Bobby McFerrin

Ich muss einfach singen

Jazz-Sänger Bobby McFerrin über klassische Musik im Konzertsaal, in Schulen und auf dem Handy

Bobby McFerrin

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Mr. McFerrin, als Sie in den 80ern den Song "Don’t worry, be happy" sangen – haben Sie da schon geahnt, daß diese Botschaft Sie bis heute verfolgen und Ihr Schaffen beeinflussen würde?
McFerrin: Nein, das ist jetzt schon 12 Jahre her, unglaublich oder? Aber wie auch immer: Traurigkeit ist zwecklos und bringt nichts und stellt für mich keine Lösung dar. Ich versuche, nicht traurig zu sein und mir keine großen Sorgen um irgendetwas zu machen, doch hin und wieder bin auch ich traurig.

Und da hilft Ihnen die Musik.
McFerrin: Die Musik hilft mir gewaltig. Wenn du große Sorgen oder mit etwas Schwierigkeiten hast, ist es immer eine gute Idee, das zu tun, was du am liebsten tust. Wenn du gerne schreibst, dann schreib dir die Sorgen vom Leib, wenn du gerne singst, so singe deine Sorgen heraus und wenn du die Natur magst, geh spazieren oder mal ein Bild. Ich bete oft, wenn ich traurig bin.

Für mich steht hinter jedem Ihrer Konzerte immer die Botschaft: Don’t worry be happy!
McFerrin: Genau. Ich will, daß die Zuhörer sich freuen. Sie sollen sich gestärkt fühlen, wenn Sie aus meinen Konzerten kommen.

Und werden Sie den eigentlichen Song noch einmal singen?
McFerrin: Nein, den zu singen, habe ich ehrlich gesagt satt. Ich habe ‚Don’t worry be happy!‘ fünf Trillionen Mal gesungen und bereits einen Schlußstrich gezogen.

Gibt es einen verärgerten BobbyMcFerrin?
McFerrin: Ganz bestimmt, ich bin ja auch nur ein Mensch. Jeder Mensch auf dieser Erde wird einmal wütend und ist imstande dazu. Aber jeden Tag bitte ich um die Kraft, nicht mein Temperament zu verlieren. Und der einzige Weg, meinen Ärger abzubauen besteht darin, daß ich mich auf die Toilette flüchte und niederknie. Natürlich werde ich manchmal wütend. Da hängt es davon ab, wie Du damit umgehst. Du kannst den Ärger destruktiv nutzen und um dich schlagen. Aber Du kannst ihn auch konstruktiv nutzen und ihn auf deine Art kreativ ausleben.

Wenn sie dirigieren gibt es einen großen Unterschied zwischen Ihrem eher legerem Outfit und der konventionellen Abendgarderobe der Orchestermusiker. Hat dies einen bestimmten Grund?
McFerrin: Ich bin einfach viel entspannter. Ich bin viel entspannter,wenn ich bequeme und ungezwungene Sachen trage. Es wäre schwer für mich, im Anzug zu dirigieren, das würde mich behindern.

Manchmal scheint die konventionelle Kleidung eine Art Hürde zwischen Musikern und Zuschauern zu sein.
McFerrin: Ja sicher, das kann sein. Ich fragte einmal in den USA eine Gruppe von Highschool-Schülern, was sie von klassischer Musik hielten, ob sie sie mögen oder nicht. Da sagte tatsächlich einer der Schüler, daß er die Art, wie Musiker sich kleiden, wie eine Art Hürde empfindet zwischen ihm und dem Orchester. Es ist interessant, daß Sie diese Bemerkung machen, denn auf dieses Thema komme ich in Gesprächen mit Jugendlichen immer wieder; daß diese eben der Meinung sind, die Mitglieder des Orchesters sähen ein wenig zu steif aus, und es sei deshalb schwierig, sich in Beziehung zu ihnen zu setzen. In San Francisco hatte ich kürzlich ein Konzert mit dem San Francisco Symphony Orchestra und wir spielten unter freiem Himmel. Ich bestand darauf, daß die Musiker ganz normale Kleidung tragen, also Jeans, T-Shirts, Hüte …einfach ganz normales Zeug eben. Denn die Leute drumherum haben dort gepicknickt, wir waren alle draußen im Park und es war ein sonniger Tag. Normalerweise hätten die ein weißes Jacket mit schwarzem Hemd und ich vermute vielleicht auch schwarze Krawatten getragen – aber ich sagte: Nein, wir sind hier im Park, laßt uns einfach mit den Leuten hier zusammensein! Und ich denke, genau das hat letztenendes den großen Unterschied ausgemacht.

Manchmal dirigieren Sie auch barfuß.
McFerrin: Ja, ich habe sehr lange barfuß dirigiert. Ich weiß nicht warum.Ich glaube, ich habe versucht, etwas von mir zu finden, daß mich beruhigt, weil das Dirigieren noch so neu für mich war. Da wollte ich etwas machen, daß mich sehr viel mehr entspannen würde. Und das war zu jener Zeit eben barfuß zu dirigieren. Aber heute mache das nicht mehr, vielleicht wieder wenn ich sechzig bin [lacht].

Wenn man Sie im Konzert als Dirigent beobachtet, stellt man fest, daß Sie zum Dirigieren nicht nur den Taktstock, sondern Ihren ganzen Körper benutzen. Warum, glauben Sie, gibt es kaum einen anderen Dirigenten, der auf diese Weise dirigiert?
McFerrin: Ich weiß nicht, Dirigieren ist eine sehr persönliche Angelegenheit. Das ist zum einen eine Frage der Übung und zum anderen der Tradition. Ich mag es meinen Körper, so viel wie nur möglich zu nutzen. Die Augen sind dabei ebenso wichtig und auch dein Gesichtsausdruck. Bernstein hüpfte sehr oft, und Kleiber nutzt ebenso einen Großteil seines Körpers.

Meistens dirigieren Sie auswendig – ein Ideal?
McFerrin: Mit Sicherheit. Ich hasse es, in die Noten zu stieren und das Umblättern geht mir auf die Nerven.

Und oft auch ohne Podium.
McFerrin: Am liebsten würde ich immer ohne Podium dirigieren. Denn so bist du auf der gleichen Ebene wie die Musiker. Es macht dich gleichwertig mit ihnen, wenn da keine gesonderte Erhöhung ist. Ein Podium hingegen hebt dich ab. Aber ich möchte zusammen sein und eins sein mit den Musikern und dem Moment des Musizierens. Ohne dieses Podest bist Du mit allen auf dem gleichen Level. Außerdem bevorzuge ich den dadurch entstehenden Freiraum, um mich bewegen zu können und so kann ich ganz nah bei den Musikern sein. Jedes Hindernis, alles was dazwischen in den Weg kommt halte ich nicht für richtig. Das ist mit ein Gund, warum ich in den Konzerten die Zuhörer dazu animiere mit mir und sogar auch mit dem Orchester zu singen. Ich mag das, wenn wir alle so beisammen sind. Denn Musik ist solch eine kommunikative Kunst, sie läßt Gemeinschaft entstehen, sie bringt die Menschen augenblicklich zusammen, wie keine andere Kunst. Da spielt es keine Rolle, wer du bist, was du denkst oder wie dein Tag gelaufen ist…

Machen Sie eigentlich Gesangsübungen vor dem Konzert?
McFerrin: Nun, ich singe generell. Den ganzen Tag.

Das heißt, Sie stehen morgens auf und beginnen im nächsten Moment zu singen?
McFerrin: Naja, nicht sofort, aber an sich den ganzen Tag. Wenn ich einmal aufgestanden bin und in Bewegung bin singe ich.

Zur Übung?
McFerrin: Oh, das ist eben eine gute Idee, einfach zu singen. Ich liebe das Singen und so singe ich wie mir gerade zumute ist.

Und diese Liebe zum Singen, wo hat die ihren Ursprung, in der Religion?
McFerrin: Ich singe, weil das Singen ein Teil von mir ist, wie ich geschaffen wurde. Ich muß einfach singen.

Sie sind ein hochmotivierter und außerordentlich kreativer Musiker – woher nehmen Sie Ihre Kraft, Motivation und Inspiration?
McFerrin: Meine Inspiration ist folgende: Alles, was ich besitze, alles was ich tue und bin, ist ein Geschenk. Ein Geschenk, welches Gott mir, dir und jedem auf der Welt gegeben hat. Und für jeden einzelnen Herzschlag, jeden Atemzug sollten wir dankbar sein. Deshalb versuche ich mir vor jedem Konzert bewußt zu machen, daß hinter dem, was wir tun, nicht die Musiker, nicht ich, und auch nicht die Musik stecken, sondern einzig Gott, der uns mit seinen Gaben erfreut. Diese Gaben sind die Musik, die Fähigkeit zu musizieren, eben alles was wir besitzen und tun. Und daran versuche ich mich bei jedem Auftritt zu erinnern. Ohne die Gaben Gottes könnten wir weder musizieren, noch hätten wir überhaupt einen Sinn für Musik.

Sie schreiben auch Gedichte.
McFerrin: Ich habe eine Zeit lang viele Gedichte geschrieben, doch habe ich damit in meinen 20ern aufgehört. Ich bin jetzt gerade 50. In meinen 40ern habe ich mich sehr auf das Dirigieren konzentriert. In meinen 50ern will ich mich nun wieder auf das Schreiben konzentrieren, Songs komponieren, Gedichte und Kindergeschichten schreiben. Ich werde mehr Zeit haben zu lernen mit Wörtern umzugehen, mit ihnen zu spielen. Denn mit keinem meiner bisherigen Songtexte bin ich richtig glücklich gewesen. Zwar mag ich einige mehr als andere, doch habe ich die Texte meist unter Zeitdruck schreiben müssen, wenn beispielsweise der Studiotermin unmittelbar bevor stand. Und ich schreibe sowieso immer im letzten Moment und so hatte ich immer nur wenige Tage Zeit. Aber dieses Jahr werde ich endlich ein Studio in meinem Haus einrichten. Dann kann ich gemütlich arbeiten und habe viel Zeit, den richtigen Weg zu finden, das zu sagen, was ich sagen will. Ich werde um Worte ringen und Wörterbücher durchstöbern, um sehr persönliche Gedanken und Gefühle auszudrücken. Und bisher bin ich in solchen Sachen wirklich nicht gut, ich hoffe nur, es wird besser.

Aber wenn man Ihren Konzertplan für die nächsten Monate studiert, sieht es so aus, daß Sie für all das gar keine Zeit finden.
McFerrin: Nein, momentan nicht. Erst ab September 2001, dann werde ich hauptsächlich zu Hause bleiben, bei meiner Familie.

Und Sie schreiben an einer Oper.
McFerrin: Ich habe vorerst aufgehört, diese Oper zu schreiben, da ich gemerkt habe, daß die Zeit noch nicht reif war. Ich habe die Arbeit an dem Werk bis auf weiteres ausgesetzt, und weiß nicht genau wie es weitergeht. Ich werde eine Oper komponieren und da könnte es besser sein, wenn ich selber auch das Libretto schreibe. Denn es war eine schwere Zeit für mich, als man mir Librettos gab und ich versuchte meine Musik mit diesen Librettos zu verbinden. Das lag weniger an den Librettos, als an meiner Unfähigkeit mit Worten umzugehen.

In Deutschland und auch in den USA schenken Kinder der klassischen Musik immer weniger Aufmerksamkeit. Was ist Ihr Konzept, um diese Tendenz zu stoppen?
McFerrin: Das ist sehr sehr einfach. Ich selbst mag klassische Musik, seitdem ich sie gehört habe. Klassische Musik muß also in die Umgebung von Kindern gebracht werden, und dafür ist der beste Ort die Schule. Der Lehrer könnte einfach an jedem Schultag zu gewissen Zeiten Musik laufen lassen – wenn die Kinder von der Pause ins Klassenzimmer kommen und sich auf den Unterricht vorbereiten – ganz dezent könnte man Musik im Hintergrund abspielen, Mozart zum Beispiel. Und dann, wenn die Schüler im Unterricht kreativ werden und malen oder zeichnen dann könnte man Haydn spielen.

Haben Sie ein solches Programm bereits realisiert?
McFerrin: Bisher nicht. Ich denke, Kinder müssen klassische Musik einfach nur hören, damit sie ein Gespür für diese Musik entwickeln, das ist alles. Nur kommen die meisten Kinder nicht in Berührung mit klassischer Musik. Sie sind an MTV gewöhnt und kaufen sich nur Pop-Musik. Aber wenn sie in Berührung mit Klassik kommen würden, wenn in den Schulen täglich Musik läuft – das kann neben klassischer Musik durchaus auch mal James Brown oder Count Basie sein, eben verschiedene Stilrichtungen – so werden die Kinder mit der Musik vertraut. Und wenn dann die Eltern, welche klassische Musik hören, ihre Kinder fragen, ob sie mit ins Konzert gehen würden, so ist die Wahrscheinlichkeit groß, daß sie mitgehen, da für sie die klassische Musik nichts Fremdes mehr ist.

Was halten sie denn von diesem Rapsong, in dem Bachs "Air für eine G-Seite" verwendet wurde? (Sweetbox: Everything is gonna be alright)
McFerrin: Das hat schon einen gewissen Wert, denn auch hier waren die Musiker kreativ, indem sie ein Stück klassische Musik verwendeten. Und das zeigt, daß sie sich mit diesem Werk auseinandergesetzt haben.

Sie tragen schon seit langem Dreadlocks, hat das einen bestimmten Grund?
McFerrin: Dreadlocks mag ich einfach, und das wird sich in Zukunft nicht ändern weil ich mich und weil die Leute mich so kennen.

Wir befinden uns derzeit im Bach-Jahr – was sind Ihre persönlichen Erfahrungen mit diesem Komponisten?
McFerrin: Zuerst einmal: Ich liebe Bach, und eines meiner Lieblingsstücke ist sein Violinkonzert in a-Moll. Als ich das das erste Mal hörte, hat es mir die Sprache verschlagen. Ich schaute damals ein Klassikprogramm im Fernsehen und Isaac Stern war der Solist, das hat mich völlig umgehauen. Ich hatte Bach zuvor schon gehört, da ich aufgrund meiner Eltern, beide Musiker, mit klassischer Musik in Berührung kam. Doch dieses Mal war ich dermaßen ergriffen, daß ich nach Ende der Sendung sofort losgeradelt bin, um mir die Partitur und eine Aufnahme zu besorgen, die ich mir dann immer und immer wieder anhörte. Als Kind habe ich im Kirchenchor gesungen, genauso wie meine Mutter und wir haben natürlich viel Bach gesungen. Für mich ist er einfach ein verblüffender Musiker gewesen. Zu jeder Zeit komponierte er und hatte aber auch 20 Kindern. Ich mag sehr seine Idee, daß jeder Musiker, egal welches Instrument er spielt, singen sollte, eben um ein besserer Musiker zu sein. Er sollte das singen, was er normalerweise auf seinem Instrument spielt.

Was halten Sie davon, Musik mit dem Computer zu machen?
McFerrin: Es kommt ganz darauf an, wie man den Computer einsetzt. Ich persönlich tue mich da schwer, da Computer eben gar nicht organisch sind, aber jemand anderes kann mit dem Computer sicherlich gute Arbeit leisten.

Und was denken Sie über den Gebrauch von Melodien zum Beispiel von Tschaikowsky, Bach oder Mozart auf dem Handy?
McFerrin: Mich irritiert das ein wenig, aber es it o.k.. Ich habe sowieso kein Handy. Manchmal benutze ich eins und ich finde so ein Telefon kann sehr praktisch sein. Mein Manager, der hat eins. Wenn wir also gerade unterwegs sind und er muß dringend einen Anruf machen, dann verstehe ich natürlich die Notwendigkeit, eins zu haben. Aber für mich persönlich ist das nichts, weil es meine Privatsphäre einschränkt, soweit ich eine habe, da die Leute mich überall erreichen können. Und wenn sie mich anrufen, dann muß ich zwar nicht rangehen, fühle mich aber dazu verpflichtet. Aber ich habe kein Handy.

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