Das Interview im März in Hamburg gibt Christiane Hörbiger in Anwesenheit ihrer Presseagentin, die sich am Ende auch kurz in das Gespräch einschaltet.
Frau Hörbiger, einmal angenommen ab morgen würde in ganz Deutschland ein striktes Alkoholverbot gelten – wie würden die Leute reagieren, was würde passieren?
Hörbiger: Das ist eine sehr gute Frage, auf die ich überhaupt nicht vorbereitet bin. Wenn zum Alkoholverbot noch ein absolutes Nikotinverbot hinzu käme, wäre ich allerdings wirklich ein glücklicher Mensch. Das stört mich im Moment viel mehr, dass es so viele Raucher gibt, die uns die Luft verpesten.
Aber bezogen auf den Alkohol: Ich nehme an, dass die Restaurant- und Barbesitzer „Feuer“ schreien würden. Für die Menschen wäre das jedoch gar nicht so schlecht, wenn sie eine Weile mal nicht die Gelegenheit hätten Alkohol zu trinken. Wobei ich mir sicher bin, dass sie trotzdem Wege finden würden, um an Alkohol zu kommen. Das hat man ja auch in Amerika in den Zeiten der Prohibition beobachten können.
Laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) trinken 96,9 Prozent der Bevölkerung im Alter zwischen 18-64 Jahren Alkohol, 1,3 Millionen von ihnen gelten als alkoholabhängig. Warum nimmt der Alkoholkonsum in unserer Gesellschaft so einen großen Raum ein?
Hörbiger: Nehmen Sie doch nur den Theaterbesuch: da stehen dann am Buffet vor der Vorstellung schon die verführerischen Gläser, ob das nun in der Wiener Staatsoper ist oder am Burgtheater. Man will entspannen, will einen Akzent zwischen dem Berufsleben und dem Vergnügen setzen. Nicht umsonst sind ja die Bars mit den Martinis so gut besucht, damit die Menschen, die aus einem schweren Beruf kommen, sich Alkohol zuführen können, um ein bisschen heiterer und lustiger zu werden.
Welche Rolle spielt denn Alkohol im Schauspielbetrieb, insbesondere am Theater? Brauchen viele den Schluck in der Kantine, um von der sehr emotionalen und aufreibenden Situation auf der Bühne ‚runterzukommen‘?
Hörbiger: Ich glaube wirklich nicht, dass gute Schauspieler, die große Rollen zu spielen haben, in der Kantine sitzen und dort mehr als einen Kaffee trinken. Das ist auch ein Märchen. Das macht kein wirklich großer Schauspieler.
Politiker wie Sabine Bätzing (SPD) haben in Deutschland ein Alkoholwerbeverbot in den Medien gefordert. Können Sie solch eine Forderung nachvollziehen?
Hörbiger: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich meine, wir leben ja alle auch von der Werbeindustrie, gerade die Fernsehschaffenden. Also, ich werde mich hüten zu sagen, man solle keine Reklame für Alkohol machen.
Mich persönlich reizt es nicht besonders, wenn mir auf dem Fernsehschirm jemand zuprostet und mich zum Trinken animiert.
Was denken Sie darüber, dass beispielsweise im Umfeld von Sportübertragungen alkoholische Getränke beworben werden?
Hörbiger: Geschieht das denn? Welcher Sport ist mit Alkohol verbunden?
Fußballspiele werden im Fernsehen häufig von Biermarken präsentiert. Auch eine Sendung wie Stefan Raabs „TV Total“, die vor allem von Jugendlichen geguckt wird, wird von einem Bierbrauer präsentiert.
Hörbiger: Das finde ich schlecht, da haben Sie vollkommen Recht. Das sehe ich weiß Gott kritisch. Wenn ich alleine an dieses grauenhafte Komasaufen denke. Das Wort ist ja schon grässlich. Ich weiß allerdings nicht, ob die wirklich durch Werbung oder Nachahmung angeregt werden. Man müsste es aber in jedem Fall bremsen. Und bei Sportveranstaltungen sollte man die Werbung für Alkohol gefälligst sein lassen.
Der ARD-Film „Wie ein Licht in der Nacht“ thematisiert nun die Suchtproblematik. Sie spielen die einst erfolgreiche Immobilienmaklerin Carla Binder, die im einsamen Ruhestand immer mehr dem Alkohol verfällt. Wie haben Sie sich dieser Rolle genähert?
Hörbiger: Durch Beobachtung von anderen Menschen.
Welche Menschen haben Sie beobachtet?
Hörbiger: Viele Frauen, die einsam in Hotelhallen sitzen, oder angetrunken auf der Straße laufen, die in der U-Bahn vor sich hin trinken, wie die sich verhalten, wie man langsam die Wirkung des Alkohols merkt. Das ist Beobachtungssache. Das gehört mit zu meinem Beruf.
Haben Sie auch mit Betroffenen über Alkoholismus geredet?
Hörbiger: Also mit wirklichen Trinkern können Sie kaum darüber reden.
Am Set trinkt heute kein Mensch mehr.“
Warum nicht?
Hörbiger: Na ja, können Sie einem Trinker nicht sagen: „Hören Sie, warum saufen sie so viel? Ich brauch‘ das für einen Film!“? (lacht) Also das geht nicht. Nur durch Beobachtung. Ich habe über viele Jahre immer wieder beobachtet, wie sich Frauen und auch Männer durch Alkohol verändern. Man merkt das an der Sprache. Die Zunge wird müder und sie erzählen fünfmal die gleiche Geschichte. Das war sehr lehrreich.
Im Film wird für Carla Binder ihr Hausmeister Horst, ein trockener Alkoholiker, zur lebensrettenden Stütze. Wie würden Sie das Verhältnis der beiden beschreiben?
Hörbiger: Also zuerst ist Carla furchtbar arrogant, weil sie merkt, dass er sie von gleich zu gleich behandelt. Sie hat einen großen Stolz in sich, durch die hohe Position, die sie in ihrer Firma hatte, hat sie einen gewissen Dünkel dem Hausmeister gegenüber. Doch er durchschaut sie natürlich sofort und weiß, woher diese Hochnäsigkeit kommt. Die beiden kommen sich im Laufe des Films näher und sie merkt, dass sie letztendlich auf seine Hilfe angewiesen ist und bittet ihn später sogar darum, was ihr sicher schwer fällt.
Sie werden oft als Grande Dame des deutschsprachigen Films bezeichnet, Ihr Filmpartner Klaus J. Behrendt beispielsweise sagt über Sie: „Sie ist immer von Kopf bis Fuß eine Dame, von der korrekten Kleidung bis zum perfekten Make-up.“ Wie geht das zusammen mit der Rolle einer Frau, die zeitweilig sehr stark vom Alkoholkonsum gezeichnet ist?
Hörbiger: Wissen Sie, es geht darum dem Publikum näher zu bringen, dass gerade jemand, der quasi von außen her perfekt erscheint, wo scheinbar alles in Ordnung ist – ob nun Grande Dame oder nicht – auch runterstürzen kann. Dann wird es für das Publikum interessant. Bei jemandem, der immer sehr leger und halb zerrissen und rauchend zur Tür hineinkommt wundert sich kein Mensch, wenn man von ihm sagt: „Der ist Alkoholiker!“.
Es wäre toll, wenn dieser Film bewirkt, dass die Menschen, die da in den Fernsehapparat gucken, sich fragen: „Wie oft habe ich in dieser Familie Tee am Abend getrunken, und keinen Alkohol?“ Es ist oft dieses Gewohnheitstrinken, in das jemand hineinrutscht. Oder derjenige ist schon viel weiter, hat es sich aber selber noch nicht eingestanden.
Dieser Film zeigt auch, dass es eine Lösung gibt, um aus dieser furchtbaren Spirale wieder herauszukommen.
Horst Keller weist Carla Binder deutlich auf ihren Alkoholkonsum hin. Wie würden Sie sich verhalten, wenn Sie bemerken, dass jemand aus Ihrem unmittelbaren Umfeld ein massives Alkoholproblem hat?
Hörbiger: Ich weiß nicht, ob ich mich trauen würde da etwas zu sagen. Ich bin ja nicht geschult. Ich würde es nicht wagen. Müsste es aber wohl.
Aber besonders wenn es um Freunde oder Familienmitglieder geht, hätte man doch auch das Bedürfnis zu helfen, weil man die Not des Anderen sieht…
Hörbiger: Da müssten die schon an mich herantreten und sagen: „Sag mal, du hast doch sowas gespielt. Hilf mir!“. Nehmen wir ein Beispiel: Angenommen, Sie riechen nach Alkohol, und zwar von gestern oder vorgestern, und würden auch jetzt um einen Magenschnaps bitten, dann würde ich vielleicht vorsichtig fragen: „Haben Sie irgendwelche Probleme?“ Aber Sie wären dann sicher sofort beleidigt.
Anders ist es, wenn ich zu jemandem gehe, der unter der Brücke sitzt, und sagen würde: „Sie haben zu viel getrunken!“, dann wäre der wahrscheinlich nicht beleidigt, sondern würde sagen: „Jawoll! Ja, Ja, Ja! Setz dich her und trink mit!“
Inwiefern wurde das Thema Alkoholismus während der Dreharbeiten innerhalb des Teams, zwischen den Schauspielern thematisiert? Welche Gespräche wurden geführt?
Hörbiger: Ich hatte einen Maskenbildner, der sich medizinisch erkundigt hat, was der Alkohol mit der Haut macht, also dass die ganz trocken wird. Man hat auch nicht sofort rote Augen, die bekommt man erst im Laufe der Zeit. Nach Drehschluss wurde ansonsten aber nicht weiter über dieses Thema geredet.
Sondern zum Feierabendbier gegriffen?
Hörbiger: Nein, das auch nicht.
Gar nicht?
Hörbiger: Nein, heute überhaupt nicht mehr. Das war früher so. Ich kann mich noch erinnern, wenn ich damals in München gedreht habe, da standen noch die Bierkrüge auf den Kamera-Dollys. Aber das ist 40 Jahre her. Heute weiß ich, dass kein Mensch mehr am Set trinkt. Um Gottes Willen.
Agentin: Früher wurde im Journalismus doch auch getrunken ohne Ende!
Für den Film „Alles auf Anfang“ haben Sie 1994 gemeinsam mit Harald Juhnke vor der Kamera gestanden, über dessen Alkoholprobleme oft in der Presse berichtet wurde. Wie haben Sie ihn während der gemeinsamen Arbeit erlebt?
Hörbiger: Ich mochte ihn furchtbar gerne, und er blieb während der Arbeit natürlich nüchtern.
Haben Sie als Jugendliche mal die Verführung durch den Alkohol erlebt, wie es heute viele Jugendliche erleben?
Hörbiger: Nein, Nein, Nein!
Sie haben die Rolle der Carla Binder als die intensivste Ihrer langen Schauspielkarriere bezeichnet. Warum?
Hörbiger: Es hat eine große Intensität verlangt. Es hat auch viel Kraft gekostet diese Szenen darzustellen. Aber das ist mein Beruf.
Die Schauspielerin CHRISTIANE HÖRBIGER
FÜR MICH ist die Schauspielerin CHRISTIANE HÖRBIGER ein SYMPATHISCHER Mensch. Außerdem bin ich der Meinigung, daß ALLE DEUTSCH-stämmigen und darüber hinaus DEUTSCH-sprachigen Österreicher AUCH DEUTSCHE Menschen sind. / Ich habe bis Anfang Februar 2005 AUCH getrunken (chronischer Alkoholmißbrauch), ABER seit dem 9. Februar 2005 (Aschermittwoch 2005) lasse ich die ALKOHOLISCHEN Getränke (das Bier, der Wein, der Schnaps usw.) LINKS LIEGEN. Ich bin jetzt schon etwas über 6 Jahre TROCKEN, und ich habe auch KEINE Therapie gemacht und gehe auch in KEINE Selbsthilfegruppe (wie zum Beispiel die ANONYMEN ALKOHOLIKER oder der KREUZBUND usw.). Viele herzliche Grüße von Christoph Hölker aus D-45657 Recklinghausen bzw. aus D-46499 Hamminkeln. Recklinghausen, den 30. April 2001