ARD-Pressekonferenz vom 26.06.2018

Das ist eine spannende Frage, aber ich werde mich dazu nicht äußern.

ARD-Intendant Ulrich Wilhelm und Programmdirektor Volker Herres sprachen auf einer Pressekonferenz über den Telemedienauftrag, gemeinsame Plattformen mit privaten Anbietern, Sponsoring, Rundfunklizenzen, Angela Merkels erneutes Solo bei Anne Will und warum die ARD von der FIFA die WM-Übertragunsrechte kauft.

ARD-Pressekonferenz vom 26.06.2018

© Planet Interview

Am 26.06. fand in Berlin eine ARD-Pressekonferenz statt. Hier gibt es die Video-Aufzeichnung. Die Mitteilungen der ersten 30 Minuten lassen sich im Wesentlichen auf ARD.de nachlesen. Es waren ca. 20 Medienvertreter anwesend, die etwa 40 Minuten Zeit hatten, Fragen zu stellen.

Erwähnenswert:

– Die ARD wird in Zukunft gemeinsam mit privaten Anbietern zusammen auf verschiedenen Ausspielplattformen präsent sein. Zitat Ulrich Wilhelm: „Selbstverständlich wird es unterschiedliche Plattformen geben an denen wir auch immer wieder mit unterschiedlichen Partnern beteiligt sind.“

– Die ARD finanziert zwar mehrere öffentlich-rechtliche Youtube-Kanäle, möchte aber nicht Stellung beziehen in der Diskussion um Rundfunklizenz-Forderungen an private Streamer. Zitat Ulrich Wilhelm: „Das ist eine spannende Frage, aber dazu werde ich mich nicht äußern, weil es die Kompetenzen einer anderen Ebene angeht.“

– Ulrich Wilhelm erklärt, warum die ARD die Fußball-WM-Übertragungsrechte von der FIFA kauft, obwohl die Organisation als korrupt gilt und das Thema Menschenrechte ignoriert.

– Volker Herres erklärt das erneute Solo von Angela Merkel bei Anne Will u.a. damit, dass Angela Merkel die Bundeskanzlerin ist.

– Die Firma Telepool, an der BR, MDR und SWR beteiligt sind, wird verkauft, an ein Investoren-Duo aus Will Smith und Marc Forster. Der Kaufpreis bleibt aber geheim.

Im Folgenden die Pressekonferenz in Auszügen:

Thomas Bellut hat für Sportgroßereignisse ein ständiges nationales Sendezentrum ins Gespräch gebracht. Wie realistisch ist es, so eine Einheit fest zu installieren?

Ulrich Wilhelm: Auch wir haben das angekündigt, als ein Ziel das durchaus lohnen würde, verfolgt zu werden. Wir haben es intensiv auch gestern besprochen, welche Qualifikationen wir dafür brauchen. Wir haben zwischen ARD und ZDF in Teilen auch unterschiedliche technische Systeme, etwa bei der Grafik, bei den Redaktionssystemen, bei uns kommt der Hörfunk mit dazu. Auch wenn das Ziel vernünftig ist, will das im Detail bedacht sein. In den nächsten Wochen werden wir die Gespräche mit dem ZDF aufnehmen, wir haben einen Zeitdruck, denn 2020 gibt es mehrere Großereignisse gleichzeitig. Sinnvoll wäre es, wenn es uns gelingt, gemeinsam mit den Kollegen in Mainz etwas Dauerhaftes anzubieten, für die unterschiedlichsten Großereignisse des Sports, olympische Sommerspiele, Winterspiele, Fußball-Europa- und Weltmeisterschaften. Heute arbeiten wir auch schon gemeinsam, in Baden-Baden und Leipzig, aber da wird noch ad hoc entschieden, wo wir hingegehen und wie wir es mit der Ausrüstung machen. Das Ziel eines solchen NBC wäre, dass wir eine dauerhaft etablierte Lösung gewinnen.

Es gibt gewissen Unmut, wenn in der WM-Berichterstattung die ARD von Baden-Baden an den Tegernsee schaltet. Hat man Philipp Lahm nicht nach Baden-Baden bewegen können um effizienter zu sein?

Volker Herres: Was haben Sie gegen den Tegernsee? Der ist wunderschön, und ein Schalte von Baden-Baden an den Tegernsee löst auch keine besondere Kosten aus. Jessy Wellmer macht das exzellent, es sind spannende Gespräche, es bringt ein Stückchen Abwechslung in die Reihe. Mir gefällt’s.

Zum Thema Telemedienauftrag: Matthias Döpfner sagte vor zwei Wochen, der WDR und RBB hätten sich schon deutlich verändert, andere würden folgen müssen. Wie spürbar werden sich die Informationsportale der ARD verändern?

Ulrich Wilhelm: Da ist keine Lösung über Nacht denkbar. Der Gesetzgeber wird es bis ca. Mai 2019 noch bearbeiten, mit Inkrafttreten wird gerechnet im Mai oder Juli 2019. Wir werden umgehend daran gehen, etwas auszuarbeiten. Wir müssen erreichen, dass wir eine gemeinsame Anwendung des im nächsten Jahr geltenden Rechts bekommen, und dass wir auch gemeinsam über die journalistischen Workflows sprechen. Das, was wir in den Gesprächen mit den Verlegern erörtert haben, wo wir einen gemeinsamen Geist erreicht hatten, dass wir das in den Mittelpunkt stellen und dafür heranziehen, wie wir das konkret gestalten.
Wir werden jetzt Gespräche zwischen Onlinern und Juristen, den technisch verantwortlichen Kollegen in neun Häusern führen und jeweils untereinander koordinieren, dass wir eine gewisse Einheitlichkeit der Rechtsanwendung bekommen.

Herr Wilhelm, Discovery und ProSieben haben eine gemeinsame Video-Plattform vorgestellt und explizit ARD/ZDF/RTL zur Kooperation eingeladen, gemeinsam einen „deutschen Champion“ zu schaffen. Wäre das interessant für Sie?

Wilhelm: Die Idee, die ich ins Gespräch gebracht hatte, war noch weiter gedacht, das sollte nicht nur Unterhaltungsangebote betreffen, sondern auch Themen wie Information, Kultur, Wissenschaft, Bildung, aber das schließt nicht aus, dass es eine ganze Reihe von weiteren Lösungen und auch Allianzen gibt. Das ist eine interessante Entwicklung für den Markt in Deutschland sowieso und wir werden uns das genau ansehen. Das Angebot von Prosieben Sat.1 und Discovery – wir werden uns damit beschäftigen. Aber ich kann in einem so frühen Stadium nicht sagen: wir machen das oder wir machen das nicht. Wir werden uns das genau erläutern lassen und einmal sehen, welche Möglichkeiten sich ergeben.
Das gilt auch für eine Reihe anderer Initiativen, die aber noch nicht alle publik gemacht wurden. Es gibt durchaus den gemeinsamen Aspekt der Bündelung der Kräfte, der Bündelung von Reichweite, des Eingehens neuer Kooperationen, die vielleicht früher sich so vielleicht gar nicht gefunden hätten.
Dadurch, dass „Germany’s Gold“ damals nicht kommen konnte, durch die Entscheidung des Bundeskartellamts: Also, die eine Lösung, die sehr früh in einer Marktentwicklung eigentlich für alle Beteiligten interessewahrend geglückt wäre, ist nicht zustandegekommen. Jetzt gibt es die unterschiedlichsten Überlegungen, die aber nie dem nahe kommen, was man damals konzeptionell entwickelt hat.

Können Sie sich vorstellen, dass es nicht auf eine, sondern auf mehrere Plattformen hinausläuft, an denen sich unterschiedliche Teilnehmer beteiligen? Oder ist nach wie vor das Ziel: eine gemeinsame Plattform für alle?

Wilhelm: Es gibt aus dem Verlagsbereich spannende Ideen, nicht immer B2C-Modelle sondern auch B2B innerhalb der Medien. Selbstverständlich wird es unterschiedliche Plattformen geben an denen wir auch immer wieder mit unterschiedlichen Partnern beteiligt sind. Gerhard Zeiler hat bei einer Anhörung zum ORF in Wien gesagt, dass jeder Sender, jedes wichtige Medium eine Multiplattform-Strategie braucht, dass das fürs Überleben zentral wichtig ist. Ich glaube, er hat absolut Recht. Wie erreichen wir in einer Gesellschaft, die sich immer weiter auffächert, wo die Mediennutzung immer spezifischer wird, in den Altersgruppen, in den unterschiedlichen Milieus, wie erreichen wir weiterhin alle? Das ist ein riesiger Anspruch. Im linearen Bereich haben wir verlässlich große Mehrheiten, aber mit der zunehmenden Nutzung von mobilem Internet beileibe nicht mehr alle. Da ist der Aufwand, den wir alle betreiben müssen, die Zeitungen, die privaten Radio- und Fernsehsender genauso, auch Parteien, Gerichte, Polizeibehörden – der Aufwand, um alle zu erreichen wird immer größer. Und vieles davon, was man an Aufwand leistet, kann man auch vernünftiger Weise nicht alleine realisieren, sondern mit Partnern. Insofern: Natürlich werden wir auf unterschiedlichen Plattformen, mit unterschiedlicher Ausgestaltung, mit ganz verschiedenen Partnern arbeiten über die nächsten Jahre.
Meine eigene Idee bezog sich auf etwas Größeres, weil es auch um das Thema geht: Wie ist die Möglichkeit in Europa, über Algorithmen Aufmerksamkeit zu steuern. Wir unterliegen in diesem digitalen öffentlichen Raum letztlich vollständig der Dominanz einiger weniger Unternehmen aus den USA, die die Kontrolle auch haben über den Algorithmus und auf diese Weise die Relevanz, die Sichtbarkeit von Inhalten aller Art, ob aus Informationswelten, Bildungs- Unterhaltungswelten, wie auch immer, was für Millionen Menschen tatsächlich Gegenstand ihres Interesses ist, wird da gesteuert. Und mir scheint es nicht einzuleuchten, dass so etwas in Europa nicht auch als ein großes Projekt angepackt werden könnte. Aber das ist ein Thema, wo wir nur Interesse anmelden, mit unseren Inhalten das zu begleiten, wo es aber einen Akt braucht, der natürlich weit über die Medien hinausgeht.

ARD und ZDF erstellen mit Hilfe des Rundfunkbeitrag ständig neue Inhalte für über 60 Youtube-Kanäle, inklusive Gaming Channel. Gleichzeitig verlangen die gebührenfinanzierten Landesmedienanstalten (LMA) von privaten Youtubern bzw. Streamern ab 500 Zuschauer den Erwerb einer „Rundfunklizenz“, Kostenpunkt: vier bis fünfstellig. Auch von Leuten, die zum Beispiel dort nur zeigen, wie sie ein Auto waschen. D.h. ARD und ZDF dringen via „Funk“ in die Youtube-Welt vor, während die LMAs von privaten Youtubern bis zu fünfstellige Beträge für eine Lizenz verlangen. Befürworten Sie dieses Vorgehen der Landesmedienanstalten gegenüber den privaten Youtubern und Streamern?

Wilhelm: Das ist eine spannende Frage, aber dazu werde ich mich nicht äußern, weil es die Kompetenzen einer anderen Ebene angeht und weil wir in unserer Zusammenarbeit mit Youtubern, mit Publikum, oder auch mit den Plattformen, das so nicht machen. Aber bitte erwarten Sie von mir keine Bewertung zu dieser Initiative, die aus dem Medienrecht kommt, und zusammenhängt mit der Rechtsanwendung und Auslegung von Medienrecht.

Zum Telemedienauftrag: Wie arbeitet die Schlichtungsstelle (zwischen Privaten und Öffentlich-Rechtlichen), die wohl von Ihnen mal geleitet wird als auch mal von Herrn Döpfner?

Wilhelm: Es ist eine Schlichtungsstelle, die keine Entscheidungen treffen wird, dann wäre es eine Schiedsstelle. Es ist aber eine Schlichtungsstelle, die hat Empfehlungen auszusprechen.
Ob eine Empfehlung aufgegriffen wird oder nicht, liegt weiterhin in der Verantwortung der Geschäftsleitung der jeweiligen Anstalt, womöglich auch mit Beteiligung von deren Gremien. Wenn das nicht zur Zufriedenheit eines beschwerdeführenden Verlages ausgeht, dass eine Empfehlung nicht übernommen wird, bleibt weiterhin der Weg zu Gericht. Es ist keine Ersatzmaßnahme anstelle einer Entscheidung der Intendanten, die ja in der publizistischen Verantwortung stehen, sondern es hat empfehlenden Charakter. Auf der anderen Seite ist es sinnvoll, weil wir im Gespräch bleiben, weil wir über die unterschiedlichsten Fälle, von denen jeder jeweils ein bisschen anders ist, ja auch unsere Angebote sich unterscheiden im Detail, weil wir darüber im Gesamtzusammenhang reden können. Wir waren uns einig (mit den privaten Anbietern): Maßgebend sind journalistische Maßstäbe, wo Kollegen, die das gleiche gelernt haben, miteinander sehen können, ist es in dieser Situation des Geschehens unter dem Eindruck aktueller Entwicklungen usw. ein Angebot das gedeckt ist von den rechtlichen Vorschriften oder nicht. Aber keine bürokratische abgehobene Schau der Dinge, sondern ein journalistischer Maßstab, wo Leute auch vom gleichen Fach sich austauschen können.
Was die Diskussion anbelangt: Es gab ein bestimmtes Ergebnis der Gespräche im kleinen Kreis, und ich habe dann jeden Kollegen einzeln angerufen und zum Teil sehr lange Gespräche geführt. Ich wollte das Einverständnis aller einholen, was ich auch bekam, und das ich dann an den Länderkreis zurückgeben konnte. Wir alle neun Intendanten der ARD stehen zu diesem Ergebnis. Das Gleiche fand auf Verlagsseite statt, da gab es eine Befassung von einer Woche, des Präsidiums, wo Matthias Döpfner einen Brief geschickt hatte mit seiner Bewertung, aber die Rückläufe aller musste er abwarten und dann konnte er melden ‚unsere Seite steht dazu‘. Heute und gestern abend ging es um die Frage: Wie setzen wir das jetzt um, so dass es möglichst, wie von mir schon gesagt, koordiniert und gemeinschaftlich erfolgt. Und dass wir auch die vielen redaktionellen Entscheider einbinden können. Denn wir haben ja wirklich sehr dezentrale Angebote, es gibt so viele verschiedene Gefäße und Angebote, mit sehr vielen Entscheidungen, die dann auch dezentral erfolgen, jede Minute, im Netz um hier eine gemeinsame Auslegung des dann geltenden Rechts zu erzielen müssen wir im Gespräch bleiben, und das werden wir tun.
Was den Vorsitz anbelangt: Es gibt keinen Wechsel wo Matthias Döpfner oder ich Vorsitzende sind, sondern die Schlichtungsstelle ist paritätisch besetzt. Tatsache ist, dass es so eine Schlichtungsstelle gibt, wie wir das dann miteinander aufsetzen werden, das wird Gegenstand von kollegialen Gesprächen in den nächsten Wochen und Monaten sein.

Die ARD wirbt jetzt mit „wird sind deins“. Gibt es über diese PR-Tools hinaus Formate, wo man, wie früher, wo normale Menschen, die nicht die Gelegenheit haben, hier an der Pressekonferenz teilzunehmen, Fragen stellen können – um dieses „wir sind deins“ sinnlich erfahrbar machen zu können?

Wilhelm: Wir hatten im BR eine große Publikums-Aktion unter dem Titel „Mitmischen“ wo wir einem sehr breiten Kreis angeboten hatten, nicht nur wie beim Tag der Offenen Tür flüchtig zu sehen, wie die Studios aussehen oder was ein Mischpult ist, sondern ganz nah dabei zu sein, wie wir arbeiten. Bei Redaktionssitzungen dabei zu sein, mitzubekommen, wie werden Themen ausgewählt, aufbereitet, mit Regionalkorrespondenten vor Ort zu sein, aber auch bei vielen anderen Bereichen des Hauses.
Über 50 Redaktionen haben mitgemacht, und die Bürger, die dabei Zeit im Haus verbracht haben, konnten dann ihre Eindrücke mitteilen, wir haben eine Sendung „jetzt red i“ gemacht, wo Programmverantwortliche mit dem Publikum live diskutiert haben über Anregung und Kritik, Zustimmung aber auch negative Einschätzungen, ich selbst habe eine Sendung in Bayern 2, Tagesgespräch, mit Hörerinnen und Hörern gemacht usw. Ich weiß von vielen Häusern, dass es Ähnliches gibt in immer wieder eigenen Ausgestaltungen. Ich halte das für zentral wichtig, nicht nur, um sich zu entlasten oder zu zeigen, was man da gemacht hat, sondern um wirklich genau hinzuhören und auch Einschätzungen zu gewinnen.
Bei „Mitmischen“ hatten wir viele Themen, ein Landwirt sagt, wir seien zu sehr an den Themen der ölkologischen Landwirtschaft dran, die Themen der konventionellen Landwirtschaft kämen nicht bei uns zu Wort. Jeder innerhalb seiner eigenen Lebenserfahrung. Wichtig ist, darauf einzugehen, und auch da, wo man sagt, da könnte was dran sein, dass dann auch anzunehmen.

Sie haben vorhin eine Zahl kommuniziert: Rundfunk für alle, 80%. Was ist mit den 20%, die sich nicht angesprochen fühlen vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk, was ist das Ihrer Meinung nach für eine ‚Bevölkerungsschicht‘?

Wir haben zwei verschiedene Reichweitenwerte, die 94% Wochenreichweite und 80% Tageswert. Das sind Durchschnittswerte für Deutschland. Bei den Über 65-Jährigen sind die Werte herausragend hoch, bei den Unter 50-Jährigen etwas schwächer. Aber nicht so, dass man sagen kann, wir seien ein Netzwerk, das Angebote für die älteren Menschen macht. Sondern es gibt sehr viele Menschen, gerade bei den unter 25-Jährigen in stark wachsender Zahl, die uns vielleicht weniger linear verfolgen, sondern über die Mediatheken, Apps und andere Angebote. Die unterschiedlichen soziologischen Befunde im Detail können wir noch austauschen, die sind nicht dramatisch neu, sondern es sind die Beobachtungen, die wir seit Jahren schon machen.
In manchen Gruppen gibt es sehr intensive Nutzung, gerade Menschen die sehr stark an Politik und Kultur interessiert sind, die stark an Sport interessiert sind, nutzen mit Begeisterung die Angebote des Sports bei uns, Leute, die stark an Unterhaltung interessiert sind finden mitunter weniger bei uns… so gibt es die ganzen Aufschlüsselungen. Wir bemühen uns stärker auf die Gruppen zuzugehen denen wir vielleicht noch nicht dasselbe anbieten können wie einer großen Mehrheit.

Herr Herres, Sie haben nach der ersten Folge von „Was Deutschland bewegt“ eine aus ARD-Sicht ernüchternde Quoten-Kurve getwittert. Welche Schlüsse ziehen Sie aus der Ausstrahlungen der Dokumentationen am Montagabend?

Herres: Andere Schlüsse als manche aus dem Tweet gezogen haben. Ich fand das eine ganz tolle Idee, sonst hätten wir das auch nicht gemacht, für sechs Wochen abweichend vom Schema, mit „Die Story“ auf 20.15 Uhr zu gehen. Und wir haben damit ein Ziel verbunden: Nämlich im Bereich der Dokumentation, so wie es der Titel verspricht „was Deutschland bewegt“ noch aktueller zu sein, noch näher bei den Themen zu sein, von denen wir vermuten, dass sie die Menschen bewegen, vor allem auch in einer anderen Qualität, State of the Art, Dokumentationen zu produzieren. Ich finde, die sechs Teile haben gezeigt, dass das ganz gut geht. Sie haben auch gezeigt, wie realistisch man sein muss, was das Verhalten des Publikums angeht. Wir hatten die Hoffnung und das Ziel, wenn wir es in dieser Qualität durchhalten, in den Bereich zweistelliger Marktanteil zu kommen. Das sind wir mit dem Teil „Ungleichland“, das hat 10% erreicht, das zeigt es geht. Die anderen Stücke haben das nicht ganz geschafft, da haben wir einen Schnitt von 7,5%. Wir haben noch nicht finalisiert, welche Schlüsse wir daraus ziehen. Ein paar kann ich sagen: a) es geht, b) es ist besonders interessant, wenn man es thematisch so hinbekommt, dass es die Möglichkeit der Öffnung gibt für „Hart aber fair“, das anschließend läuft, sich thematisch draufzusetzen. Dann haben Sie einen guten Audience-Flow, und können journalistisch ein Thema richtig intensiv behandeln, dokumentarisch und im Gespräch vertiefend, das ist ein sehr öffentlich-rechtlicher Ansatz.
Wir haben den Schluss daraus gezogen, dass wir an der Frage „was bewegt die Menschen“ noch intensiver arbeiten müssen und sehen, dass wir diesen Standard noch weiter qualitativ noch vorne bringen. Dann kann es gelingen, auch in der Primetime mit solchen Stoffen immer wieder an den Start zu gehen.
Wir hatten jetzt in der Zeit auf dem Sendeplatz nach den Tagesthemen 22:45Uhr ein Format von RadioBremen „Rabiat“, das fand ich eine ungewöhnliche Form von Reportagen. RadioBremen würde das nächstes Jahr wiedermachen und ich auch – und wenn zwei etwas wollen, kommt es meistens zustande.

Zur Diskussion um sexuelle Belästigung innerhalb der ARD: Herr Henkel (Programmbereichsleiter) beim WDR wurde gekündigt, es gibt eine branchenübergreifende Beschwerdestelle von Frau Grütters – ist das Thema damit für die ARD vom Tisch? Oder was bleibt von der Diskussion?

Wilhelm: Vom Tisch ist das natürlich nie. Da ist jeder nicht gut beraten zu sagen, „wir haben das bei uns in der Institution ein für alle mal gelöst“ – Natürlich nie. Das ist eine echte Daueraufgabe, die auch mit Kulturwandel einhergehen muss, es ist ganz konkret in den Häusern für uns täglich eine Aufgabe immer wieder dafür zu werben, dass Betroffene sich auch anvertrauen, dass sie nicht Dinge hinnehmen, die nicht hinzunehmen sind, sondern dass es von uns verschiedene Möglichkeiten gibt, uns Dinge anzuvertrauen, von Angeboten über betriebliche Beschwerdestellen, Ombudsleute, Personalrat, Intendanzen, Gremien-Büros – es gibt viele unterschiedliche Ansprechstellen. Ich glaube, dass das auch gut ist, weil es ja immer höchst persönlich ist, mit wem man auch sprechen kann oder mag. Wir tauschen uns innerhalb der Anstalten auch aus über die Lösungen, die erfolgversprechend waren, einige schalten auch externe Anwaltsbüros ein. Da gibt es viele Elemente. Wir haben es zum Teil in der Ausbildung gemacht, bei den Azubis, in der Volontärsausbildung, es gibt mittlerweile dazu auch verpflichtende Angebote bei Führungskräften, Fortbildungen und dergleichen mehr. Die Idee von Monika Grütters wurde auch mit von uns angeregt, aus der ARD heraus mit angestoßen. Es ist glaube ich günstig, nicht nur speziell auf die ARD und den Rundfunk zu schauen, sondern das Thema weiter anzugehen. In diesem Fall für die kreativen Branchen im weiteren Sinne. Aber es ist nicht nur da ein Thema, sondern man muss wirklich sagen, es ist gesamtgesellschaftlich ein Thema. Ich würde niemals sagen, auch bei mir im Haus, es ist alles zum Besten bestellt, sondern man kann immer nur werben dafür, dass wir eine Veränderung bekommen in die gemeinsam gewollte Richtung.

Eine Frage Zum erneuten Solo-Auftritt von Angela Merkel bei Anne Will: Herr Herres, Sie sagten im September 2017, es sei „mit Sicherheit kein Gesetz“ dass Frau Merkel nur alleine zu Anne Will kommt, während Anne Will selbst sagt, eine Sendung mit anderen Talkgästen das macht Angela Merkel nicht und da kriegen wir sie auch nicht zu.“ 1. Bleiben Sie bei Ihrer Darstellung? 2. Wie erklären Sie die Sonderbehandlung von Angela Merkel in der Talkshow Anne Will?

Herres: Ich weiß gar nicht ob es Gesetze für journalistische Formate gibt.

Das war nur ein Zitat von Ihnen.

Herres: Dann ziehe ich das mit Bedauern zurück, wenn ich das tatsächlich so formuliert haben sollte. Nein, es gibt im Journalismus keine Gesetze, nach denen man Programm macht. Sondern Programm macht man nach journalistischen Kriterien. Und wenn Sie sagen „Sonderbehandlung“ – Wenn ich richtig informiert bin ist Frau Merkel die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland und befindet sich zur Zeit in einer äußerst schwierigen, politischen Situation. Und in einer solchen Situation ist es natürlich unglaublich spannend, auch monothematisch mit der Bundeskanzlerin ein Gespräch in der gesamten Sendelänge zu führen. Das finde ich, ist journalistisch eine absolut richtige Entscheidung, wenn man die Gelegenheit hat, das auch zu nutzen und dort kritisch die Bundeskanzlerin zur aktuellen Situation zu befragen.

Wird denn überhaupt versucht, zu einer Sendung mit Angela Merkel noch andere Talkgäste einzuladen?

Herres: Die Redaktion stellt jeweils das zusammen was sie in der Woche für das Adäquate hält. Ich bin nicht Mitglied der Redaktion, ich nehme an den Redaktionsdiskussionen nicht teil aber ich bin ganz sicher, dass in der Redaktion von Anne Will, die angebunden ist an den NDR, der federführend ist, dadurch gibt es eine Redakteurin, die ich persönlich kenne, sehr schätze, eine sehr kluge, unabhängige Frau, dann gibt es einen Chefredakteur, den ich selbst mal ausgesucht habe in meinem früheren Leben, der auch ein sehr kluger unabhängiger Mann ist – und all die diskutieren miteinander Woche für Woche: Was machen wir am Sonntag bei Anne Will? Sie können sicher sein, das machen die nach journalistischen Kriterien.

Zum Thema Sponsoring: Nach welchen Kriterien hat die ARD die Sponsoren für die WM-Live-Übertragungen ausgesucht? Foodwatch stuft das Getränk Coca-Cola als gesundheitsgefährdend ein, ist die ARD gezwungen, dafür zu werben?

Herres: Ich bin nicht im Einzelnen in der Rechtslage drin. Wir sind nicht Alleinentscheider in der Frage, wir nehmen die, die wir in Abstimmung dann bekommen. Sie können immer sagen, wie bei Coca-Cola, irgendetwas ist ungesund, Sie können sich auch vegan schminken, auch das gibt es, weil man der Auffassung ist, das sei wichtig. Alles, was im normalen Gebrauch ist, Produkte, die Menschen nutzen, ist potentiell auch bei uns als Sponsor möglich.

Was halten Sie von dem Vorschlag der Sechs-Länder-AG, eine Neubeauftragung der ARD vorzunehmen und den Etat über eine Indexierung zu berechnen? Wäre es aus Ihrer Sicht interessant bei mehr Eigenverantwortung einen wahrscheinlich kleineren Gesamtetat zur Verfügung zu haben als einen der von der KEF berechnet wird?

Wilhelm: Indexierung und Budgetierung bieten interessante Anreize, im Gesamtverbund sorgsam zu wirtschaften, weil sie auch ein Eigeninteresse begründen, sparsam zu arbeiten. Es kommt entscheidend an auf die konkrete Ausgestaltung einer solchen Lösung. Und die muss sich im Art.5 GG Pressefreiheit/Rundfunkfreiheit in dem vom Verfassungsrecht gezogenen Rahmen bewegen muss. Weil wir am Ende als Grundrechtsträger auch immer die Bedingungen brauchen um den Auftrag den das Grundgesetz uns gegeben hat, wahrzunehmen, aber die konkrete Ausgestaltung liegt uns ja nicht vor. Es gibt diese Idee, diese Initiative von sechs oder sieben Ländern, es gibt ein Gespräch, das in diesem Jahr noch ganz intensiv geführt werden wird. Uns ist es wichtig, dass wir den Ländern dafür zur Verfügung stehen, dass wir auch ihre Einladungen annehmen über die konkrete Ausgestaltung zu reden und dass wir mitwirken und dabei auch darauf hinweisen, was wir auf dem Boden der Rundfunkfreiheit für unsere Arbeit brauchen, für die pflichtgemäße Erfüllung unseres Auftrags.

Die ARD hat die Firma Telepool verkauft. Können Sie etwas zum Hintergrund sagen und zu den Summen?

Wilhelm: Die Telepool gehörte den Gesellschaftern, das sind einzelne Häuser der ARD.

Albrecht Frenzel (Verwaltungsdirektor BR): Gesellschafter der Telepool sind die Telvetia, der BR, der MDR und die SWR Media Services GmbH. Die Telepool ist verkauft worden an ein Investoren-Duo um den Produzenten Marc Forster und den Schauspieler Will Smith. Die beiden haben als strategische Investoren diese Firma übernommen.
Es war der Grund, dass das Geschäftsmodell der Telepool immer schwieriger in Übereinstimmung zu bringen war mit unseren Vorgaben, die auch immer strenger ausgelegt werden: Wo dürfen sich Rundfunkanstalten an Firmen noch beteiligen? Wenn Sie im Filmrechtehandel unterwegs sind, ist es nicht mehr nur das Kerngeschäft, aus unserer Sicht, die Rechte zu sichern und zu vertreiben die das Fernsehen betreffen, sondern es sind ganze Pakete, die hineinreichen bis in den Bereich Gaming. Das ist nicht mehr durch unseren gesetzlichen Auftrag gedeckt, und wir haben gesagt, wir passen als öffentlich-rechtliche Gesellschafter auf Dauer nicht zu so einer Company.

Können Sie etwas zum Verkaufspreis sagen und wie er dem Beitragszahler zu Gute kommt?

Frenzel: Nein.

+++ Die folgenden Fragen wurden im Anschluss an die Pressekonferenz gestellt. +++

Herr Wilhelm, es ist durch den Rundfunkstaatsvertrag (§ 4, Abs.1&2) geregelt, dass bei einer Fußball-WM alle Spiele mit deutscher Beteiligung, sowie Eröffnungsspiel, Halbfinale und Finale im Free-TV zu sehen sein müssen, egal ob bei ARD/ZDF oder Privatsendern (sogenannte „Listenregelung“). Zudem haben Sie in der ARD in „Putins Meisterwerk“ gezeigt, wie egal der FIFA die Menschenrechte und ZDF-Reporter Markus Harm hat die FIFA als „durchzogen von Korruption“ bezeichnet. Finden Sie es trotzdem sinnvoll, dem Bürger abzuverlangen, dass er pro WM 2,50 Euro an die FIFA zahlt?

Wilhelm: Sport gehört zur Grundversorgung, das ist seit langen Jahrzehnten anerkannt. Viele Menschen, die den Rundfunkbeitrag zahlen, erwarten auch Angebote auf dem Felde des Sports, und zwar nicht nur Zusammenfassungen wie in der Sportschau, sondern immer wieder auch Live-Übertragungen von großen Turnieren.

Und genau das garantiert die Listenregelung – egal welcher Sender überträgt.

Wilhelm: Wir lösen das Thema so, dass wir auf der einen Seite, den vielen Millionen Menschen, die das auch bei uns erwarten und ihren Rundfunkbeitrag auch in der Erwartung zahlen, dass es das gibt, die Übertragungen geben und auf der anderen Seite aber auch, in Unterschied zu manchen kommerziellen Unternehmen, sehr entschieden berichten über Vorgänge, die es bei Verbänden des Sports, die im organisierten Sport passieren, ob das Doping-Themen sind, die Vergabe von Turnieren und dergleichen. Also, das Journalistische nicht zu kurz kommen lassen, sich auch nicht davon bestimmen lassen, dass wenn man Rechte gekauft hat, bei dem Thema sich neutral verhalten muss, sondern wir machen beides. Wir sind auf der anderen Seite aber auch journalistisch-kritisch unterwegs, mit den Kolleginnen und Kollegen, die das bei uns den Redaktionen machen, Hajo Seppelt zum Beispiel, die investigativ arbeiten. Ich halte das für eine glaubwürdige Lösung.

Wenn Sie die Rechte nicht erwerben würden: Die Spiele der deutschen Mannschaft, ebenso Eröffnungsspiel, Finale und Halbfinale würden trotzdem im Free-TV zu sehen sein, Sie hätten 200 Millionen mehr in der Kasse und ich wäre nicht gezwungen, an die FIFA zu zahlen.

Wilhelm: Die Listenregelung deckt nicht alles umfassend ab. Sie ist in den europäischen Ländern unterschiedlich ausgestaltet, in England z.B. sind mehr Ereignisse auf der Listenregelung und damit immer im Free-TV, als in Deutschland. Für uns ist es einfach so: Wenn wir tatsächlich alle Menschen erreichen wollen, und dass ja auch vom Gesetzgeber her sollen, dann gehört Sport und auch Live-Sport für uns genauso dazu wie Unterhaltung, Film und eben Kultur und Information.

3 Kommentare zu “Das ist eine spannende Frage, aber ich werde mich dazu nicht äußern.”

  1. Sascha (RBB-Netz) |

    selten so einen käse gelesen

    Antworten
  2. Lotte (RBB-Netz) |

    peinliche Headline, peinlicher text, das ist kein journalismus.

    Antworten
  3. schock (RBB-Netz) |

    „Ich bin nicht Mitglied der Redaktion, ich nehme an den Redaktionsdiskussionen nicht teil aber ich bin ganz sicher, dass in der Redaktion von Anne Will, die angebunden ist an den NDR, der federführend ist, dadurch gibt es eine Redakteurin, die ich persönlich kenne, sehr schätze, eine sehr kluge, unabhängige Frau, dann gibt es einen Chefredakteur, den ich selbst mal ausgesucht habe in meinem früheren Leben, der auch ein sehr kluger unabhängiger Mann ist – und all die diskutieren miteinander Woche für Woche: Was machen wir am Sonntag bei Anne Will?“

    Soll das ein Satz sein?

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