Bülent Ceylan

Hauptsache wir vertragen uns.

Bülent Ceylan gehört zu den beliebtesten Comedians in Deutschland, mit „Verpiss dich, Schnweewitchen!“ wagt er nun den Sprung auf die Kinoleinwand. Im Interview spricht Ceylan über sein Rock-Image, Witze gegen Nazis und kulturellen Mainstream.

Bülent Ceylan

© Constantin Film / Bernd Spauke

Bülent, du giltst als der Rockstar unter den Comedians. Wie kam es eigentlich zu diesem Rock-Image?
Bülent Ceylan: Als ich mich zum allerersten Mal im Fernsehen präsentiert habe, hatte ich nur fünf Minuten Zeit. Da habe ich mir überlegt, wie ich am ehesten auffallen kann – und so habe ich am Anfang erstmal einen langen Headbanger gemacht. Danach habe ich die Haare zusammengenommen und mit normalem Stand-Up weitergemacht. Dieses Intro hat die Leute offenbar beeindruckt, jedenfalls gehören die langen Haare seitdem zu meinem Image. Wobei ich die schon vorher hatte, ich habe sie mir nicht extra für die Comedy-Bühne wachsen lassen.
Dazu kommt natürlich noch, dass die Leute wissen, dass ich diese Musik höre und auch schon in Wacken aufgetreten bin.

Welchen Einfluss hat dein Faible für Rockmusik auf deine Comedy?
Ceylan: Das ist vor allem eine Energie-Geschichte: Die Comedy muss rocken, es darf nicht langweilig werden. Die Leute müssen abgehen, Emotionen erleben, aber auch die ein oder andere Botschaft mitnehmen.

Wie erreicht man beim Publikum, dass es rockt?
Ceylan: Allein gute Witze zu machen, reicht noch nicht, sondern das Gesamtpaket muss stimmen. Ich mache das mit absoluter Leidenschaft, egal ob es mir gut oder schlecht geht, gehe ich raus und habe Spaß an dem, was ich da mache. Für mich ist auch wichtig, dass die Leute – wie beim guten American Stand-Up – dranbleiben, die Gagdichte muss hoch sein. Die Leute dürfen nicht das Gefühl bekommen: In drei Minuten kommt wieder der nächste Witz. Und du brauchst beim Live-Programm einen roten Faden, du musst eine Geschichte erzählen. Außerdem spielt eine Rolle, wie man mit den Zuschauern umgeht, ob man Sympathie und Wärme ausstrahlt.

Dir gelingt das offenbar.
Ceylan: Das habe ich von meiner Mutter. Sie ist eine Person – wenn sie jetzt diesen Raum betreten würde, Sie würden sie sofort mögen.
Mich mag vielleicht nicht jeder, aber ich versuche immer sehr offen zu sein, ich gehe auf die Leute zu, gehe in den Shows ins Publikum, mache Autogrammstunden. Ich vergesse nicht, wo ich herkomme und ich bin nach 20 Jahren immer noch dankbar, dass überhaupt Leute zu meinen Shows kommen. Das gewisse Quäntchen Glück gehört natürlich auch dazu. Ich hatte das Glück, den richtigen Produzenten zu treffen, der mein Programm pusht, es an einen Sender verkauft usw.

Zitiert

AfD ist eine Protestwahl gegen den gesunden Menschenverstand.

Bülent Ceylan

Du hast deine Programme gemeinsam mit Roland Junghans entwickelt…
Ceylan: Richtig. Seit einigen Jahren arbeite ich auch mit Rainer Bender zusammen, der hat bei meinem neuen Programm „Lassmalache“ viel Frisches, Aktuelles eingebracht.

Welche Veränderungen erwarten den Zuschauer?
Ceylan: Mein neues Programm ist politischer geworden. Zum Beispiel stelle ich die Frage: Wie lachen Diktatoren privat? Lachen die überhaupt? Da treffen dann Erdogan, Putin, Kim Jong-un und Trump – Diktator auf Probezeit – in einer Selbsthilfegruppe zusammen und erzählen sich gegenseitig Witze. Oder ich spreche darüber, was ich als Bundeskanzler besser machen würde.

Was hat dich motiviert, politischer zu werden?
Ceylan: Das liegt wahrscheinlich am Alter. Ich bin jetzt 42, da überlegt man sich, ob man stehen bleiben will oder ob man sich weiterentwickelt, ob der Inhalt tiefsinniger wird. Wenn ich heute eine Message verbreite, nimmt man mir das vermutlich eher ab als mit 25 oder 26.

Du sparst auch in deinem Film „Verpiss dich Schneewittchen“ Politisches nicht aus, Hakenkreuz-Schmierereien inklusive.
Ceylan: Also, in erster Linie ist der Film Familien-Unterhaltung. Es geht um Freundschaft, Zusammenhalt, Ehrgeiz, darum, dass man seinen Traum verwirklichen kann… – da können Kinder und Opa gleichermaßen Spaß haben.
Auf der anderen Seite war es mir auch wichtig – auf spielerische Art und Weise – die Botschaft zu vermitteln, dass wir Nazis wirklich nicht brauchen. Gedreht haben wir 2016, und jetzt ist dieses Thema sogar noch aktueller, da wir inzwischen auch Nazis im Bundestag haben.

vds_teaser_a4_700Rocken Anti-Nazi-Witze denn noch?
Ceylan: Es kommt drauf an, wie man es verpackt. Einen Adolf Hitler zu imitieren, reicht so nicht. Aber wenn das in eine Story eingebaut ist, in der es Sinn macht oder in der es absurd wirkt – dann kann das rocken.

Im Film sehen wir Nazis in Gestalt einer Pop-Band.
Ceylan: Allerdings merken es die Leute erst gar nicht. Denn bei der Film-Band Freiland sieht der Sänger gut aus, die Musik ist gut produziert… Und das ist ja oft das Gefährliche, wenn es die versteckten Nazis sind. Auch in der Politik, wenn da so ein gut aussehender Kerl kommt, wo die Frauen drauf abfahren, der total sympathisch wirkt, der nicht das ‚r‘ rollt, sondern einfach schön redet – vor denen muss man aufpassen.

Der Bandname „Freiland“ ist offensichtlich von der Gruppe „Frei.Wild“ inspiriert. Warum?
Ceylan: Diese Idee kam vom Regisseur und den Autoren des Films, die mit Frei.Wild vielleicht etwas Bestimmtes assoziiert haben. Ob das nun einen wahren Kern hat oder nicht – letzten Endes gibt es solche Bands. Und das Erschreckende ist: Man geht erst einmal mit, bis man merkt ‚oh, das waren Nazis, wusste ich gar nicht.‘

Du hast vor zwei Jahren in einem Interview gesagt, wenn Nazis den Sprung in Parlamente schaffen, „muss man dagegen schießen“. Nun sitzt die AfD im Bundestag – muss man heute noch stärker ’schießen‘?
Ceylan: Ja. Wenn mir jemand erklärt, AfD zu wählen sei eine Protestwahl, dann antworte ich: Es ist eine Protestwahl, aber nicht gegen die Merkel sondern gegen den gesunden Menschenverstand. Klar, es soll jeder wählen was er will, aber man muss dazu auch den Mund aufmachen. Cem Özdemir zum Beispiel hat vor kurzem im Bundestag eine super Rede gehalten gegen die AfD. Wie er sie dort kritisiert – so habe ich ihn noch nie erlebt.

Wenn du Witze über Nazis oder den türkischen Präsidenten Erdogan machst, bekommst du dann auch mal böse Mails?
Ceylan: Ja. Wobei es mehr Reaktionen sind, wenn ich über Erdogan schimpfe. Meistens schreiben mir die Leute dann irgendwelche Beleidigungen, „du bist ein Haustürke“ oder „die Türkei braucht dich nicht“. Aber soll ich mir deshalb den Mund verbieten lassen? Wenn ich einen Witz mache, oder zum Ausdruck bringe, dass ich etwas nicht gut finde – wenn da die Leute schon ausflippen, in welchem Land leben wir dann?
Manche Journalisten oder Künstler werden deswegen ja sogar bedroht. Da ist es dann wichtig, dass der Staat ihnen eine gewisse Sicherheit gibt. Sprich, dass man zu solchen Leuten, die irgendwelche Drohungen aussprechen, auch hingeht und ihnen die Grenzen aufzeigt. Denn manche kapieren es nicht, die setzen sich an den Rechner und denken, sie könnten einfach Leute bedrohen, deren Meinung ihnen nicht passt.

Szene aus "Verpiss dich, Schneewitchen", mit Sabrina Setlur © 2017 Constantin Film / Bernd Spauke

Szene aus „Verpiss dich, Schneewitchen“, mit Sabrina Setlur © 2017 Constantin Film / Bernd Spauke


Du spielst heute in großen Hallen, dein Kinofilm wurde von einem der größten deutschen Filmverleiher produziert. Dabei hast du mal gesagt, dass zu Jugendzeiten „Mainstream nie mein Ding“ gewesen ist.

Ceylan: Das habe ich wirklich mal gesagt? (lacht) Also, meine Comedy ist Mainstream in dem Sinn, dass sie viele Menschen erreicht. Aber was ist daran so schlimm? Selbst Wacken ist ja Mainstream, wenn man sich anschaut, wie viele Tausend Menschen dort hingehen. Oder Metallica, auch da hieß es irgendwann, sie seien jetzt Mainstream.
Wichtig ist, dass man zu dem steht, was man macht, man sollte sich dafür nicht schämen müssen. Und wenn du mit deiner Sache glücklich wirst, dann ist es egal ob du Mainstream oder Underground bist. Hauptsache wir vertragen uns und akzeptieren und tolerieren jeden. Neulich kam Helene Fischer auf mich zu und sagte, sie sei Fan von mir. Nun höre ich keinen Schlager, aber ich habe trotzdem Respekt vor ihr und davor, wie sie das alles macht.

Zum Schluss: Wer hat mehr Humor, die Türken oder die Deutschen?
Ceylan: Was soll ich da sagen, ich habe schließlich eine deutsche Mutter und einen türkischen Vater. Unentschieden.

Letzte Frage: Du kannst mit deiner Stimme quietschen wie ein Kleiderschrank. Steckt da ein besonderes Training dahinter?
Ceylan: Nein, das kam einfach so. Du musst einfach die Luft nach hinten ziehen, und dann… Nein, mach‘ es lieber nicht nach. Ich hatte schon Zuschauer, die das versucht haben, die haben sich dabei böse verschluckt.

Ein Kommentar zu “Hauptsache wir vertragen uns.”

  1. Joachim Datko |

    Ich bin aktiver AfD-Sympathisant. Für mich ist insbesondere wichtig, dass sich die AfD gegen die Masseneinwanderung und die Islamisierung stemmt.

    Joachim Datko – Ingenieur, Physiker

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