Buket Alakus

Irgendwann bemerkt man die Behinderung nicht mehr.

Regisseurin Buket Alakus über ihren Film „Finnischer Tango“, die Arbeit mit behinderten Schauspielern und Sehgewohnheiten des Publikums

Buket Alakus

© Polyfilm

Frau Alakus, hört man “Finnland“ denkt man an dampfende Saunen, niedrige Temperaturen und teures Bier. Wie passt der südamerikanische Tango dazu?
Alakus: Genau diese Widersprüchlichkeit im Titel des Drehbuchs hat mich auch neugierig gemacht. Ich habe mich gefragt: Was ist das überhaupt, ein finnischer Tango? Dann habe ich mir einfach mal ein paar Stücke aus diesem Bereich angehört und war sehr angetan, denn diese Musik ist wirklich skurril. Ich fand, dass sie gut zu unserem Film passt. Weil da weiß man eben auch nicht so genau, was verrückt ist und was nicht.

In Ihrem Film findet ein gescheiterter Tango-Musiker in einer Behinderten-Theatergruppe Unterschlupf. Nur wenige Regisseure haben bisher mit behinderten Menschen gedreht, wie gestaltet sich diese Arbeit?
Alakus: Natürlich kann man, wie zum Beispiel bei „Rain Man“, auch einen richtigen Schauspieler engagieren. Ich wollte aber etwas Authentisches. Das war dann zeitlich sehr schwierig, denn behinderte Menschen brauchen Zeit. In unserem Film ging es ja nicht darum, dass wir einfach nur Sachen ausprobieren, sondern es gab ein richtiges Drehbuch.

Eine Einschränkung und Herausforderung zugleich.
Alakus: Genau. Wenn man aber berücksichtigt, dass unsere behinderten Akteure richtige Dialoge hatten, die sie selbst in den Pausen geprobt haben, lässt sich erkennen, dass die Ansprüche behinderter Schauspieler keineswegs gering sind. Sie versuchen, wie Schauspieler ohne Behinderung auch, in ihrer Rolle perfekt zu sein und ärgern sich, wenn etwas nicht auf Anhieb klappt.

„Finnischer Tango“ spielt mit den Sehgewohnheiten des Publikums. Haben Sie irgendwann das Auge für die Andersartigkeit der behinderten Akteure verloren?
Alakus: Ja. Irgendwann bemerkt man die Behinderung nicht mehr. Das ist genauso wie eine Narbe im Gesicht: die sieht man irgendwann auch nicht mehr. Jürgen Vogel zum Beispiel hat unser Sehen auch daran gewöhnt, dass seine Zähne nicht perfekt sind. Er ist eben ein kleiner Dracula, der aber fantastisch spielt und ein großartiger Schauspieler ist. Wir sind einfach alle Menschen, der eine humpelt, der andere hat grüne Haare – allerdings leben wir in einer Welt, in der alles perfekt sein muss…

…und in der Behinderung für viele noch ein Tabu-Thema ist. Ist „Finnischer Tango“ auch als Kritik an der Gesellschaft im Umgang mit behinderten Menschen zu verstehen?
Alakus: Ich bin nicht politisch an die Sache herangegangen, sondern ich möchte in erster Linie unterhalten, Geschichten erzählen. Mich interessiert die Seele eines Drehbuchs. Wenn eine Geschichte dann parallel eine Kritik äußert, finde ich das gut. Wobei ich denke, dass die Aufgabe, Kritik zu üben, eher beim Dokumentarfilm liegt.

Aber gibt es eine Botschaft, die Sie dem Publikum mitgeben wollen?
Alakus: Ja, die Botschaft, seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Ich finde es toll, wenn die Menschen durch meine Geschichte realisieren: Mensch, ich muss gerade über einen Behinderten lachen und tue es auch, ohne zu glauben, dass ich diesen Menschen eigentlich mit Samthandschuhen anfassen müsste, nur weil er behindert ist. Das ist Unfug. Sowohl das Gute als auch das Böse in sich zu tragen ist doch eigentlich nur menschlich. Letztendlich ist das Blut doch bei uns allen Rot.

Die deutsch-türkische Regisseurin Buket Alakus, geboren am 1. Juli 1971 in Istanbul, studierte von 1996 bis 1998 Regie bei Hark Bohm am Institut für Theater, Musiktheater und Film der Universität Hamburg. Ihr Langfilmdebüt gab sie im Jahr 2001 mit mehr

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