Frau Christlieb, wann waren Sie das letzte Mal im Kino?
Christlieb: (lacht) Das letzte Mal im Kino war ich während der Berlinale. Da habe ich 10 Tage nonstop Filme gesehen, bis ich in der Tat selbst eine Überdosis hatte. Ich glaube, ich bin kein Cinemaniac, ich brauche ab und zu eine Pause.
Wie sind Sie den Fünf Filmfreaks begegnet?
Christlieb: Ich habe insgesamt 3 Jahre in New York gelebt und während dieser Zeit in einem der renommiertesten Programmkinos New Yorks, dem Anthology Film Archive, gearbeitet. So habe ich die Cinemaniacs fast täglich getroffen und dachte, das ist wirklich unglaublicher Stoff für einen Dokumentarfilm, da es solche Exzentriker kaum irgendwo anders gibt. Jeder der Protagonisten war auf seine Art so extrem, und gleichzeitig unterhaltsam. Ich dachte mir, ich muss mich beeilen, bevor jemand anders einen Film darüber macht.
Francois Truffaut sagte einmal: "Cinema is bigger than life" und erklärte damit, Kino funktioniere wie ein Droge. Sind die Fünf in Cinemania Filmjunkies?
Christlieb: Auf jeden Fall. Sie sind durch und durch süchtig. Sie können nicht ohne Kino leben. Einen Film zu verpassen ist für sie ganz schrecklich, so als wenn man ihnen etwas entzieht. Der ganze tägliche Lebensinhalt ist darauf ausgerichtet.
Einer der Kinosüchtigen heißt bezeichnenderweise "Angstreich" — Was für einen Eindruck gewannen Sie vom realen Leben der Cinemaniacs?
Christlieb: Angstreich ist wirklich ein interessanter Name. Es ist ein jüdischer Name, und Jack Angstreich ist ganz stolz darauf. Ich denke, auf den Namen bezogen, es gibt schon eine gewisse Angst vor der Realität, wenn man in einer permanenten Scheinwelt lebt. Um unter anderem auch die eigenen Probleme zu vergessen, kann die Realität unter Umständen auch mal bedrohlich sein.
Repräsentieren die Protagonisten ein typisches Großstadtleben oder glauben Sie, diese Art Fans existiert nur in New York?
Christlieb: Sie repräsentieren auf jeden Fall ein typisches Großstadtleben – spannenderweise führen sie ein Leben innerhalb einer Großstadt, ohne die Großstadt als solche richtig zu nutzen. Die Interessen sind so einseitig, dass sie die Stadt drum herum völlig vergessen und ich glaube, dass so eine extreme Kinosucht nur in einer Metropole wie New York möglich ist, da es woanders gar nicht so eine reiche Kinoauswahl gibt. Diese Art Fans gibt es bestimmt auch in anderen Städten, aber so eine Form von Exzentrik habe ich bisher nur in New York getroffen.
Wie reagierten die Cinemaniacs, als sie erfuhren, selbst Teil eines Filmes zu werden?
Christlieb: Ich glaube sie sehen sich nicht so sehr als Schauspieler in einem Film. Außerdem wird von den meisten der Protagonisten das Genre Dokumentarfilm nicht wirklich ernst genommen. Sie haben sich sogar während der Dreharbeiten immer wieder über uns lustig gemacht, da wir statt Film auf Video gedreht haben, und für Jack und Roberta ist Video nicht wirklich eine Form von Filmkunst. Aber im Endeffekt waren sie stolz, daß sie Teil des Films wurden, o ja.
Ihr Film entstand 2001. Wie hat sich das Leben der fünf Filmfreunde, insbesondere nach den Anschlägen des 11. September, entwickelt?
Christlieb: Kurz nach dem 11. September war das Leben natürlich aus der Bahn geworfen. Ich habe mit Jack telefoniert, er hat mir erzählt, dass Roberta ganz verzweifelt war, weil die Kinos für ein paar Tage geschlossen waren. Sie hat die Anschläge gar nicht so sehr war genommen, die größte Bedrohung war eher, dass ihre Filmpläne durcheinander geworfen wurden. Aber ich denke, inzwischen ist wohl längst "Normalität" eingekehrt.
Wie erfolgte die Zusammenarbeit mit Stephen Kijak und Produzent Gunter Hanfgarn?
Christlieb: Gunter Hanfgarn habe ich in Berlin kennengelernt, ich habe ihm einen Trailer des Films gezeigt und er wollte den Film auf jeden Fall produzieren und hat sich sehr für Filmfördermittel eingesetzt. Meinen Co-Regisseur Stephen Kijak habe ich in New York im Kino kennengelernt, als er bereits ein Porträt über Jack gedreht hatte. Ich habe ihn spontan gefragt, ob er an einer Zusammenarbeit mit mir interessiert ist, weil ich es sinnvoll fand, lieber mit der Konkurrenz zusammenzuarbeiten, als zu befürchten, dass eventuell zwei Filme zur gleichen Zeit entstehen. Und wirklich, wir haben uns auf Anhieb gut verstanden.
Stereo Total arrangierten den Titelsong für Cinemania. Wie kam es dazu?
Christlieb: Stephen und ich waren in Berlin auf einem Konzert von Stereo Total. Wir fanden, daß das genau die richtige Musik für unseren Film sei und haben sie nach dem Konzert angesprochen, ob sie nicht Lust hätten, ein Titellied für den Film zu schreiben. Beide fanden unsere Filmprojekt spannend, und haben quasi über Nacht einen Titelsong für uns entwickelt, welcher genau unseren Vorstellungen entsprach.