Asian Dub Foundation

Der kreative Prozess ist immer am Laufen.

Aniruddha Das von der Asian Dub Foundation über das Album "Tank", die Wiederwahl George Bushs und die Verschmelzung unterschiedlicher Kulturen

Aniruddha, euer neues Album trägt den Titel "Tank". Wie kam es zu diesem Namen?
Dr. Das: So heißt auch ein Song auf dem Album und mit "Tank" ist der Panzer gemeint, der in Kriegen Menschen tötet. Der Titel bezieht sich auf das, was gerade im Irak passiert.

Wie ging es euch, als Bush im November 2004 wiedergewählt wurde, ward ihr geschockt oder habt ihr es erwartet?
Dr. Das: Nein, wir waren weder geschockt, noch überrascht. Ich meine, der kann doch machen, was er will… Das wurde sehr offensichtlich in den letzten Tag vor der Wahl. Am Ende bin ich mir gar nicht so sicher, ob es wirklich einen so großen Unterschied für die Welt gemacht hätte, wenn dieser andere… wie war sein Name doch gleich?… ja, dieser Kerry gewonnen hätte. Das hätte nur einen kleinen Unterschied gemacht. Die USA sind doch schon seit langer Zeit auf diesem Weg der ständigen Kriegsführung.

Ihr habt euch selbst oft die "21st Century Midi Warriors" genannt. Was bedeutet diese Bezeichnung und benutzt ihr sie auch heute noch?
Dr. Das: Das ist nur eine von vielen und sie hat mit unserer Verwendung von Musiktechnologie zu tun, damit, wie wir kämpferische Sounds mit dem uns verfügbaren Musik-Equipment kreieren. Uns gefällt es, Technik zu missbrauchen, wir sind Krieger und unsere Waffen sind die Beats, und der Name ist eine Bezeichnung dafür.

Es gibt mehr Club und Dance Sounds auf dem neuen Album – zielt ihr damit auf ein anderes, neues Publikum ab?
Dr. Das: Nein. Keine Ahnung. Es gibt bei uns kein Konzept ala "Das wird jetzt so und so klingen". Wie es wirklich klingen wird, wissen wir selbst nicht bis das Album fertig ist. Bei etwa drei Vierteln des Prozesses haben wir das Gefühl, dass wir uns der Form des Albums nähern, aber wir produzieren unsere Musik nicht im Hinblick auf ein bestimmtes Publikum.

Wie muss man sich die Entstehung, diesen Prozess vorstellen? Gibt es zuerst den Songtext oder…?
Dr. Das: Das ist immer unterschiedlich. Der kreative Prozess ist immer am Laufen, unabhängig davon, ob ein neues Album gemacht wird. Jeder einzelne in der Band macht unentwegt Musik und hat Zugang zur Technik – egal ob nun Laptop, ein Drum-Computer oder was auch immer. Das ist ein pausenloser Prozess. Im Grunde werden die Ideen von einem Mitglied zum anderen weitergereicht und das kollektive Prinzip der Band bedeutet, dass jede Idee gehört wird. Jeder Song hat praktisch Input von jedem Mitglied der Band.

Habe ich das richtig verstanden: ihr macht nichts direkt gemeinsam, die Aufnahmen gehen von einer Person zu anderen und jeder hört es sich allein an?
Dr. Das: Das ist mal so mal so. Manchmal hocken wir in einem Raum zusammen… aber die heutige Technik and Laptops ermöglichen, dass man das nicht unbedingt machen muss, man kann ja Ideen auf eine CD brennen etc.

Ihr verwendet auf "Tank" auch indische Instrumente, z.B. die Dhol im Song "Warring dhol". Insgesamt vermisst man aber die bekannten indischen Klänge und Instrumente in den meisten Songs.
Dr. Das: Ja? Der elektrische Bass ist ein indisches Instrument! Weißt du, die Leute sagen: "Oh, Asian Dub Foundation, die sind politisch! Ok". Und dann denken sie, dass wir uns nur über unsere Texte definieren. Aber wir versuchen, sowohl die Vorstellungen der Leute als auch kulturelle Vorurteile zu hinterfragen. Allein der Fakt, dass wir als Gruppe asiatischer Leute diese Instrumente verwenden… diese Instrumente machen diese Art von Sounds und wir werden hoffentlich neu definieren, was sich Leute unter Indisch oder Asiatisch vorstellen. Es gibt indische Bands, die Heavy Rock, Funk und alle anderen Arten von Musik spielen und die sind alle 100% indisch. Aber die fassen nicht unbedingt eine Tabla oder Sitar oder so etwas an.
Seit 10 Jahren haben wir nun schon diese vorgefassten Vorstellungen der Leute herausgefordert und versucht, nach den Wurzeln einer Kultur zu fragen, welche aus einem Mix von Ideen besteht. Aber in 50 Jahren wird keiner mehr danach fragen, wo ein bestimmter Teil deiner Kultur herkommt, dann wird das viel mehr ein Teil deiner Kultur sein. In 50 Jahren wird man denken, dass Curry britisches Essen ist.

Wo siehst du in der Musik Beispiele für diese Verschmelzung?
Dr. Das: Zum Beispiel in der Bhangra-Musik, die man hier in Europa hören kann, das ist ein britisches Phänomen. Denn die kommt von den Punjabi Communities, die in Großbritannien leben, britische Popmusik hören, mit Gitarre, Bass und Schlagzeug und diese Musik dann mit Punjabi Folk Music verbinden, wo man dann die Dhols, Tablas und die Gesänge findet. Ihre Kultur ist in ständiger Bewegung.
Deshalb ist der elektrische Bass auch mein indisches Lieblingsinstrument, weil das, was ich auf dem Bass spiele, sehr von indischer Musik beeinflusst ist, und nicht nur vom Dub.

Hast du einen Favoriten auf dem neuen Album? Und wenn ja, warum gerade dieser?
Dr. Das: Ja, mein persönlicher Favorit ist "Tomorrow begins today". Warum? Schon mal von der Band "Misty In Roots" gehört? Ich finde, das Stück hat sehr den Sound dieser Band. Außerdem mag ich sehr Ghetto Priests Interpretation, und es ist eine meiner liebsten Basslines überhaupt – die ich übrigens vor fünf Jahren für meine Tochter geschrieben habe. Es ist einfach toll, zu beobachten, wie sich etwas von einer einzigen Bass-Zeile zu einem ganzen Song entwickeln kann.

In Deutschland habt ihr schon viele Konzerte gegeben – kannst du dich an euren besten Auftritt in Deutschland erinnern?
Dr. Das: Das ist eine schwere Frage… Also ich würde sagen, das war wahrscheinlich ein Gig in Hamburg, als das Publikum größtenteils aus durchgeknallten St.Pauli-Typen bestand – ein großartiger Abend. Selbst das Publikum bei den Konzerten, die wir mit Radiohead gegeben haben, ist nicht so ausgeflippt wie die in Hamburg. Die haben bei Radiohead nicht mal richtig getanzt. Aber deren Musik hat auch nicht diesen Vibe zum Tanzen, sondern das ist mehr so ein In-deinem-Kopf-Vibe, oder ein Geradeausstarren-Vibe. Wenn einem das nicht bewusst ist, denkt man bei einem Radiohead-Konzert sicher: "Was zum Teufel machen die hier eigentlich?" Aber ich habe dann immer erklärt, dass die voll dabei sind, sie lieben die Musik, aber sie drücken es anders aus, eben nicht so physisch.

Ihr lebt und arbeitet in London, wo es einen großen Bevölkerungsanteil an Indern, Pakistanern und Bangladeshern gibt. Hier in Berlin gibt es nur eine kleine indische Community, aber es werden zum Beispiel regelmäßig Bollywood-Filme gezeigt. Schaust du dir solche Filme an?
Dr. Das: Ja, ich habe einige gesehen, aber ich bin allgemein kein großer Filmfan. Ich muss aber dazu sagen, dass ich Hollywood wesentlich lächerlicher finde als Bollywood! Bei Hollywoodfilmen siehst du, wie ein Bus über die Strasse fliegt und dich um Millimeter verfehlt – wie idiotisch ist das denn?

Ihr habt für die Filme "La Haine" (1994, dt. Titel "Hass") und "La bataille d’Alger" (1965, "Die Schlacht um Algier") neue Soundtracks komponiert und live aufgeführt. Gibt es Pläne für weitere, ähnliche Projekte?
Dr. Das: Nein, das war reiner Zufall. Beide Filme waren aus Frankreich, beide sind schwarz-weiß und es sind auch beide Kultfilme. Wir sind Fans dieser Filme, weshalb wir uns da auch eingebracht haben. Bei der "Schlacht um Algier" war etwas schwieriger, denn als wir das erste Mal gefragt wurden, haben wir abgelehnt. Der Film hatte schon einen tollen Soundtrack von Enrico Morricone und wir dachten, dass man diese Musik nicht wegnehmen könne. Wir fänden es super, wenn uns mal jemand einen Film geben würde, der noch gar keine Musik enthält. Das wäre großartig!

Des weiteren habt ihr ein Projekt mit der English National Opera in Arbeit, eine Oper über das Leben von Muammar el Gaddafi. Wie kam es denn dazu und warum gerade die Person Muammar el Gaddafi?
Dr. Das: Unser Gitarrist Chandrasonic plant das schon seit Jahren und ein Bekannter von uns ist in dieser Kunstszene zu Hause – so entstand also ein Crossover aus Musik und Kunst. Und dann haben sie es der English National Opera vorgeschlagen und die meinten, das wäre eine gute Idee. Sie beauftragten dann Chandrasonic damit und nun arbeitet er an der Musik dafür. Warum Gadaffi? Weil Chandrasonic ein Fan ist. Das heißt aber nicht, dass auch alle anderen Bandmitglieder Fans sind. Aber ich sehr gespannt, was daraus wird!

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