Q-Ball, die Bloodhound Gang ist bekannt für ihre rüpelhaften Auftritte, kombiniert mit ausgelassener Rockmusik. Dennoch die Frage: überwiegt bei euch der Spaßfaktor oder sind Konzert-Tourneen für euch auch harte Arbeit?
Q-Ball: Also, das Touren an sich ist beschissen. Ich bin zum Beispiel ein recht ordentlicher Mensch, ich mache morgens mein Bett, gehe duschen, habe gern ein sauberes Zuhause. Aber wenn du auf Tour bist, dann kommst du in dreckige Konzerthallen, die Duschen haben vor dir schon diverse Leute benutzt und da drin vielleicht sonst was gemacht… Aber am Ende übertönt die Musik alles, was du an diesem Touralltag hasst. Da kommt es auch darauf an, wie sehr du die Musik magst. Weil wenn du irgendwann für die Musik keine Leidenschaft mehr hast, dann ist das der Moment, in dem Bands normalerweise auseinander gehen.
Von vielen extravaganten Rockbands wird immer wieder berichtet, dass die Musiker hinter der Bühne völlig normale, umgängliche Leute sind. Ist das bei der Bloodhound Gang auch der Fall?
Q-Ball: Ja, absolut. Klar, wegen unserer Shows haben schon viele Leute gesagt, wir wären verrückt, geistig zurückgeblieben, müssten noch erwachsen werden usw. Und wir machen ja auch wirklich viel auf der Bühne, für unser Publikum. Aber backstage sitzen wir ganz normal am Computer, schreiben Emails, trinken Cappucinos…
Ist die Bloodhound Gang mit den Jahren vielleicht auch erwachsen geworden?
Q-Ball: Also, ich bin jetzt gerade 31 geworden und ich finde nichts Tolles daran, wenn 31-Jährige immer noch das machen, was sie schon mit 21 gemacht haben. Du musst dir deine Fans erhalten und dich mit jedem Album neu erfinden. Sprich, bestimmte Dinge, die die Leute vor fünf Jahren zum Lachen gebracht haben, bringen sie heute vielleicht nicht mehr zum Lachen. Und darauf versuchen wir zu achten.
Die Fans kommen in eure Konzerte zum einen wegen der Musik, zum anderen aber auch wegen eurer meist skandalösen Shows. Was sind denn für euch die wichtigsten Gründe, auf die Bühne zu gehen?
Q-Ball: Das ist in etwa so, als wenn du vor 60.000 Zuschauern im Fußballstadion ein Tor schießt. So einen Adrenalinstoß bekomme ich, wenn ich aus dem Backstage-Bereich komme, die Menge klatschen und schreien höre und dann die Bühne betrete. Das ist einfach unschlagbar, dieses Gefühl kann man auch nicht beschreiben. Aber das macht es eben wert, von Leipzig nach Berlin oder nach München viele Stunden auf der Autobahn zu verbringen, nicht richtig schlafen zu können… Und was unsere Shows betrifft: Nichts ist schlechter, als eine Band zu sehen, die im Konzert nur brav hinter den Mikrofonen sitzt. Da kann ich mir deren CD doch gleich im Autoradio anhören. Ich komme ja ins Konzert, weil ich eine Show sehen will. Und wenn wir in einer Stadt schon mal gespielt haben dann muss die Show beim nächsten Mal anders und möglichst noch größer sein. Weil, die beste Werbung ist eben Mundpropaganda. Es schreibt doch niemand darüber, welche Songs er gehört hat, sondern was er auf der Bühne gesehen hat – das ist das, woran sich die Leute erinnern. Und es ist auch ein schmaler Grat, auf der einen Seite ein reibungsloses Set zu spielen, es aber gleichzeitig anders zu machen, als die vielen anderen Bands.
Und wo siehst du den Grund für euren Erfolg, mehr in der Musik oder in der Show?
Q-Ball: Ich glaube, dass war einfach der Schock-Effekt: die Leute haben es nicht für möglich gehalten, dass sich Leute im Konzert gegenseitig anpinkeln, oder dass einer dem anderen in den Mund spuckt. Jared, unser Bassist, hat mal einen Frozen Margarita getrunken, dann einen Song gespielt, den Drink danach wieder ausgekotzt, das dann wieder getrunken, den nächsten Song gespielt, wieder gekotzt usw. Jared hat auch schon ganze Goldfischgläser mit lebendigen Fischen getrunken, oder wir haben auf der Bühne Gläser zerbrochen und uns in den Scherben gewälzt. Das alles haben wir gemacht, weil wir keine guten Musiker waren. Wir hatten am Anfang auch nicht viel Zeit, jeder hatte einen Job, wir konnten nicht besser werden. Also haben wir diese ganzen Witze und Gags eingebaut, damit die Leute denken: diese Jungs sind verrückt. Aber wie gesagt, sobald das Konzert vorbei ist, sind wir hinter der Bühne ganz normal, zünden Kerzen an, schreiben Emails…
… und gibt es bei euch auch so was wie Familienleben?
Q-Ball: Nein, außer unserem Gitarristen ist von uns niemand verheiratet. Weil, eine Beziehung zu führen, während man on Tour ist, das ist schon hart. Hohe Telefonrechnungen, du reagierst dich an den Bandmitgliedern ab, wenn du deine Frau nicht siehst – da ist es besser, ungebunden zu sein.
Wo seid ihr im Moment erfolgreicher, in Europa oder in eurer Heimat USA?
Q-Ball: Das ist schwer zu sagen, wir haben in den USA zwar mehr Platten verkauft, aber ich glaube, in Europa sind wir inzwischen populärer. Zuhause spielen wir Konzerte vor 2500 Leuten, hier sind es oft 3000. Und seit George W. Bush im Amt ist, werden viele unserer Songs nicht mehr im Radio gespielt, wobei ja gerade das Radio sehr wichtig ist, Musik bekannt zu machen.
Welchen Einfluss hatte denn der Filmemacher Michael Moore auf euren Erfolg? Er hat ja in „Fahrenheit 9/11“ gezeigt, dass US-Militärs sich im Irak mit eurem Song „Fire Water Burn“ aufgeputscht haben, während sie in Panzern Einsätze gefahren sind.
Q-Ball: Ich habe das ehrlich gesagt nicht geglaubt, dass amerikanische Truppen in Panzern sitzen, Leute erschießen und dabei „Fire Water Burn“ hören. Das macht für mich keinen Sinn, wenn ich dort draußen wäre, ich würde wahrscheinlich Slayer hören, also was richtig hartes. Unser Song handelt ja nur davon, zu saufen und sich mit Frauen zu treffen. Ich denke jetzt nicht, dass das mit „Fahrenheit 9/11“ unsere Plattenverkäufe gesteigert hat, aber die Kontroverse hatte schon Einfluss auf unsere Popularität. Wir haben den Song aber nicht deswegen für den Soundtrack freigegeben, weil wir uns dadurch größere Popularität erhofften. Sondern wir hatten „Bowling for Columbine“ gesehen und wir mochten die anderen Filme von Michael Moore. Ich fand auch „Fahrenheit 9/11“ großartig, weil keiner von uns mag George Bush. Wir denken alle, dass das ein großer Idiot ist – deswegen haben wir auch alle John Kerry gewählt.
Wir können nicht begreifen, warum Muslime Botschaften anzünden, die doch gar nichts mit den Karikaturisten zu tun haben.
Aber auf der Bühne äußert ihr euch kaum zu politischen Themen, oder?
Q-Ball: Nein, das machen wir nicht. Es gibt schon genug „Bonos“ da draußen, also, lassen wir das U2 machen, oder Rage Against the Machine. Unsere Fans sind auch zu dumm, um zu wissen, wo Amerika liegt, geschweige denn, wer George Bush ist. Die kümmert das gar nicht. Ich bekomme immer nur Emails in denen steht so was wie „ich hatte heute einen schlechten Tag, dann habe ich eure Musik gehört und jetzt fühle ich mich wieder besser“. Da geht es um die Party und nichts anderes. Und die Leute wollen eben keine Partyband, die über Politik redet – das funktioniert nicht.
Dennoch habt ihr kürzlich bei einem Konzert in Wien zu dem Song „The Roof Is On Fire“ auf eine Leinwand den Spruch projiziert: „Dänische Botschaften brennen leicht“ – offensichtlich in Bezug auf den Streit um die Mohammed-Karikaturen.
Q-Ball: Das war ein Witz! Weil wir einfach nicht begreifen können, warum Muslime Botschaften anzünden, die doch gar nichts mit den Karikaturisten zu tun haben. Aber diese Menschen sind so feindlich gesinnt, ich kann das gar nicht glauben. Wenn ich von dir ein Bild male, du deswegen verrückt wirst und diese Konzerthalle hier niederbrennst – was soll ich dann von dir denken? Also machen wir uns darüber lustig: nicht darüber, dass die Gebäude angezündet wurden, sondern darüber, dass es Leute gibt, die dumm genug sind, so etwas zu tun.
Was hast du eigentlich gemacht, bevor du zur Band kamst?
Q-Ball: Ich war damals auf der Universität, ich bin das auch immer noch, ich studiere Umweltwissenschaften und Betriebswirtschaftslehre. Im Moment lerne ich im Tourbus für meine Bachelor-Prüfungen, die ich machen muss, wenn ich wieder zu Hause bin. Wir wollen halt nicht wie die Beach Boys enden, wir wollen das hier nicht machen, bis wir 55 sind. Sondern wir wollen unser Geld vernünftig investieren, dann einen Weg raus finden, und gucken, was wir sonst noch machen können, was uns glücklich macht. Ich will auch einen Job, der es mir ermöglicht, eine Familie zu haben, ich will mich irgendwo niederlassen, wo alles seinen Platz hat.
Und auf Tour kann man sich auf die Uni konzentrieren?
Q-Ball: Ja, wir haben viel Zeit. Ich kann im Tourbus lernen, unser Busfahrer schläft tagsüber und es ist schön ruhig da drin. Ich lese dann, lerne, oder ich höre iPod. Um sechs oder sieben Uhr abends fängst du dann an zu trinken … Aber, du kannst halt auch nicht jeden Tag trinken. Du kannst nicht die ganze Zeit sturzbesoffen sein, das mag ich nicht, ich bin eigentlich nur ein Freitags- und Samstagstrinker. Das Problem ist nur, dass on Tour ist jede Nacht ein Freitag oder Samstag ist. Aber ich muss nicht unbedingt ein paar Bier getrunken haben, um auf der Bühne herumspringen zu können.
Ist das auch ein einsames Leben?
Q-Ball: Ja. Deine Freunde sind nicht da, deine Familie. Und selbst, wenn du in der Band die besten Freunde der Welt hast: stell dir vor, du wachst drei Monate jeden Morgen neben deinem besten Freund auf? Auch wenn das der beste Freund ist, du brauchst auch Zeit für dich alleine, in der du was anderes machen kannst. Und das ist schwierig auf Tour. Zeit für dich hast du da höchstens unter der Dusche oder in deinem Hotelzimmer. Den Rest der Zeit bist du unter Leuten. Manchmal ist das gut, manchmal nicht.
Ist das auch der Grund, warum ihr momentan mit einem Ersatz-Drummer auf Tour geht?
Q-Ball: Ja, wie gesagt, das Touren ist beschissen. Und die meisten von uns kommen damit klar, aber er brauchte einfach mal eine Pause. Er will die Band nicht verlassen, aber er braucht gerade Zeit für sich. Es ist doch auch nervig, wenn du die ganze Zeit die Miete bezahlst, oder den Elektriker und die ganzen Rechnungen, aber drei Monate lang nicht zu Hause gewesen bist.
Unsere Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic – welche Figur bist du?
Q-Ball: Ich wäre Stewart aus der Zeichentrickserie „Family Guy“, das kleine Baby, das alles weiß.
Das Interview entstand im Februar 2006.