Frau Salesch, Sie sind Juristin, ehemaliger TV-Star und Künstlerin. Wie lassen sich diese drei verschiedenen Leben miteinander verbinden?
Barbara Salesch: Am besten nacheinander. Die Arbeit vor Gericht und im Fernsehstudio waren viele Jahre mein Beruf, aber meine größte Leidenschaft galt schon immer der Kunst. Ich habe mit 40 endlich beginnen können, Unterricht in Bildhauerei zu nehmen und hatte seitdem mein Atelier in Hamburg und später in Köln. 2009 habe ich zusätzlich mit der Malerei angefangen, studiere Farbmalerei und freie Malerei.
In welcher Stimmung sind Sie am kreativsten?
Salesch: Ich brauche keine Stimmung. Ich brauche einen Ort. Am liebsten mein Atelier, in dem kann ich am besten arbeiten. Kunst zu schaffen ist bei mir eher eine Frage der Organisation, wann ich mal Zeit dafür habe. Und wenn die Lesereise im Mai abgeschlossen ist, habe ich endlich wieder Zeit in mein Atelier zu gehen. Ich mache mir dann aber auch keinen Druck, sondern arbeite, wenn ich Lust habe, auch gerne bis tief in die Nacht.
Wodurch lassen Sie sich inspirieren?
Salesch: Ich nehme mir oft ein Thema. In einer Holzschnitt-Serie vor zwei Jahren habe ich mich mit Blumen beschäftigt. Allerdings darf man von mir nichts Gegenständliches erwarten. Meine 64-teilige Arbeit: „Les Fleurs du Bien“ besteht aus organischen Formen und leuchtenden Farben, von prall bis ganz zart. Ich zeichne keine Blumen ab. Wenn ich durch die Natur laufe, genieße ich die Blumen und freue mich darüber, was die Natur hervorbringt, aber genau das bilde ich nicht ab. Ich beschäftige mich mit eher mit Farben und Formen, mit Kraft und Bewegung.
Welcher Künstler hat Sie besonders geprägt?
Salesch: Wenn es so etwas wie ein Vorbild geben sollte, ist es wohl Henri Matisse. Weil er die klaren Farben gut nebeneinander setzt und auch im Alter mit der Schnitt-Serie „Jazz“ noch einmal neue Wege gegangen ist. Das bewundere ich.
Ich habe schon seit über 30 Jahren keinen Fernseher mehr.
Im Buch „Ich liebe die Anfänge“ schreiben Sie, dass Sie die Kunst nie als Beruf gesehen haben, sondern immer als Ergänzung – sind Sie im Nachhinein froh, dass Künstlerin nicht Ihr Beruf war?
Salesch: Nein, froh bin ich darüber nicht. Aber ich hätte nie davon leben können. Also brauchte ich immer einen Brotberuf, den ich auch sehr geschätzt habe. Ich bin aus voller Überzeugung Richterin geworden. Ich hatte zwischendurch auch die Überlegung, nur noch halbtags zu arbeiten, um mehr künstlerisch aktiv sein zu können, aber davon hätte ich das Atelier und die ganzen Materialien nicht bezahlen können.
Mit welchem Ehrgeiz verfolgen Sie denn heute das Malen?
Salesch: Die Arbeiten müssen mir gefallen. Die sind erst dann fertig, wenn ich sage, dass sie fertig sind. Die Arbeiten müssen meinem eigenen Anspruch genügen. Ich bin da sehr kritisch. Einen anderen Ehrgeiz habe ich nicht. Wenn ich ein Bild verkaufen kann, ist es gut, aber wenn ich es nicht verkaufe, ist das auch okay.
Sie haben für Sat.1 als „Richterin Barbara Salesch“ von 1999 bis 2012 für rund 2400 Folgen vor der Kamera gestanden. Haben Sie selbst eigentlich einen Fernseher?
Salesch: Nein, schon seit über 30 Jahren nicht mehr. Ich habe keine Zeit dafür. Wenn ich entspannen will, lese ich ein Buch, meine Informationen hole ich mir über Zeitungen. Ich habe zwar auch einen Computer, aber den nutze ich dafür nicht. Ich nutze moderne Medien, aber nur zurückhaltend.
Ihre Sendung läuft heute immer noch täglich um 11 Uhr auf Sat.1. Stört Sie das?
Salesch: Nein, ich finde das ganz wunderbar. Ich bin ja nicht abgewählt worden, sondern habe die Sendung freiwillig beendet. Der Sender war nicht glücklich über meine Entscheidung, aber da ich tausende Sendungen hinterlassen habe, gibt es ja noch viel zu wiederholen.
Kurze Zeit nach Ihnen hat auch Ihr Kollege „Richter Alexander Hold“ im Januar 2013 den TV-Gerichtssaal verlassen. Warum ging die Ära der Gerichtsshows zu Ende?
Salesch: Das ist ein ganz normaler Vorgang. Wir waren mit unserer Sendung der Vorreiter, dann gab es viele Kopien und dann fing das Ganze an zu bröckeln. Irgendwann ist eine Geschichte vorbei. Für ein tägliches Format waren zwölfeinhalb Jahre eine ungemein lange Zeit.
Würden Sie sagen, dass Sie noch heute hinter jeder ausgestrahlten Folge stehen?
Salesch: Im Grunde ja, weil ich jedes Drehbuch überarbeitet habe. Also, das war alles rechtlich korrekt. Manche Folge gefielen mir besonders gut, manche gar nicht. Es ging mir aber auch nie darum, meinen persönlichen Geschmack durchzusetzen, sondern um Vielseitigkeit und Abwechslung. Wir haben viele Fälle aus der Zeitung genommen, da ist das Verhalten der Menschen eine unerschöpfliche Fundgrube.
Ist das Format im Laufe der Jahre extremer geworden, mehr in Richtung Sex?
Salesch: Nein, das würde ich nicht sagen. Wir haben erstaunlich wenige Sexualdelikte verhandelt.
Es gab zum Beispiel die Folge „Der Killer-Vibrator“, in der eine Frau ihre Nebenbuhlerin mit einem vergifteten Vibrator töten wollte…
Salesch: Diese Folge war nicht sonderlich typisch. Soweit ich mich erinnere basierte aber auch dieser Fall auf einer wahren Geschichte.
So ganz ohne Sex kam man dann eben doch nicht aus…
Salesch: Sicher. Aber wenn ich die Geschichten in Ordnung fand, war das okay. Und mit dieser Geschichte war ich einverstanden.
Wie beurteilen Sie als Juristin eigentlich den Fall des Kunstfälschers Wolfgang Beltracchi, der zu sechs Jahren Haft verurteilt wurde? Er hatte den Stil berühmter Maler kopiert und seine Bilder für Millionen Euro verkauft – ist Beltracchi eher Fälscher oder Künstler?
Salesch: Betrug ist Betrug. Er ist ein Betrüger und dafür ist er verurteilt worden. Mit Kunst hat das für mich nichts zu tun.
Aber ist er nicht dennoch ein großes Kunst-Talent?
Salesch: Es gibt viele talentierte Straftäter. Manche Menschen faszinieren Verbrechen vielleicht, mir fehlt diese Faszination gänzlich. Mich faszinieren ganz andere Menschen, aber ganz sicher keine Straftäter.
Welche anderen Menschen faszinieren Sie?
Salesch: Wissenschaftler. Oder Menschen, die ihren Alltag trotz großer Schwierigkeiten bewältige., Natürlich steckt auch hinter Beltracchi eine Geschichte, aber die interessiert mich nicht. Ich hatte in meinen Beruf jeden Tag mit Straftätern zu tun. Das ist nichts Besonderes mehr für mich.
Haben Sie durch die Arbeit als Richterin gelernt, menschliches Verhalten besser nachzuvollziehen?
Salesch: Man lernt, wie verschieden die Menschen sind, wie unterschiedlich sie mit Situationen umgehen. Man sieht die große Bandbreite des mitmenschlichen Verhaltens, bis hin zu einem unmenschlichen Verhalten. Da erstaunt mich nicht mehr viel. Ich halte ziemlich viel für möglich. Menschen sind so. Aber es braucht nicht unbedingt diesen Beruf, um die Abgründe zu sehen. Man muss nur die Augen aufmachen.
Sie saßen mit den unterschiedlichsten Menschen in einem Gerichtssaal zusammen. Wie schwierig ist es, eine gemeinsame Sprache für alle zu finden?
Salesch: Für mich war das immer leicht, aber inzwischen glaube ich, dass das ein natürliches Talent ist. Es ist extrem wichtig, mit verschiedensten Menschen ins Gespräch zu kommen. Wenn man das gut kann, ist man als Strafrechtlerin in diesem Beruf sehr gut aufgehoben. Wenn man das nicht kann, sollte man sich vielleicht mehr mit dem eher verschriftlichten Verwaltungs- oder Zivilrecht befassen.
Ihre Autobiographie trägt den Titel „Ich liebe die Anfänge!“ Welchen Neuanfang wird es nach der Kunst geben?
Salesch: Neu anfangen kann ich immer, aber ich im Moment kann ich mir nichts anderes vorstellen. Ich bin einfach offen. Deshalb lautet auch das letzte Kapitel in meinem Buch kurz und knapp: „Und was kommt als Nächstes? Keine Ahnung, aber ich freu mich drauf“.
Könnten Sie sich vorstellen noch einmal ins Rampenlicht zurückzukehren?
Salesch: Nein, ein öffentliches Leben mit einer eigenen Sendung schließe ich aus. Ich werde mit dem Buch in einigen Talkshows zu Gast sein, aber ansonsten genieße ich die Abgeschiedenheit und mein Leben als bildende Künstlerin.