Frau Alter, Sie haben in den letzten Jahren in verschiedenen Formaten eine große Bandbreite von Themen bearbeitet, Mutproben vor der Kamera absolviert, einen Sex-Podcast produziert und online eine Late-Night moderiert. Wie sehr brauchen Sie die Abwechslung?
Ariane Alter: Als ich in der Grundschule war und dann auf das Gymnasium kam, wurde einem, zumindest in unserer Schule, relativ schnell klar gemacht, dass man studiert, einen Job macht und das war’s dann. Da wurde mir schon ganz angst und bange, weil ich gedacht habe: „Oh Gott, wie schrecklich. Das sind ja 1000 Jahre mit einer Thematik.“ Es gab Zeiten, wo ich Ärztin werden wollte. Da muss man den Facharzt machen und sich auch sehr spezialisieren. Das ist mir generell im Leben immer noch ein bisschen zuwider, sich selbst zu sehr in eine Schublade zu stecken. Spezialisierung ist eine super Sache, aber ich glaube bei Dingen wie Unterhaltung oder in einigen Themen, die den Alltag bestimmen – wie etwa Gaming oder Sexualität – kann man sich breiter aufstellen. Letztendlich finde ich das alles interessant und bin dankbar dafür, dass ich mich so breit aufstellen konnte.
Gab es bei der Diversifizierung der Themen in der Vorbereitung von „Late Night Alter“ Grenzen, auch seitens des ZDF?
Alter: Das gab es tatsächlich gar nicht. Bis jetzt habe ich das Gefühl, wir stellen uns da so auf, wie wir das gerne hätten. Wir nehmen die Themen, die wir gerne hätten. Das kommt durch diese Zeit natürlich schon hier und da etwas feministisch daher. Das sind Themen, bei denen manche vielleicht sagen, dass sie doch ein bisschen spitz bzw. monothematisch sind. Uns ist zum Beispiel wichtig, dass Diversität abgebildet wird. Bislang kam von Senderseite aber nicht: Zu sehr hier oder zu sehr da. Speziell beim Thema Feminismus muss man darauf achten, dass man alle mitnimmt. Denn es ist ja nicht alles immer so schrecklich, wie es manchmal hier und da klingt. Man würde sich auch sehr beschneiden, wenn man sagt, wir müssen jetzt hier nur feministische Themen hochpreschen. Weil daraus aber Humor und Gesprächsstoff entstehen, bieten sich natürlich einige Themen in diesem Themenfeld an.
Das Gute am Fernsehen und Internet ist ja, dass man es abstellen kann, wenn es einem zu nervig wird.
In Ihrer Online-Sendung „Gute Nacht, Alter“ war es der Running-Gag, dass Sie kein Stand-Up-Comedy machen. Haben Sie es sich für die neue Show anders überlegt?
Alter: Ich persönlich bin ein bisschen spitzfindig, was Stand-Up angeht. Ich finde, das ist ein richtiger Beruf, da arbeiten Comedians sehr lange und hart daran, dass das alles sitzt. Und Comedian ist ja jetzt nicht unbedingt meine Berufung. Es gibt zwar hier und da ‚One-Liner‘, um mal in dieser Sprache zu bleiben. Aber einen klassischen Stand-Up, wo man fünf Minuten alle zehn Sekunden eine Pointe bringt, wird es glaube ich nicht geben. Persönlich fällt mir da auch kein Late-Night-Moderator oder keine Late-Night-Moderatorin ein, bei dem oder der das so wunderbar geklappt hätte. Ich finde, da muss man ein bisschen bei seinen Leisten bleiben.
Wie gehen Sie damit um, wenn Sie aufgrund Ihres Sendeplatzes nun als Nachfolgerin von Jan Böhmermann betitelt werden?
Alter: Das wären auf jeden Fall große Fußstapfen. Allerdings habe ich so was noch gar nicht gehört, vielleicht höre ich bei dieser Thematik aber auch ganz bewusst weg.
Ich sehe das persönlich nicht so. Ich finde, so ein Sendeplatz ist ein bisschen wie eine Mietwohnung: Man bewohnt die , fragt sich aber nicht großartig, wer der Vormieter war, wer danach einziehen wird oder was ich für diese Wohnung bin. Natürlich sind die Erwartungen dadurch bestimmt ein bisschen größer. Aber am Ende des Tages ist es ein Sendeplatz, der bestimmt gelernt ist auf eine Art und Weise, aber Routine kann man ja auch erlernen. Deswegen sehe ich mich da gar nicht so sehr als Nachfolgerin von Jan Böhmermann oder als Ersatz.
In manchen TV-Studios sitzt inzwischen wieder Publikum, andernorts muss es wieder draußen bleiben. Welche Situation bevorzugen Sie?
Alter: Es ist einfacher ohne, aber viel schöner mit Publikum. Ich weiß nicht, ob das an meiner Community liegt, auf jeden Fall habe ich sehr gute Erfahrungen mit Publikum gemacht. Das Gefühl ist einfach ein ganz anderes, es ist viel aufregender und viel schöner. Zudem sind die Leute meistens sehr sehr sehr nett, was dazu führt, dass ein sehr besonderer Vibe dazukommt.
Sie erwähnten vorhin Ihre Schulzeit. Welche Erlebnisse dieser Zeit haben Sie besonders geprägt?
Alter: (überlegt) Ein prägender Satz aus meiner Schulzeit war: „Sei leise“. Das habe ich sehr oft gehört. Mir haben ein paar LehrerInnen gesagt, dass es einfach besser sei, etwas leiser zu sein. Im Sinne von: Nicht zu laut, nicht zu schrill, weniger individuell sein.
Weil es den Unterricht „leichter“ macht für LehrerInnen …
Alter: Wahrscheinlich ja. Wahrscheinlich aber auch, weil viele Menschen denken: „Laute Menschen sind einfach nervig.“ Das Gute am Fernsehen und Internet ist ja, dass man es abstellen kann, wenn es einem zu nervig wird. Das ging in der Schule natürlich nicht so gut.
Auf der anderen Seite gab es einige Lehrerinnen und Lehrer, die einem mehr Raum gegeben haben, für das, wer man ist oder wie man sein will, die gesagt haben: „Du bist sehr besonders. Behalt dir das mal, das ist sehr gut.“
Gab es dann während Ihrer bisherigen Karriere eine andere wichtige Lektion für Sie, einen Moment, wo Sie dachten: Wenn ich das zwei, drei Sendungen früher gewusst hätte, dann wäre alles anders gelaufen?
Alter: Klar. Wahrscheinlich wäre das der Tipp gewesen: Autogenes Training. Das Schlimmste in der ersten Zeit ist, dass man so wahnsinnig aufgeregt und die Kamera zunächst nicht dein Freund ist. Irgendwann freundet man sich an und ist nicht mehr ganz so aufgeregt, wenn dieser Freund um die Ecke kommt. Aber am Anfang wäre das der Rat gewesen: Mich mehr sammeln und mehr versuchen, die Aufregung wegzukriegen, als den Text rein.
Die zweite wichtige Lektion ist: Alles wird mehr oder weniger vorbeigehen. Vor ganz anstrengenden Tagen oder Interviews hilft mir der Gedankengang: „Das ziehst du einfach durch. Du musst nur noch heute bis heute Abend die Spannung halten – und dann ist alles gut.“
Je exponierter Sie sind, desto mehr Kommentare wird es nun auch in den Sozialen Medien geben. Was war der letzte Kommentar, über den Sie sich gefreut haben?
Alter: Es gab im Rahmen von meinem Podcast „Im Namen der Hose“ ein junges Mädchen, das mir geschrieben hat. Sie hatte in ihrem Intimbereich wenig Schönes gesehen, sich sehr dafür geschämt und ist deswegen jahrelang nicht zum Arzt gegangen ist – weil sie nicht glauben konnte, dass sie normal ist, sie war überzeugt, dass es nur schallendes Gelächter geben wird. Dann hat sie den Podcast gehört und schrieb, dass sie jetzt endlich einen Termin gemacht hat. Und dass sie sich jetzt nicht mehr schämt, zum Arzt zu gehen. So was hat mich zum Beispiel sehr berührt. Dass Menschen sich annehmen können, anscheinend dadurch, was ich durch ein Mikrofon erzählt habe.
Liebe Ariane Alter,
Du bist echt die beste! Du weißt es wahrlich die Themen witzig und originell zu interpunktieren. Da bleibt sogar bei mir was hängen. ;-)