige Demonstration zu gehen, wenn das der Grubenleiter oder ein Mitglied der Partei der Regionen so angeordnet hat. Im Prinzip haben wir ein Ein-Parteiensystem in Donbas, ein Ein-Parteien-Denken. Die Region ist zwar russischsprachig, aber das ist in Kiew ja genauso – und hier in Kiew gibt es auch keine separatistische Bewegung. Zudem hätte die Partei der Regionen den Separatisten keine Möglichkeiten gegeben, sich in der Region Donbas auszubreiten.

Aber woher kommt dann der Separatismus im Land?
Kurkow: Das ist alles ganz klar eine russische Strategie. Man hat an der Besetzung der Krim gesehen, dass der Plan dafür schon vor langer Zeit ausgearbeitet wurde. Zum Beispiel daran, dass neben dem Militär auch sofort Verwaltungsbeamte auf der Krim erschienen, welche alle Ministerien auf das russische System umgestellt haben. Es gab auch sofort Botaniker, die seltene Pflanzen in das „Rote Buch“ Russlands eingetragen haben usw.

Welches Ziel verfolgt Putin denn Ihrer Meinung nach?
Kurkow: Sein Ziel war, zuerst die Krim zu einzunehmen, dann einen kleinen Bürgerkrieg zu entfachen, dadurch die Kiewer Regierung zu stürzen, um diese dann durch prorussische Politiker – höchstwahrscheinlich aus der Ost-Ukraine – zu ersetzen. Mit diesen Politikern wollte er dann einen Vertrag schließen über Freundschaft und Zusammenarbeit und außerdem einen Vertrag, mit dem die Ukraine anerkennt, dass die Krim jetzt offiziell zu Russland gehört. Damit wäre die Geschichte für ihn beendet gewesen, er hätte die Krim als Belohnung bekommen und eine neue prorussische Regierung in Kiew. Aber dieser Plan ging nicht auf.

Ihrer Meinung nach hält also Russland bei der Krise im Osten des Landes die Fäden in der Hand?
Kurkow: Ganz Genau.

Dabei haben auf der Krim ja auch viele normale Bürger für die Angliederung an Russland gestimmt. Hat Sie das überrascht?
Kurkow: Nein. Ich war zuletzt im Januar in Sewastopol: All die Jahre hat man dort ohnehin nur russische Fahnen gesehen und fast keine ukrainischen. Auf dem Gebiet der Krim sind die Ukrainer – 40.000 bis 50.000 – und die Krimtataren die Minderheit, das ist der einzige Kern, wo man merken konnte, dass man in der Ukraine lebt und nicht in Russland. Der überwiegende Teil der Menschen dort hat eine Sehnsucht nach der sowjetischen Vergangenheit. Für sie ist Russland rechtmäßiger Erbe der Sowjetunion. Da hatte Putin hatte leichtes Spiel.

Und die Separatismusbewegung in Luhansk und Donezk, die zum Referendum vom 11. Mai führte – lässt sich die einfach mit der „Sehnsucht nach der sowjetischen Vergangenheit“ erklären?
Kurkow: Die Anführer der Separatisten in diesen Regionen sind russische Staatsbürger, die betonen, dass sie freiwillig dorthin gekommen sind um „Russen zu beschützen“ und es sind Mitglieder der einstigen Regierungspartei, der Partei der Regionen. Die sind nun in das sogenannte Ministerkabinett der beiden ausgerufenen Volksrepubliken eingezogen. Sie haben aber keine breite Unterstützung in der ukrainischen Bevölkerung. Gerade deswegen hat sich ja der Offizier Igor Strelkow, der sich selbst als Befehlshaber der Südost-Ukraine bezeichnet, mit einer Videoansprache an die Bürger der Region Donbas gewandt und ihnen Feigheit vorgeworfen. Er sagte, dass er in Slowjansk und Kramatorsk viele Waffen hat, aber keine Freiwilligen, die bereit wären, sie in die Hand zu nehmen. Diejenigen, die von ihm Waffen erhalten haben, sind mit den Sturmgewehren und Granatwerfern losgezogen um Plünderungen zu begehen, um Läden und Banken auszurauben. Die normale Bevölkerung in Donbas hat jetzt Angst davor, auf die Straße zu gehen

Julija Tymoschenko nennt Putin einen Faschisten, gleichfalls berichten russische Medien, in Kiew würden Faschisten nach der Macht greifen.
Kurkow: Ich habe bisher keine Faschisten gesehen, nicht in Kiew und nicht im Westen der Ukraine. Ich bin viel in der Ukraine unterwegs und das einzige, was ich gesehen habe, sind Mitglieder radikaler, nationalistischer Parteien, die aber nicht mit dem Begriff Faschismus in Verbindung gebracht werden können. Der Faschist ist ja der Ansicht, dass seine Nation über alles herrscht und alle anderen sollen entweder ihm dienen oder sterben. Faschisten in diesem Sinn gibt es in der Ukraine nicht.
Im Übrigen ist auch Putin kein Faschist. Er ist nur jemand, der die Sowjetunion restaurieren und so in die Geschichte eingehen will, wie ein zweiter Stalin.

Putin nannte den Zerfall der Sowjetunion einst „die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts“. Liegt hierin also ein Schlüssel?
Kurkow: Es ist sein persönliches Drama.

Sie äußerten kürzlich in einem Interview, dass alles davon abhängt, wie lange Putin noch lebt.
Kurkow: Ganz genau. Denn solange er noch lebt wird er Präsident oder Zar Russlands sein und alles entscheiden.

Die russische Bevölkerung hat er größtenteils hinter sich…
Kurkow: 80 Prozent der Bevölkerung unterstützen ihn, in einem Anfall von psychiatrischen Nationalismus.
Ich habe zum Beispiel gerade den Text einer – einst liberalen – Moskauer Journalistin gelesen, Elena Tokarewa. (Tokarewa beschreibt die Ukraine als „Sodom & Gomorrha“, und ruft dazu auf, das Land, mit Ausnahme des Ostens, „nieder zu brennen“ Anm. d. Red.) Sie drückt dort das Gefühl der Mehrheit der russischen Bevölkerung aus. Über Obama hat sie geschrieben, man solle „den Neger töten“. – Putin hat durch diesen Hyper-Patriotismus das Land in eine psychiatrische Anstalt verwandelt. Allerdings haben die Ärzte das Land schon lange verlassen, weshalb die Bewohner jetzt die am stärksten erkrankten zu ihren Ärzten gewählt haben.

Wenn Sie davon ausgehen, dass Russland die Separatismus-Bewegung steuert, was ist dann mit dem Einfluss des Westens? Liest man das Transkript des öffentlich gewordenen Telefonats zwischen US-Botschafter Geoffrey R. Pyatt und der US-Diplomatin Victoria Nuland drängt sich doch der Eindruck auf, dass auch der Westen in der Ukraine eine wesentliche Rolle spielt?
Kurkow: Europa hat auf die Besetzung der Krim zwei Wochen lang nicht reagiert, was Putin die Möglichkeit gab, die nächsten Schritte vorzubereiten. Ohne die Kritik aus den USA hätte Europa bis heute keine Sanktionen gegen Russland verhängt.

Dann lassen Sie uns über den Einfluss der USA sprechen.
Kurkow: Das ist doch allen klar, dass die Konkurrenz zwischen der Sowjetunion und den USA sich heute fortsetzt mit der Konkurrenz zwischen Russland und den USA. Beide haben in der Ukraine geopolitische Interessen.

Versuchen die USA durch bestimmte Politiker in der Ukraine Einfluss auszuüben?
Kurkow: Es gibt in der Ukraine derzeit keine pro-amerikanischen Politiker. Es gab höchstens Juschtschenko, der dann aber sozusagen alles dafür getan hat, dass nach ihm Wiktor Janukowytsch an die Macht kam.
Prorussische Politiker gab es dagegen immer sehr viele, die gibt es jetzt in Kiew aber nicht mehr. Und geopolitisch hat die Ukraine ihre Wahl getroffen: Sie will nicht an der Seite der USA sein, aber auch unabhängig von Russland.

Verfolgen die USA Ihrer Meinung nach „gute“ Absichten in der Ukraine?
Kurkow: Die USA kämpfen um den Einfluss in der Welt, genauso wie Russland. Und weil die USA reicher sind, haben sie mehr Möglichkeiten. Aber die politische Herangehensweise der beiden ist sehr ähnlich. Ich denke, man kann die Politik der Amerikaner im Irak mit der Politik Russlands auf der Krim und im Osten der Ukraine durchaus vergleichen.

Welcher Einfluss ist denn „besser“ für die Ukraine?
Kurkow: Die USA sind weit weg, zu viel Einfluss können sie in der Ukraine also gar nicht haben. Und die wirtschaftlichen Verbindungen zwischen den USA und der Ukraine sind auch tausendmal geringer als die Verbindungen zwischen den USA und Russland. Hier geht es rein um politische Interessen. Die USA tritt für die Ausdehnung der EU ein, während die EU selbst gegen diese Ausdehnung eintritt. Es ist ein Konflikt zwischen den USA und Europa, zwischen den USA und Russland und zwischen Russland und der Ukraine. Und dazu kommt ein nicht ganz freiwilliger Konflikt der EU mit Russland.

Wie fühlt man sich als Bürger eines Landes, das zum Zankapfel zwischen den beiden Supermächten geworden ist?
Kurkow: In Kiew merkt man das nicht. Wir leben ein völlig normales Leben, seit dem die Proteste des Euro-Maidan beendet wurden. Ich verstehe aber auch, dass die Ukrainer im Osten, wo die anti-amerikanische Propaganda sehr stark ausgeprägt ist, sehr negativ auf das reagieren, was aus den USA und aus Europa kommt. Es gibt dort unter den nicht-gebildeten und nicht-informierten Leuten eine tief empfundene Angst. Dagegen gibt es im Westen der Ukraine eine ganz klare pro-europäische Haltung. Nur kann man das nicht „pro-amerikanisch“ nennen, im Westen der Ukraine denkt niemand über die USA nach.

Welchen Eindruck haben Sie von den ukrainischen Bürgern, die Sie in den vergangenen Monaten getroffen haben – würden diese in einen Bürgerkrieg ziehen?
Kurkow: Die einfachen Leute wollen nur Stabilität, im Zweifelsfall ist ihnen das wichtiger als die Frage, wer an die Macht kommt. Im Osten denken wahrscheinlich viele: „Soll doch einfach eine Seite gewinnen, dann haben wir wieder Ordnung.“

Wie erklären Sie sich denn die Gewalteskalation von Odessa am 2. Mai?
Kurkow: Die meisten Bürger Odessas sind der Meinung, dass das, was auf dem Kulikow-Feld und in dem Gewerkschaftshausgeschah, auf den Einfluss von außen und nicht auf Bürger Odessas zurückgeht. Odessa war nie eine Stadt großen politischen Engagements, die Leute dort haben sich für Politik gar nicht interessiert.

Sie haben also auch nicht die Befürchtung, dass sich das normale Volk radikalisiert?
Kurkow: Nein, ich denke nicht, dass das passieren wird. Voraussetzungen für einen echten Bürgerkrieg sehe ich nicht, weil alle Leute mit einer bestimmten Gesinnung kompakt in einer Region leben. Es gibt keine Region, wo zwei verschiedene Mentalitäten oder zwei große national-ethnische Gruppen aufeinandertreffen.
Wenn es keine kriegerischen Kräfte von außen gibt wird es auch keinen Krieg geben.

Die ukrainische Armee geht militärisch gegen die Separatisten vor – halten Sie das für richtig?
Kurkow: Die ukrainische Armee kämpft nicht, sie versteckt sich eher vor den Separatisten. Es wurden schon ukrainische Soldaten angeklagt, die sich geweigert haben, Soldaten aus einem abgeschossenen ukrainischen Hubschrauber zu retten. Im Prinzip gibt es gar keine richtige Armee in Ukraine. Die hat man in 20 Jahren Unabhängigkeit vernichtet. Die Separatisten in Slawjansk sind besser bewaffnet, als die ukrainischen Soldaten, die angeblich die ganze Stadt umzingelt haben.
Schon an den Posten der Separatisten kommt die ukrainische Armee nicht vorbei.

Was sollte man jetzt Ihrer Ansicht nach tun?
Kurkow: Man muss nur komplett die Grenzen zu Russland und Transnistrien abriegeln und jene Regionen blockieren, die die Separatisten eingenommen haben, sie abschneiden von der Versorgung und vom Waffennachschub. Die dort lebenden Zivilisten müssten das Gebiet verlassen und dann müsste man so lange warten, bis die Separatisten bereit sind, ihre Waffen abzugeben und zu verhandeln.

Also eine Art Blockade?
Kurkow: Ja, ich denke, das ist die einzige produktive Lösung, die auch am wenigsten Opfer fordern würde.

Nun sind für den 25. Mai Präsidentschaftswahlen geplant. Sie haben sich bereits klar gegen die Kandidatin Julija Tymoschenko ausgesprochen. Warum?
Kurkow: Weil sie bereits geäußert hat, dass sie mit niemandem koalieren will. Selbst der Kandidat der Partei der Regionen, Mychajlo Dobkin, sagt, zum Wohle der Ukraine sei er bereit, mit jeder beliebigen Partei zusammenzuarbeiten. Allen anderen Kandidaten ist die Ukraine wichtig, während für Julija Tymoschenko nur die Macht wichtig ist, sie will das Land allein kontrollieren.
Im Prinzip kontrollieren ihre Leute schon jetzt die Ukraine, Innenminister Arsen Awakow – früherer Gouverneur der Region Charkow – ist Mitglied ihrer Partei und Präsident Olexandr Turtschynow, früher Leiter des Inlandsgeheimdienst SBU, ist Tymoschenkos rechte Hand. Auch andere Gouverneure kommen aus ihrer Partei. Im Grunde ist die Partei Tymoschenkos schon jetzt an der Macht.

Aber Präsidentin sollte sie nicht werden?
Kurkow: Nein, weil sie nicht die reale Situation sieht sondern nur sich selbst in dieser Situation. Sie hat drei Jahre nicht an der Politik teilgenommen, sie hat schon gezeigt, dass sie eine konfliktreiche Person ist, die mit niemandem zusammenarbeiten kann, auch nicht mit Demokraten. Sollte sie Präsidentin werden, haben wir die gleiche Situation wie nach der Orangenen Revolution, bzw. eine Situation wie unter Janukowytsch. Denn wenn sie gewählt wird, dann käme sowohl der Präsident aus der Partei Batkiwschtschyna/Vaterland, als auch der Premier und der Innenminister. Wir hätten dann erneut die Diktatur durch eine einzige politische Kraft.

Als Alternative bleibt demnach nur Petro Poroschenko?
Kurkow: Ja, er ist die einzige Alternative. Von dem Personal, das wir haben, wäre das die beste Wahl. Von ihm gibt es bisher keine einzige radikale Äußerung, auch gegenüber Putin ist er nicht so radikal aufgetreten wie Tymoschenko – obwohl er Eigentum und Fabriken in Russland besaß, die ihm heute praktisch die russische Regierung abgenommen hat.

Doch die ukrainische Bevölkerung steht den Oligarchen seit Längerem sehr kritisch gegenüber…
Kurkow: Poroschenko ist für die Ukrainer kein Oligarch. Er hat bei den Banken mehr Schulden als Guthaben. Für die Ukrainer sind andere Leute Oligarchen, beispielsweise Ihor Kolomojskyj, Wiktor Pintschuk, Rinat Achmetow und Serhij Taruta.

Lassen Sie uns noch über den Ukraine-Russland-Dialog von Michail Chodorkowski sprechen, an dem Sie teilgenommen haben.
Kurkow: Ich war auf dieser Veranstaltung nur drei Stunden – und es hat mir überhaupt nicht gefallen. Ich war bei einem Treffen ukrainischer und russischer Journalisten dabei, wo die russischen – statt zu analysieren – anfingen, die Ukraine erneut zu beschuldigen. Sie haben den ukrainischen Journalisten Lüge und Desinformation unterstellt, sie beklagten, dass man sie bei der Einreise an der Grenze schief angeschaut hätte… Das heißt, die russischen Journalisten sind mit den gleichen Vorurteilen in die Ukraine gereist, wie sie auch bei den normalen Russen vorhanden sind. Mehr noch klang bei den Äußerungen mancher russischer Autoren eine Unterstützung für die Annexion der Krim hindurch.

Könnte Chodorkowski zukünftig noch eine Rolle in der Ukraine-Krise spielen?
Kurkow: Das kann ich mir kaum vorstellen, in Anbetracht seines Verhältnisses zur russischen Regierung. Er könnte nur dort eine Rolle spielen, wo man Russland feindlich gegenüber steht, aber es wird dann kaum eine konstruktive Rolle sein.

Zum Schluss eine Prognose: Wie sieht die Ukraine in zwei Jahren aus? Wird es eine Föderation geben?
Kurkow: Nein, eine Föderation wird es nicht geben. Entweder wird das Land so bestehen bleiben, oder die Ukraine wird sich sehr verkleinern. Eine Föderation, das wäre nur ein großer Schritt in Richtung Bürgerkrieg. Die Föderation würde ja Militärs und Regierungen legitimieren, die dann dieselben Rechte haben wie das Zentrum der Föderation in Kiew. Niemand würde sich der zentralen Macht unterordnen. Insofern denke ich: Entweder das Land bleibt so bestehen, oder es gibt Krieg.

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