Axel Milberg

Da ist nichts auf mich gemünzt.

Schauspieler Axel Milberg über seine Rolle als "Doktor Martin", seine Heimat Kiel und seine Zeit auf der Schauspielschule

Axel Milberg

© ZDF

Herr Milberg, Sie spielen in der Serie „Doktor Martin“ einen verschrobenen, eigenbrötlerischen Chirurgen aus Berlin. Das sind Eigenschaften, die den Zuschauer auch an Ihre Rolle als Tatort-Kommissar erinnern. Wieso können Sie diese Eigenschaften so gut darstellen? Was steckt davon in Ihnen?
Milberg: Zunächst einmal ist die Figur so geschrieben. Also da ist nichts auf mich gemünzt. Die Reihe ist eine Adaption der britischen Erfolgsproduktion "Doc Martin". Bei der deutschen Übersetzung ist nur weniges verändert. Aus London wurde Berlin; aus Cornwall wurde Ostfriesland und aus einem Offizier wurde ein Kapitän. Aber sonst sind wir nah am Original geblieben. Das war mir auch wichtig.
Warum ich es gut darstellen kann? Weil es mich interessiert. Mich interessiert das Skurrile, weil es das Unverstellte ist. Mich würde weniger eine Rolle interessieren, die glatt und weichgespült ist. Da habe ich nicht so viel Zeit und Lust mich damit zu beschäftigen.

Wer ist für Sie skurril?
Milberg: Jemand, der nicht darüber nachdenkt, wie er auf Andere wirkt. Er ist erkennbar, denn er ist nicht verpackt und verhüllt in Konventionen. Auch nicht in soziale Konventionen und genau das ist das Problem von Doktor Martin, dass er sozial ungrazil ist und ungeschmeidig. Er eckt daher an Menschen an, die Höflichkeit, Rücksichtnahme und Freundlichkeit von ihm erwarten, also seine Patienten. Und daraus ergibt sich ein dauernder Konflikt.

Was wiegt für diesen Konflikt schwerer? Der Mangel an zwischenmenschlicher Kompetenz von Doktor Martin oder die schrulligen Dorfbewohner?
Milberg: Das ist oszillierend. Mal so mal so. Alle haben Recht – wie das in einem gut geschriebenen Buch nun mal so ist. Ich denke, dass das größere Problem der Arzt darstellt. Aber meine Söhne reagierten anders und sehen das Übel in den Dorfbewohnern. Die finden ihren Papa als Doktor Martin ganz in Ordnung.

Es wird in der Serie das Verhältnis Patient zu Hausarzt thematisiert. Heute muss der Hausarzt auch Seelsorger oder Psychologe sein. Welches Verhältnis haben Sie persönlich zu Ihrem Hausarzt?
Milberg: Ich vertraue ihm und mein Hausarzt ist auch jemand, der mich wenn nötig an Kollegen und Fachärzte überweist, die Sportmediziner oder Orthopäden sind. Aber das Vertrauen habe ich nicht blind, sondern ich weiß, er ist auf dem neuesten Stand. Er fährt zu Kongressen, er bildet sich weiter. Er kennt sich aus mit den neuesten Behandlungsmethoden und Medikamenten. Und er ist seinerseits sehr gut vernetzt. Ich glaube, das ist sehr wichtig. Es ist wichtig, dass man ein begründetes Vertrauen hat und dass der Arzt auch nicht so tut, als würde er alles wissen und alles heilen und er ist für alles kompetent.

Dafür gibt es dann die Fachärzte…
Milberg: Es gibt ja diesen polemisch zugespitzten Satz: die Wahl des Arztes ist die Wahl der Krankheit. Das heißt jeder Arzt sagt: Ja, da sind Sie bei mir richtig, das ist ein orthopädisches Problem. Und der Nächste sagt: Alles ist Neurologie. Man entscheidet sich bei der Wahl des Arztes für seine Krankheit und die Behandlung seiner Krankheit. Und dass das einem nicht passiert, dafür gibt es eigentlich den Hausarzt, der offen ist und sich noch nicht spezialisiert hat. Und der keinen Gewinn daraus zieht und den Patienten dann verantwortlich weiter gibt an einen Facharzt – wenn notwendig.

Würden Sie dem Fernseharzt Dr. Martin Helling vertrauen?
Milberg: Ja, ich glaube er ist ein besessener Mediziner mit einem hohen Berufsethos. Er ist ein brillanter Diagnostiker. Ich würde ihm aber nicht über Gebühr seine Zeit in Anspruch nehmen.

Die Reihe „Doktor Martin“ spielt im hohen Norden. Wenn man Interviews von Ihnen liest könnte man eine gewisse Sehnsucht des Wahlmünchners zum Norden vermuten. Stimmt das so?
Milberg: Naja, das hat sich erst einmal so ergeben. Durch die Tatort-Reihe bin ich zweimal im Jahr für 23 Tage in Kiel. Aber das ist richtig, der Film „Das Zimmermädchen“ vor drei Jahren auf Amrum, die Tatort-Krimis und jetzt an der Nordsee für Doktor Martin… Ich scheine eine Art Küsten- oder Meerschauspieler zu sein. Das hat sich letztendlich aber alles so ergeben, denn ausschlaggebend für mich ist nicht der Drehort sondern die Rolle.

In der Wochenzeitung „Die Zeit“ haben Sie 2006 über die Auflösung Ihres Elternhauses in Kiel berichtet und über Ihre Verbindung zu dieser Stadt. Ist diese Beschäftigung mit dem Thema auch eine anhaltende Suche nach sich selbst?
Milberg: Ein bisschen. Ich habe darüber nachgedacht. Ich bin mit etwa 19 Jahren von Kiel weg und seitdem bin ich nie länger als einige Tage im Jahr dort gewesen. Nach 23 Jahren wurde dann durch die Tatortaufnahmen Kiel wieder für einige Wochen im Jahr mein Arbeitsplatz.

Warum haben Sie ihre Heimat verlassen?
Milberg: Düsternbrook ist ein sehr schöner Stadtteil unweit der Förde, des Segelhafens und des Hindenburg Ufers. Da bin ich aufgewachsen – beschützt und wunderbar. Nur in der zweiten Hälfte der 70er Jahre konnte man mit dem Berufswunsch Schauspieler in Kiel nicht viel machen. Es gab keine Schauspielschule, es gab kein Internet und kein Handy. Für mich war es notwendig auf eine Schauspielschule zu gehen und ans Theater.

Sie haben mal gesagt, Sie mussten Kiel verlassen, um sich als Person neu zu erfinden. Wer waren Sie denn vorher?
Milberg: Das ist eine sehr private Frage. Ich war einerseits ein Bürgersohn, lebte in einer bürgerlichen Welt, die ich aber damals nicht nur als schön und harmlos wahrnahm. Das ist ja dummes Zeug, wenn man sagt, dem Bürgertum kann nichts passieren und man kann angstfrei leben. Wie überall ist auch im Bürgertum der Mensch komplett. Das heißt er kann ein Monstrum sein, ein Liebender, ein Werbender und ein schroffer Freund und Feind. Alles wirbelt durcheinander. Das Bürgertum hat sich einige Rituale dazu erfunden wie Klavierspielen, Tennis spielen und einen Rasen auf dem man einen Stuhl stellen und Obst essen kann.

Das sind Rituale, die viele Menschen anstreben…
Milberg: Aber ich habe gespürt, das reicht mir nicht aus. Es kam für mich nicht in Frage in Kiel zu bleiben und zu studieren. Was mich in diesen Jahren dann zunehmend quälte, weil ich es dort nicht realisieren konnte, das hat mich dann glücklich gemacht auf der Schauspielschule und im Theater. Ich traf dort Andere, denen es in ihrer Provinz ähnlich ging. Die Freaks, die Klassenclowns und die Tragöden, die Heroinen. In der Zeit war Kiel vergessen. Die Stadt spielte in meinem Leben keine Rolle mehr. Ich war vielleicht zwei Tage im Jahr zu Weihnachten bei meinen Eltern. Aber es war so weit weg wie der Mars von der Erde entfernt ist.

Sie sagten, Sie mussten sich neu erfinden um Schauspieler zu werden. Ist es allgemein notwendig die Wurzeln zu verlassen um in diesem kreativen Beruf erfolg zu haben?
Milberg: Ich kann natürlich nicht für alle Kreative sprechen. Für mich war es notwendig ein Schnitt zu machen. Mir gab es Energie und Kraft mich in die Arbeit zu stürzen. Ich habe manchmal bei Söhnen und Töchtern von Schauspielern gesehen, dass diesen die Kraft zu fehlen schien, weil sie ja schon als Kinder meinten sich auszukennen im Theater und im Beruf. Die hockten schon als Kinder auf dem Schoss von Heinz Rühmann oder Gerd Fröbe und wussten mit sechzehn, wie der Hase läuft.

Und Sie mussten sich alles erarbeiten?
Milberg: Für mich war das alles neu. Ich habe gestaunt und hatte Angst und war begeistert. Ich lernte dann am Theater von großen Kollegen. Ich habe mich dem vollkommen ausgeliefert. Das ging nicht mit angezogener Handbremse. Ich musste an meine eigene Energie und an meine Kraft heran.
Im Nachhinein kommt es mir auch so vor, dass ich in Kiel immer ein wenig müde und schläfrig war… Das hat sich verwandelt durch diesen Beruf und die Zeit auf der Schauspielschule.

Unsere Schlussfrage lautet: Das Leben ist ein Comic – welche Figur sind Sie?
Milberg: Franz Gans. Gibt es den? Und ich finde Donald Duck, den Onkel von Tick, Trick und Track irgendwie gut. Die bekommen eins auf den Schnabel, schütteln sich und watscheln weiter – das gefällt mir. Dann gibt es Troubadix, der nicht singen soll, wenn alle feiern und gefesselt im Baum hängt. Und es gefällt mir, wenn eine Figur nicht stirbt. Da fährt dann eine Walze drüber und im nächsten Augenblick liegt er im Krankenhaus in Zimmer 8 bis Zimmer 14, schüttelt sich dreimal und ist dann wieder in seiner natürlichen Größe zu sehen.

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