Bastian Pastewka

Fernsehen ist Zeitgeist und Zeitgeist ist Fernsehen

Comedian Bastian Pastewka über deutsche Comedy, die Einschaltquote und seine Liebe zum Fernsehen

Bastian Pastewka

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Bastian, hast Du momentan gar keine Sommerferien?
Pastewka: Die habe ich schon gehabt, jetzt habe ich das Glück, wieder arbeiten zu dürfen. In neuer Konstellation sind wir bereits seit drei Wochen dran und stehen kurz vor unserer ersten Sendung, deshalb gibt es momentan relativ viel Arbeit.

Wie war denn Eure Live-Tournee mit der "Wochenshow"?
Pastewka: Die Auftritte waren eine sehr neue Erfahrung, weil wir plötzlich live ausschließlich vor "Wochenshow"-Fans standen, also Leute, die diese Sendung sehr lieben und dauernd anschauen. Und das sind meist jüngere Leute, so zwischen 10 und 20 Jahren, die uns unglaublich nett willkommen geheißen haben, dass war schon sehr imposant mitanzusehen.

Anke Engelke ist gegangen, mit dabei jetzt Anette Frier – ein schwieriger Wechsel?
Pastewka: Nein, das ging glücklicherweise problemlos. So sehr das auch nach außen hin einen Unterschied machen wird, dass Anke nicht mehr dabei ist und Anette jetzt hinzukommt, ist das für uns beim täglichen Arbeiten kein Problem. Nicht nur weil Anette Frier wirklich sehr professionell und motiviert ist, sondern auch, weil man merkt, dass wir jetzt schon ein so eingespieltes Team sind, so dass es bei einem Wechsel von Personen kaum mehr Probleme gibt.

Nun verbindet man mit Ihnen fast automatisch die Figur des Brisko Schneider – ist Brisko Ihre eigene Figur, die Sie selbst kreiert haben?
Pastewka: Ja, den Brisko habe ich schon selber kreiert, aber es ging folgendermaßen los: als wir als "Wochenshow" vor drei Jahren das erste Mal eine Stunde lang wurden, da mussten wir natürlich viele neue Sachen bringen, vor allem kleine Format-Parodien. Und da kamen wir darauf, dass vielleicht auch jemand ein Erotik-Magazin moderiert und wir nahmen den, der mit dem Thema Sex am allerwenigsten vertraut war, nämlich den Bastian Pastewka. Und dann haben wir geguckt, wie sehen gängige Erotik-Magazine aus wie voyeuristisch sind sie und haben irgendwann als Quersumme der Feldbuschs und Wanders den Brisko Schneider erfunden. Irgendwann hat sich der dann verselbstständigt. Denn er brauch, weil er als Figur so gut funktioniert, nicht unbedingt eine Sex-Sendung drum herum. Wir lachen in erster Linie nicht über Briskos Sex-Jokes, sondern über seine Peinlichkeit, seine Dummheit und seine Naivität, und darüber, dass er selber noch nie Sex hatte. Durch mich wurde diese Person zum Leben erweckt, aber die Sachen, die wir für "SEX TV" konzipieren und schreiben, das schreibe ich natürlich nicht allein. Das kann ich nicht leisten bei einer wöchentlichen Comedy-Produktion, dafür haben wir ein zehnköpfiges Autorenteam…

…was als normal angesehen werden kann im Comedy-Geschäft.
Pastewka: Genau, das ist so bei einer wöchentlichen Comedy-Sendung. Während wir lustigen vier Darsteller an einer Folge arbeiten muss bereits Material für die nächste Folge geschrieben werden, dafür haben wir Autoren.

Hat man denn als Moderator manchmal ein schlechtes Gewissen, wenn man Gags, Sketche etc. präsentiert, die man selber gar nicht geschrieben und erfunden hat?
Pastewka: Nein, schließlich ist so der Arbeitsprozess. Doch es können Probleme anderer Art aufkommen. Genug Sketche sind uns misslungen, weil wir sie einfach vom Blatt abgespielt haben. Allerdings gibt es auch genug Sketche, die daran gewonnen haben, weil sie nur von Autoren geschrieben worden sind. Denn oft denken auch die sich so gute, kranke und, den eingeführten Figuren konträr laufende, Sketchideen aus, die dann einfach ein Neuland betreten.

Der Brisko ist Deine Lieblingsfigur?
Pastewka: Ja, aber das wechselt, denn meine Lieblingsfigur ist eigentlich immer die, welche ich als nächstes spiele. Momentan habe ich mich im Kopf ein bisschen auf Ottmar Zittlau eingeschossen, ein Querschnitt des typischen Talkshowgasts, den wir gleich in der ersten neuen Folge zum Actionhelden werden lassen.

Wäre für Dich einmal ein Imagewechsel möglich, ganz weg vom Brisko?
Pastewka: Natürlich sprechen mich viele Leute auf der Straße als Brisko Schneider an und denen kann man nur schwer klar machen, dass ich das alles nur spiele. Aber inzwischen habe ich das schon so vielen erzählt, und es ist kein Geheimnis mehr, dass ich keine Sex-Sendung haben möchte.

Spielst Du den Brisko vielleicht so gut, weil Du gerade nicht homosexuell bist?
Pastewka: Das kann ich schwer beantworten, aber ich glaube alle Rollen funktionieren nur, wenn man sie von außen betrachtet und möglichst unemotional herangehen kann. Ich habe den Brisko und den Ottmar in mein Herz geschlossen, aber als ich die Figuren kreiert habe, wollte ich was machen, was möglichst weit weg von mir entfernt ist, das ist oft sehr viel einfacher. Man kann immer sehr gut ein Kaninchen spielen, wenn man weiß wie es geht, aber ein Kaninchen zu spielen, was böse ist, ist schon schwieriger. Brisko haben wir jetzt schon so tiefgehend entwickelt, dass wir alle möglichen Facetten von ihm bereits gesehen haben und irgendwann werd ich sagen ‚jetzt ist gut‘.

Interviews in der "Wochenshow" führst generell Du – Bastian der heimliche Journalist?
Pastewka: Ich habe das oft versucht, bin aber immer absolut gescheitert, weil mir die journalistische Neugier fehlt. Ich habe für das Radio gearbeitet, oder im Jugendfernsehen des WDR wo ich als Bastian Pastewka Reportagen gemacht habe und zum Beispiel Interviews mit Teenie-Gruppen wie E-Rotic oder Worlds Apart geführt habe, welche einen nicht so sehr interessiert haben, weil die nur zu Promotionzwecken gemacht wurden. Und mich hat auch nichts interessiert an diesen Leuten und an ihrer Musik. Aber ich habe die Sache nicht mit ganzem Herzen gemacht und so blieb für mich der echte Journalismus ein Buch mit sieben Siegeln.

Gibt es für Dich im Comedy-Fernsehen Tabuthemen?
Pastewka: Nein, ehrlich gesagt gibt es da keine. Aber ich habe auch keine Lust Tabus großartig auszuloten, nur um ein Tabu zu brechen und vielleicht einen Witz über einen Behinderten zu machen, so etwas ist einfach verkehrt und da habe ich auch keine Lust drauf. Aber trotzdem gibt es so viele Behindertenwitze und man muss sich fragen: warum gibt es Leute, die das lustig finden, vielleicht weil es lustig ist?! Ich weiß es nicht.

Was bedeutet Dir die Einschaltquote persönlich?
Pastewka: Das ist schwer zu sagen, da bin ich absolut schizophren. Natürlich macht es mich an, wenn ich sonntags im Sat1-Videotext nachschaue, wie viele Leute unsere Sendung gesehen haben und dann bilde ich mir ein, dass wäre gut oder auch schlecht, weil entweder das Gegenprogramm gut war, oder es kein Gegenprogramm gab. Ich weiß aber nie so genau, was die Quote eigentlich bedeutet, das ist mir immer ein Rätsel. Sendungen, die ich toll fand, sind kaum geguckt worden, und andere, wo ich sage, die sind nicht richtig gelungen, waren Millionensendungen. In der Zeitung werden wir natürlich manchmal verrissen, weil die Quotegeringer war – aber solange die Leute nicht schreiben, die Sendung wäre schlecht, mache ich mir darüber keine Gedanken. Die Quote ist immer nur das letzte Argument eine Sendung schlecht zu machen. Natürlich ist sie für viele Leute überlebenswichtig, darüber bin ich mir im klaren.

Dein ehemaliger Kollege Marco Rima nannte als Grund für seinen Ausstieg bei der "Wochenshow" mitunter, dass das Niveau des Humors in der Sendung sehr abgesackt sei. Fernsehkritiker sprechen ebenfalls von einem Niveauverlust im deutschen Comey-Fernsehen – was ist Deine Meinung dazu?
Pastewka: Nun, was Marco gesagt hat, entstand aus einem Moment der absoluten Ernüchterung, weil es einfach sehr schwer für ihn war, die Sendung zu verlassen. Oft stellen Kritiker die Frage: muss Comedy immer niveaulos sein? Für mich besteht aber die Frage, ob es lustig ist. Wieso soll ich bei einer Comedy-Sendung jeden Gag auf Niveau oder Sinn, auf Satirefähigkeit oder Prägnanz hin untersuchen, wenn offenbar doch sehr viele Leute darüber lachen. Das geht nämlich nicht. Ich halte Comedy insgesamt für eine sehr niveauvolle Sache, aber sie funktioniert natürlich auch nur, wenn man manchmal eine sogenannte Zote anbringt. Und der gemeine Fickwitz, den wir gerade in Sex-TV regelmäßig pflegen ist eine absolute Erfolgsquelle nicht nur für Brisko Schneider, sondern für die gesamte "Wochenshow". Und ich kann doch nicht sagen, wenn durchschnittlich einige Millionen die Sendung gucken, dass die alle falsch liegen, es nicht begreifen und sich gerne auf Niveaulosigkeit einlassen.

Prägt also das Fernsehen den Humor der Zuschauer, oder entwickelt sich Humor im Fernsehen nach dem Geschmack der Zuschauer?
Pastewka: Letzteres auf keinen Fall, wir können ja nicht so handeln wie es die Zuschauer wollen. Dann müsste ich ja alle Gagvorschläge spielen, die hier von Zuschauern eingereicht werden. Es gibt generell die Tendenz, dass viele Leute es noch schmuddeliger machen wollen, weil sie denken es wird dadurch noch lustiger. Aber das klappt nicht. Und für mich gibt es nicht diesen Massengeschmack, der greifbar wäre. Es gibt keinen populistischen Humor. Es gibt nur gute und schlechte Witze und wir hoffen, wir machen die guten.

Wirst Du in Zukunft auch mal etwas anderes als Fernsehen machen, Kino zum Beispiel?
Pastewka: Es wäre falsch zu sagen, es wäre nicht mein Wunsch auch mal in einem Kinofilm aufzutreten. Aber ich mache das nicht um jeden Preis. Das Label "deutscher Kinofilm" wäre für mich nicht alleiniger Grund, um mitzumachen. Wenn mir aber jemand eine Statistenrolle bei Star Trek anbieten anbietet, würde ich das sofort machen, weil das für mich einfach gut klingt. Aber für einen deutschen Kino- oder TV-Film mal eben den Netten spielen, dass ist mir meistens zu langweilig und vergleichbare Rollen werden mir leider permanent angeboten, da sage ich ab.

Schaust Du viel Fernsehen?
Pastewka: Ja, ich gucke selbstverständlich viel zu viel Fernsehen und nehme auch alles auf und sammle das, wie ein kranker Briefmarkensammler. Aber das sind Hobbymomente bei mir, die ich sehr pflege, weil sie mir sehr wichtig sind.

Was magst Du im Fernsehen, was nicht?
Pastewka: Also der Werbung habe ich mich schon lang entzogen, weil ich alles aufnehme und vorspulen kann, sobald Werbung kommt. Außerdem habe ich auch zwei PayTV-Boxen, wo der Sender keine Werbung bringt. Ich sehe gerne viele Sendungen und Filme, wo ich denke, das muss so schlecht sein, weil es eben so schlecht ist, wie beispielsweise die täglichen Talkshows. Das ist für mich fast schon Pflichtprogramm, "Arabella", "Andreas Türck" oder ähnliches zu sehen. Denn die Gäste der Sendungen, welche ihre Probleme erzählen oder sich anpfeifen, diese ganz schnell kammerspielartig zu begreifen ist für mich als jemand, der immer nach Inspiration für verschiedene Rollen sucht, natürlich eine ideale Vorlage. Ich mag das Fernsehen schon sehr und habe es in mein Herz geschlossen, auch wenn ich schon sehr viel Mist gesehen habe und selbst Sachen, welche mich nicht interessiert haben, bis zum Ende durchgeguckt habe. Ich mache nun eine Comedy-Sendung, aber ist gibt reale Formate, die vielleicht unterhaltsamer sind, wie beispielsweise "Big Brother", aber da hört es für mich auf. Nicht, weil ich das alles furchtbar niveaulos finde, sondern weil ich Fernsehen, wo etwas passiert und immer die Kamera draufgehalten wird, schon immer abgelehnt habe, wie zum Beispiel beim Sport. Für mich sind Sportübertragungen im Fernsehen absolut hinderlich, wenn ich das normale Programm sehen will. Ich möchte es eben doch ganz altmodisch haben, dass man sich für mich mir eine schöne Geschichte ausdenkt, tolle Darsteller, gute Kamera und einen guten Regisseur hat und mich der Film begeistern und fesseln kann. Aber da brauche ich nicht "Big Brother" dafür.

Und was hältst Du von dem Kult, der um die "Big Brother"-Helden betrieben wird?
Pastewka: Das soll so sein, denn ich glaube langfristig wird das dazu führen, dass sich die Leute doch ein bisschen aktiver mit dem Fernsehen auseinandersetzen und es irgendwann ablehnen. Man kann aber auch keinem Menschen einen Vorwurf daraus machen, wenn er sich die "Big Brother"-CD kauft. Ich habe mir als Zehnjähriger genauso alles, wirklich alles über den Film "Police Academy I" besorgt, weil ich den zu er Zeit richtig lustig fand. Aber wenn ich den heute sehe frag ich mich, was damals eigentlich so lustig an diesem Film war. Und "Big Brother" ist genauso solch ein Zeitgeist, über den die Leute in Zehn Jahren lachen werden. Das ist dann wie eine Schmonzette, wie vielleicht die Straßenfeger der 60er Jahre von Francis Durbridge, über die man sich nach vielen Jahren ähnlich unterhalten wird. über "Big Brother" wird man lachen oder weinen und bei Comedy ist das sicher genauso. Man wird in zehn Jahren vielleicht sagen, die heutigen Comedians waren ganz fies und hatten schrecklich bunte Anzüge an und haben immer Songs gesungen. Fernsehen ist Zeitgeist und Zeitgeist ist Fernsehen.

Wie sieht es denn momentan mit Deiner Freizeit aus?
Pastewka: Es geht schon, ich überlade mich auch nicht mit Terminen, weil ich vor allem am Wochenende meine Ruhe brauche für mein Privatleben. Ich sitze dann ganz brav zu Hause, programmiere Videorecorder, lese ein bisschen, treffe mich mit Freunden und Verwandten und freue mich, dass meine Frau ganz toll ist.

Und wie ist das mit dem Fankult in der Freizeit?
Pastewka: Das hält sich in Grenzen, da habe ich nie wirklich Pech gehabt und mittlerweile habe ich raus, dass mich das nicht mehr stört, wenn mir jemand auch mal eine blöde Bemerkung hinterher ruft. Ganz am Anfang war ich allerdings sauer, dass mich keiner erkannt hat. Ich bin durch die Fußgängerzone von Köln gegangen und habe wie ein Idiot geguckt, ob mich jemand erkennt. Irgendwann hat man mich erkannt, dann wurde es zu viel und seitdem meide ich Volksfeste oder Freizeitparks und ich kann leider auch nicht mehr auf Flohmärkte gehen, was ich früher gerne gemacht habe. Aber das nehme ich in Kauf.

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