Benjamin Quabeck

Es ist erstaunlich, dass manche Leute noch so sehr an dieser Zeit hängen.

Regisseur Benjamin Quabeck über seinen Film "Verschwende deine Jugend", seinen Beruf und seine Leidenschaft für Splatter-Filme

Benjamin Quabeck

© Constantin Film

Benjamin, bereits vor zwei Jahren erschien die Dokumentation "Verschwende deine Jugend" von Jürgen Teipel, der darin Interviews mit einigen Bands der Neuen Deutschen Welle versammelte. Nun hast du den Film "Verschwende deine Jugend" gedreht, der sich ebenso um dieses Thema dreht — welche Verbindung bestand da zu Jürgen Teipels Buch?
Quabeck: Der Film ist unabhängig von seinem Buch entstanden. Dass der Film "Verschwende deine Jugend" heißen würde, das stand auch schon fest, bevor Teipels Buch erschienen ist. Trotzdem haben wir uns natürlich miteinander unterhalten, er hat sich auch erkundigt, wie es bei unserem Projekt so läuft. Ich habe sein Buch natürlich auch gelesen, ich schätze das auch sehr. Allerdings, je näher der Kinostart rückt, desto schwieriger wird es mit ihm. Ich habe letztens ein Interview mit Jürgen Teipel gelesen, wo er ganz schön abkotzt über den Film und behauptet, dass wir uns an sein Buch dranhängen würden. Das ist natürlich sehr erstaunlich, weil man ja über zwei Jahre miteinander geredet hat und er eigentlich immer sehr hilfreich und freundlich war. Soweit ich weiß, hat er den Film noch gar nicht gesehen.

Haben sich denn außer Teipel schon andere aus der NDW-Zeit zu deinem Film geäußert?
Quabeck: Ja, es gibt ein paar aus der Zeit, die zwar den Film noch nicht gesehen haben, aber trotzdem schon rumerzählen, dass es ein schlechter Film wäre. Wenn sich da eine kleine Gruppe beleidigt fühlt, zum Beispiel durch Details wie, dass der Film in München spielt, dann kann man das nicht ändern.
Es ist erstaunlich, dass manche Leute wirklich noch so sehr an dieser Zeit hängen. Und die haben dann zum Teil ein sehr unreflektiertes Verhältnis zu dem, was sie damals gemacht haben. Das sind in erster Linie die Leute, die nach der Welle nicht mehr so viel hatten, die das als ihre tollste Zeit im Leben ansehen. Das ist ja auch völlig ok, aber trotzdem finde ich, kann man diese Zeit auch ein bisschen ironisch sehen. Die Neue Deutsche Welle war natürlich schon toll, da war viel Ausdruckskraft und Wut in all dem, was diese Bands gemacht haben. Aber letztendlich denke ich, ist das keine Zeit, die man nach 20 Jahren immer noch als Heiligtum behandeln sollte.

Im Film will der junge Sparkassenangestellte Harry Pritzel die NDW-Stars von "DAF" für ein großes Konzert im verschlafenen München engagieren. Bankangestellte bedienen im Film oft nur reine Klischees — war das für diesen Film nötig, so eine Figur zu wählen?
Quabeck: Also, der Harry musste schon jemand sein, der sich zwischen seinen Träumen und dem, was er im wirklichen Leben macht, so ein bisschen zerreißen muss, einer, der dann auch anfängt, die Wirklichkeit auszublenden. Harry will die Band "Apollo Schwabing" managen, aber man sieht, dass er nur mit Hilfe der Band in den Club reingelassen wird. Er hat irgendwo etwas spießiges, was er einfach nicht haben möchte, wo er die ganze Zeit gegen ankämpft, das finde ich schon wichtig. Er hätte jetzt nicht unbedingt Bankangestellter sein müssen, aber so etwas in der Art schon, eben auch jemand, der aus Verhältnissen kommt, wo er dafür sorgen muss, dass er überhaupt Geld verdient.

Harry will "DAF" für ein Konzert gewinnen. Wieso habt ihr euch euch gerade für "DAF" entschieden?
Quabeck: Das war für diese Zeit schon eine sehr bedeutende Band ist, weil die einen revolutionären Sound gemacht haben und das musikalisch viel interessanter war, als zum Beispiel "Ideal". Es spielte auch eine Rolle, dass Gabi Delgado von "DAF" jemand war, der ja eigentlich keine Ahnung von Musik hatte. Mit ihm steckte also dieser Dillentantismus-Gedanke in "DAF" mit drin. Robert Görl dagegen war ja schon ein sehr guter Schlagzeuger. Letztendlich haben "DAF" auch für die heutige Zeit viel getan. Denn sicherlich gäbe es so etwas wie Techno heute nicht in der Form, wenn die damals nicht damit angefangen hätten.

Hast du die beiden denn kennen gelernt?
Quabeck: Nein.

Hast du es nicht versucht?
Quabeck: Nein, wenn ich das gewollt hätte, wäre das durchaus möglich gewesen. Das ist aber ein bisschen schwierig, wenn man ein Projekt macht, das rein fiktional ist, sich aber trotzdem bei der Realität bedient. Da muss man schon ein bisschen aufpassen, wie man sich der Realität annähert. Dass ich "DAF" nicht getroffen habe, das habe ich für mich dann eher so genutzt, als dass für mich die "DAF"-Jungs auch so eine Art Legende wurden, die da irgendwo draußen rumschwirrt — genauso wie Harry es im Film empfindet.

Wie detailgetreu habt ihr denn gearbeitet?
Quabeck: Es war uns schon wichtig, den Film so zu machen, dass die Leute, die die Zeit damals erlebt haben, gewisse Insidersachen erkennen und das sie sich auch ernst genommen fühlen. Wir wollten keine komplett fiktive Geschichte, wo wir uns alle Details selber ausgedacht hätten. Deswegen ist alles, was konkret benannt wird, also zum Beispiel die Artikel in der "Sounds" oder das Interview, das Harry mit "DAF" führt — diese Dinge sind schon sehr nah dran an der Wirklichkeit.

Wie bist du mit dem Problem umgegangen, das die meisten Schauspieler eine Zeit darstellen mussten, in der sie selbst nie gelebt haben?
Quabeck: Das war das Interessante an der Arbeit, nicht das Problem. Es war uns klar, dass wir uns das irgendwie erarbeiten müssen, auch irgendwie gemeinsam. Ich konnte ja selbst nicht mit erhobenem Zeigefinger daherkommen und sagen: es war aber in Wirklichkeit so und so, weil ich ja selber nicht viel älter bin. Das war natürlich eine Recherche-Arbeit, die ich dann für mich leisten musste, die die anderen Schauspieler für sich auch geleistet haben. Und dann man muss man Leuten vertrauen, die diese Zeit erlebt haben, wie zum Beispiel der Ralf Hertwig, der das Drehbuch geschrieben hat.

Neben der Musik von Lee Buddah kommen im Film natürlich eine Menge Songs bekannter NDW-Bands vor. War es schwierig, die zu lizenzieren?
Quabeck: Ja, das ist schon schwierig und vor allem unglaublich teuer. Aber wir hatten uns von Anfang an gesagt, dass es dafür im Budget genug Geld geben musste, dass man die entsprechende Musik in den Film reinnehmen konnte.

Wie viel habt ihr dafür ausgegeben?
Quabeck: 350.000 Euro.

Und insgesamt das Budget war wie hoch?
Quabeck: Vier Millionen Euro.

Wie würdest du sagen, hast du deine eigene Jugend verschwendet?
Quabeck: Also, letztendlich mit Filme machen. Ich habe ja mit zwölf Jahren schon angefangen die ersten Dinger auf Video zu drehen, meistens irgendwelche Splatter-Streifen. Dann bin ich sehr früh auf die Filmhochschule gegangen, mit 20, und habe dann eigentlich nahtlos einen Film nach dem anderen gedreht.

Aber was für Splatter-Streifen waren das, die du als Jugendlicher gedreht hast?
Quabeck: Naja, das war halt schon eine große Leidenschaft von mir, haufenweise Kunstblut anzumischen und irgendwelche Geräte aus dem Werkzeugkeller meines Vaters zu nutzen für möglichst fiese Prügeleien mit irgendwelchen Aliens und so. Dafür wurden regelmäßig Nachbarn von mir in Kostüme gesteckt. Es gab sogar auch eine richtige Handlung, aber die lief dann meistens darauf hinaus, dass einer geköpft, oder zersägt wurde.

Und woher kam diese Splatter-Leidenschaft? Hast du dir das damals aus dem Fernsehen abgeguckt?
Quabeck: Ja, ein bisschen vielleicht schon. Das war zum Teil auch der Wunsch, davon mehr zu sehn, weil ich ja zu Hause Horrorvideos gar nicht gucken durfte. Und so war das dann eine Zeit lang eine kleine Obsession.

Mit der ist es jetzt vorbei?
Quabeck: Ich weiß nicht, das ist eine gute Frage, die ich mir manchmal auch selbst stelle. Mein nächster Film wird auf jeden Fall wieder etwas düsterer. Ich habe ja auch auf der Hochschule immer noch ein paar düstere Sachen gedreht. Früher wollte ich sogar ausschließlich solche Splatter-Filme machen. Aber damit ist es natürlich vorbei.

Wenn du auf die letzten Jahre zurückschaust — macht dir der Beruf Spaß?
Quabeck: (lange Pause) … immer mal wieder. Es ist wirklich richtig anstrengend. "Verschwende deine Jugend" ist für mich zwei Jahre Durcharbeiten gewesen. Das heißt dann auch, keine freien Wochenenden, und jeden Tag zwischen 12 und 16 Stunden arbeiten. Ich habe dieses Projekt ja auch direkt an meinen letzten Film angeschlossen. Ich habe quasi die letzten sieben Jahre durchgearbeitet, bis auf vier Wochen Ferien, die ich mal gemacht habe in meiner Hochschulzeit. Die ganze Jugend mit Arbeit verschwendet, könnte man sagen.

Wie schon angesprochen, spielt "Verschwende deine Jugend" in München, wobei die Stadt ja ein bisschen als verschlafen dargestellt wird. Wie siehst du das heute?
Quabeck: Also, ich habe jetzt zwei Jahre in München gelebt. Und wenn man in so einer Stadt lebt und es keinen Club gibt, wo man abends so wirklich reingehen möchte — dann ist das schon schwierig. Die Münchner haben tatsächlich einen anderen Geschmack. Es ist sehr viel Geld in dieser Stadt, das spürt man halt an jeder Ecke. Das kann einem das Leben schon manchmal schwer machen. Wenn ich abends weggehe, dann habe ich keine Lust, mir zu überlegen, ziehe ich jetzt den einen Anzug an oder den anderen — ich ziehe keinen Anzug an. Und wenn ich ohne Anzug in den Laden nicht reinkomme, dann wird das auch nicht die richtige Stadt für mich sein.

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