Zé Mateo, Sly und Taiwan MC, einer eurer ersten populären Tracks war „Artichaut“, in dem ihr den Klarinettisten und BigBand-Leader Artie Shaw gesampelt habt. Wie habt ihr das Stück entdeckt?
Zé Mateo: Wir haben schon immer unsere Großeltern, Tanten und Onkel gefragt, ob sie alte Schallplatten für uns haben, die bewahren so was ja auf. Jeder Weg, Musik zu finden, ist gut für uns, wobei es eigentlich immer um Vinyl und Samples von Vinyl geht. Die Quellen sind Plattenläden, Flohmärkte… überall.
Vinyl bedeutet dann auch, dass eure Samples vor allem aus der Vergangenheit kommen.
Sly: Ja.
Warum?
Sly: Wir mögen den Sound, wenn wir zum Beispiel etwas aus den 50ern samplen.
Taiwan MC: Es ist die Atmosphäre, die Qualität des Songs…
Sly: Wenn wir zum Beispiel eine neu eingespielte Version des Swing-Stücks nehmen, dass wir in „Artichaut“ verarbeitet haben, dann wäre das nicht das gleiche.
Aber woran liegt das, an den alten Mikrofonen?
Sly: Ja, auch, und auf dem alten Vinyl sind die Sachen analog aufgenommen.
Zé Mateo: Außerdem kannst du es leicht pitchen, wenn du eine Schallplatte hast.
Taiwan MC: Warum wir Sachen aus der Vergangenheit samplen? Ich finde das interessanter, als wenn du einen Song von David Guetta nimmst.
Sly: Wir sind alte Typen, deswegen mögen wir alte Musik (lacht).
Zé Mateo: Es ist eine Art, die Vergangenheit nochmal zu erleben, eine Art Nostalgie. Und es ist auch ein bisschen… (überlegt) ‚erziehen‘ ist jetzt das falsche Wort, aber wenn junge Leute Chinese Man hören und das cool finden, dann wollen sie vielleicht wissen, was wir gesampelt haben und entdecken diese alte Musik.
Wie kamt ihr eigentlich zusammen? Man weiß über eure Bandgeschichte ja nicht besonders viel…
Zé Mateo: Wir erzählen die auch nicht gerne (lacht). Wir waren schon Freunde, bevor wir zusammen Musik gemacht haben. Erst haben wir alleine Musik gemacht, dann haben wir es zusammen ausprobiert. Allerdings nicht mit dem Ziel eine CD aufzunehmen, sondern nur zum Spaß.
Sly: Am Anfang haben wir uns in Ardèche eine Woche lang in ein Haus gesetzt und den ersten Track aufgenommen. Es war ein Traum von uns, mal eine Vinylplatte zu produzieren und sie unseren DJ-Freunden zu geben, damit sie die spielen. Das taten sie dann auch und so wurde das Ganze Schritt für Schritt größer.
Was hat euch die erste Platte gekostet?
Sly: 1000 Euro für eine Auflage 500 Stück.
Zé Mateo: Das war unser eigenes Geld, wir wollten einfach mal unseren Namen auf einer Schallplatte haben, das hat uns stolz gemacht.
Taiwan MC: Es war auch ein großes Vergnügen, zum Beispiel DJ Shadow eine Vinylplatte in die Hand zu geben, oder DJ Krush.
Und dann habt ihr euch entschieden, weiter zu produzieren.
Zé Mateo: Das hat aber lange gedauert, wir haben die ersten drei Jahre nur eine Vinyl-Single pro Jahr produziert. Und am Ende dieser Zeit haben wir die Tracks zum ersten Mal gesammelt auf einer CD rausgebracht.
Warum eigentlich „Chinese Man“ und nicht „French Man“?
Zé Mateo: „French Man“ klingt nicht. „Hallo, wir sind French Man“ – nee.
Sly: „Chinese“ ist mysteriöser. Wir mögen asiatische Filme, asiatische Kunst…
Taiwan MC: Es macht auch Spaß, die Leute etwas zu verwirren.
Habt ihr französische Texte?
Taiwan MC: Nein, höchstens in Samples, sonst ist aber das meiste Englisch. Ich habe schon auf Französisch gerappt, aber ich mochte den Klang nicht so. Wobei ich vor französischen Rappern großen Respekt habe.
Zé Mateo: Es ist schwierig, gute Texte auf Französisch zu machen. Wir hören auch kaum französische Musik, sondern haben alle viel amerikanische Musik gehört, englischsprachigen HipHop.
Werdet ihr in Frankreich im Radio gespielt?
Zé Mateo: Ja, auch von großen Sendern.
Taiwan MC: Radio Nova zum Beispiel hat uns von Anfang an gespielt.
Wir samplen von Vinyl, produzieren Vinyl und vielleicht werden in 50 oder 70 Jahren Leute von unseren Platten samplen.
Ihr kommt aus Marseille – welches Verhältnis habt ihr zu Paris?
Taiwan MC: Einige von uns leben in Paris
Zé Mateo: Wir haben kein Problem mit Paris. Diese Rivalität gibt es beim Fußball, wenn Paris gegen Marseille spielt, aber für uns spielt das keine Rolle. Wir sind außerdem viel unterwegs und treffen daher viel mehr Leute, die weder aus Marseille noch aus Paris kommen.
Aber was sind für euch die größten Unterschiede zwischen den beiden Metropolen?
Sly: Der Lebensrhythmus in Paris ist anders. Paris ist sehr stressig, Marseille dagegen cool. Wir sind in Marseille unabhängiger, wir müssen nicht allesmögliche organisieren… In Marseille arbeiten wir an der Musik einfach so lange wir wollen und dann fangen wir mit der Promotion an. Es ist ein anderer Arbeitsrhythmus.
Taiwan MC: Viele Leute denken, „wenn ich berühmt werden will muss ich nach Paris gehen“
Sly: Deswegen ist Paris auch so übersättigt.
Zé Mateo: Unsere Musik wäre wahrscheinlich auch anders, wenn wir in Paris leben würden. Wobei wir das, was wir machen auch nicht als Marseiller Musik identifizieren würden. Wir kommen zwar alle aus Marseille, aber die Herkunft ist nicht so wichtig für uns.
Ihr arbeitet viel mit Samples – wie haltet ihr es mit dem Clearing? (Einholung der Zustimmung des Urhebers des gesampleten Materials)
Taiwan MC: Bei uns ist alles gecleart.
Zé Mateo: Zumindest auf unserer neuen Platte (alle lachen). Als wir die erste Platte mit einer Auflage von 500 Stück gemacht haben, da haben wir uns nicht groß darum gekümmert. Jetzt ist es schon ein größeres Projekt, deswegen versuchen wir alle Samples zu clearen und es ist sehr schön für uns, dass bei diesem Album alle Künstler ihre Zustimmung gegeben haben – bis auf einen, aber das ist nicht der Rede wert.
Wenn die Künstler einverstanden sind ist das für uns eine große Bestätigung für unsere Musik. Wir haben zum Beispiel Ella Jenkins in „Racing With The Sun“ gesamplet und ihr hat der Track gut gefallen.
Ist das Clearing teuer?
Sly: Nicht so sehr. Es ist ungefähr genauso teuer wie wenn ein Künstler mit einem ‚Featuring‘ dabei ist. Du musst den Verlag kontaktieren usw. aber du findest eigentlich immer einen Weg das auszuhandeln. Bei uns sind es aber auch meistens rare Platten und unbekannte Künstler, von denen wir samplen,
Taiwan MC: Und es ist bei uns nicht so ein Massenpublikum, wie es vielleicht David Guetta erreicht.
Weil ihr ihn gerade erwähnt: Ihr würdet vermutlich nicht auf deiner David Guetta Party spielen, oder?
Zé Mateo: Nein. Er würde uns auch gar nicht einladen, insofern stellt sich die Frage nicht. Aber vielleicht sind diese Partys sogar cool, zumindest für die Frauen, nicht in Bezug auf die Musik.
Ist das in euren Augen kommerzielle Musik?
Sly: Ja…
Taiwan MC: Kommerzielle Clubmusik.
Zé Mateo: Die Art, wie er Musik macht, ist kommerziell, so sehe ich das zumindest. Es geht ums Geld, es ist posh, Party, Champagner – dieses ganze Universum mag ich nicht so.
Ich weiß nicht, wie er es empfindet, wie er seine Musik macht, aber ich spüre, dass er das vor allem fürs Geld macht.
Taiwan MC: Es gibt gute Clubmusik, aber er hat sich dafür entschieden, schlechte Clubmusik zu machen.
Zé Mateo: Früher war er ja selbst ein HipHop-DJ – aber dann hat er sich verändert.
Und als ihr am Anfang diese 1000 Euro für die Vinylproduktion aufgebracht habt, da habt ihr das nicht als Investition gesehen, mit der ihr Geld verdienen wolltet?
Zé Mateo: Nein, das war einfach unser Wunschtraum, eine eigene Platte zu haben und sie anderen DJs zu geben. Natürlich hofft man auch, dass es funktioniert.
Jetzt seid ihr unter den letzten Mohikanern was Vinyl angeht.
Sly: Ja, unsere aktuelle Platte hat auf Vinyl eine Auflage von 2000 Stück.
Taiwan MC: Wir werden nach jedem Konzert nach Vinyl gefragt, deswegen denke ich, dass wir das so auch beibehalten können, die Leute werden es immer haben wollen.
Warum?
Taiwan MC: Keine Ahnung, aber ich habe gesehen, dass 2011 die Vinylverkäufe sogar um 30 Prozent zugenommen haben (gemeint sind alle Genres, Anm. d. Red.). Ich habe das im Netz gelesen, ich weiß nicht ob es stimmt.
Macht das Medium in euren Augen denn noch Sinn?
Zé Mateo: Ja, vielleicht haben die Leute kein Bock mehr auf MP3, sie sind es leid geworden, kein physisches Objekt mehr zu haben.
Taiwan MC: Ich glaube, die Leute wollen beides, wenn dir ein Stück Musik gut gefällt und du die Band magst kannst du die Vinylplatte kaufen – und du weißt, du hilfst damit der Band.
Zé Mateo: Zumindest in Frankreich merke ich, dass Leute von uns Vinyl kaufen, weil sie wissen, dass wir unabhängig von einer großen Plattenfirma sind und sie uns so unterstützen. Sie laden sich all die Tracks runter, und wenn es ihnen gefällt kaufen sie auch die CD oder die Platte.
Taiwan MC: Wir geben uns ja auch viel Mühe mit dem Artwork, unsere Platten kommen nicht nur als ein Whitelabel auf den Markt.
Aber für eure Show braucht ihr selbst kein Vinyl.
Zé Mateo: Nein, wir benutzen Serato in unseren Shows, das ist viel einfacher.
Sly: Vinyl ist aber Teil des Prozesses, wie wir Musik machen. Wir samplen von Vinyl, produzieren Vinyl und vielleicht werden in 50 oder 70 Jahren Leute von unseren Platten samplen. Ich glaube, das ist ganz gut. Weil schon bald könnte es ja einen großen Internet-Crash geben, und dann gibt es auf einmal keine MP3s mehr… (lacht)
Unsere Schlussfrage lautet: Das Leben ist ein Comic – welche Figur seid ihr?
Taiwan MC: Ich bin Droopy.
Zé Mateo: Ich bin Torturo, dieser große Bär aus einem Manga von Hayao Miyazaki.
Sly: Ich bin das Marsupilami. Das kann springen und hat einen großen Schwanz. (lacht)