Stefan und Christian, ihr seid Brüder, spielt in der gleichen Band – gibt es da nicht manchmal Brüderzwist?
Stefan: Ja, so was ist normal, aber das sind meist Kleinigkeiten. So etwas wie einen Konkurrenzkampf innerhalb der Band gibt es allerdings nicht.
Christian: Wir haben ein ganz normales, geschwisterliches Verhältnis eben, mit den üblichen Streitigkeiten.
Worüber streitet ihr denn? Über Texte, Melodien …
Stefan: Nein, immer über irgendwelche banalen Dinge. Wenn es eine Meinungsverschiedenheit gibt, dann will erst mal keiner von uns seine Meinung ändern …
Christian: … und die andern zwei in der Band haben dann schon manchmal Angst, wir würden uns gleich die Köpfe einschlagen. Aber am nächsten Tag ist dann schon wieder alles so, als wäre nichts gewesen.
Wo hat sich Astra Kid denn das erste Mal getroffen?
Stefan: Also, der Andre, unser Bassist, ist schon von Anfang an dabei gewesen, das ist jetzt fast acht Jahre her. Wir kommen ja alle aus Datteln, da ist das alles sehr überschaubar, und da habe ich mich damals mit Andre und unserem alten Schlagzeuger Hoffi zusammengesetzt. Die Konstellation heute, mit Marc als Schlagzeuger und meinem Bruder als Sänger und Gitarrist, gibt es so jetzt schon seit drei Jahren.
Wo gab’s die ersten Auftritte?
Stefan: Natürlich in Datteln, wo wir in so lustigen Jugendzentren wie dem CVJM gespielt haben, oder in umliegenden Orten wie Waltrop, Erkenschwick, Castrop-Brauxel, Olfen – ja, diese Orte gibt es wirklich. Und es hat eine Zeit lang gedauert, bis wir über die hinaus kamen.
Benannt habt ihr euch nach belgischen Gummibären, soweit ich weiß.
Stefan: Richtig. Und das ist auch wirklich nur ein Name, wir drücken damit also keine besondere Einstellung aus, oder so. Die Gummibären-Packung hat jedenfalls mal ein Freund von mir aus dem Urlaub mitgebracht, mit so einem Männchen drauf im 60er-Stil, das anfangs auch für unser Logo herhalten musste.
Und geprobt wird bis heute noch in Datteln?
Stefan: Ja, unser Schlagzeuger wohnt auch noch dort und unser Proberaum befindet sich dort in einer alten Kunstschule. Aber bis auf Marc wohnen wir mittlerweile alle außerhalb, in Bochum, Dortmund und Essen. In Datteln passiert ja eben nicht wirklich so viel, wie du dir vorstellen kannst.
Habt ihr euch mit Astra Kid irgendwann mal bewusst dafür entschieden, deutschsprachige Songs zu machen?
Stefan: Ja, ganz am Anfang war für mich beispielsweise Tocotronic ein Auslöser, das erste Stück was ich von denen gehört habe, war "Gitarrenhändler, ihr seid Schweine" – das hat mich dazu bewegt, deutsche Texte zu schreiben. Ich spreche ja auch besser Deutsch als Englisch, so hat sich die Frage eigentlich auch erübrigt. In gewisser Hinsicht ist das heute ja auch eine Herausforderungen, weil man dann nicht unter der Kategorie "ach schon wieder ’ne englischsprachige Band" läuft.
Mit welchen Bands seid ihr denn großgeworden?
Stefan: Ich war mit 13 auf einem Konzert von Blind Guardian, damals habe ich auch "Queen" gehört. Mit 14, 15 kam ich dann zu Nirvana, Sonic Youth, Pavement, nach und nach aber auch deutschsprachige Bands wie Blumfeld, Die Sterne usw.
Christian: Bei mir war es am Anfang auch mehr der englischsprachige Sektor, genauso Queen, Nirvana, Metallica. Deutsch hörte ich dann zuerst bei der Band Nationalgalerie, darüber bin ich dann auch zum Sympathisant der deutschsprachigen Szene geworden.
Was würdet ihr jetzt gerade tun, wenn ihr nicht als "Astra Kid" hier sitzen würdet?
Stefan: Ich würde jetzt in meinem ersten Semester – nachdem ich mich von Jura ungeschrieben habe – Germanistik und Philosophie studieren. Es werden jetzt gerade sogar Klausuren geschrieben – aber ich bin leider nicht da.
Christian: Ich bin auch noch eingeschrieben, war aber ewig nicht mehr da. Ich habe zwei Jahre Populärmusik studiert, Hauptfach Gesang, im Jazz-Pop-Bereich. Aber letzten Endes war mir da ein bisschen zu viel Theorie dabei. Insofern kam mir Astra Kid sehr gelegen.
Vor etwa drei Jahren lief auf Viva Zwei eurer Video zur Single "Planet der Affen" – gibt es nun auch ein Video zum neuen Album "Müde, ratlos, ungekämmt"?
Stefan: Ja, es wird eins geben, zum Song "Für etwas mehr als dich".
Christian: Die Frage ist dann nur, ob es gezeigt wird. Es gibt ja heute kein Viva Zwei mehr, insofern sind die Chancen heute geringer, das muss man realistisch sehen. Daher wurde bei dem Video auch mit eher kleinem Budget gearbeitet.
Hat sich denn für Bands wie euch wirklich viel geändert, seit dem es Viva Zwei nicht mehr gibt?
Christian: Ich denke schon, als Musiker musst du die Videos heute immer mehr durchstylen. Bei Viva Zwei hingegen war es noch möglich, auch mal ein Low-Budget-Video unterzubringen. Heutzutage räumen die Sender solchen Videos aber kaum noch Platz ein.
Stefan: Und wenn man sich heute MTV und Viva anguckt, da ist doch von deutschsprachiger Indie-Musik kaum etwas zu sehen. Es gibt zwar noch "Fast Forward" und MTV bringt manche Videos auch im Nachtprogramm. Es ist aber einfach nicht mehr diese Unterstützung da für kleinere Bands. Das gab es allerdings bei Viva Zwei, wo man dann auch mal zu einem Interview eingeladen wurde.
Stattdessen tanzen heute immer mehr gecastete Superstars über den Bildschirm.
Stefan: Ja, auf MTV und Viva in Power-Rotation.
Habt ihr euch denn DSDS mal angeschaut?
Stefan: Nein, ich überhaupt nicht.
Christian: Ja, ich gucke gern fernsehen, muss ich zugeben. Aber es war natürlich schrecklich, dass ist doch auch das Tolle an DSDS, dass diese Sendung so schrecklich ist. Da muss man schon sehr Masochist sein, wenn man sich so etwas anguckt, zumindest wenn man von Musik einen gewissen Anspruch verlangt. Ich habe mir das tatsächlich angeguckt, weil es weh getan hat. Ich finde vor allem schlimm, was letzten Endes dabei rausgekommen ist. Es ist doch echt traurig, dass ein Land mit 80 Millionen Einwohnern solche ‚Musiker‘ als Non-Plus-Ultra auf den Markt schmeißt. Aber die Leute kaufen es – insofern ist DSDS vielleicht auch eine Zustandsbeschreibung dieses Landes.
Wenn ich Letzteres mal aufgreifen darf – was beschreibt ihr in euren Texten? Zum Beispiel "Schwarzfahren".
Christian: Na ja, wer ist nicht schon mal schwarzgefahren. Der Song handelt ein bisschen davon, dass man vielleicht genau derjenige ist, der für alle anderen, die es auch tun, stellvertretend bestraft wird. Ich selber bin zum glück nie erwischt worden, doch Angst hatte ich beim Schwarzfahren irgendwie immer. Nun habe ich aber mittlerweile mein Semesterticket, insofern bin ich da aus dem Schneider. Aber trotzdem hat der Song, wie die meisten unserer Songs, seinen Ursprung im Alltag.
Was ist für euch das Schönste am heimischen Ruhrgebiet?
Christian: Die Vernetzung. Man kommt überall sehr schnell hin, in die größeren Städte im Ruhrgebiet.
Stefan: Die Ehrlichkeit. Jeder im Ruhrgebiet sagt dir eigentlich sofort, wo er steht und was er von dir hält.
Was vermisst ihr im Ruhgebiet?
Christian: Schöne Architektur.
Stefan: Ja, es könnte wirklich um einiges schöner sein im Ruhrgebiet. Die meisten Gegenden sind einfach nur grau in grau.
Unsere Schlussfrage: das Leben ist ein Comic, welche Figuren seid ihr?
Stefan: Christian wäre vielleicht Wolverine von den X-Men.
Christian: Nicht unbedingt, wobei ich den schon ganz cool finde. Ich wäre aber wohl eher Hulk, weil ich mich manchmal ganz schön aufregen kann, da lege ich dann schon mal richtig los.
Stefan: Stimm, das könnte zutreffen, schließlich ist Hulk danach ja auch nicht schlauer als vorher.
Christian: Da muss ich meine Bruder Recht geben, wenn ich mich aufrege, dann wird’s auch sehr schnell unsachlich. Da ist der Hulk aber glaube ich nicht anders.
Und Stefan ist …
Stefan: Ganz einfach: ich wäre gern Spiderman.