Christiane Paul

Meine Mutter hat heute noch Angst, dass ich nicht überlebe.

Christiane Paul über über ihr Kumpelimage, die Sorgen ihrer Mutter und warum sie Oliver Kahn bewundert

Christiane Paul

© Sandor Domonkos/ZDF

Frau Paul, in Ihrer Rolle als Dr. Sophie Schöner stehen Ihnen Ihre Kollegen zunächst sehr skeptisch gegenüber. Sie selbst dagegen wirken bei öffentlichen Auftritten sehr einvernehmend, gerade zu kumpelhaft. Sind Sie immer so nett?
Christiane Paul: (lacht) Was soll ich denn auf so eine Frage antworten? Nein! Ich bin nicht nett. (lacht) Ich kann echt total böse und aggressiv sein und auch sehr ungehalten. Ich bin sehr ungeduldig und manchmal stoße ich die Leute echt vor den Kopf.

Heißt das, Sie werden nicht von allen gemocht?
Paul: Ich glaube, man wird nie von allen gemocht. Das ist ja auch nicht gut, von allen gemocht zu werden. Solche Leute sind doch suspekt, oder?

Ja, vermutlich weil es bei denen immer noch eine andere Seite gibt.
Paul: Welche Seite gibt’s da noch?

Dass die eben nicht so nett sind, wie sie vorzugeben scheinen.
Paul: Ich finde es schlimm, wenn man sich vornimmt, immer nett zu sein, aber überhaupt nicht so ist. Ich versuche so zu sein, wie ich bin. Ich glaube, das ist die Motivation. Und es gibt Phasen, da bin ich echt ziemlich unleidig. Wenn ich in der Post anstehen muss, zum Beispiel. Oder wenn jemand eine halbe Stunde braucht, um mir den Kuchen einzupacken, den ich gerade gekauft habe. Da kann ich sehr unangenehm werden. Das Entscheidende ist doch, dass man versucht, ehrlich zu sein, zu sich und zu anderen.. Schlimm ist ja, wenn man vorgibt, nett oder sympathisch zu sein, aber das überhaupt nicht ist. Das ist, glaube ich, ein Problem – für einen selbst, aber auch für das Gegenüber.

Passiert es manchmal, dass Fremde Sie für einen guten Kumpel halten?
Paul: Manchmal gibt es Situationen, in denen die Leute meine Rollen mit meiner Privatperson verwechseln und distanzlos werden. Da reagiere ich sehr empfindlich drauf. Ich finde, wenn ich anderen Menschen einen gewissen Respekt entgegenbringe, dann sollten sie das auch tun. Ich bin ja kein Freiwild. Aber eigentlich ist mir das noch nicht wirklich passiert. Ich habe das Gefühl, dass mir die Leute mit Respekt begegnen und das finde ich wichtig und auch ganz schön. Auch, dass man die Distanz wahrt.

Woher nehmen Sie Ihre gute Laune?
Paul: Heute? Die Sonne scheint. (lacht) Nee, ich habe auch nicht immer gute Laune. Wie meinen Sie das, woher habe ich meine gute Laune?

Ich meine, dass Sie so wirken, als würden Sie vor Lebensenergie unter guter Laune nur so sprühen. Oder täuscht das?
Paul: Das täuscht total. Es gibt auch andere Phasen in meinem Leben. Ich bin schon jemand, der relativ viel Energie und auch Freude am Leben hat und an dem, was ich mache. Ich glaube, das ist ganz wichtig, dass man mit dem was man tut, glücklich ist. Und das, glaube ich, bin ich. Natürlich gibt es auch Zeiten, in denen man unzufrieden ist und denkt, man kommt nicht weiter oder man zweifelt. Aber generell bin ich über das, was ist, sehr dankbar und damit auch ganz glücklich. Ich habe das Gefühl, dass ich mich noch sehr viel in mein Leben einbringen kann. Und dass ich lebe. Und das ist doch eigentlich ganz gut.

Sie wurden hoch gelobt für anspruchsvolle Kinofilme wie „Im Juli“ oder „Die Häupter meiner Lieben“. Macht Ihnen die Arbeit an TV-Filmen genau so viel Spaß?
Paul: Ja, klar, denn eigentlich gibt es da keinen großen Unterschied, aber natürlich ist Kino nach wie vor die Königsdisziplin. Die große Leinwand, der Kinosaal und die Geschichten, die im Kino erzählt werden, all das ist schon etwas anderes. Es gibt bestimmte Stoffe, die du nur im Fernsehen oder nur im Kino erzählen kannst. Wenn es einen guten Kinofilm gibt, würde ich den immer einem guten Fernsehfilm vorziehen. Kino ist immer der Traum.  Aber dennoch drehe ich auch gern Filme fürs Fernsehen . Im Fernsehen gibt es die Möglichkeit, auf einen Schlag ganz viele Leute zu erreichen. Und auch Stoffe zu erzählen, die du im Kino heutzutage nicht mehr erzählen kannst. Sozialkritische Themen zum Beispiel, die die öffentlich-rechtlichen Sender immer wieder im Programm haben. Sowas kannst du fast nur noch im Fernsehen machen.

Im Film „Der Doc und die Hexe“ sind Sie sehr ehrgeizig und lassen sich von anderen nicht von Ihrem Weg abbringen. Wenn man sich Ihre Biografie anschaut, lief es in Ihrem Leben bisher ziemlich ähnlich.
Paul: Ich bin bestimmt sehr ehrgeizig. Ohne Ehrgeiz funktioniert das ja irgendwie alles nicht.

Muss man auch verbissen sein, um Erfolg zu haben?
Paul: Ich glaube, in bestimmten Phasen meines Lebens war ich verbissen. In Deutschland wird Ehrgeiz aber immer eher negativ bewertet. Im Englischen sagt man „ambitious“, also, dass man Ambitionen hat, Dinge zu tun und sich einzubringen. Ich finde das nicht besonders negativ, dass man ein Ziel hat – nur so kann man etwas erreichen. Auch wenn ich jüngere Kollegen in meinem Beruf sehe, merke ich, dass die alle sehr ehrgeizig sind. Ansonsten könnte man in unserem Geschäft gar nicht überleben. Du musst einen gewissen Ehrgeiz mitbringen, um zu überleben und eine Entwicklung zu machen. Und insofern bin ich auch ehrgeizig – oder „ambitioniert“, wie ich sagen würde.

Zitiert

Ich bin kein Freiwild.

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Ich frage, weil Sie in einem Interview Oliver Kahn mal für seine Verbissenheit bewundert haben.
Paul: An Kahn hat mir gefallen, dass er einfach extrem fokussiert war. Wenn du den schon sahst, wie er auf den Platz gegangen ist, er war total konzentriert. Alleine durch seine Ausstrahlung hat er die Leute vom Tor weggehalten. Er hat einmal gebrüllt, dann haben die Stürmer Angst gekriegt. Kahn ist ja sehr umstritten, aber ich fand es toll, dass er sich so leidenschaftlich rein gegeben hat und es ihm egal war, ob er dafür Sympathien oder Antipathien kassiert hat. Er stand mit einer extremen Konzentration auf dem Platz und das hat auch viel mit Schauspielerei zu tun: einfach sehr fokussiert, konzentriert und bei sich zu sein. Das fand ich spannend, dass jemand unabhängig von allen Beurteilungen einfach so bleibt, wie er ist – so wahnsinnig. Das fand ich super.

Die Traditionelle Chinesische Medizin wird im Film als skurril und nicht nachvollziehbar abgetan. Waren die Reaktionen ähnlich, als sie von der Medizin zur Schauspielerei wechseln wollten?
Paul: Das war ja ein Prozess, der sich über 13 Jahre hingezogen hat. Bei meinem familiären Hintergrund wurde mir die Schauspielerei zwar nicht zwangsläufig in die Wiege gelegt, aber ich hatte ganz früh Berührungspunkte mit dem Film. Das kam durchaus auch von meinen Eltern. Sie haben schon ein Talent oder eine Neigung gespürt und – ohne mich da in eine Richtung drängen zu wollen – gesagt, das wäre vielleicht was für mich. Als das dann plötzlich Fahrt aufnahm, waren sie natürlich sehr skeptisch, weil das ein Berufsbild ist, was man als Außenstehender überhaupt nicht überblickt.. Dann kamen noch die Wende und tausend andere Geschichten dazu, und man wusste überhaupt  nicht kann man damit auf lange Sicht sein Geld verdienen,? Ist das jetzt nur ein Angebot und danach ist es vorbei?

Haben sich Ihre Eltern denn inzwischen mit Ihrer Schauspielkarriere arrangiert?
Paul: Meine Mutter hat heute noch Angst, dass ich nicht überlebe. (lacht) Womit sie ja nicht ganz unrecht hat, denn du weißt ja nie, was passiert. Ich muss ihr halt immer noch klarmachen: „Mama, ich verdiene mein eigenes Geld, schon seit vielen Jahren schon, und ich schaffe das irgendwie!“ Aber selbst sechs Jahre nach meiner Entscheidung, aus der Medizin rauszugehen, sagte sie noch: „Mensch, du hast kein regelmäßiges Einkommen, du hast keine regelmäßige Arbeit, wie machst du das?“ Es ist ja auch klar: Wenn du freiberuflich bist, fragst du dich,  kommt das nächste Angebot und du musst du dir deinen Alltag selbst basteln: Wann stehe ich auf, wann ist das oder was, was mache ich überhaupt mit dem Tag – nutze ich ihn sinnvoll oder was mache ich überhaupt?

Oder mache ich heute mal gar nichts?
Paul: Oder mache ich heute einfach mal gar nichts – genau. Ich habe immer viel gedreht und hatte eigentlich permanent zu tun. Dieses Jahr habe ich es etwas ruhiger angehen lassen, aber ansonsten habe ich immer was zu tun. Aber da mussten meine Eltern erst mal verstehen, dass ich da eigentlich ganz gut aufgehoben bin und damit auch zurechtkomme.

Sie haben selbst zwei Kinder. Wie fänden Sie es, wenn sie auf einmal schauspielerische Ambitionen entwickeln sollten?
Paul: Am Ende müssen sie das machen, was sie glücklich macht. Meine Tochter ist jetzt acht, ich würde sie jetzt sicher nicht an Filmsets oder zu einem Casting zerren.

Neben Ihrer Familie sind Sie auch beruflich und sozial sehr engagiert. Wünschen Sie sich manchmal, einfach nur Ihre Ruhe zu haben?
Paul: Och, die letzten zwei Monate hatte ich eine Menge Ruhe.. Das war auch mal ganz schön. Ich habe diesen heißen Sommer mit den Kindern in Hamburg verbracht.. Jetzt fange ich langsam wieder an zu arbeiten. Aber das, was sich alle Eltern wünschen – mal wieder richtig lange auszuschlafen und dass keiner an einem zieht, das kommt selten vor. Das hält man auch maximal nur zwei Tage durch, dann vermisst man die Kinder wieder. Ich denke, das ist total normal.  Und dadurch, dass man auch mal woanders dreht, hat man die Möglichkeit, sich auf sich zu konzentrieren. Ich war im Mai vier Wochen in Namibia und da hatte ich echt sehr viel Zeit. Für mich.

Sie haben nicht gearbeitet?
Paul: Doch, ich habe gearbeitet, sogar sehr viel. Ich habe dort ja gedreht. Aber das ist schon etwas anderes, wenn man dann abends alleine im Hotelzimmer sitzt und eine E-Mail schicken kann und noch irgendwohin schlumpft, um was zu essen. Man hat einfach Zeit mit sich alleine. Ich nutze die Drehs als Ausgleich. Auch Zugfahrten sind für mich Freizeit, wenn ich aus dem Fenster gucken und Musik hören kann.

Gibt es im Leben etwas, das Sie bereuen?
Paul: Nein, nichts. Natürlich gibt es Momente, über die man nicht glücklich ist und denkt, man hat Fehler gemacht. Gerade im Verhalten mit anderen Menschen. Da gibt es sicherlich Verhaltensweisen, die ich bereue. Aber ich glaube, dass alle Schritte, die man macht, einen tieferen Sinn haben. Dass sie einen zu dem machen, was man ist. Auch die Fehler und dass man scheitert. Das gehört zum Leben dazu.

Und was möchten Sie noch erreichen?
Paul: Dass ich weiter arbeiten kann, dass ich die Projekte machen kann, die mir Spaß machen. Und dass ich irgendwie nicht stehenbleibe. Das wär doch ganz gut.

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