Ronan, Mikey, Keith, Stephen, Shane – wer von euch hat eigentlich den Namen Boyzone erfunden?
Keating: Das war unser Manager Louis Walsh. Ich glaube, er hat damals in irgendwelchen Zeitschriften geblättert und das dann rausgepickt …(lacht)
Lynch: Es wurde damals viel über dieses Casting geredet und geschrieben, die Leute haben damals auch ihre Wunsch-Bandnamen an die Zeitung geschickt. Aber ich glaube, am Ende stand der Name Boyzone, weil unser Manager das so entschieden hat.
Warum habt ihr den Namen nicht selbst ausgewählt?
Lynch: Tja… unser Manager war ja praktisch Teil der Band. Wir waren ein Team. Er glaubte, der Name ist gut, wir waren jung, 16, 17 Jahre alt – und es war damals ja auch ein guter Name.
Wenn ihr heute nochmal einen Namen wählen müsstet, welchen würdet ihr nehmen?
Keating: So was wie „Die K.O”-Schläger (lacht)
Gately: „Die üblichen Verdächtigen”
Graham: „Die Betonklötze”
Damals wart ihr eine Boygroup, was seid ihr heute?
Keating: Eine Frauenband? (lacht)
Gately: Wir sind immer noch ein Pop-Act, wir singen Popsongs. Uns ist jede Kategorie recht, in die die Leute uns packen wollen, aber letzten Endes ist das, was wir machen, Popmusik.
Duffy: Boyzone ist ein allgemein bekannter Name und Teil des Produkts, das aus uns fünf Typen besteht. Wir waren nie besonders darauf bedacht, so unheimlich glaubwürdig daherzukommen wie, sagen wir, Oasis oder Blur. Wir machen Popmusik. Ja, wir sind jetzt älter, aber von mir aus sind wir immer noch eine Boygroup.
Aber was meint ihr mit ‚nicht so glaubwürdig’?
Keating: Am Anfang haben wir uns noch sehr um unser Ego gesorgt, jeder meinte, wir müssten jetzt unbedingt eine Popband mit Credibility sein. Aber dann haben wir irgendwann gemerkt, dass wir uns nicht zu ernst nehmen. Wir wollen Spaß dabei haben. Das heißt nicht, dass die Arbeit, die wir machen, nicht professionell ist. Wir kreieren auch neue Songs und Sounds, wir gehen da auch mit einem professionellen Denken und mit Herz ran – aber wir genießen vor allem auch das Zusammensein, wir haben Sinn für Humor, wir haben einfach eine gute Zeit zusammen
Dabei kamt ihr alle aus unterschiedlichen Ecken zusammen, durch ein Casting…
Lynch: Richtig, wir kamen aus verschiedenen Teilen Dublins, wir sind nicht zusammen aufgewachsen. Wir waren eine zusammengecastete Pop-Band.
Keating: Das war so wie bei „The X-Factor“ oder „Pop-Idol“, mit dem Unterschied, dass noch keine Live-Kamera dabei war, diese Casting-Shows kamen ja erst später. Wir hatten Glück, wir waren die erste Band dieser Art aus Irland, dann waren wir 1995 Teil der „Smash Hits Tour“ durch England, wir hatten eine Hit-Single – so kam eins zum anderen. Und ehe wir merkten, dass sechs Jahre vergangen waren, haben wir uns aufgelöst. Nach sechs Nummer1-Hits, 16 Top3-Hits – ich meine, das war unglaublich, das war eine Achterbahnfahrt. Aber wir haben jede Minute davon geliebt.
Hat eure Plattenfirma damals versucht, eure Liebesbeziehungen zu verbergen?
Keating: Nein, da waren wir sehr offen. Immer. Wir hatten Freundinnen, Frauen, Freunde, Kinder, Stephen hatte 1999 sein Coming-Out…
Wir kamen ja auch aus Dublin, wir waren ein bisschen kantiger als Take That und New Kids on the Block. Nicht in Bezug auf unsere Musik, aber in Bezug auf uns persönlich. Wir waren nicht perfekt, nicht aalglatt.
Aber sind nicht trotzdem die weiblichen Fans, die sich in Mitglieder einer Boygroup verlieben, ein wichtiger Teil des Marketings?
Duffy: Ja, das haben wir auch bedient, wir haben uns selbst vermarktet.
Lynch: Aber wir haben deswegen nicht bestimmte Einzelheiten preisgegeben oder verheimlicht. Wir waren einfach fünf Männer, die auf die Bühne gegangen sind, um zu singen, nicht um jetzt unbedingt das weibliche Interesse zu wecken. Das ist doch ohnehin da, wenn eine Boyband auf der Bühne steht.
Und die Massen an Fans, sind euch die nie auf die Nerven gegangen?
Lynch: Nein, das war immer großartig. Wir lieben das.
Keating: Wir waren auf einem Konzert von Take That, nach deren Comeback, und wir konnten es nicht glauben: der Sound, die Atmosphäre, die Reaktionen dieser Mädchen, jetzt 35 oder 40 Jahre alt. Das hat uns auch dazu gebracht, selbst wieder auf die Bühne zu gehen.
In den Jahren, in denen ihr pausiert habt, hat sich die Musikindustrie gewandelt. Ist es für euch heute wichtiger, live aufzutreten als früher?
Lynch: Ich denke nicht, dass es wichtiger ist. Damals waren wir genauso viel unterwegs, wir haben unsere Alben promoted, um Konzerte zu spielen und wir waren in den 90ern zwei Mal pro Jahr auf Tour. Es stimmt natürlich, dass heute mehr Leute in die Konzerte gehen als sich CDs kaufen…
Keating: …und Bands müssen touren um zu überleben. Insofern sind wir auch sehr froh, dass wir eine Fanbase haben, die in die Shows kommt.
Wie hat sich euer persönlicher Musikkonsum entwickelt, in den letzten zehn Jahren? Wie nutzt ihr dafür das Internet?
Keating: Ich habe noch nie einen Song illegal heruntergeladen.
Gately: Ich würde auch das richtige Ding kaufen.
Keating: Ich mag es auch, das ganze Produkt zu kaufen, eine Platte in der Hand zu halten, im Booklett zu lesen, die Credits zu studieren. Also, ich kaufe immer noch etwa zehn Alben pro Woche.
Duffy: Ich nutze Itunes, weil ich neue Songs immer sofort hören will.
Keating: Das Internet bietet sicher viele Möglichkeiten. Nur haben die Plattenfirmen diese Möglichkeiten nicht in dem Moment genutzt, in dem sie sie hätten nutzen sollen. Die haben das falsch angepackt. Inzwischen sind sie aber auf den Zug aufgesprungen und tun, was sie können.
Aber wie du schon sagtest: Wir als Band geben Konzerte, gehen auf Tour – das ist etwas, was die Plattenfirmen nicht neu erfinden können.
Wir waren nie besonders darauf bedacht, so unheimlich glaubwürdig daherzukommen wie Oasis oder Blur.
Wenn man sich Songzeilen von damals anschaut wie „Don’t love me for fun girl, let me be the one, girl“ oder „I never gonna say goodbye cause I never wanna see you cry” – werden eure Texte heute auf ähnlichem Niveau stattfinden?
Lynch: Also, es gibt Dinge, über die Boyzone nicht singen werden: Sexismus, Gewalt, Pistolen… Wir singen popaffine Texte, wir machen Easy Listening, radiofreundliche, familienfreundliche Musik. Und all unsere bisherigen Texte sind relevant dafür, wie wir mit Boyzone weiter machen werden. Definitiv.
Aber musstet ihr nicht manchmal selbst lachen über diese – recht naiven – Texte?
Keating: Wir haben damals Einweg-Popmusik gemacht, wir haben das wirklich nicht allzu ernst genommen. Wir haben halt eine Lücke gefüllt, die es noch nicht gab. Und als wir älter geworden sind, wurden wir Songwriter, wir haben dazugelernt und die Songs wurden besser, wie zum Beispiel „Isn’t it a wonder“ Auch die Texte wurden besser, das Gefühl wurde wichtiger. Aber: Es ging nie um Gewalt, Schmerz und Leid. Dafür können die Leute „Sky News“ anschalten. Boyzone ist eine Popband, unbeschwert, leichten Herzens. Für die anderen Dinge gibt es andere Kanäle. Wir machen alle auch Wohltätigkeitsarbeit, wo wir uns mit ernsteren Themen beschäftigen. Aber wir singen nicht darüber.
Aber hört ihr privat zumindest etwas härtere Musik?
Keating: Cat Stevens, U2, Bon Jovi – ich mag alle mögliche Musik. Rap, HipHop, Reggae, wir haben alle verschiede Geschmäcker. Aber das ist nicht notwendigerweise die Musik, die wir für unsere Fans machen. Das ist nicht das, was sie wollen – die wollen Popsongs hören, Boyzone-Songs. Aber wir müssen uns auch neu erfinden, deswegen haben wir jetzt auch einen neuen Sound – aber es sind immer noch Liebeslieder und es ist immer noch Popmusik.
Heute scheint ihr musikalisch motiviert zu sein. Doch was war damals eure Motivation, bei einem Band-Casting mitzumachen?
Graham: Wir hatten alle verschiedene Gründe. Ich bin hin gegangen, weil ich Musik geliebt habe, ich hatte persönlich eine großartige Beziehung zu Musik, seit ich klein war. Als ich dann in der Band war, habe ich sehr viel darüber gelernt, wie die Industrie funktioniert, viele Dinge, die ich über diese Industrie vorher nicht wusste.
Zum Beispiel?
Graham: Also, wenn du 21 bist und in so eine Popband kommst, dann hältst dich für den Größten, du glaubst, dass du alles weißt. In Wirklichkeit hatten wir aber keinen blassen Schimmer. Du hast eine Plattenfirma und ein Management, Leute die älter sind als du, die die Industrie viel besser kennen, die das ganze Projekt nach vorne bringen und die sicher gehen, dass am Ende ein verkäufliches Produkt dabei rauskommt.
War es nicht schwierig für euch, wenn alles von Plattenfirma und Management entschieden wurde?
Graham: Ja, es hat uns auch eine gewisse Zeit gebraucht, sich damit zu arrangieren. Heute sind wir ein bisschen älter und erfahrener, wir verstehen, was wir den Leuten verkaufen und wie wir es verkaufen.
Keating: Ich denke, wir haben erst in dem Moment, als wir uns auflösten, realisiert, wie viel wir nicht wussten. Denn während du in einer Band und so erfolgreich bist, hast du um dich herum nur diese „Yes“-People, Leute die dich die ganze Zeit glauben lassen, dass du ein Genie bist, dass du der Grund für den Erfolg bist. Erst wenn du das von außen betrachtest, merkst du, wie viel da eigentlich hinter den Kulissen passiert, dass so viele Leute in deinem Namen Entscheidungen treffen und Schachzüge machen.
Graham: Es gab kluge Geschäftsleute im Hintergrund, ja. Und die haben verstanden, was Boyzone war und welches Potential in der Band steckte – sowohl musikalisch als auch kommerziell. Insofern haben die auch ein paar sehr gute Entscheidungen in unserem Namen gefällt. Wir selbst waren uns dem aber nicht bewusst, wir wussten nicht, welch große Rolle die gespielt haben. Man hat uns viel mehr glauben gemacht, dass wir ein göttliches Talent hätten, das jeder bewundert.
Stephen, du hattest, wie schon angesprochen, 1999 dein Coming-Out. War das nicht als Mitglied einer Boygroup unglaublich schwer?
Gately: Nein.
Zumindest der Druck durch die Medien muss doch relativ groß gewesen sein…
Gately: Das war meine Wahl und es war die beste Entscheidung die ich je getroffen habe. Die Medien haben mich ja nicht besonders interessiert, viel mehr unsere Fans. Wir haben viele junge Fans und die Unterstützung, die ich nach meinem Coming-Out von denen bekam, war unglaublich. Das Album, was wir danach veröffentlicht haben, wurde das meistverkaufte Boyzone-Album. Es hat den Erfolg der Band also gar nicht beeinträchtigt.
Ich wäre wahrscheinlich vom Gegenteil ausgegangen, also dass sich Schwulsein und Boygroup – zumindest noch in den 90er Jahren – nicht gut verträgt.
Keating: Stephen war tatsächlich der erste Sänger einer Boygroup, der ein Coming-Out hatte. Das war wirklich ein großer Schritt und es hätte auch schief gehen können. Aber er ist immer noch Stephen, er weiß, was er will – es war für ihn die beste Entscheidung.
Graham: Ich denke, dass die Öffentlichkeit Boyzone danach noch viel mehr wollte. Weil die Menschen verstanden haben: diese Typen sind ehrlich zum Publikum, ehrlich darüber, wer sie sind. Ich denke, das hat sowohl Stephen persönlich als auch der Band insgesamt viel gebracht.
Kommen wir langsam zum Schluss: Von welcher Band würdet ihr euch ein Comeback wünschen?
Gately: Abba.
Keating: Oh, keine Ahnung…
Duffy: …ich auch nicht. Ich denke nur, dass es zu unserer Zeit ja viele Bands gab, die von der Industrie als sehr glaubwürdige, ernst zu nehmende Pop-Bands hingestellt wurden, wie zum Beispiel All Saints oder East17. Und es ist schon lustig, nach all den Jahren: diese Bands haben auch Comebacks versucht, aber ohne Erfolg.
Unsere Schlussfrage lautet: Das Leben ist ein Comic – welche Figuren seid ihr?
Lynch: Homer Simpson, voll und ganz.
Gately: Alladin.
Graham: Elmer Fudd
Keating: Batman.
Duffy: Und ich wäre Duffy Duck.