Herr Fürmann, Katastrophen wie die Sturmflut in Hamburg sind Ausnahmesituationen, die Menschen Extremes abverlangen. Gab es in Ihrem Leben auch schon Grenzsituationen, in denen Sie Neues an sich entdeckt haben?
Fürmann: Was Katastrophen angeht, habe ich bislang sehr viel Glück gehabt. Ich habe aber mal einen Unfall erlebt, bei dem ich zusammen mit ein paar Männern ein Auto von den Menschen, die darunter lagen, herunter gewuchtet habe. Ich habe diese Situation als einen Zustand erlebt, in dem der Intellekt ausgeschaltet war und ich rein instinktiv gehandelt habe. Erst danach habe ich begriffen, was eigentlich passiert war. Das war eine Art Trancezustand, ähnlich wie bei einer Mutter, die auf einmal die Kraft hat, einen Lieferwagen zu bewegen, unter dem ihr Kind eingeklemmt ist. Ich finde solche Situationen sehr spannend, in denen du auf einmal nur bist und nicht konzeptionell agierst.
Sind Sie generell ein Mensch, der eher seiner Intuition als seinem Intellekt folgt?
Fürmann: Sowohl als auch. Ich glaube, ich habe ganz gute Instinkte. Der Kopf ist natürlich für gewisse Entscheidungen zwingend notwendig. Jeder Zustand schreit nach einer anderen Entscheidung. Manche Sachen lassen sich besser aus dem Bauch heraus für sich beantworten, andere wollen wohl überlegt sein.
Und wie ist das bei der Schauspielerei? Wie gehen Sie eine Rolle an?
Fürmann: Auch da gibt es beide Ebenen. Der Zugang zu einer Rolle kann sehr instinktiv sein, es zieht dich förmlich zu ihr hin. Du verstehst den Typ einfach, den du da spielst. Trotzdem musst du den einen oder anderen Parameter, der dich von der Figur unterscheidet, erst einmal im Kopf klar kriegen, um irgendwann in der Rolle instinktiv handeln zu können.
In „Die Sturmflut“ geht es unter anderem darum, einen Schlussstrich zu ziehen, um die Fähigkeit, mit etwas abschließen zu können. Wie ist es mit Ihnen, können Sie gut loslassen?
Fürmann: Ich wünsche, ich könnte es ein bisschen besser. Ich finde es manchmal sehr schwer, einen Menschen oder eine Sache gehen zu lassen. Loslassen zu können, wenn man weiß, dass nichts mehr zu ändern ist – das ist eine Kunst. Auf der anderen Seite, wofür lohnt es sich zu kämpfen, wenn nicht für die Liebe? Wenn es allerdings keine Hoffnung mehr gibt, tut man gut daran sich zu lösen, auch um sich selbst zu schützen. Bis dahin ist es aber ein weiter Weg.
Bei den Dreharbeiten zu „Siegfried“ mussten Sie Ihre Angst vor Pferden besiegen. Wie sieht es mit Ihrem Verhältnis zum Wasser aus? Hat es Sie große Überwindung gekostet, sich in die Fluten zu stürzen?
Fürmann: Na ja, wenn du für einen Film mit dem Titel „Die Sturmflut“ zusagst, darfst du nicht erwarten, trocken aus der Sache rauszukommen. Da hieß es einfach „Augen zu und durch“. Die Szenen im Wasser haben wir in einem Block gedreht. Wir hatten drei Wochen lang Nachtdrehs mit Regen- und Windmaschinen und wussten: Das wird ungemütlich. Es war extrem unangenehm, weil wir zum Teil nur minus acht, minus neun Grad hatten. Die gefühlte Temperatur lag durch die Regenmaschine aber noch weit darunter.
Das heißt, Sie hatten eine Ahnung davon, wie sich die Menschen angesichts der Katastrophe gefühlt haben müssen?
Fürmann: Ich will nicht behaupten, als Schauspieler wüsste ich, was die Menschen damals empfunden haben. Trotzdem musst du versuchen, soweit wie möglich da hinzukommen. Auch wenn du das nie ganz schaffen wirst. Die Kälte und das Wasser haben aber schon dabei geholfen, in Ansätzen nachzuempfinden, was die Menschen durchgemacht haben. Es ist irre schwer, da schlecht zu spielen, weil du einfach gar keine andere Chance hast, als auf die Umstände zu reagieren. Selbst die Statisten sahen ganz unglücklich und gepeinigt aus.
Im Film spielt Götz George Ihren Vater. Haben Sie aus der Begegnung mit ihm etwas Besonderes mitgenommen?
Fürmann: Das nicht, aber ich habe gern mit Götz gespielt. Wir haben eine ganz besondere Beziehung zu einander. Bei der „Bubi Scholz Story“ haben Götz und ich dieselbe Person gespielt. Jetzt war er der Vater und ich der Sohn. Diese persönliche Verknüpfung ist schon lustig. Ich habe die Szenen, die wir bei „Die Sturmflut“ zusammen gespielt haben, sehr gemocht, denn zwischen den beiden ist sehr viel Unausgesprochenes. Um etwas mitzunehmen, glaube ich aber zu sehr an Individualismus. Schließlich arbeitet jeder anders. Aber natürlich habe ich sehr viel Respekt vor Götz.
Beim Film nervt, dass die Arbeit nie chronologisch ist. Du tötest die Frau, lernst sie kennen und gehst dann erst mit ihr einen trinken.
Im Film geht es um verpasste Chancen, um die Frage „Was wäre wenn, …“. Hadern Sie auch häufig mit Ihren Entscheidungen?
Fürmann: Na ja, ich tue mich zum Beispiel manchmal schwer damit, einem Projekt zuzusagen. Denn letztendlich begibt man sich immer wieder auf unbekanntes Terrain. Du kannst zum Beispiel Angst vor einer Rolle haben, weil du nicht weißt, wie du die spielen sollst und ob du einen Zugang zu der Figur findest. Da kommt es schon vor, dass ich irre lang Gedanken wälze und spazieren gehen muss, bis ich zu einer klaren Entscheidung komme. Das ist oft anstrengend. Ansonsten vertraue ich meinen Instinkten, meinem Bauch und meinem Kopf. Schließlich hat jedes Erlebnis, jede Erfahrung das Potenzial etwas dazuzulernen.
Und wie lange mussten Sie überlegen, um für „Die Sturmflut“ zuzusagen?
Fürmann: Zu Anfang hatte ich mich nicht in dem Film gesehen. Die erste Drehbuchfassung, die ich gelesen habe, entspricht auch nicht dem jetzigen Film. Ich habe dann den Produzenten Nico Hoffmann in New York getroffen. Beim Abendessen hat er einen zweistündigen Monolog darüber gehalten, warum er den Film machen möchte und warum ich den Jürgen spielen soll. Seine Leidenschaft hat mich beeindruckt und irgendwann angesteckt. In Berlin haben wir uns dann noch einmal das Drehbuch zusammen angeguckt. Und als der kreative Prozess erst einmal in Gang kam, habe ich mehr und mehr Lust bekommen und mich auf die Dreharbeiten gefreut.
Neben Jorgo Papavassiliou, dem Regisseur von „Die Sturmflut“, haben Sie schon mit renommierten Regisseuren wie Tom Tykwer und Christian Petzold gearbeitet. Ganz grundsätzlich – was erwarten Sie von einem Regisseur?
Fürmann: Dass er die Schauspieler erst einmal den Raum bespielen lässt. Und – ohne jetzt zu schauspieltheoretisch klingen zu wollen – dass er seinen Figuren, den Schauspielern Platz lässt, für sich etwas zu finden. Er muss ein genaues Auge haben, einen guten Intellekt und gute Instinkte. Ich arbeite lieber mit Menschen, die erst einmal gucken, was passiert, und dann die notwendigen Korrekturen besprechen und gemeinsam mit den Schauspielern umsetzen. Das ist mir lieber als jemand, der sagt: Du gehst jetzt von rechts nach links. Jorgo hat mich überrascht, weil er ein sehr genaues Auge hat. Bei einer Totalen zum Beispiel, in der ich wirklich nicht sehr groß zu sehen war, habe ich so einen Seitenblick gemacht. Das hat er genau gesehen und gesagt: Lass das lieber weg. Da dachte ich wow, nicht schlecht, Herr Specht.
Gibt es einen Wunschregisseur, jemanden, mit dem Sie gern einmal zusammenarbeiten möchten?
Fürmann: Es gibt viele Leute, die ich interessant finde. Ich bin sehr gespannt, „Sommer vorm Balkon“ von Andreas Dresen zu sehen, weil ich „Halbe Treppe“ total geliebt habe. Auch „Agnes und seine Brüder“ von Oskar Roehler hat mir sehr gut gefallen.
Schauspieler gibt es viele, die wenigsten von ihnen sind allerdings so gut im Geschäft wie Sie. Kennen Sie eigentlich so etwas wie Existenzängste?
Fürmann: Ich hatte in den vergangenen Jahren nicht wirklich Grund für Existenzängste. Aber natürlich sind mir solche Gedanken nicht fremd. Auch wenn sie nie wirklich Panik in mir ausgelöst haben. Ich habe mir diesen Beruf bewusst ausgesucht, weil ich das konzentrierte Arbeiten über eine klar definierte Zeitetappe von sechs Wochen oder drei Monaten sehr mag. Danach hat man dann wieder Zeit für sich und die Familie. Ich bin also ganz glücklich mit dem, was ich mache. Außerdem wäre es für mich ein Albtraum zu wissen, was ich die nächsten zehn Jahre tun werde. Oder wenn mir eine Handleserin sagen würde, was kommt. Ich möchte das alles gar nicht wissen. Ich mag ein gewisses Maß an Überraschung.
Riskieren wir trotzdem einen Blick in die Zukunft – was steht als Nächstes an?
Fürmann: Ich probe gerade am Theater „Dogville“ von Lars von Trier und habe damit am 9.3. in Hamburg Premiere. Außerdem versuchen wir gerade, einen Bergsteigerfilm auf die Beine zu stellen. Vom Rest lasse ich mich überraschen und freue mich darauf.
Inwiefern macht es einen Unterschied für Sie, ob Sie auf der Bühne oder vor der Kamera stehen?
Fürmann: Beim Theater ist toll, dass du durchspielen kannst. Beim Film ziehst du kleine Sequenzen wie Perlen zu einer Kette auf. Leider werden es nicht immer Perlen. Und den Film am Stück zu sehen, kann manchmal eine böse Überraschung sein – wenn du merkst, dass du eigentlich von einem anderen Film geredet hast. Das Spannende am Drehen sind die Momente vor der Kamera, wenn du einen Raum kreierst. Du liest ein Buch, schwarze Buchstaben auf weißen Seiten, und daraus entsteht auf einmal eine neue Welt, in die du – wenn es richtig gut läuft – eintauchst. Im Vergleich zum Theater ist die Arbeit beim Film viel komprimierter. Ich mag es, einen ganz bestimmten Moment herauszufiltern und konzentriert zu behandeln. Was beim Film nervt ist, dass die Arbeit nie chronologisch ist. Du tötest die Frau, lernst sie kennen und gehst dann erst mit ihr einen trinken.
Mir
Benno Fürmann ist der hotteste Txp des Deutschen Fernsehns.. *schmelz*
?
geil der kerl