Chris Wedge

Jedes Detail im Kopf entwickelt.

Regisseur Chris Wedge über seinen ersten abendfüllenden Kinofilm "Ice Age" und Entwicklungen im Genre des computeranimierten Films

Chris Wedge

© 20th Century Fox

Mr. Wedge, wie lange dauerte die Produktion von "Ice Age"?
Wedge: Wir haben mit Blue Sky jetzt knapp drei Jahre an "Ice Age" gearbeitet. Schon ein Jahr vorher gab es die ersten Pläne für den Film bei 20th Century Fox. Lori Forte, der Produzent, fertigte ein Script an, welches Fox dann zu uns brachte. Da war der Film noch ein dunkles Action-Abenteuer, sehr dramatisch und mit vielen Kampfszenen. Fox brachte es also zu uns und sagte: "Machen Sie Comedy daraus". Also haben wir mit einem Autor etwa ein Jahr die Geschichte überarbeitet. An der Animation haben wir dann letztlich 18 Monate gearbeitet.

Also Comedy statt Drama?
Wedge: Ja, ich finde, die Komik macht aus "Ice Age" einen besseren Film, der so auch ein viel breiteres Publikum finden wird. Mir macht der Film so einfach mehr Spaß.

Eine lustig zusammengewürfelte Herde – Mammut, Faultier, Säbelzahntiger – erlebt im Film ein Eiszeit-Abenteuer. Wer hat die verschiedenen Tiere ausgesucht?
Wedge: Welche Tiere wir nehmen habe ich als Regisseur entschieden. Aber ich muss auch sagen, dass ich insgesamt sehr viele talentierte Menschen um mich herum gehabt habe. Das ist ja irgendwie das Geheimnis eines jeden Regisseurs, gute Leute um sich herum zu versammeln. Bei der Schaffung der Figuren hat vor allem unser Charakter-Designer Peter de Sève große Arbeit geleistet. Wir waren zusammen im New Yorker American Museum of Natural History und haben jede Menge Bücher gewälzt. Letzten Endes beruhen die Tiere im Film tatsächlich auf Tieren, die schon damals existierten. Wir waren, aus wissenschaftlicher Sicht, schon sehr genau.

Was heißt eigentlich Faultier auf Englisch? Wir nennen es auf deutsch ja sozusagen "faules Tier".
Wegde: Bei uns heißt das einfach "Sloth". Faultiere existieren ja immer noch, im Regenwald. Und auch in der Eiszeit gab es Faultiere, allerdings waren die wesentlich größer – stehend konnten die wie Giraffen von den Bäumen essen und sie waren teilweise über vier Meter groß. Heute hängen sie im Regenwald an den Bäumen mit ihren komischen langen Fingern und bewegen sich sehr laaangsaam. Aber Sid, unser Faultier im Film, hat ja etwas schnelles, nämlich sein Mundwerk.

Apropos Schnelligkeit: Für den ersten Teil von "Toy Story" hatte Pixar noch vier Jahre Produktionszeit benötigt, Sie haben für "Ice Age" weniger als drei Jahre gebraucht und "Jimmy Neutron", der demnächst in die deutschen Kinos kommt, wurde sogar in nur einem Jahr fertig. Ist Schnelligkeit in diesem Genre in Zukunft Trumpf?
Wedge: Ich hoffe nicht. Dass unsere Produktionszeit kürzer war als die anderer Animationsfilme, lag auch am Budget, welches nicht so hoch war wie bei den anderen Produktionen. Ob nun Dreamworks oder Pixar, die Studios brauchen auch nicht allein vier Jahre für die Animation. Es dauert einfach sehr lang, eine Story so zu entwickeln, dass sie straff und spannend genug ist. Man weiß am Anfang irgendwie, wie der Film werden soll, man hat Momente, die einen inspirieren. Irgendwann hat man sämtliche Ideen reingesteckt und man versucht dem Film Leben einzuhauchen. Nach einer Weile steckt dann so viel von einem selbst drin, dass der Film auch zu leben beginnt und dir das zurückgibt, was du dir erhofft hast. Pixar beherrscht das sehr gut, den Ton, die Atmosphäre eines Films finden. Aber es ist eben keine schnell gemachte Arbeit, so ein Prozess benötigt sehr viel Zeit.

Ist man als Regisseur eines Animationsfilms nicht manchmal frustriert, wenn man immer auf jedes winzige Detail achten muss?
Wedge: Nein, du weißt einfach, das ist deine Arbeit. Als wir "Ice Age" begannen, wussten wir, dass das ein dreijähriger Marathon wird. Letztlich war es dann allerdings ein 3-Jahres-Sprint, wie ich finde. Der größte Unterschied zwischen Animationsfilm und Realfilm ist, dass man bei der Arbeit am Realfilm durch die Kamera schaut und schon hat man ein Bild, von einem Haus, einem Menschen etc. Bei der Animation hast du am Anfang gar nichts. Du musst alles selbst erschaffen und du musst jedes Detail im Kopf entwickeln. Aber das ist deine Job.

Zitiert

Als wir "Ice Age" begannen, wussten wir, dass das ein dreijähriger Marathon wird.

Chris Wedge

Haben Sie als Regisseur Ideale, oder Ziele, die Sie verfolgen?
Wedge: Ich will die Leute mit dem eigenen Film auf eine Reise mitnehmen in eine Welt, die ihre eigenen Regeln und Gesetze hat, der man aber trauen kann. Beim Realfilm besteht ja die Verbindung zwischen dem Ausdruck des Schauspielers und die Reaktion des Zuschauers darauf. Diese Kommunikation muss natürlich auch beim Animationsfilm funktionieren, wir versuchen also, nicht zweideutig zu sein. Die größte Belohnung für mich ist es, wenn ich es schaffe, meine persönlichen Ideen so auszudrücken, dass die Leute sie verstehen.

Wird beim computeranimierten Film eigentlich noch mit der Hand gezeichnet?
Wedge: Ja klar, alle Figuren werden auf Papier erschaffen und designt – leben lassen wir sie dann im Computer. Ich selbst war nie ein Cartoon-Zeichner, ich habe mit Stop-Motion-Animation – also mit Puppen – angefangen und arbeite schon seither mit dem Computer. Ich habe die Fähigkeit des von Hand Zeichnen daher nicht entwickelt. Aber wir benutzen diese traditionellen Techniken ganz zu Beginn der Arbeit und versuchen, unsere Vorstellungen von den Figuren so gut es geht zu Papier zu bringen. Als nächstes formen wir Tonmodelle der Figuren, gucken sie uns dreidimensional an, und wenn wir dann zufrieden sind, scannen wir sie und setzen uns an den Computer. Die Zeichnungen und Modelle dienen dann immer noch als Inspiration. Wenn man ohne diesen klassischen Vorlauf sofort anfangen würde, am Computer zu arbeiten, dann würde alles sehr synthetisch wirken, es würden sämtliche natürliche Nuancen fehlen.

Man könnte meinen, mit "Ice Age" steigen die Blue Sky Studios nun in den Ring zu Pixar und Dreamworks.
Wedge: Also, wir vergleichen uns nicht mit anderen Studios und haben auch keine großen Zukunftsvisionen. Wir befassen uns mit dem jeweils aktuellen Projekt, und versuchen, das gut zu machen. Klar, wir haben damit gerechnet, dass der Film, als er vor kurzem in den USA gestartet ist, sofort mit den anderen Produktionen in diesem Genre verglichen wird. Ich kann nur sagen, unterschiedliche Studios machen unterschiedliche Filme, genauso wie sich auch jeder Mensch vom anderen unterscheidet. Wir haben also nicht vor, mit den anderen Studios in einem Konkurrenzkampf zu treten. Ich würde mich natürlich freuen, wenn der Erfolg von Blue Sky insgesamt an jenen von Pixar anknüpfen kann und man uns vielleicht irgendwann in einem Atemzug mit Pixar nennt, einfach aus dem Grund, dass ich natürlich weiterhin Filme machen will. Das Geschäft muss laufen und wir müssen sehen, dass das investierte Geld wieder reinkommt, damit wir den nächsten Film beginnen können.

Die Schlusssequenz von "Ice Age" – wir wollen nicht zu viel verraten – lässt eine Fortsetzung vermuten.
Wedge: Ja, es gibt solche Pläne und für eine Fortsetzung haben wir bereits ein Konzept.

Schlussfrage: Die Herde im Film besteht aus sehr unterschiedlichen Tieren, da ist also Manni, das Mammut, Diego der Säbelzahntiger, Scrat, diese Mischung aus Eichhörnchen und Ratte und Sid, das Faultier – welcher von diesen Charakteren passt am besten auf Chris Wedge?
Wedge: Ich bin wohl am ehesten Scrat. Der versucht die ganze Zeit, seinen größten Schatz – eine Eichel – zu vergraben. Er schafft es zwar nie, aber er würde auch nie aufgeben, dafür ist er zu energisch.

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